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127. Jahrgang.
Achleswîg-LollìernîsthL
zait^eÄjeiátfîoio
Renösburger Tageblatt
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Ģîn neuer Mann und die alte Linie?
Wird Laval Varthous Politik fortsetzen?
, Deutschland und die neue Lage in Europa. — Italien und England in ihrem Einfluß gestärkt.
. Die Umbildung der französischen Regie- '
5^8 ist erfolgt. Doumergue hat die Gelegen
st benutzt, den durch die Stavisky- und noch
^.îhr durch ôte damit zusammenhängende
f fare schwer kompromittierten
Ķltizminister Cheron auszubooten. Das war
^ Erwarten. Der Innenminister Sarraut fiel
ŗC® pferderStimmung,als politisches
Mer des Attentats in Marseille.
Jr* 1 wirft der politischen Polizei in Frank-
Vot ' èen Königscmpfang in Marseille
. ^ genügend gesichert zu haben. Im übri-
steht auch Sarraut nicht weit genug vom
in der Stavisky-Affäre, um nicht bei die-
* Gelegenheit mit entfernt zu werden.
füi Europa wesentlichste Neubesetzung
^ öie des französischen Außenministeriums,
j u f diesem Posten erscheint weder Herriot noch
^ t bisherige Marineminister Pietry, sondern
^.^val. Er ist schon zweimal französischer
àminister gewesen. Die größere Erfah-
und gegenüber Herriot die geringere Be
izung als Parteiführer sind bei der
li»^ Entscheidung für diesen Posten vermut-
ausschlaggebend gewesen. Laval selbst gilt
«ļ|emäßigter Politiker, dürfte aber nicht
^^ches Temperament und gleiche Energie
A7 Bauthou für seine Aufgabe mitbringen. Er
jj; Marken außenpolitischen Ehrgeiz und eige-
i,^Gesicht. Er hat dies mit seinen Besuchen
^ «erli« und Washington 1831 bewiesen. Nach
t„"in hatte ihn noch der alte Briand beglei-
Washington fuhr er allein, und wenige
I ^chen später hatte er Briand ganz aus dem
^?äosischen Kabinett ausgeschifft. Die außen-
"rschen Erfolge Lavals waren allerdings
ir>nŞerne Besuche in Berlin und Washing-
z-j-blieben ohne Nutzen sür die damalige fran-
Ig^che Politik, und in der kurzen Zeit, die er
tzìl" Zugleich Ministerpräsident und Außen-
zy îster war, hatte er wenig Gelegenheit mehr
Zeigen, was er leisten konnte.
man nun etwas über die zukünftigen
8e« .uien der Außenpolitik Frankreichs sa
ke,.?^, so kann man es nur, wenn man die
tz »sequente N a ch kr i e g s p o l i ti k
şksim Reichs ins Auge faßt. Sie war
V^sailles darauf abgestellt, das Versailler
unö öamit den status quo der damals
unmöglichen Grenzen zu halten,
iw , französische Einkreisungssystem
nacheinander drei Mittel ange-
b Der e r st e Versuch ist der V ö l k e r -
tev?^gewesen. Er hat seine Aufgabe unter
ļrsjì»Ģegenspiel Briand-Stresemann solange
siq fn' ļ>urch die A b r ü st u n g s p o l i t i k
^vfi^^uch sichtbar wurde und die französische
W rt iw ttic ^ willens war, die diesbezüglichen
thht "er Bestimmungen zu erfüllen. Er be-
übrigen auch darauf, daß die uicht-
L?. 'Äschen Großmächte Europas völlig
"."eben, eine geschlossene Front gegen die
langen des Weltkrieges. Auch hier wurde
-war aber sicher, der Bruch deutlich und
^rqu« ahl in dem Verhältnis zwischen
^rg^,eich und England wie zwischen
slitz; .speich und Italien. Die Gegen-
auftraten, waren in beiden Fällen
Me Mit England durch die franzö-
^ûblļ-,»?şiungs- und Annähcrungspolitik an
unter Preisgabe von Polen, mit
,st?urch das Paktsystem Frankreichs mit
hier b» ^europäischen Vasallenstaaten. Als
Kar« J’y die Annäherung Italiens an Un-
^Urb'p^ŗrechenland und Türkei Risse sichtbar
°ie rņs- mußte Frankreich die Politik billigen,
»ìô ein"^ Viermächtesystem Musso-
^stew " ^^ues System und zwar ei« neues
, 1 Einschluß von Deutschland znr
Mey, stellte. Mit diesem Vermächtepakt-
* * Glpiàîndirekt die Frage nach der vent
re NerļàEŗechtigung wie nach der Revision
* eä gestellt. Dieses Vierpaktsystem
in! wryeine Zeitlang — vermutlich
^ Me scheme — mitgemacht, um langsam
venwärtige dritte Phase seiner Nach-
kriegs-Außenpolitik vorzustoßen, nämlich ein
Bündnissystem nach dem Muster der Vor
kriegszeit. Das ist das für Europas Schicksal
gefährlichste Spiel.
