Vorwort.
Beschaftigt mit den Vorbereitungen zur Vollendung meiner
Arbeit 'Die altnordische Sprache im Dienste des Christentums" (Acta
germ. I, S. 307 ff.), deren zweiter Teil, der die Poesie behandeln soll,
noch aussteht, schien es mir wünschenswert, bei der verhältnis-
mäßigen Dürftigkeit des aus älterer Zeit vorhandenen Materials
weiteren Stoff heranzuziehen. In dem Buche Jón Þorkelssons "Om
digtningen pä Island i det 15. og 16. árhundrede' findet man einen
Überblick über die Dichtung jener Zeit, die zum großen Teil sich
auf kirchlichem Gebiet bewegt. Aber fast alle diese Gedichte ruhen
noch in den Handschriften, zu ihrer Verarbeitung würden Jahre ge-
hören. Für meinen Zweck erschien es mir nun ausreichend, wenn
ich auch nur einige von ihnen einer genaueren Betrachtung unterzöge,
einmal. um zu zeigen, daß in jener Zeit in manchen Punkten die
dichterische Sprache und die Behandlung geistlicher Stoffe sich
änderten, zum andern aber, daß sie vielfach auch in den alten Bahnen
sich fortbewegen.
Das des weiteren auszuführen, wird Sache jener von mir vor-
bereiteten Arbeit sein, die anderer Studien halber lange ruhen mußte
Ich wählte einige der ältesten der von Jön Þorkelsson angefihrten
Gedichte aus, die alle etwa der Zeit um 1400 angehören. Während
eines Aufenthaltes in Kopenhagen im Frühjahr des vorigen Jahres
nahm ich die Abschriften aus den Handschriften. Bei der Lesung
schwierigerer Stellen unterstützten mich in liebenswürdigster Weise
die Herren Dr. Kálund, Dr. Finnur Jónsson und Dr. Jón Þorkelsson
d. J.; die beiden letzten hatten auch die Freundlichkeit, später, als
ich an der Richtigkeit einiger Lesungen zweifelte, verschiedene Stellen