Full text: Newspaper volume (1934, Bd. 4)

Dev Sonntagsfreund 
Nr. 293 
Beilage der Schleswļg.Holfteļnischen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt) 
Sonnabend, den 13. Dezember 1934 
SsnKèaAsgàķàêr« 
Du aber sei nüchtern allenthalben, leide 
dich! (2. Tim. 4, V. 5.) 
(®rof;e Erwartungen enden oft mit bitteren 
^Täuschungen. Geht es nicht unsern 
."ventserwartungen auch so? Von „großer 
die allem Volke widerfahren soll", von 
»'söhlicher, seliger Weihnachtszeit" singen und 
wir. Vielleicht unbewußt und in sich 
"klar, darum aber um so tiefer spannt sich 
^ unserer Brust das Netz einer unendlichen 
Ansucht, einer großen Hoffnung, die alles 
-er Welt einsangen möchte. Muß da 
îcht die Enttäuschung folgen, wenn wir z. B. 
an die viele Armut, die Zerrissenheit des 
Fleins, die Bitterkeit der Herzen denken, die 
L der Welt ist und bleibt und durch keine 
Weihnachtsfeier gebannt wird? Versteht man 
? nicht, wenn viele noch im Gedenken an 
-N furchtbaren Weltkrieg, der Väter und 
er hinweggerafft, von einer „Liebe" 
. 's nichts hören mögen und sich darum 
allem Christentum abwenden? 
jAtá doch gilt es, genauer hinzusehen. Ent 
aschung kann entstehen auf zweierlei Weise: 
"ist möglich, daß zu viel verheißen und dann 
gehalten wurde,' es ist aber auch möglich, 
tt s mau etwas erhofft, was man sich selbst 
Wäscht, und das dann in die Verheißung 
^einlegt, obwohl diese selbst etwas anderes 
Ant und meint. Darum ist eine nüchterne 
Astellung die erste Bedingung, welche gegen 
^ttäuschung schützt. 
schön und innig unsere deutsche Art, 
Weihnachten zu feiern, auch ist, sie bringt uns 
leicht in Gefahr, das Aeußerliche, Gaben- 
şch, Kerzenschimmer, Familiengemütlichkeit 
üergl. zu überschätzen, die Sinnbilder für 
Wesen zu nehmen. Hinzutritt, daß oft 
ņ>ere gesamte Frömmigkeit überhaupt auf 
M)ts anderes als unser persönliches Wohl- 
Anden gerichtet ist, daß wir Gott im 
Grinde nur suchen, „auf daß es uns wohl- 
şihe". Wenn es dann im Leben anders 
Amt und wir vielleicht aus dem Druck nie 
Şîrausgelangen, dann muß es ja freilich zu 
îņer Enttäuschung werden. 
Aber wo im Neuen Testament gibt Jesus 
,?s das Recht dazu, ein unbeschränktes irdi- 
As Glück als seine Verheißung zu erwarten? 
^arum dient es zur rechten Zurüstung, die 
A Advent uns bringen soll, daß wir „allent- 
^ben nüchtern" werden. Schauen wir aber 
Nüz ruhig und unbefangen auf die Wege, die 
. °ti in seinem Reiche und mit den Seinen 
Pt so sehen wir überall durchaus nicht rote 
und volle Taschen, sondern eher das 
Gegenteil, schweres, oft unverschuldetes, d. h. 
j? unserer Sprache „ungerechtes" Leid. Alle 
Apheten z. B. haben als „Lohn" für ihre 
î Achaft Haß, Verfolgung, oft den Tod geern- 
J der „königliche" Seher Jesaias macht 
»’Je Ausnahme —. Johannes der Täufer, 
. ben Gedächtnis der 3. Advent gewidmet ist, 
Atzte im dunklen Verließ sein Haupt auf den 
şikerblock legen, weil ein leichtfertiges Mäd- 
% eine ehebrecherische Frau es forderten 
Das deutsche Weihuachtslte- aus Sestereeichs Verge« 
ein trunkener Fürst es befahl. 
Aenrvallen hebt die Not mit der 
In Jesu 
Krippe an, 
Mit dem Kreuze zu enden. Paulus, der 
r Leitwort geschrieben, führt ein Leben, 
eine Kette von Verfolgung und Ent 
erung ist. Er kennt das große Gesetz, daß 
Tiefe und Große aus Opfern geboren, 
A,das Reich Gottes im Kleinen wie im 
^6en durch Leiden gewonnen wird. 
^AUrum das so ist, wollen wir hier nicht im 
Aelnen untersuchen. Teils wird unser 
ijAE für die innere Welt erst wach, wenn die 
. »ere TO tt ihrem blendenden Glanz zusam- 
tzxbvricht. Das ist sicher, daß dort, wo ein 
tz/At trotz Leid und Weh „Glauben hält", ein 
Aahi göttlicher Herrlichkeit in die Welt 
Ausleuchtet. Aber ganz werden wir 
kjj""es Lebcnsgesetze überhaupt nicht erklären 
Asten. Es ist indes schon genug, wenn wir 
[J* nur klar machen, daß Gott uns durch 
tzA Verheißungen nicht dazu einlädt, das 
>h. ^ll zu genießen, sondern seine Kinder zu 
Itk* , und daß dazu die Trübsal, die er uns 
Rz ' als Hilfe dienen soll und kann. Wer 
ertönt und nun als Hilfe und Segen hin- 
s^llllt, auch was Gott ihm im Leben Schweres 
Ik, y der bleibt nüchtern und tief gegründet 
0 schlägt Wurzeln im Reiche Gottes. 
Zoologischen Garten in London hat man 
1(1'Jļui^ allerlei Versuche das Verhältnis 
Ses.^iere zur Musik festzustellen versucht. Es 
sich, daß Wölfe einen unüberwindlichen 
gegen Geigenmusik haben. Wenn ein 
ì” hinter dem Wolfskäfig Geige spielt, be- 
bie Tiere sofort zu heulen und klem- 
l>ş.°en Schwanz zwischen die Beine, während 
i>z Mnen die Haare auf dem Rücken sträuben, 
ll -er Musikant später vor dem Käfig er- 
' springen die Wölfe wild gegen das 
um sich auf ihn zu stürzen. 
„Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, 
einsam wacht, nur das traute, heilige 
Paar,' holder Knabe im lockigen Haar, 
schlafe in himmlischer Ruh', schlafe in 
himmlischer Ruh'." 
(1787—1863) ..„ Komponist Lehrer Franz 
Gruber. 
(1792—1848t) ... Dichter Kaplan Josef 
Mohr. 
Mächtig durchbrausten die Orgelklänge die 
Hallen der hell erleuchteten Kirche zu Obern 
dorf in Oesterreich im Jahre 1833, — dann 
tiefe Stille! Und nun sang der Priester am 
Altare das „Christus natus eft". Der Organist 
Gruber beugte sich weit vor, seine Blicke hin 
gen an dem Priester und er erkannte in ihm 
Kaplan Josef Mohr, der vor 18 Jahren Hilfs 
priester in Oberndorf war. Die Christmette 
nahm ihren Verlauf. Beim Schlüsse überließ 
sich der treffliche Organist seinen frommen 
Gefühlen und entlockte der Orgel liebliche 
Hirtenklänge. Franz Gruber hatte noch nie so 
trefflich gespielt,' heilige Ruhe herrschte in der 
Kirche, selbst der Priester weilte noch, in An 
dacht versunken, am Altare. Da horch! Es 
ringt sich plötzlich aus dem Meer der Orgel 
töne die einfache, fromme Weise des Liedes 
„Stille Nacht, heilige Nacht" empor. Zuerst 
leise und unsicher, dann lauter und bestimmter 
singen einzelne Gläubige mit. Siehe! Wieder 
falten sich die Hände, wieder senken sich die 
Knie, und die Kirchenbesucher, alle stimmten 
ein in den frommen Gesang, der bei der Stelle 
„Christ, der Netter ist da!" wie ein mächtiger 
Jubelchor der dankbaren Menschheit brausend 
anschwoll. In Franz Grubers Augen er 
glänzten Tränen tiefer Rührung,' er zog alle 
Register der Orgel und schloß die Christmette 
auf wirksame Weise mit einer mächtigen 
Pastoralfuge. 
Gruber merkte nicht, daß mittlerweile ein 
Herr auf den Chor gekommen war und sich 
hinter ihm aufstellte. Mit Wohlgefallen 
lauschte der Fremde dem kunstvollen Spiel des 
Organisten. Als dieser geendet, berührte der 
fremde Herr dessen Schulter und sagte: „Ich 
danke Ihnen, Herr Gruber, aus vollster Seele 
für Ihr seelenerschütterndes Spiel. Diese 
Christmette bleibt mir unvergeßlich! Sie 
werden von mir hören." Er verbeugte sich und 
fügte hinzu: „Ich bin der Bürgermeister von 
Hallein." 
Jetzt trat auch Kaplan Josef Mohr auf beide 
zu und umarmte den Organisten. 
„Ich Lanke Ihnen für die hohe Freude, die 
Sie mir durch das Absingen des Weihnachts 
liedes bereiteten!" sprach der Priester. 
„Ich schließe mich diesem Danke an", be 
merkte der Bürgermeister. „Es ist ein herr 
liches Lied, ein echtes Volkslied, dessen un 
beschreibliche Wirkung auf Herz und Gemüt ich 
noch nie so tief empfunden habe wie in der 
heutigen Christnacht. Leider ist der Tondichter 
unbekannt." 
„Hier steht er", erwiderte Kaplan Mohr und 
zeigte auf den Organisten Franz Gruber, der 
beide Hände abwehrend erhob. „Jawohl, Herr 
Gruber, weshalb soll ich es verschiveigen, daß 
Sie meine kleine Dichtung durch Ihre muster 
hafte Komposition zu einem Volkslieüe 
machten? Auch Ihnen, Herr Bürgermeister, 
habe ich etwas zu gestehen. Ich habe fast in 
letzter Stunde erfahren, daß Herr Gruber sich 
um die Chordirektorstelle in Hallein bewor 
ben hat. Die Halleiner mußten den Mann 
kennenlernen, so oder so. Da ich nun wußte, 
daß Sie, Herr Bürgermeister, die heilige Weih 
nachten bei Ihrer Tochter in Laufen drüben 
zubringen, so habe auch ich meinen Besuch in 
Oberndorf angemeldet und so vermocht, der 
Christmette in unserer altehrwüröigen St. 
Nikolauskirche beizuwohnen." 
„Wofür ich Ihnen herzlich danke", fiel ihm 
der Bürgermeister ins Wort. Dann wendete 
er sich abermals an Franz Gruber, drückte ihm 
die Hand und empfahl sich mit den Worten: 
„Die heutige Christmette sei Ihnen nicht ver 
gessen, Herr Gruber. Auf Wiedersehen!" 
Am Silversterabend brachte der Postbote 
einen Brief aus Hallein, der ein großes Amts 
siegel trug und ein so feierliches Aussehen 
hatte, daß Gruber sogar eine gewisse Scheu er 
griff, diesen zu öffnen. Der Brief brachte ihm 
seine Ernennung zum Chordirektor von 
Hallein. 
Das Weihnachtslied „Stille Nacht" wurde 
das erste Mal am Weihnachtsfeste im Jahre 
1818 vom Kaplan von Oberndorf, K. Josef 
Mohr in der St. Nikolauskirche in Oberndorf 
und von Lehrer Franz Gruber durch Orgel- 
spiel vom Chore dieser Kirche begleitet. So 
haben uns die Deutsch-Oesterreicher ein Volks 
lied gegeben, das nun weit über Deutschlands 
Grenzen als das beste Weihnachtslied an 
gesprochen wird. 
Der Hilfsbund der Deutsch-Oesterreicher hat 
eine von dem Wiener Graphiker Kurt Brieger 
entworfene Weihnachtskarte im Vierfarben 
druck unter dem Titel „Das deutsche Weih- 
nachtslied aus Oesterreichs Bergen" heraus^ 
gebracht, um uns durch diese Weihnachtskarte 
die tiefe Verbundenheit des deutschen Bruder- 
stammes jenseits der Reichsgrenzen vor 
Augen zu führen. Diese Karte sollte überall, 
wo die deutsche Sprache erklingt, als Weih 
nachtsgrußkarte Verwendung finden. 
ļhrèfikmd auf Weltreise. 
Wie andere Völker das Weihnachtsfest begehen. 
Von Annemarie Lancken. 
