146 Der Improvisator.
seinem Vaterlande, auf einer schmalen Erdzunge zwi—
schen Wogen, die Tag für Tag den kleinen Rest von
Erde fortzureißen scheinen, beerdigt. Weiße Menschen—
knochen ragten aus dem Sande hervor; die Thränen,
die benetzten, ersetzte die Brandung. Oft haben hier
Braut und Gattin der Fischer gesessen, des Geliebten
und des Mannes harrend, der auf das unsichere
Meer zum Fang hinausgezogen war. Die Stürme
tobten stoßweise, die Frauen sangen ihre Lieder aus
Gerusalemme liberata und lauschten auf die Antwort
der Männer, aber die Liebe gab keinen Wechselgesang,
einsam saßen sie da und starrten über das schweigende
Meer hinaus; dann schwieg auch ihre Lippe, ihr Auge
sah nur die weißen Todtengebeine am Ufer, ihr Ohr
vernahm nur die hohle Brandung, während die Nacht
über das todte stumme Venedig emporstieg.
Dies düstere Vild erfüllte meine Gedauken; meine
ganze Gem'“ An DI verlieh ihm ein starkes Co—
lorit. Ernst wi- cine Airche, an das Grab und das
unsichtbare Heilige mahnend, stand die Natur vor
mir. In meinem Ohr hallten Flaminia's Worte
wieder: daß der Sänger, welcher ja ein Prophet
Gottes sei, sich nur bestreben müsse, Gottes Verherr⸗
lichung auszusprechen; dieser Stoff sei der höchste. —
Die unsterbliche Seele soll das Unsterbliche besingen;
der Schimmer des Augenblicks ist ja nur ein wech⸗
selndes Farbenspiel, das mit der Minute, die es
gebar, wieder verschwindet; auflodernde Kraft und
Begeisterung durchdrangen mich, aber bald sank ich
N
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