Full text: Gesammelte Märchen

120 Die wilden Schwäne. 
Mit den feinen Händen griff sie hinunter in die häß⸗ 
lichen Nesseln; diese waren wie Feuer; große Blasen brann⸗ 
ten sie an ihren Handen und Armen; aber gern wollte sie es 
leiden, konnte sie nur die lieben Bruͤder befreien. Sie brach 
—DD 
Flachs. 
Als die Sonne untergegangen war, kamen die Brüder; 
und sie erschraken, sie so stumm zu finden; sie glaubten, es 
wäre ein neuer Zauber der bösen Stiefmutter. Aber als sie 
ihre Hände erblickten, begriffen sie, was sie ihrethalben thue; 
und der jüngste Bruder weinte; und wohin seine Thränen 
fielen, da fühlte sie keine Schmerzen, da verschwanden die 
orennenden Blasen. 
Die Nacht brachte fie bei ihrer Arbeit zu, denn sie 
hatte keine Ruhe, bevor sie die lieben Brüder erlöst hätte. 
Den ganzen folgenden Tag, während die Schwäne fort wa⸗ 
ren, saß sie in ihrer Einsamkeit; aber noch nie war die Zeit 
ihr so eilig entflohen. Ein Panzerhemde war schon fertig, 
nun fing sie das nächste an. 
Da ertönte das Jagdhorn zwischen den Bergen: sie 
wurde von Furcht ergriffen. Der Ton kam immer naͤher; 
fie hörte Hunde bellen; erschrocken floh sie in die Höhle, 
band die Nesseln, die sie gesammelt und gehechelt hatte, in 
ein Bund zusammen und setzte sich darauf. 
Toqreich kam ein großer Hund aus der Schlucht her⸗ 
ve gen, und gleich darauf wieder einer, und noch einer; 
sie bilten laut, liefen zurück und kamen wieder vor. Es 
währte nicht viele Minuten, so standen alle Jaͤger vor der
	        
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