Hur Unterhaltung
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeituug (Rsndsburger Tageblatt»
Mittwoch, den 19 Dezember 1934
Ven-Sburger Originale vor hundert Jahren.
In seinen „Kriegs- und Friedens-
bilöern", die 1864 in Stuttgart unter
dem Titel „Schleswig-Holstein meer
umschlungen" erschienen, gedenkt Graf
Adelbert Baudissin mit besonderer
Liebe seiner in Rendsburg verlebten
Jugendjahre.
Mit köstlichem Humor zeichnet er
die Originale jener Zeit. Ihr Bild
aus vergilbten Blättern ins Leben
zurückzurufen, ist heute besonders
reizvoll.
^ Gespenst.
■Mi Fuß war er hoch, der kleine Mann. Er
ņe einen dunkelblauen Schniepel an mit
Knöpfen. Eine Hand breit unter der
hing seine Uhrbummelage herab, die bei
Schrittchen hin- und herbaumelte. Er
"8 einen alten, abgetragenen, aber sorgfältig
Dürsteten Hut und einen Spazierstock, der
^seinen Besitzer viel zu groß war.
,/ach Sonnenuntergang verließ das Männ-
» ņ seine Wohnung, um mit dem Totengräber
'^sunösechzig zu spielen. Weil er nur abends
- Halbdunkel ausging und hinter jedem
?>ch und Knick wegen seiner Kleinheit dem
entschwand, stand der Kleine im Ver-
A Plötzlich in die Erde versinken und sich
Achtbar machen zu können. Einige waren
, 1 Meinung, daß er mit den Elfen und Al-
Mnchen Hexengold fabrizierte. Sowie der
j/ìne sich zeigte, war die ganze Jugend auf
J 1 Beinen. „Gespenst! Gespenst!" ertönte es
^ einem Ende der Stadt zum andern. Alles
Jj. und rannte — nur das kleine Männchen
A Mit schnellen trippelnden Schritten
M)te es über den Exerzierplatz, bei der
Mptwache vorbei, zum Holstentor hinaus —
weg war es! Furcht und Angst ergriff die
Eueren Gemüter,' die größeren und beherz
ten Knaben aber nahmen sich vor, am an
tu Morgen beim hellen Sonnenschein zu
tluchen, das Elfenloch zu entdecken, in dem
j?* Männlein kaum zwanzig Schritte vor
A« verschwunden war. Schaufel und Spa-,
t wollten die Entdecker mitnehmen und das
Keugold ausgraben. Während so tausend
şine entworfen wurden, saß das kleine
Anlein schon längst mit seinem Freunde
jUter einem Wacholderschnapps und klagte
die bösen Buben, die ihm das bißchen
An verbitterten.
jahrelang lebte das Männlein von Pfann
kuchen, die es selbst backte. Nach dem ungeheu
ren Vorrat, den die Polizei nach seinem Tode
mit Schimmel bewachsen in seinem armseligen
Zimmer umherliegen fand, zu urteilen, muß
der Kleine sie engros fabriziert haben.
In einer Ecke des Zimmers fand man die
Leiche des kleinen Mannes, den Hut auf dem
Kopf, den Stock in der Hand, die Uhrkette aus
der Tasche hängend. Wahrscheinlich hatte den
Kleinen der Schlag gerade in dem Augenblick
getroffen, in dem er im Begriff war, seinen
einzigen Freund auf Erden, den Totengräber,
zu besuchen.
Auch so kam er zu ihm; aber nicht mehr zum
Kartenspiel
Barbier Hühnerauge.
Schade, daß er nicht in unseren Tagen lebte!
Er wäre ein dankbares Versuchsobjekt gewe
sen für Dr. Unblutig, für „Lebewohl" und
andere Hühnerangenmedikamente.
Seine Hühneraugen machten ihm dermaßen
zu schaffen, daß er unter beständigen Gesichts
verzerrungen über das Straßenpflaster hum
pelte. So böse Pein verursachte ihm das
Gehen, daß er nicht imstande war, seinen Quäl
geistern, den Straßenjungen, nachzulaufen und
ihnen (wie er täglich gelobte) den Hals abzu
schneiden.
