Full text: Newspaper volume (1935, Bd. 2)

128. Jahrgang. 
Schleswig 
128. Sahrgang. 
Renbsburger Tageblatt 
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Das Land an der «nteren Weichsel 
Ein geschichtlicher Rückblick. 
zwar herab und machte z. T. einer polnischen 
Besiedlung Platz, die größeren Städte aber 
blieben rein deutsch, die kleineren überwie 
gend und vielfach auch der Großgrundbesitz. 
In allen Niederungsgebieten wurde auch von 
Polen die Einwanderung von Siedlern deut 
schen Ursprungs, Holländern — Mennoniten 
— begünstigt. Wohl legte sich eine dünne 
Oberschicht polnischer Woywoden, Starosten 
und Großgrundbesitzer über das Land, aber 
sein kulturelles Antlitz blieb unverändert. 
Es bedeutete daher auch nur die Wiederauf 
nahme eiuer abgerissenen Entwicklung, als 
nach 200jühriger polnischer Regierung das 
Land 1772 wieder dem preußischen Staats 
gebiet angegliedert wurde. Die gesamte Be 
völkerung, Deutsche und Kaschuben, Protestan 
ten und Katholiken, begrüßte die neue Herr 
schaft mit großer Freude und sah in ihr mit 
Recht die Bringerin neuen wirtschaftlichen 
und kulturellen Aufschwungs. — Selbst pol 
nische Großgrundbesitzer baten den preußischen 
Grenzkommissar um Uebernahme ihrer Güter 
nach Preußen. Die umfassende Fürsorge, die 
Friedrich II. dem unglücklichen Lande ange 
deihen ließ, rechtfertigte die Erwartungen sei 
ner Bewohner. Der Dank zeigte sich bei Be 
ginn des Freiheitskampfes im Jahre 1813. Die 
wehrfähige Mannschaft eilte unter die Banner 
der Landwehr oder zog als freiwillige Jäger 
ins Feld, und die arme Provinz opferte 
350 0V0 Taler für die Kriegskosten. Und das, 
obwohl Westpreußen die Provinz war, die in 
den Jahren 1806/07 am längsten den Druck des 
Feindes erdulden mußte und in der Nachbar 
schaft der Provinz das Herzogtum Warschau 
bestand, das unter Poniatowski unter den 
Fahnen Napoleons kämpfte. Die Fürsorge 
der preußischen Könige machte Westpreußen zu 
einer blühenden Provinz. 
Wie stark das Deutschtum in Westpreußett 
war, sicht man am besten, wenn man das Er 
gebnis der Wahl zur Nationalversammlung 
1919 betrachtet. Die Wahl fand zu einer Zeit 
höchster Bedrängnis des Deutschen Reiches 
statt, und niemand, der nicht absolut deutsch 
fühlte und sich zum Deutschtum bekannte, hätte 
Grund gehabt, eine deutsche Partei zu wählen. 
Die Polen hatten von ihren Volksgenossen 
strikte Wahlenthaltung gefordert. Dieser Pa- 
cachdem in der Völkerwanderung die Ger- 
? ett öie nordische Tiefebene, in der sie seit 
j "^vunderten gewohnt hatten, verlassen hat- 
sļ 'fangen im 6. Jahrhundert von Osten 
^ Mche Völkerschaften in diese Lande ein. Die 
, tete rechts der unteren Weichsel besetzten 
, e°er die Aisten, die von den Goten ver- 
j °ņgt worden waren. Für die Aisten taucht 
à, Kunden und Schilderungen des 10. Jahr- 
M à Name Pruzzen auf, nachdem sie 
tan ** zurückgebliebenen Goten vermischt 
iten. In dem Gebiet, das im Süden von den 
^Mathen und Sudeten, im Westen von der 
şlim Norden von der Netze und der Weich- 
, und im Osten vom Bug begrenzt wird, 
°°fnten die Polen. 
Ņ^ordlich der Netze bis zur Ostsee hatten die 
st^^ŗaner — d. h. Meeresanwohner, von 
Rr'^sch po — an und Morze — Meer — ihre 
Ansitze. 
toPolen drängten auf beiden Ufern der 
to nach dem Meer. Auf dem Ostufer der 
^erchsxl sch-iterten aber alle Versuche an dem 
verstände der Pruzzen. Geschützt durch 
Mße Seen und Waldungen, konnten diese alle 
griffe -er Polen leicht zurückweisen. Nur 
-Se*! in der Mitte des 11. Jahrhunderts 
sj ì?n sie Polen zinspflichtig. Später gingen 
hg.ş^bst zum Angriff gegen die Polen vor, so 
<A ei ' polnische Teilfürst Herzog Konrad 
u Masovien in arge Bedrängnis geriet und 
- gen die Einfülle der Pruzzen in seine Grenz- 
!.?^>nz, das Kulmer Land, die Hilfe des Deut- 
Iben Ritterordens anrufen mußte. Dieser 
. Ute das Kulmer Land als Eigentum behal- 
ņ dürfen. 
Ņ ,nf dem westlichen Ufer der Weichsel hatte 
vgs n mehr Erfolg. Die Pommern waren den 
î Inischen Angriffen nicht gewachsen und 
n 'len es daher gern, daß sich deutsche und dä- 
chsibe Ansiedler in ihrem Lande und an der 
^Uste ansiedelten, mit deren Hilfe sie den 
Pen besser Widerstand leisten zu können 
Listen. So sollen um die Mitte des 10. Jahr- 
'Underts sich auch Dänen in Danzig nieder 
lassen haben. Aber als Boleslav I. Chrobry 
^ polnischen Teilfürstentümer unter seiner 
lacht vereinigt hatte, gelang es ihm um das 
r'yt 1000, sich auch Pommern lehnspflichtig 
ch brachen. Aber die Pommern lehnten eine 
E^drüderung mit den Polen ab, und die 
jļ"llpfe gingen weiter, besonders seitdem Ende 
ş 11. Jahrhunderts auch in Pommern ein 
f/rzogtum unter Swantibor entstanden war, 
ļj. "aß schließlich der polnische Herzog Kase- 
ll>, der von 1177—94 regierte, für immer 
.ch Pommern verzichten mußte. Pommern 
at sogar unter die Lehnshoheit des Mark- 
Mlen von Brandenburg. Als das Herzogtum 
ommern in 3 Herzogtümer geteilt wurde, 
J* 1 es besonders der östliche Teil — Pom- 
^'^rellen —, der unter tatkräftigen Herrschern 
^blühte. Danzig war damals schon. mit 
j^er festen Mauer umgeben und war bei sei- 
«n Lage, hart an dem damals viel größeren 
ŗ If, ein wichtiger Stützpunkt der Kaschuben, 
{J e die Bewohner Pommerellens genannt wur- 
von deren Nachkommen sich noch heute 
Ķ^le in dem Gebiet mit den Städten Putzig, 
"Ahaus, Berent, Bütow, Lauenburg, Kouitz 
^'lalten haben. 
tzŅîit Mestvin II. starb 1294 das kaschubische 
h.^oggefchlecht der Samboriden aus. Mestvin 
obwohl noch unter brandenburgischer 
^Mshoheit stehend, zu seinem Nachfolger den 
r "lenkönig Przemyslav bestimmt. Als dieser 
. Ion 1296 ermordet wurde, bestritt sein Nach- 
.^ger das Recht des brandenburgischen Mark 
isen auf Pommerellen u. rief den Deutschen 
^den zur Hilfe gegen die Askanier. Der Or- 
>-n vertrieb die Askanier, aber auch die 
sjpWt, kaufte Brandenburg die Ansprüche auf 
s?vimerellen ab und nahiw das Land unter 
tzAe Verwaltung, so daß seit 1310 das Gebiet 
»,s"ch und westlich der Weichsel vereint war. 
Mestvin II. und sein Vater Svantepolk hatten 
ihrem Land, wie sie es vom Orden östlich 
des, die kirchlichen und profanen Bauwerke. 
Kaum eine Stadt in Ostpreußen und im Kor 
ridor, die nicht noch heute Zeugnisse der Kunst 
deutscher Meister, zum Teil glanzvollster Art, 
aufweist. 
Preußisch blieb das Land auch, als es nach 
dem Verfall des Ordens und nach dem un 
glückseligen Kampf der Stände und Städte 
gegen die Ordensherrschaft im 2. Thorner 
Frieden 1466 unter die Schutzherrschaft des 
polnischen Königs kam, denn der König mußte 
ihm Unabhängigkeit vom Reich, eigene Gesetz 
gebung und Verleihung aller Aemter nur an 
Eingeborene zugestehen, und diese politische 
und verwaltungsmäßige Unabhängigkeit hat 
es in zähem Ringen über ein Jahrhundert 
behauptet. 
