Full text: Newspaper volume (1935, Bd. 2)

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128. Jahrgang. 
128. Jahrgang. 
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von rund 10,5 Millionen Abstimmenden bejaht 
und von 770 000 mit Nein beantwortet. Die 
letzte Frage bezog sich darauf, ob die Abstim 
menden der Ansicht sind, daß im Falle des 
Angriffs einer Nation die übrigen Nationen 
sich zusammenschließen sollten, um dem Angriff 
Einhalt zu tun. Für die Durchführung wirt 
schaftlicher und nichtmilitärischer Maßnahmen 
in diesem Falle stimmten 1v Millionen mit Ja, 
63» »00 mit Nein. Für militärische Maßnah 
men sprachen sich 6,8 Millionen, dagegen 2,3 
Millionen aus. ^ 
Während der liberale „News Chronicle" und 
das Arbeiterblatt „Daily Herald" ihrer Ge 
nugtuung über das Abstimmungsergebnis 
Ausdruck geben, bezeichnen die konservativen 
Blätter die ganze Abstimmung als zum min 
desten überflüssig. Die „Times" erklären, sie 
habe weder einen moralischen noch einen mate 
riellen Beitrag zu den von den Fragestellern 
bekundeten Zielen geliefert. 
Selten hat in den letzten Jahren der Gedan 
kenaustausch zwischen den westlichen Mächten 
eine solche Intensität erreicht wie in diesen 
Tagen. Die Reise Edens nach Paris, Rom und 
wieder nach Paris ist nur ein kleiner Bruch 
teil der ständigen telegraphisch und fernmünd 
lich geführten Verhandlungen zwischen den 
Regierungen Englands, Frankreichs und Ita 
liens. Sie werden im Augenblick völlig be 
herrscht von zwei großen Problemen. Das eine 
ist die völlige Ergebnislosigkeit der Verhand 
lungen Edens mit Mussolini in der abessiui- 
schen Frage. Ueber die gestrigen Meldungen 
hinaus hat sich nämlich herausgestellt, daß 
Italien sich gegenüber allen englischen Vor 
schlägen so radikal ablehnend verhält, daß 
Eden sich nicht mehr in der Lage sah, die Ein 
zelheiten der Eden von London erteilten In 
struktionen in Rom zu unterbreiten. Sowohl 
in London wie in Paris steht man zur Zeit 
keine Möglichkeit mehr, einen Kriegsausbruch 
in Ostafrika zu vermeiden. Auf Grund der 
Haltung Italiens bei den römischen Verhand 
lungen einerseits und der mit höchster Energie 
betriebenen italienischen Vorbereitungen an 
dererseits befürchtet man jetzt, daß der Aus- 
bruch -er Feindseligkeiten noch vor Ablauf der 
Regenperiode im August, ja vielleicht sogar 
schon im Juli erfolgen wird. England, das 
Sur Zeit alle Verhandlungsmöglichkeiten er 
schöpft steht, möchte weder Italien Anlaß zum 
wiederholt angedrohten Austritt aus dem 
Völkerbund geben, noch mit Rücksicht auf das 
neue Abkommen über den Staudamm am 
Tsana-See sowie im weiteren Sinne mit Rück 
sicht auf den Sudan und Aegypten es mit Abes 
sinien verderben. Für Frankreich, das u. a. 
durch -en Vertrag von 1906 Wer die Vertei 
lung der Jnteressenzone in Abessinien direkt 
in das ostafrikanische Problem verwickelt ist, 
verknüpft sich die ganze Frage in gewisser Be 
ziehung mit dem zweiten großen Problem, das 
den ständigen Diskussionsgegenstand unter den 
Westmächten bildet: di« Frage einer Annähe 
rung zwischen Frankreich und Deutschland im 
Zusammenhang mit dem deutsch-englischen 
Flottenabkommen und darüber hinaus mit den 
Fragen des Ostpaktes und des westeuropäischen 
Luftpaktes. Es wird in der Pariser Presse 
offen ausgesprochen, daß man seine Vermitt 
lungsversuche in dem ostafrikanischen Konflikt 
nur mit größter Vorsicht fortsetzen könne, nach 
dem England soeben in Paris hat wissen las 
sen, daß es sich an die Beschlüsse vom 3. Fe 
bruar und von Stresa nur noch bedingt halten 
könne,' es müsse sich nämlich in jedem Fall das 
Recht vorbehalten, in allen juristischen und 
praktischen Fragen selbständig dann zu ver 
handeln, wenn irgendeine Möglichkeit zur 
Fortsetzung der Befriedung Europas sich zeigt, 
die mit dem deutsch-englischen Flottenabkom 
men so verheißungsvoll eingeleitet ist. Die 
neue Erklärung Lavals über die Frage eines 
etwaigen Arrangements mit Deutschland wird 
vielfach als ein französischer Versuchsballon 
angesehen, obwohl die Pariser Presse mit ge 
wohnter und vermutlich nicht einmal unge 
wollter Verständnislosigkeit auch gegen die be 
deutsamen Erklärungen von Ribbentrops in 
dem bekannten Havas-Jnterview polemisiert. 
