166
Der Improvisator.
Zuschauers versenkte Leiche. Aber das Herz eines Dich—
ters ist wie Madonna's Grab: Alles wird Duft und
Blumen; die Todte steigt verherrlicht daraus empor und
sein mächtiger Gesang tönt ihr: „Unsterblichkeit!“
Mein Auge ruhte auf Annunziata; Gedanke und
Lippen hatten sich ausgesprochen; ich verneigte mich tief,
und Alle umringten mich mit Dank und Schmeichel—
worten.
„Sie haben mich herzlich erfreut!“ sagte Annun—
ziata und sah mir zutraulich in's Auge; ich wagte,
ihre Hand zu küssen.
Durch meine Dichtung war eine höhere Theilnahme
an mir in ihr erregt; sie empfand schon damals, was
ich selbst erst später erkannte, daß meine Liebe zu ihr
mich verleitet hatte, ihre Kunst und Die, welche sie
ausüben, auf eine Stufe der Unsterblichkeit zu stellen,
die sie nicht erreichen konnte. Die dramatische Kunst
ist, wie der Regenbogen, eine himmlische Pracht, eine
Brücke zwischen Himmel und Erde; sie wird bewundert
und verschwindet mit allen ihren Farben.
Täglich besuchte ich sie. Die wenigen noch übrigen
Carnevalstage verflogen wie ein Traum; allein ich ge—
noß ihre ganze Fülle, denn bei Annunziata trank ich in
langen Zügen eine Lebensfreude, die ich früher nicht
gekannt hatte.
„Du fängst ja an, ein Mensch zu werden!“ sagte
Bernardo, „ein Mensch, wie wir Andern, und hast
doch nur erst aus dem Becher genippt. Ich darf darauf
schwören, daß Du noch nie ein Mädchen geküßt, noch