„Hühnerauge" trug einen weißen Filzhut,
der ihm hinten im Nacken saß, einen grünen,
an den Aermeln fettig glänzenden Frack, große
Ktteelci ans aller Wett.
Deutsche Weihnachtslieder.
Wieder sind sie erwacht zu heißem Klingen,
die Weihnachtslieder. Es ist ein Wundersames
um den Klang dieser Lieder. So einfach sind
sie, so schlicht, so anspruchslos. Und doch sind
sie lebendig im ganzen deutschen Volke, gehen
über die ganze Erde, wecken immer wieder in
den Seelen Tiefstes und Reinstes auf. Es ist,
als ob sie aus einem unergründlichen Born
schöpfen, immer wieder.
Woher diese wundersame Wirkung kommt?
Menschen sind diese Lieder zugefallen, die
ganz erfüllt waren von dem heiligen Gefühl
weihnachtlicher Erwartung, hingegeben an
das Wunder, das aus der deutschen Winter
nacht friedvoll deutscher Seele aufblüht. Das
ließ sie den weihevollen Klang finden, der
stets aufs neue aufs stärkste ergreift.
Wieviel mehr dürfen sie uns gelten heute,
da wir uns bewußt geworden sind der großen
Werte, die gerade in unsern Volksbräuchen
liegen, ganz besonders aber in den schönen
Bräuchen, die sich um das Weihnachtsfest schlin
gen. Nein, wir wollen sie uns nicht nehmen
lassen. Sie sollen alljährlich anfs neue erklin
gen; sollen unsere Kinder erfreuen und ihnen
ein Fest schenken, eine Erinnerung gebend, die
sie durchs ganze Leben begleiten wird. Und
wir selbst lauschen ihnen wieder, lassen unsere
Gedanken und unser Fühlen zurückgreifen in
die lichtüberflutete Kindheit, in der diese Lie
der in uns erst die rechte Festesstimmung ga
ben, uns dazu führten, an ein heißes Wunder
zu glauben. Wir wollen uns dieses Fest durch
keine noch so beredsame Erwägung trüben las-
Millionen... m»«gesucht
Roman von Carl Otto Winöecker.
Nachdruck verboten.
.Peter nickte grübelnd vor sich hin. Scheu,
jMHer glitt sein Blick zu Richetzky hinüber,
^ überlegend in seinem Sessel lag und zur
z..Ee des Zimmers hinaufstarrte. Frau Lilly
iA viel zuviel Schönheitsgefühl, als daß
? Verlobter nicht ein hübscher Mensch ge-
An wäre. Aber — sollte diese Aeußerlich-
j nicht zu sehr zur Hauptsache geworden
A? Auch er war groß und schlank. Sein
Acht war gut geschnitten, aber von einer
^n, nichtssagenden Schönheit und von aus-
vrochener Arroganz. Sein Haar war
Arz und glänzend. Den unsteten Blick
Ar dunklen Augen mochte Peter nicht. Auch
A Hände nicht, die weiß, frauenhaft waren
C seine Worte so gern mit großen, runden
A« begleiteten. „Künstlerhände", pflegte
. Lilly oft zärtlich zu sagen. Diese Zart
heit und diese Liebkosung verstand Peter
hi. Sie machte ihm die Mutter fremd, wie
hihaupt das Auftauchen Richetzkys ihm die
lj-siier ferner gerückt hatte, so fern, daß er sich
fühlte. Daß er Richetzky oft haßte.
es war nichts von der frohen Stim-
iAö in den drei Menschen, die man sich von
Rückkehr aus Indochina erhofft hatte.
L üeter nicht, der milde, zerschlagen von der
jhen Reise zurückgekommen war, bei der
säst das Geld zur Rückfahrt nicht gereicht
in Lilly Hartmann nicht, die geglau tt
kl 4 ^aß alle Sorgen ein Ende Hütten und
s»Anfang eines neuen, froheren Lebens ge-
ijAn sei. Und nicht in Richetzky, der wohl
iiih Millionenerbschaft einkalkulierte, als er
lvhüt der um zwölf Jahre älteren Frau ver-
1 hatte
êîn Fiasko also", nahm Richetzky zuerst
k°A das Thema auf. „Zunächst wenigstens,
h^nke — bitte, Peter, reiche mir noch ein-
£ das Testament herüber."
