Full text: (3/5.1878)

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Der Improvifator. 
aber erzeugt Philosophie. Der kecke Kopf, den Mord— 
gedanken beschäftigten, der kühne Adler der Gebirge 
war jetzt ein schweigsamer, gefangener Vogel geworden, 
saß still und vernünftig wie andere abgerichtete Vögel 
in seinem Bauer; ich trat ganz nahe hin. Gewiß 
waren sie erst in den letzten Tagen hingerichtet worden; 
jeder Zug war noch zu erkennen. Aber sowie ich den 
mittleren (einen weiblichen) Kopf anschaute, schlugen 
meine Pulse stärker; es war der Kopf eines alten 
Weibes. Die Haut war gelbbraun, die Augen halb 
offen; langes, silberweißes Haar hing aus dem Gitter 
heraus und flatterte im Winde. Meine Augen fielen 
auf die steinerne Tafel in der Mauer, wo nach alter 
Sitte die Namen und Verbrechen der Hingerichteten 
eingegraben waren. „Fulvia“ stand da. Ich las auch 
den Namen ihres Geburtsortes: Frascati, und bis 
in's Innerste der Seele erschüttert trat ich einige 
Schritte zurück. 
Fulvia, die seltsame Alte, die einmal mein Leben 
gerettet, sie, die mir Mittel verschafft hatte, nach 
Neapel zu kommen, sie, den räthselhaften Schutzgeist 
meines Lebens, mußte ich so wiedersehen! Diese blaß— 
blauen Lippen hatte sie einmal an meine Stirn ge⸗ 
drückt, diese Lippen, die zu der Volksmenge prophe— 
tische Worte gesprochen, Leben und Tod gebracht hatten, 
waren nun verstummt, hauchten durch ihr Schweigen 
Entsetzen aus. Mein Glück hast Tu geweissagt! Dein 
kühner Adler liegt mit zerschmetterten Flügeln da 
und erreichte nie die Sonne. Im Kampfe mit seinem 
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