Eingeleitet wurde diese Politik schon lange
und zwar für die Welt sichtbarer durch die sei
nerzeitige Reise Herriots nach Rußland. Hier
wurde der Pakt Frankreichs mit Rußland vor
bereitet, deren erste reife Frucht Barthou selbst
noch in dem Einzug Rußlands in Genf pflücken
konnte.
Ob Laval das Ziel der französischen Politik,
den Frieden durch Einkreisung Deutschlands
sichern zu wollen, in gleicher Weise fortsetzen
wird oder kann? Durch die Katastrophe von
Marseille ist zum mindesten eine Verzögerung,
namentlich eine Verzögerung in dem Ausgleich
des Verhältnisses von Jugoslawien zu Italien
eingetreten. Für Frankreich viel gefährlicher
ist aber das gleichzeitige Ausscheiden des Kö
nigs Alexanders von dem Schachbrett der fran
zösischen Nachkriegspolitik. Dieser König Alex
ander selbst hat in Ansehung der sehr schwieri
gen Verhältnisse in Serbien durch das Neben
einander der Altserben, der Kroaten und der
Slowenen noch 1933 geäußert: „er, der König,
sei noch heute der einzige wirkliche In
go s l a w e". Damit hat dieser kluge und weit
sichtige König anerkannt, daß ihm seine eigent
liche Aufgabe der Aussöhnung der Stämme
unter seiner Führung nicht gelungen ist, daß
vielmehr hinter dem starken Zentralismus,
hinter der Unterdrückung der öffentlichen
Meinung in Frage der Stammespolitik die
Verschwörung lauerte. Und nach den neuen
Folgen haben als wenn ein Mazedonier der
Täter gewesen wäre. Frankreichs Außenpoli
tik mit Rußland hat ihm die Freundschaft Po
lens gekostet. Gelingt es dem neuen Macht
haber nicht, die Gegensätze zwischen Kroaten
und Altserben auszugleichen, dann fällt auch
eine zweite Trumpfkarte für Frankreichs Po
litik aus, denn das zersplitterte Jugoslawien
bietet dem Ehrgeiz und der Politik Mussoli
nis zu große Möglichkeiten, um diese um der
Pariser Freundschaft willen opfern zu können.
Diesmal könnte Italiens sacro egoismo sich
einmal gegen Paris auswirken! Für die
deutsche Politik werden die Folgen des Atten
tats von Marseille nicht ohne Belang sein,
wenn durch das Ausfallen zweier Trümpfe in
der französischen Einkreisungspolitik Frank
reich unter Einfluß von Rom und London ge
zwungen sein wird, Deutschland anders als
wie bisher aktiv in das europäische Spiel ein
zuschalten. Das würde bedeuten die Gleich
berechtigung Deutschlands und in ihr und aus
ihr eine europäische Politik, die mit Barthon
dann den letzten Träger der Versailler Nach-
kriegespolitik im Quai d'Orsay verschwinden
sieht.
*
Ein ausländisches Blatt beurteilt die Lage
diesbezüglich so:
Wenn Deutschland die europäische Gefechts
pause (die besonders durch Alexanders Tod
eintrat), zu einer ernsthaften Initiative er
griffe, wenn es jetzt mit einem klar umgrenz
ten und auf gewissenhafte Einhaltung bcrech-
es immer deutlicher, daß der neten Rüstungsprogramm hervorträte, könnte
tödliche Schuß aus der Pistole der kroatischen > es der europäischen Politik eine Wendung
und nicht der mazedonischen Verschwörer ge- > geben, die sowohl in seinem, als im europäi-
fallen ist. Und wenn es an den Kroaten hän- i schen Interesse läge.
gen bleibt, wird der Königsmord schlimmere j *
PsiMKrs plötzlich
Eine neue Lücke in der Reihe der Unversöhnlichen.
Poincares Vorkriegs- und Rachkriegs-Polilik gegen Deutschland.
Poincarê ist am Montag um 3 30 Uhr in
Zum Tode Poînearês.
Nach Schluß der Redaktion trifft noch die
Nachricht von dem Tode Poincarês ein, die
an dieser Stelle mit gewürdigt sein möge.
Poincarê folgt seinem intimen Freunde Bar
thou schnell im Tode. Mit ihm stirbt einer der
letzten Politiker, welche die jahrzehntelange
traditionelle Politik Frankreichs zu verantwor
ten haben, die Europa in den Weltkrieg und
das Nachkriegseuropa in die Wirrnisse von
„Versailles" verstrickt haben.
Sein Tod in diesem Augenblick ist auch für
die Gegenwartspolitik nicht ohne Belang.
Poincarês Einfluß war mit seinem Ausschei
den aus der aktiven Politik nicht beendigt. Um
ihn und seine Person kreisten nach dem Tode
Clemenceaus alle diejenigen politischen Ziel
setzungen, die mit der Aufrechterhaltung des
Versailler Systems zusammenhingen. Barthou
spann seine Fäden in engster Zusammenarbeit
mit seinem politischen Freunde. Mit dem Tode
zweier hervorragender Leute der alten Garde
Frankreichs wird zwangsläufig die Politik in
die Hände jüngerer Leute gedrängt. Sie sind
nicht mehr durch die Tradition der Vorkriegs
zeit, vor allen Dingen nicht durch die „Rache
für Sadowa" in ihrem Blickfelde für die neue
europäische Wandlung beengt. Poincares Tod
nach dem Ausscheiden von Barthou bedeutet in
diesem Augenblick auf alle Fülle einen neuen
Faktor der Unsicherheit sür die zukünftige
Außenpolitik Frankreichs.
Im übrigen müssen wir es den Franzosen
überlassen, Lorbeeren um das Haupt Poinca-
rès zu legen. Er hat als Franzose gehandelt
und muß als Franzose bewertet werden. Als
solcher hat er das Veste für sein Vaterland ge
wollt und hat um seine engere Heimat Elsaß-
Lothringen und um die Rhein-Politik Lud-
wigs XIV. den europäischen Krieg gewagt, der
Frankreich letzlich als Sieger sah, aber Euro
pas Schicksal in einem Meer von Blut gewor
den ist, Schicksal, das in der jetzigen Macht
gruppierung Asiens und Amerikas, wirtschaft
lich und politisch gesehen, einen besorgnis
erregenden Ausdruck gefunden hat.
127. Jahrgang.
1834
Paris im Aller von 74 Jahren gestorben.
Raymond Poinearö, ehemaliger Minister
präsident und Präsident der Republik, war vor
einigen Tagen von seinem Landsitz Sampigny
in Paris eingetroffen. Er war noch in seinem
Heimat-Arrondissement Bar-le-Duc bei den
ErneuerungsWahlen zum Generalrat wieder
gewählt worden und wollte in Paris seine
schriftstellerischen Arbeiten weiterführen. Kurz
nach semer Ankunft mußte er sich legen, und im
Laufe des Sonnabends und Sonntags waren
Gerüchte verbreitet, daß er leicht leidend sei,
daß aber sein Befinden zur Beunruhigung kei
nen Anlaß gäbe. Montagfrüh trifft die Nach
richt ein, daß er in seiner Pariser Wohnung
plötzlich gestorben ist.
Der Verstorbene war am 20. August 1860 ge
boren. Er ist wohl derjenige französische
Staatsmann gewesen, der nicht nur die glän
zendste, sondern auch die schnellste Karriere der
politischen Laufbahn gemacht hat, die ein Poli
tiker überhaupt machen kann. Nach Beendigung
seiner juristischen Studien trat Poincarö 1886
als Kabinettschef in das Landwirtschaftsmini-
sterium des damaligen Landwirtschaftsmini
sters Develle ein und wurde im darauffolgen
den Jahre, d. h. mit kaum 26 Jahren, zum Ge
neralrat von Pierrefitte gewählt. Schon zwei
Monate später zog er als Abgeordneter des
Maas-Departements in die Kammer ein, die
ihm als Sprungbrett für seine weitere Kar
riere dienen sollte. Mit 32 Jahren Generalbe
richterstatter des Haushalts und in dem un
glaublich jugendlichen Alter vo« 23 Jahre»
Unterrichtsminister, kann er für sich das Recht
in Anspruch nehmen, der jüngste Minister
Frankreichs gewesen zu sein. Nach einjähriger
Tätigkeit als Finanzminister kehrte Poincarö
unter dem Kabinett Ribot in das Unterrichts
ministerium zurück und wurde mit kaum 33
Jahren zum Vizepräsidenten der Kammer ge
wählt. 1963 schickte ihn seine Provinz in den
Senat. Im Jahre 1913 wurde Poincarö zum
Präsidenten der Republik gewählt und über
nahm nach Ablauf der 7jährigen Periode die
Führung der Regierung, die er bis 1924 in den
Händen behielt. Seit 1926 gehörte Poincarö
den Kabinetten entweder als Ministerpräsident
oder als Finanzminister an und gab die Füh
rung erst endgültig ab, als ein schweres Lei
den ihn Mitte 1929 dazu zwang, sich einem ope
rativen Eingriff zu unterziehe»». Als seine
beiden hauptsächlichsten Werke können angese
hen werden „Die Ursprünge des Krieges" und
„Politische Geschichte", die er während der
kurzen Pausen schrieb, in denen er von den
Lasten der Staatsgeschäfte entbunden war.
Frankreich verdankt dem verstorbenen
Staatsmann in erster Linie die Wiederherstel
lung seiner Finanzen, die er durch die Fran
kenstabilisierung im Jahre 1926 ermöglichte.
Richtunggebend für Poincarös zuletzt konse
quent durchgeführte Außenpolitik war bereits
eine seiner ersten Amtshandlungen als Präsi
dent im Februar 1913, nämlich die Ernennung
Delcassös zum Botschafter Frankreichs in Pe
tersburg. Bekannt ist der Ausspruch des fran
zösischen Sozialistenführers Jaures am Tage
der Wahl Poinearös zum Präsidenten: „Poin-
carö, das ist der Krieg!"
In der Zeit seiner Amtsführung vor dem
Kriege hatte Poincarö häufig Begegnungen
mit Staatsmännern und führenden Politikern
der späteren Entente-Mächte, die letzte im
Juli 1914 in Petersburg. Auch nach dem Kriege
war Poincarö einer der eifrigsten Verfechter
einer Politik der Unerbittlichkeit gegenüber
Deutschland. Im Januar 1923 führte er die
Besetzung des Ruhrgebietes durch. Für die
Reparationspolitik Frankreichs zeichnete er
verantwortlich. Seine Politik versuchte er in
seinen bekannten zahlreichen Sonntagsreden
aus Anlaß der Einweihung von Kriegerdenk
mälern zu begründen.
Der Führer der spanischen Marxisten
verhaftet.
DNB. Madrid, 14. Oki. Wie die Agentur
Fabra mitteilt, konnte Sonntag früh der
Führer der spanischen Marxisten Largo Ca
ballero in seiner Wohnung verhaftet werden.
Wie die Agentur Fabra meldet, fand am
Sonnabendabend ein Kabinettsrat statt. Der
Kriegsminister gab bekannt, er habe von dem
General Lopez Ochoa ein Telegramm erhal
ten, wonach die Regierungstruppen Oviedo
jetzt vollständig beherrschten und auf dem Vor
marsch gegen die Stadt Mieres begriffen
seien, wo sich vielleicht noch einige Reste der
Aufständischen gesammelt hätten. Ministerprä
sident Lerroux erklärte, der Justizminister
habe ihm eine Abschrift des Kriegsgerichts
urteils von Barzelona unterbreitet, das von
der Regierung nachgeprüft und anschließend
zur Kenntnis des Staatspräsidenten gebracht
werde.
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