»hhwohi Peter als auch Lilly Hartmann
iîiļj 11 überrascht. Richetzky lächelte. Aber
öeh plötzliche Ruhe, seiw Lächeln wirkten
khhzu aufreizend. Aufreizender als sein
Hutausbruch, als Peter berichtet hatte,
fiw Lilly und Peter wechselten einen ver-
üislosen Blick, während Peter die Testa
mentsabschrift — das einzige Positive seiner
Reife — Richetzky hinreichte.
Richetzky überflog sie noch einmal kurz. Dann
sah er auf, und ein schlaues Lächeln war in
seinem Gesicht.
„Wir wollen resümieren", meinte er sachlich.
„Peter hat in Halong so gut wie nichts erreicht
— und vieles zugleich. Charles Lobell ist ver
schwunden und tot erklärt. Er hat sein Testa
ment bei dem Notar Duchanel deponiert, der
inzwischen verstorben ist. Das Testament be
fand sich bei seinem Nachfolger Robert Dupont.
Was aber aus dem Nachlaß deines Groß
onkels geworden ist, weißt du nicht?"
Peter schüttelte den Kopf.
„Keine amtliche Stelle konnte Auskunft
geben?"
„Niemand."
„Dupont auch nicht?"
„Dupont wußte gar nichts von dem Testa
ment; er ließ in alten Akten suchen, bis er es
fand."
„Und die Ländereien und Güter Charles
Lobells?"
„Sind in anderem Besitz."
„Schön." Richetzky sah wieder auf die Testa
mentsabschrift nieder. „Fünf Millionen lassen
sich nicht von heute auf morgen in alle Winde
zerstreuen. Die Hinterlassenschaft muß da sein
— vielleicht ist sie gestohlen."
Lilly und Peter sahen aus.
„Natürlich", ereiferte sich Richetzky. „Im
Jahre 1924 erhaltet ihr Nachricht, daß Lobell
seit acht Jahren verschwunden ist. Einfache
Rechnung: das war im Jahre 1916, während
des Krieges also. Bestimmt wußte man dort
in Halong, daß Lobell eigentlich Löbel hieß
und Deutscher war. Die Sache ist doch klar.
Man hat von euch die Beantragung der To
deserklärung eingefordert und dann vergessen,
daß Löbel längst die französische Staatsange
hörigkeit erworben hatte, und hat kurzerhand
das Vermögen konfisziert."
„Unsinn", murmelte Peter nervös.
„Warum Unsinn, Peter?" warf Lilly Hart
mann ein, die zu Richetzkys Worten eifrig ge
nickt hatte. „Natürlich ist es so, wie Jo sagt.
Aber wie, Jo, können wir nun die Erbschaft
freibekommen?"
sen, sondern alles pflegen, was zu ihm gehört,
vornehmlich aber die Lieder. Denn alles, was
wir gewännen, wäre nur ein Verlust.
12 vog Felszeichnungen in den See-Alpen.
Auf der italienischen Seite der See-Alpen
zwischen dem Col di Tenda und Bordighera
stößt der aufmerksame Beschauer der Land
schaft Schritt für Schritt auf unzählige Fels
zeichnungen, Darstellungen von Menschen,
Tieren, Gegenständen aller Art, und seit lan
gem bemühen sich die Forscher, die Herkunft
dieser aus weit zurückliegenden Zeiten stam
menden Zeichungen festzustellen. Vor einiger
Zeit hielten sich zahlreiche englische Studenten
in der Gegend auf, um diese rätselhaften Bil
der eingehender, als es bisher geschehen war,
unter die Lupe zu nehmen. Man stellte dabei
fest, daß Forscher aus dem 17. und 18. Jahr
hunderts sich ebenfalls um die Aufklärung des
Geheimnisses bemüht und ihren Namen und
den Zweck ihres Vorhabens selbst in den
Felsen eingraviert hatten. Man fand auch die
Inschrift eines Franziskaners aus dem Jahre
1307, was beweist, daß die Bilder schon da
mals Interesse erregt haben. Ein Bildhauer
aus Turin, der sich am gründlichsten mit der
Frage beschäftigt hat, beziffert die Zeichnungen
auf insgesamt 12 000. Unter den Tieren sind
besonders Ochsen dargestellt, unter den Gegen
ständen primitive Pflüge und Waffen. Auch
Spinnen und Skorpione spielen eine wichtige.
