128. Jahrgang 7 Nr. 128
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt)
Dienstag, den 4. Juni 1935
Margarete fährt ins Glück
Von V. Steinkirch.
(Nachdruck verboten.)
^ „Zwölf große Helle — einmal Bockwurst mit
Datat — zweimal Eisbein mit Sauerkraut!"
— Margarete ruft es laut durch die üämmrige
Gaststube, in der kein Mensch sitzt und nur das
laute, immer ein wenig zornig klingende
Ticken der alten Kuckucksuhr Leben verrät.
Eine Tür geht auf. Langsam tritt der dicke
Wirt, ihr Onkel, hinter den Schanktisch. „Her-
rcnpartie?" fragt er. Margret nickt.
„Wieviel?"
„Zwölf, glaube ich."
„Hm."
Der Alte beschäftigt sich angelegentlich mit
dem Bierhahn. Draußen im Garten hört
man jetzt Lachen und angeregtes, lautes Spre
chen. Margret lansll't hinaus: wie vergnügt
die sind! Kommt mo>t oft vor, daß sich ein
mal eine größere „Partie" in den kleinen
Gasthof verirrt, der fast nur von den Bewoh
nern des Dorfes nach Feierabend besucht
wird. Dies Lachen und Lärmen in dem klei
nen, schattigen Gärtchen hinter der Wirtschaft
erscheint der Margret drum ungewöhnlich
und seltsam feiertäglich.
Sie trägt das Bier hinaus. Zwölf lachende,
erhitzte Gesichter blicken auf die Gläser. Einer
hebt ihr sein Glas entgegen: „Prosit, Fräu
lein — nicht so ein ernstes Gesicht machen,
auch wenn der Schatz eine Herrenpartie
macht!"
Margret wird rot. Sie hat keinen Schatz. —
Sie sieht an sich herunter, verlegen und un
sicher — es hat sie noch keiner gemocht. Bor
lauter Verwirrung bleibt sie, die Hände unter
der Schürze verborgen, am Tisch stehen, blickt
an den Gästen vorbei, die ihre ungeteilte Auf
merksamkeit jetzt von ihr fort, dem Getränk
zugewandt haben.
Aus der Schankstube kommt ein Rufen. Das
bestellte Essen ist fertig. Wie sie es auf den
Tisch stellt, ist sie wieder ganz ruhig und sicher,
denn die große, starke Margret ist kein Mäd
chen, das man schnell verwirren kann. Viel
leicht ist es gerade der so unbeirrbare Blick
ihrer grauen Augen, der die Burschen ver
wirrt Doch es muß zugegeben werden, schön
ist sie nicht. Groß, grob, starkknochig ist ihre
Gestalt, flach und wenig interessant ihr Ge
sicht, sie hat langsame Bewegungen, nicht
plump, aber nicht besonders graziös — im
Torfe sind sie alle der Meinung, daß die
Margret bestimmt nicht tanzen kann. Ver
sucht hat es noch keiner mit ihr.
„Guten Appetit" wünscht sie ihren Gästen
und geht wieder dem Hause zu. Einer sieht
nach ihr. Er weiß nicht, wo er dies Mädchen
schon einmal gesehen hat, dies Gesicht, diesen
Gang, diese kühlen, grauen Augen. Dann
weiß er es plötzlich: Das war, als er noch ein
Kind war, ein kleiner Junge auf einem Bau
ernhof, der Jüngste von allen, lange, lange,
ehe er zur Stadt kam und der Wirbel des Be
rufslebens einen Stadtmenschen aus ihm
machte,' wie dies Mädchen aber war seine
Mutter gewesen, die er nicht lange gehabt
hatte: eine große Gestalt mit schweren, müt
terlichen Bewegungen. „Schön ist sie nicht",
denkt er dann. Die anderen am Tisch lachen
und prosten ihm zu. Ta vergißt er sie.
„Zahlen, Fräulein!"
Aber das Mädchen kommt nicht, ein ält
licher, dicker Kopf erscheint. Lachend bricht die
Gesellschaft auf. „Grüßen Sie Ihre Tochter!"
ruft einer im Uebermut. Der Wirt lacht zu
rück: „Ist nicht meine Tochter, — ist mein
Bruderkind!"
Dann ist der Garten wieder leer, die Gläser
und Teller allein verraten das Lachen, das
eben noch durch den Garten schallte. Leise
glucksend picken ein paar fette Hühner die
heruntergefallenen Brotkrumen, und das
Summen der Insekten schwingt gleichmäßig
in der mittagsheißen Luft.