Die abschließenden Besprechungen 
zwischen Laval und Eden. 
DNB. Paris, 27. Juni. Im Anschluß an die 
Besprechungen zwischen Eden und Laval am 
Quai d'Orsay, die bis 13.50 Uhr dauerten, gab 
Ministerpräsident und Außenminister Laval 
folgende Mitteilung an die Presse aus: Eden, 
der von Rom zurückgekehrt ist, hat mich über 
seine Besprechungen mit Mussolini in Kennt 
nis gesetzt. Wir waren bemüht, in dem durch 
das Kommunique vom 3. Februar festgelegten 
Rahmen die beste Lösung zu finden und die 
Lösung der Probleme, die wir ins Äuge gefaßt 
haben, zu beschleunigen. Wir werden auf di 
plomatischem Wege die Prüfung dieser Fra 
gen fortsetzen, die wir in der Kürze der Zeit 
unserer Besprechungen nicht erschöpfend be 
handeln konnten. Wir haben die Absicht und 
den gemeinsamen Willen, die Methoden unse- 
vertretern gegenüber erklärte er, sich nicht über 
das Ergebnis seiner Besprechungen äußern zu 
können. Er werde am Freitag seinen Kollegen 
Bericht erstatten. 
rer beiden Regierungen einander anzupassen 
und das Programm vom 3. Februar zu ver 
wirklichen. Eden hat mir weiter Mitteilung 
gemacht von seinen Besprechungen mit Musso 
lini in Rom über den italienisch-abessinischen 
Konflikt. 
Neue Besprechungen werden nicht mehr 
stattfinde». Eden reist bereits am Donnerstag 
nachmittag nach London weiter. 
Frankreichs Kriegsmarineministcr zum 
Flottenabkommen. 
DNB. Paris, 27. Juni. Bei einem Essen auf 
der Marinepräfektur in Brest hielt Kriegs 
marineminister P i e t r i eine Rede, in der er 
u. a. ausführte: „Was Frankreich an dem 
deutsch-englischen Flottenabkommen überrascht 
hat, ist nicht die Tatsache einer neuen Auf 
rüstung Deutschlands, die man leicht voraus 
sehen konnte, sondern die übereilte Zustim 
mung Englands dazu, die unter Bedingungen 
zustanöegekommen ist, die Frankreich zwar 
nicht an der Freundschaft Englands, aber an 
seiner herkömmlichen Klugheit zweifeln läßt." 
Eden wieder in London. 
DNB. London, 28. Juni. (Eig. Funkmeld.) 
Der Minister für Völkerbnndsangelegenhei- 
ten, Eden, ist am Donnerstag 21.30 Uhr auf 
dem Luftwege aus Paris kommend im Londo 
ner Flughafen Croydon eingetroffen. Presse- 
Mit einer gewissen Verlegenheit berichtet die 
Pariser Presse über die Ergebnisse des letzten 
Eden-Besuches in Paris. Die britische Haltung 
findet eine verhältnismäßig milde Kritik. Man 
will offenbar das sich andeutende Kompromiß 
nicht stören. „Oeuvre" will wissen, Mussolini 
habe erklärt, Italien werde niemals einen 
Luftpakt unterzeichnen, wenn nicht der Do 
naupakt abgeschlossen sei. 
Ae FkiäräWmlMMg in England. 
DNB. London, 28. Juni. (Eig. Funkmeld.) 
Die sogenannte Friedensabstimmung, die vor 
18 Monaten von Lord Cecil im Völkerbunds 
verband und anderen Organisationen in ganz 
England eingeleitet wurde, ist beendet. Mehr 
als 11,5 Millionen Männer und Frauen haben 
die Fragebogen ausgefüllt. Die Frage, ob 
Grotz-Britannien im Völkerbund bleiben solle, 
wurde mit rund 11 Millionen Stimmen bejaht. 
850 000 stimmten mit Nein. Für die allgemeine 
Abrüstung stimmten 2,5 Millionen, dagegen 
850 000. Die Frage, ob die Herstellung und der 
Verkauf von Kriegsmaterial für private Ge 
winne verboten werden solle, wurde gleichfalls 
Hswjel-WleMviMlschafi am Ende. 
Berlin, 27. Juni. Nach Warschauer Meldung 
gen soll es in der russischen Provinz Saratow 
zu Unruhen der Bauern gekommen sein. Die 
dortigen Wolgadeutschen Bauern haben sich 
durch einen Aufstand gegen die Maßnahmen 
der Sowjetregierung gewandt. Im Wolgadeut 
schen Gebiet hatte das System der bäuerlichen 
Kollektivwirtschaft vollkommen Schiffbruch er 
litten, so daß die Bevölkerung vor dem Hun- 
gertode stand. Der Generalgouverneur im Be 
zirk Saratow, Schaffranski, zog schließlich die 
stürmischem Wetter besonders die Kutter aus 
Finkenwärder und Cuxhaven den kleinen 
Schutzhafen auf, wie oft gehen im Schutz der 
Insel Handelsdampfer vor Anker, um besseres 
Wetter abzuwarten. 