Rolle. Eine größere Anzahl von Zeichnungen
konnte nicht enträtselt werden. Demnächst
wird ein Buch erscheinen, in dem alle diese
Felsbilder wiedergegeben sind.
Io Richetzky machte eine seiner wohlgerun
deten Gesten. „Sehr einfach", meinte er lässig.
„Wir werden den französischen Staat ver
klagen."
„Dazu werden wir das Geld wohl kaum
auftreiben", bemerkte Peter spöttisch.
„Nicht? Ach!" Richetzky lächelte hämisch.
„Hast du nicht gesehen, Peter, daß nicht deine
Mutter allein zum Erben ernannt ist, son
dern einige dreißig Personen der geschätzten
Familie Löbel? Oder mehr? Bitte, hier —"
Er suchte in der Testamentsabschrift: „Erstens
mein Bruder Eduard Löbel und dessen direkte
Nachkommen, zweitens die Nachkommen des
Bruders Georg und Johann meines Vaters
und des Bruders Peter und der Schwester
Sophie meiner Mutter und so weiter und so
weiter. Und hier: die Nachkommen meines
Bruders Eduard sollen zwei Drittel meiner
gesamten Hinterlassenschaft anteilig erhalten.
Das dritte Drittel soll unter die übrigen hier
erbberechigt angeführten Personen zu gleichen
Teilen verteilt werden. — Da jede dieser Per
sonen ein ganz schönes Stück Geld zu erwar
ten hat, wird es nicht schwer werden, sie von
der Notwendigkeit zu überzeugen, daß wir zur
Hebung dieses Schatzes flüssige Mittel brau
chen. Dringend brauchen."
„Das ist doch alles kompletter Unsinn!" brach
Peter los. „Die ganze Erbschaft hängt mehr
denn je im blauen Dunst."
„Das meinst du nur", unterbrach ihn
Richetzky mit erhobener Stimme. „Das ist eine
Ansichtssache. Ich betrachte die Angelegenheit
von einem ganz anderen Standpunkt aus.
Unsinn und lächerlich war nur, daß du, mein
lieber Peter, wie ein Verbrecher in der Nacht
zurückgekommen bist. Kein Mensch wird uns
jetzt glauben, daß wir fünf Millionen zu er
warten haben, jeder wird sagen: das haben
wir ja gewußt, die ganze Geschichte ist erlogen
und erstunken. Und morgen können wir Ein
trittskarten ausgeben, daß sich die Gläubiger
nicht so drängeln."
Er schlug mit der Hand auf den Tisch.
Sv kommen wir nicht weiter. Das Testa
ment besteht, der Erbanspruch ist berechtigt.
Lasse mich bitte ausreden", unterbrach er sich,
als er die heftige Bewegung bemerkte, mit
der Peter hochfuhr. „Ich sage nochmals: der
Erbanspruch ist berechtigt. Und wenn wir
daraus keine Vorteile ziehen, so verdienen
Pelzhandschuhe und Stiefel, die recht gut als
Kanonenboote Hütten dienen können.
Sobald er der lieben Jugend ansichtig
wurde, blieb er stehen wie ein gehetzter Hirsch,
der sich von der Flucht nichts, von seinem Ge
weih aber die letzte Rettung verspricht. Sobald
die Straßenjungen ihn aufgespürt hatten, um
kreisten sie ihn und, unbarmherzig, wie die
Jugend ist, riefen sie ihm zu: „Rasieren Sie
mich! Rasieren Sie mich!" — „Den Hals
schneide ich euch ab, Satansbrut!" antwortete
der Barbier zähnefletschend. Kam ihm ein
Knabe recht nahe, dann konnte er der Ver
suchung nicht widerstehen, einen Löwensprung
nach seinem Feinde zu machen, sank aber gleich
darauf wie ein Taschenmesser zusammen vor
Schmerz und stieß einen so kläglichen Jam
merlaut aus, daß selbst der hartgesottenste
Straßenjunge wohl einige Sekunden Mitleid
fühlte.
Einen bösen und recht rohen Streich spielte
dem Vielgeplagten eines Tages ein Metzger.