Einsam steht auf einem Stuhl ein Foto
apparat.
„Abräumen, Margret!" ruft der Alte in die
Küche hinein. Das Mädchen setzt die Schüssel
mit den Kartoffeln, die sie soeben geschält hat,
zur Erde und tritt in den Garten. „Da hat
einer was vergessen." Sie hebt den Apparat
auf.
Gleichmütig sieht der Alte hinüber. „Wird
schon wiederkommen, sich abholen!" Die zwölf
Ausflügler sind schon fast zwei Stunden von
der kleinen Wirtschaft entfernt, als einer den
Verlust seines Fotoapparates bemerkt. „Eine
schöne Bescherung!" — Die andern schimpfen,
lachen.
Alle Mann kehrt?
Nichts zu machen. Ein paar Schmerbäuche
sind dabei, denen das Laufen ohnedies längst
zuviel geworden ist. „Mutz Herbert eben allein
zurück, warum paßt er nicht auf — wir kön
nen ja in der Bahnhofswirtschaft in W. auf
ihn warten. (Eine willkommene Gelegenheit
für ein paar Müdegewordene.)
Herbert macht sich also allein noch einmal
auf den Rückweg.
Wie er in die dämmerige Gaststube hinein
tritt, findet er sie immer noch ganz leer. Er
geht hinter das Haus in den Garten, auch
hier steht sein Apparat nicht.
Tie Küchentür steht nur angelehnt. Er
sieht hinein. Das Mädchen steht am Herd, mit
dem Rücken zu ihm.
„Verzeihung — ich habe hier meinen Foto
apparat vergessen!"
Die Margret fährt herum. „Jetzt haben
Sie mich aber erschreckt!" Ganz rot und atem
los ist sie.
„Beinahe sieht sie jetzt hübsch aus", denkt er
Sie holt das Vergessene.
„Nun haben Sie den ganzen Weg zurück
gemußt?" meint sie ein wenig bedauernd.
„O, daran bin ich nun selbst schuld", er lacht,
„und — jetzt tut es mir gar nicht einmal so
leid!"
Margret sieht an ihm vorbei. „Möchten Sie
vielleicht was trinken?" fragt sie hastig. Als
sie das Bier hinausträgt, wo er cs sich unter
den alten Bäumen bequem gemacht hat, muß
sie sich zu ihm an den Tisch setzen, und er bit
tet sie so treuherzig lachend darum, daß sie
gar nicht „nein" sagen kann.
Wie kam das dann, daß er ihr von seinem
Heimatdorf, von seiner Mutter erzählte, daß
sie von sich berichtete, die verschlossene Mar-
gret plötzlich einem ganz Fremden von dem
eintönigen Leben im Hause des alten Onkels
berichtete? Dann saßen beide mit einem
Male stumm und empfinden die seltsame
Vertrautheit, die von einem zum anderen
hinüberzieht. „Als wenn ich ihn schon lange
kenne!" denkt die Margret.
„Ihre Freunde werden Sie erwarten", sagt
das Mädchen aufstehend, „und ich habe noch
in der Küche zu tun!"
Auch er steht auf. „Ich möchte Ihnen einen
Vorschlag machen: Ich warte hier, bis Sie in
der Küche fertig sind, und dann kommen Sie
mit mir. Um 4 Uhr geht der Autobus von L.
ab,' mit dem fahren wir, steigen irgendwo
aus, wo es uns gefällt und laufen ein wenig.
Wollen Sie?"
Jetzt ist sie verwirrt. Kann sie das tun?
„Aber mein Onkel — Ihre Freunde", stam
melt sie dann, „und ich kenne Sie doch gar,
nicht!"
Da sieht er sie an. Ganz ruhig ist dieser
Blick, ganz ernst.
„Doch", sagt er dann, „Sie kennen mich —
und ich kenne Sie, das wissen Sie auch!"
Margret ist ein einfaches Dorfmädel, und
vielleicht gerade darum versteht sie die ganz
unmittelbare Ehrlichkeit seiner Worte.
Der Onkel kennt die Margret, er weiß, daß
kein leichfertiges Ding ist. Er läßt sie da-
ngehen.
Lärm ist in dem Autobus. Lachen und Sin
gen. Ganz still sitzen sie nebeneinander.
Margret schaut geradeaus. Sie sitzt ganz
vorn, kann die ganze Landstraße übersehen.
Blau wölbt sich der Himmel über der Straße.
„Mitten hinein fahren wir", fühlt sie. Sie
blickt zur Seite. Der Mann wendet sich im
gleichen Augenblick zu ihr hin. