122 Die wilden Schwaͤne.
der Koönig erkor sie zu seiner Braut, obgleich der Erz⸗
bischof mit dem Kopfe schuͤttelte und fluͤsterte, daß das schöne
Waldmaͤdchen sicher eine Hexe sei: sie blende die Augen und
bethoͤre das Herz des Königs.
Aber der Koͤnig hörte nicht darauf, ließ die Musik er⸗
tönen, die koͤstlichsten Gerichte auftragen und die lieblichsten
Mädchen um fie tanzen. Und sie wurde durch duftende
Gärten in praͤchtige Säle hineingeführt, aber nicht ein
Lächeln kam auf ihre Lippen oder sprach aus ihren Augen:
ein Bild der Trauer stand sie da. Dann öffnete der König
eine kleine Kammer dicht dancben, wo sie schlafen sollte; die
war mit köstlichen grünen Teppichen geschmückt und glich
ganz der Höhle, in der sie gewesen war; auf dem Fußbo—
den lag das Bund Flachs, welches fie aus den Nesseln ge⸗
sponnen hatte, und unter der Decke hing das Panzerhemde,
welches fertig gestrickt war. Alles dieses hatte einer der
Jäger aus Curiositaͤt mitgenommen.
„Hier kannst Du Dich in Deine frühere Heimath zurüͤck⸗
träumen!“ sagte der König. „Hier ist die Arbeit, die Dich
dort beschäftigte; jetzt, mitten in aller Deiner Pracht, wird es
Dich belustigen, an jene Zeit zuruͤckzudenken.“
Als Elisa das sah, was ihrem Herzen so nahe lag,
spielte ein Lächeln um ihren Mund und das Blut kehrte
in die Wangen zurück. Sie dachte an die Erlösung ihrer
Brüder, küßte des Königs Hand, und er drückte sie an sein
Herz und ließ durch alle Kirchenglocken das Hochzeitsfest
verkünden. Das schoͤne, stumme Maädchen aus dem Walde
war des Landes Königin.