Full text: (3/5.1870)

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Der Improvisator. 
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wollte. Ich ging Abends hin. Die Veronesen saßen 
auf den steinernen Stufen des Amphitheaters, wo ihre 
Urahnen gesessen hatten. Auf der kleinen Bühne wurde 
„la Cenerentola“ dargestellt; es war dieselbe Truppe, 
bei welcher Annunziata gewesen war. Aurelia hatte 
die Hauptpartie. Das Ganze war armselig und traurig 
anzusehen. Das alte antike Theater stand wie ein 
Riese rings um die zerbrechlichen bretternen Buden da. 
Ein Contrebaß übertäubte die wenigen Instrumente. — 
Das Publicum klatschte und rief Aurelia heraus. Ich 
eilte hinweg. — Außerhalb des Raumes war Alles 
still. Das große Riesengebäude warf einen breiten 
dunklen Schatten im klarsten Mondschein. 
Man erzählte mir von den Familien der Capuletti 
und Montecchi, deren Zwiespalt zwei liebende Herzen 
trennte, welche der Tod wieder vereinte: die Geschichte 
von Romeo und Julia! — Mir wurde der Palast der 
Capuletti gezeigt, wo Romeo zum ersten Mal seine 
Julia sah und mit ihr tanzte. Jetzt war das Haus 
ein Gasthof für Fremde. Ich betrat die Treppe, die 
Romeo zu Liebe und Tod hinaufgeschlichen war. Noch 
ist der große Tanzsaal mit verblichenen Bildern an den 
Wänden und großen, bis zum Boden hinabreichenden 
Fenstern vorhanden, allein ringsum häuften sich Heu 
und Stroh, längs den Wänden waren Kalktonnen auf— 
gestellt und in den Winkeln lagen hingeworfene Pferde⸗ 
geschirre und Feldgeräthe. — Hier waren einst Vero— 
na's stolzeste Geschlechter unter wogenden Tönen hin— 
geschwebt, hier hatten Romeo und Julia den kurzen 
Traum der Liebe geträumt; tief empfand ich die Eitel— 
Der Improvisator. 31
	        
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