Vollkommen frei von der polnischen Herr 
schaft konnte sich Danzig halten. Es hatte wohl 
auch dem Polenkönig gehuldigt, aber seine 
Macht war so groß geworden, daß es sich auch 
nach dem Zerfall der Hansa als eigene, freie 
Stadt behauptete. Es führte sogar 1677 mit 
Stephan Bathori Krieg und zwang ihn, die 
Freiheiten der Stadt zu bestätigen und außer 
dem zur Zahlung einer Entschädigung. 
Die Verbundenheit des Landes an der 
Weichsel mit dem dem Orden verbliebenen 
Teil Preußens geht auch daraus hervor, daß 
sich nach der Verwandlung des Ordenslandes 
in ein weltliches Herzogtum die Reformation 
in beiden Ländern schnell ausbreitete. Polen 
mußte die Ausbreitung in seiner Provinz dul 
den, nachdem cs 1526 vergeblich versucht hatte, 
die ueue Lehre in Danzig durch ein schweres 
Blutgericht zu unterdrücken. Erst der Gegen 
reformation des Jesuiten Stanislaus Hosius 
gelang es, etwa die Hälfte der Bewohner für 
die katholische Kirche zurückzugewinnen. 
Auf dem Reichstag zu Lublin 1669 wurde 
durch Rechtsbruch der preußischen Provinz die 
zähe verteidigten, verbrieften Rechte auf 
eigene Verwaltung genommen, die Kultur des 
Landes blieb aber trotzdem deutsch. Der deut 
sche Bauernstand auf dem flachen Lande sank 
der Weichsel gesehen hatten, bereits viele deut 
sche Handwerker, Bauern und Kaufleute ange 
siedelt. Der Orden setzte diese Siedlung fort, 
und vor allem nahm er die Eindeichung der 
Weichsel in Angriff. Dazu zog er besonders 
deutsche und holländische Siedler heran. Ueber 
die Hälfte des heutigen Gebietes der freien 
Stadt Danzig war damals noch Wasser oder 
Ueberschwemmungsgebiet und die Weichsel 
mündete nördlich von Dirschau in das Dan- 
ziger Haff. Durch planvolle Arbeit gewann 
der Orden hier über 1000 Quadratkilometer 
reiches Siedlungsland, auf dem er deutsche 
Bauern ansiedelte. Dem Ruf des Ordens, in 
Preußen zu siedeln, folgten in der Hauptsache 
Niederdeutsche, während unter den Ordens 
rittern selbst die Söhne mittel- und oberdeut 
scher Geschlechter bei weitem überwogen. Aus 
alten Bürgerlisten Danzigs und einem Schoß 
buch — Steuerliste — geht hervor, daß sich in 
Danzig außer Hannoveranern besonders viele 
Westfalen ansiedelten, und bis zum Jahre 
1563 hat der Rat der Stadt im amtlichen 
Schriftverkehr die niederdeutsche Mundart an 
gewandt. Die persönlichen und verwandt 
schaftlichen Beziehungen zu Westfalen waren 
so stark, daß 1347 Danzig und mit ihm die 
preußischen Städte als Mitglieder der Hansa 
sich nicht mit benachbarten „Dritteln" in Lü 
beck und Wisby, sondern mit den entfernter 
liegenden westfälischen Städten zu einem 
eigenen Drittel zusammentaten. 
. Unter dem Orden hatten die Lande auf bei 
den Ufern der Weichsel ihre Blütezeit. Deut 
sche haben hier den geordneten preußischen 
Rechtsstaat geschaffen und dem Handel, Hand 
werk und der Landwirtschaft feste Nechtsfor- 
men gegeben. Teutsche haben dieses Land zum 
Christentum gebracht und damit dem abend 
ländischen Kulturgebiet angeschlossen. Deutsch 
waren auch die ersten Missionare unter den 
slavischen Herzögen von Pommerellen. Deutsch 
war das soziale Leben und die geistige Bil 
dung in Kunst und Literatur. Zeugen dafür 
sind die Bürger- und Kirchenbücher des Lan- 
Der Tag des Sieges 
Das vorläufige Gesamtergebnis der Danziger DollrsLagsrvah'en. — Sieg der NSDAP. 
DNB. Danzig, 8. April. Die Danziger Osten zu schaffen. Aus diesem Grund reagier- Gesicht, prägte die Stimmung der Menschen, 
olkstagswahlen hatten folgendes Gesamter- ten sie auch so aufgeregt ans die Wendung, die fand Ausdruck im Bild der Straßen. Die deut- 
bnis: die nationalsozialistische Politik aus diesem schen Menschen Danzigs spürten, daß es nicht 
NSDAP. 139 299 (199 929) Gefahrenpunkt im Interesse des Friedens und um einzelne Fragen ging, sondern um eine 
SPD. 37 539 ( 37 882) des inneren Aufbaues vollzog. Noch nie ist historische Entscheidung. 
