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Der Improvisator.
Arm und Fuß eingemauert. Vom Dache selbst lächelte
ein schöner Garten von Orangen und üppigen Schling⸗
pflanzen, die wie grüne, sammtne Teppiche über die
Mauer herabhingen. Vor dem Hause blühte eine
Wildniß von Monatsrosen. Zwei kleine schöͤne Mäd—
chen von fechs bis sieben Jahren spielten und flochten
Kränze, aber am schönsten war doch die junge Frau
mit dem weißen Leintuch über dem Haar, die uns an
der Schwelle entgegenkam. Der seelenvolle Blick, die
langen, dunklen Augenwimpern, die edlen Formen
übertreffen jede Beschreibung. Wir begrüßten sie mit
staunender Bewunderung.
„Das schönste Weib ist also Besitzerin dieses
Hauses?“ sagte Gennaro. „Beliebt es der Hausfrau,
zwei müden Wanderern einen Labetrunk zu spenden?“
„Die Hausfrau thut es gern!“ erwiderte sie lä—
chelnd; die schneeweißen Zähne erhoben die Frische der
rothen Lippen. „Ich werde den Wein hier heraus
bringen, allein ich habe nur eine Sorte.“
„Wenn Ihr ihn einschenkt, wird er immer vor—
trefflich sein,“ sagte Gennaro; „ich trinke ihn am
Liebsten, wenn ein junges Mädchen, schön wie Ihr,
mir ihn kredenzt.“
„Aber Eccellenza muß heute mit der Frau vorlieb
nehmen.“
„Ihr seid verheirathet?“ fragte Gennaro lachend.
„so jung!“
„Oh, ich bin sehr alt!“ versetzte sie lächelnd.
„Wie alt?“ fragte ich.