Zäh halten die Inselbewohner an ihren 
alten Rechten, an den „Beliebungen" fest, die 
man ihnen auch nach Möglichkeit belassen hat. 
So ist Helgoland auch heute noch Zollauslanö, 
es bildet einen eigenen Kreis, den ein drei 
gliedriger Jnselausschuß leitet. Schließlich 
wird das Gemeindewahlrecht nur dem verlie 
hen, der mindestens fünf Jahre auf der Insel 
seinen Wohnsitz hat. Rot grüßt Helgolands 
Felsen über die Wasser der Nordsee, jedem 
unvergeßlich, der einmal die Insel besucht hat. 
Dankbar müssen wir aber des Tages geden 
ken, der vor 45 Jahren die Insel mit Deutsch 
land vereinigt hat. 
Helgoland 
„Grün ist das Land, 
Rot ist die Kant, 
Weiß ist der Sand. 
Das sind die Farben 
Von Helgoland!" 
Der 1. Juli 18»» war für Helgoland ein hi 
storischer Tag. Damals, also vor 45 Jahren, 
wurde der deutsch-englische Vertrag abge 
schlossen, der dem Deutschen Reich diese Insel, 
den „Schlüssel zur Deutschen Bucht", sicherte, 
unter Verzicht auf Teile des neuerworbenen 
ostafrikanischen Kolonialgebietes. Es war po 
litischer Weitblick, der damals auf wertvolles 
Kolonialland verzichtete,' aber der Besitz von 
Helgoland war noch wertvoller, noch entschei 
dender für Deutschlands Zukunft. Das hat 
Helgoland im Weltkriege bewiesen, kein Feind 
wagte die stark befestigte Insel anzugreifen, 
die für sämtliche Unternehmungen unserer 
Flotte in der Nordsee ein unschätzbarer Stütz 
punkt war. Tragik des Schicksals, daß damals, 
als am 28. August 1914 bei der Insel leichte 
deutsche Streitkräfte in schwerem Kampf gegen 
englische Schlachtkreuzer standen, wobei die 
Kreuzer „Mainz", „Köln", „Ariadne" und das 
Torpedoboot „B. 187" versenkt wurden, die 
Batterien der Insel wegen Nebels nicht hat 
ten angreifen können. Welche Bedeutung der 
Feind der Festung Helgoland beimaß, geht zur 
Genüge daraus hervor, daß die Entente im 
Versailler Diktat festlegte, sämtliche Befesti 
gungsanlagen und Hafenbauten müßten ge 
sprengt werden. 
So dient Helgoland heute friedlichen Zwek- 
ken, es hat eine Biologische Anstalt, ein statt 
liches, 1392 gegründetes Meereslaboratorium. 
Es ist vielleicht von Interesse, darauf hinzu 
weisen, daß Ernst Haeckel bereits 1854 auf Hel 
goland Meeresforschung betrieb. Seit 1910 hat 
die Insel eine Vogelwarte, die ähnlich, wie die 
von Rossitten auf der Kurischen Nehrung an 
der Feststellung des Vogelfluges arbeitet und 
durchziehende Vögel beringt. Weltbekannt ist 
Helgoland als Seebad. Im Jahre 1826, ange 
sichts der Not und des Elends unter der Be 
völkerung in der Zeit nach den napoleonischen 
Kriegen —- damals gehörte die Insel bereits 
England, das sie 1807 den Dänen abgenommen 
hatte — hat ein Helgoländer, Siemens, sich 
dafür eingesetzt, daß man auf der Insel Ein 
richtungen für die Aufnahme von Badegästen 
traf. Das Badeleben selbst vollzieht sich auf der 
1500 Meter von der Insel entfernt liegenden 
sogenannten Düne, die noch bis zum Anfang 
des 18. Jahrhunderts mit der Hauptinsel in 
unmittelbarer Verbindung, durch einen Stein 
wall, den „Waal" stand. Eine Hochflut hat 
dann 1711 diesen Steinwall weggerissen, wie ja 
überhaupt Helgoland im Laufe der Jahrhun 
derte durch die stürmische See und durch die 
Verwitterung des Felsens immer kleiner 
wird. Heute hat die Insel bei einer Einwoh 
nerzahl von etwa 2500 Menschen, eine Größe 
von 0,64 Quadratkilometer. 
Auch für die deutsche Fischerei ist Helgoland 
von großer Bedeutung. Wie oft suchen bei 
45 Jahre deutsches 
Helgoland. 
Am 1. Juli sind 45 Jahre 
vergangen, daß England 
die Insel Helgoland im 
Tausch gegen Sansibar an 
Deutschland abtrat. Aus 
diesem Anlaß wird in 
Helgoland eine Erinne 
rungsfeier stattfinden. Un 
ser Bild zeigt oben das 
sogenannte Unterland der 
Insel mit der Landungs 
brücke, unten charakteristi 
sche Felspartien an der 
Noröspitze der Insel mit 
dem Nebelhorn. 
hSelle-Eysler, K.). 
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