KPD. 6 889 ( 14 566) wohl bisher eine Maßnahme des Friedens Der Vorabend der Wahl und der Abend des 
Zentrum 39 059 ( 31336) von Kräften, die ein angebliches System des Sieges waren Feierstunden des deutschen 
Liste Weise (Nat. Front) 9 769 ( 13 596) Friedens, in Wahrheit aber der Unfreiheit und Danzig, die an Begeisterung nicht übertroffen 
Unterdrückung geschaffen haben und um jeden werden konnten. So innerlich ergriffen waren 
Preis zu halten strebten, so unangenehm emp- die Menschen. Das Ergebnis spricht eine so 
funden worden, wie diese frieöenspolitische deutliche Sprache für das Deutschtum der Han- 
Tat des Führers. Auch dieser Wahlkampf in sastadt, daß niemand in der Welt an diesem 
Danzig ist um nichts anderes geführt worden, Bekenntnis vorübergehen kann. Seit Tagen 
als um die endgültige Durchsetzung dieser stehen die Straßen im Schmuck der Fahnen der 
friedenspolitischen Maßnahmen des National- nationalsozialistischen Bewegung und künde«- 
sozialismus. Denn nach Beseitigung der au- ten damit schon im voraus den Sieg an, der 
ßenpolitischen Gefahrenpunkte an dieser Stelle ebenso gewiß war, wie diese alte Stadt deutsch 
Europas versuchten die internationalen In- ist. 
teressenten der Unruhe und des Unfriedens Seit Tagen wußten die Menschen, daß es 
das gleiche Spiel, das sie bisher mit dem Völ- für sie nur eine Lösung gibt, nur eine Mög- 
kerbund getrieben hatten, innenpolitisch zwi- lichkeit. Seit Tagen waren die Kräfte der SA. 
schen der herrschenden nationalsozialistischen und SS. bis zur möglichsten Höchstleistung 
Bewegung und den Parteitrümmern zu wie- angespannt, und nun ist der Sieg da. Erwartet 
öerholen. Im Interesse der Wahrung des und doch alle Erwartungen übersteigend. Eine 
Friedens war dieser Wahlkampf und die Ve- Spannung ist von der Stadt genommen und 
seitigung des Einflusses dieser Beschwerde- ein unbeschreiblicher Jubel ausgelöst. Die 
schriftsteller, die im Namen der Freiheit auf- Fahnen von den alten historischen Türmen, 
traten, in Wahrheit aber einzig die Jutereffen von den deutschen Baudenkmälern und Häu- 
ihres persönlichen politischen Ehrgeizes ver- fern grüßen das Reich. Die Glocken schwingen 
traten, notwendig. in der Stadt. Was soeben noch die Sprechchöre 
Dieser politische Sinn gab dem Wahlkampf der SA. und SS. mahnend riefen, das geben 
in Danzig eine besondere politische Bedeutung sie jetzt jubelnd und hallend weiter: 
und gab bis zum letzten Tage der Stadt sein D a n z ig i st d e u t s ch!_ 
Dr. Krüger schreibt in d. NSK. aus Danzig: 
Danzig ist bis zu dem Zeitpunkt, da der Na 
tionalsozialismus im Reich und bald darauf 
auch in der Freien Stadt die Macht antrat, als 
einer der Gefahrenpunkte der europäischen 
Politik angesehen worden. Hier ist durch das 
Versailler Diktat an hunderttausendeu von 
friedlichen deutschen Menschen ein Unrecht be 
gangen worden, das eigentlich durch nichts 
mehr überboten werden kann. Versailles hat 
an dieser Stelle dem deutschen Volkskörper eine 
offene Wunde geschaffen. Damit hat es absicht 
lich oder unabsichtlich, das bleibt im Wesen 
gleichgültig, denn in der Politik entscheidet 
einzig der Erfolg der Maßnahme, eine stän 
dig ungeklärte Frage zwischen zwei Völker 
geworfen, deren Folgen während eineinhalb 
Jahrzehnten immer neue Vorstöße eines frem 
den Volkstums und ein Zurückweisen dieser 
Angriffe war. Die Diktatoren des Friedens 
von Versailles hatten augenscheinlich ein In 
teresse daran, einen solchen Unruheherd im 
MZ 
fluffs"
	        
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