AIs der arme Barbier sich gerade wieder in
der allerhöchsten Not befand, hielt der Metzger
seine Pferde an. „Wie geht's, Bruder Bar
bier?" rief er dem Gefolterten zu und streckte
ihm seine rechte Hand entgegen. Voll Freude,
einen Retter gefunden zu haben, legte der
Barbier seine Hand in die Riesenpfote seines
Retters. Gerade wollte er anfangen, über die
bösen Buben zu klagen, da trieb der Metzger
seine Pferde an, sie liefen im Galopp, der Bar
bier mußte mit — man frage nur nicht wie!
Endlich gelang es ihm, sich aus der Hand des
falschen Freundes zu befreien. Wutentbrannt
und von Schmerzen geplagt, schleuderte er ihm
Scheerbeutel, Bartbecken, Rasiermesser und
Seifenkugel nach.
Drei Tage darauf starb der Geplagte, dem
unsere Zeit vielleicht hätte helfen können.
H. B.
Heilere Ecke.
„Fräulein, was soll das bedeuten — hier im
Suppenteller schwimmt eine Ameise!?"
„Was weiß ich, was das bedeuten soll. Ich
bin hier als Kellnerin tätig und nicht als
Prophetin."
* -I
Während der Aufführung eines Festspiels
unterhalten sich zwei Zuschauer des dritten
Ranges.
„Sagen Sie mal", fragt der eine, „sind das
nicht Jamben?"
„Ich weiß nicht", erwidert der andere, ich
kann von meinem Platz auch nicht so weit
sehen."
wir es nicht besser, als daß morgen Mayer,
Schulze, Müller anrücken und ihre Rechnun
gen präsentieren. Darum nochmals: das Erbe
von fünf Millionen besteht zu Recht. Und
wenn wir kein Geld haben, um dieses Erbe
anzutreten, so müssen wir es uns eben beschaf
fen. Und da wir es uns nicht aus den Rippen
schneiden können ,so werden wir uns eben an
die vollen Geldbeutel unserer Mitberechtigten
halten. Und damit wir nicht von Anfang an
unglaubwürdig erscheinen, wird Peter heute
noch nicht zurückgekommen sein."
„Wie — wie meinen Sie das?" fragte Peter
ohne Verstehen. Zwar duzte er sick/ auf Be
treiben seiner Mutter schon lange mit deren
Verlobten. Aber in Stunden der Erregung
vergaß er das leicht.
„Wie ich das meine?" antwortete Richetzky
sanft und kniff das eine Auge zu. „Sehr ein
fach. Willst du vielleicht behaupten, wie ein
Anwärter auf eine Fünfmillionenerbschaft zu
rückgekommen zu sein? Bei Nacht und Nebel?
Dritter Klasse Personenzug — wenn ich mich
nicht irre? Mit zertragencm, keineswegs mehr
sonderlich elegantem Anzug? He? Bluff, mein
Lieber! Das fehlt. Wer nicht blnfft, dem
glaubt man nicht."
Peter hatte ein zorniges Gesicht. Aber er
schwieg.
„Du siehst das ein?" erkundigte sich Richetzky
liebenswürdig. „Schön. Dann wirst du mor
gen nacht — heute wirst du wohl zu müde sein
— nach Frankfurt zurückfahren und dich erst
einmal von Kopf bis Fuß einkleiden."
„Womit?" unterbrach ihn Peter brüsk.
„Egal", antwortete Richetzky großartig.
„Ganz egal. Dieses Geld muß — verstehst du,
Lilly — muß beschafft werden. Dann begibst
du dich freundlichst auf die Bahnpost und gibst
ein Telegramm ungefähr folgenden Inhalts
auf: „Ankomme noch heute per Auto. Erb-
schaftsangelegcnyeit geregelt. Anspruch effektiv
noch höher, als erwartet. Kuß Peter." Eine
Stunde nach Eingang des Telegramms weiß
das ganze Städtchen davon. Ich müßte unsere
Telephonistinnen auf dem Postamt nicht ken
nen. Dann mietest du dir in Frankfurt einen
großen, feudalen Wagen und kommst — selbst
verständlich noch bei Tageslicht — hier an. Du
verstehst?"
(Fortsetzung folgt.)