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Eines Dichters Bazar.
Unter den hohen Bogengängen der Straße wanderte
das Volk auf und ab; Musik und Gesang ertönten aus
den offnen Kaffeehäusern, ich nahm in einem derselben
Platz, in welchem sich gerade ein Künstlerpaar hören ließ.
Der Mann war häßlich, ja mißgestaltet, völlig ein
Zwerg, die Frau dagegen jung und hübsch; sie spielte
die Harfe, er die Violine; seine Stimme klang schön,
es war der brillanteste Baß, so klangvoll und biegsam;
er sang mit Geschmack und Gefühl. — Alle Umher⸗
stehenden wurden aufmerksam. Alle hörten mit Zeitung⸗
lesen auf, Niemand plauderte mit seinem Nachbar; es
war Gesang zu hören, und dasür haben die Italicner
ein Ohr.
Ich bemerkte, daß die junge Frau ihn einmal mit
einem Ausdruck von Milde ansah, mit einem so freund—
lichen Lächeln, daß mir dieses ihr Altagsleben wie ein
Märchen vorkam, seine Häßlichkeit wie eine Verzauberung,
welche sie wohl kannte; sein edleres „Ich“ verkündete
sich ja im Gesang, und einst sollte die häßliche Larve
sinken und sie ihn jung und hübsch erblicken, wie sie
selbst es war.
Alle Gäste zollten dem Ehepaar einen kleinen Tribut;
meiner glitt in seinen Hut hinab, indem man mich in's
Posthaus abrief. Das Gebäude ist ein ehemaliges
Kloster, man muß durch Bogengänge über einen alten
Klosterhof und in die Kirche, eine recht große, italienisch
gebaute Kirche, die jetzt als Wagenremise dient.
Der Mond sendete so viel vicht in die Kuppel,
daß alle Umrisse derselben hervortraten. Der niedrigere