Full text: (18/21.1873)

70 Eines Dichters Bazar. 
beste, meine heiligste Kirche! Hier sagt mir mein Herz: 
„Heute ist Sonntag!“ 
Wir sind wieder in Orsova! Die Messingkugel 
auf dem Kirchthurme glänzt in der Sonne, die Thüre 
steht angelehnt. Wie einsam drinnen! Der Priester 
steht im Meßgewande und erhebt seine Stimme, es 
ist Pater Adam! Der kleine Antonius kniet und 
schwingt das Rauchfaß. Der ältere Knabe Hier o⸗ 
nymus hat mitten im Gange seinen Platz und stellt 
die ganze armenische Gemeinde vor. 
Vor der Kirche, auf dem Markte, wo die Linden 
in der Blüthe stehen, ist großer Tanz für Alte und Junge. 
In der Mitte des Kreises stehen die Musiker, der Eine 
bläst den Dudelsack, der Audere kratzt die Violine. Der 
Kreis dreht sich erst rechts, dann links. Alle sind in 
ihrem besten Putze, in Fransen, Blumen und bloßen 
Füßen; heute ist Sonntag! 
Einige kleine Knaben laufen in bloßen Hemden, 
aber mit einem großen Mannshut auf dem Kopfe; 
auf dem Hute prangt eine Blume. Die Honoratioren, 
Herren und Damen, ganz wienerisch gekleidet, wan⸗ 
dern vorbei und schauen auf das Volk, das tanzende 
Volk! Die rothe Abendsonne scheint auf den weißen 
Kirchthurm, auf die gelbbraune Donau und die wald— 
bewachsenen serbischen Berge; möchte sie in mein Lied“ 
scheinen, wenn ich davon singe! Wie hübsch und lebhaft! 
Wie frisch und eigenthümlich! Alles deutet auf ein Fest, 
Alles deutet darauf: Heute ist Sonntag! 
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