Fast überall auf der Erde gibt es Menschen, 
die ein Weihnachtsfest feiern, doch nicht über 
all immer zur gleichen Zeit und zumeist sind 
Brauch und Umstände verschieden. Die Fest 
lichkeiten der griechisch-katholischen Kirche 
beginnen beispielsweise 13 Tage später als die 
der anderen christlichen Religionen. 
Das Weihnachtsfest anderer Völker unter 
scheidet sich oft wesentlich von dem unseren, 
das tief in das deutsche Gemütsleben eingreift. 
Zum Teil hat es sehr wenig mit dem zu tun, 
was wir „Heiligabend" nennen. 
Ein lustiger Rummelplatz ist Paris zur 
Weihnachtszeit. In den Avenuen sind Ver 
kaufsbuden aufgebaut, weiter draußen in den 
Vorstädten kleine Jahrmärkte, Schaubuden 
und Karussels aufgeschlagen. Zu Weihnachten 
will man sich amüsieren. Wochenlang vorher 
hat man in den Theatern, den Kabaretts, den 
Varietes Plätze bestellt. Die großen Restau 
rants sind ausverkauft. Für den Franzosen 
ist das Weihnachtsfest undenkbar ohne das 
große Souper, das um 12 Uhr nachts beginnt 
und bis zum Morgen dauert. Madame und 
Monsieur sind in großer Toilette. Das Schen 
ken spart man sich bis zum Neujahrstage auf. 
Daher ähnelt das Weihnachtsfest drüben mehr 
unserer Sylvesterfeier, lustig lärmend, sich 
verbrüdernd, zieht man durch die Straßen, 
bewirft sich mit Lustschlangen und Konfetti- 
Weihnachtsbäume sieht man nur in den 
großen internationalen Hotels, und in den 
Häusern deutscher und östereichischer Familien. 
Dagegen findet man in Nordfrankreich 
unter der einheimischen Bevölkerung öfter den 
Tannenbaum, eine Sitte, die man von den 
„deutschen Barbaren" während des Krieges 
übernommen hat, wo Freund und Feind unter 
dem Tannenbaum gemeinsam beteten „und 
Friede auf Erden" herbeiwünschten. Es ist 
interessant, daß der Umsatz an Tannen 
bäumen in Noröfrankreich von Jahr zu Jahr 
anwächst. 
Auch in England verbringt man das Weih 
nachtsfest außerhalb des Hauses, die Begüter 
ten weilen zumeist in den großen Luxus 
hotels der Seebäder. Das Hotel schickt einen 
Weihnachtsmann für die Kinder, die Großen 
amüsieren sich beim Tanz, die Aelteren sitzen 
am Bridgetisch. In Plymouth ist es Brauch, 
auf den Straßen Weihnachtslieder und Chöre 
zu singen. 
Im Gegensatz zu Schweden, wo der Weih 
nachtsbaum weniger bekannt ist, dafür aber 
ein mit Tannengrün umwundener, mit 
Leuchtern geschmückter Holzreifen aufgestellt 
wird, hat jedes Hans in Norwegen seinen 
Baum. Mit Fahnen sind die Häuser geschmückt, 
ja sogar vom Weihnachtsbaum hängen die 
bunten Wimpel herab. 
In der Schweiz sieht man vielfach den deut 
schen Lichterbaum, die Fremdeninöustrie jedoch 
hat es mit sich gebracht, daß viele englische 
Sitten übernommen wurden. So gibt es 
„Es ist ein Ros' entsprungen . . 
Bleischnttt vo« Arthur Lechner, Rendsburg (Lanöeszeitung). 
Der Christrmchl-Ssgen. 
Süßes Glockenhallen, lichte Kerzenpracht —* 
Fromme Beter wallen durch die Winternacht. 
Denn im Klang der Lieder und im Sternen- 
schein, 
Heilige Christnacht, wieder ziehst du bei uns 
ein! 
Wie aus Engelsmunde sie vorzeiten kam, 
Selige Friedenskunde bringst du wonnesam. 
Tröstend durch die Erde klingt es wieder heut, 
Daß Erlösung werde uns von Schuld u. Leid! 
Hörts und kommt ihr alle, die noch bang im 
Sinn, 
Daß ein jeder walle froh zum Kirchlein hin! 
Strebt auf Winterwegen lichtwärts, höhen- 
wärts, 
Und der Christnacht Segen stärk' euch Geist 
und Herz! 
F. Gebhardt.
	        
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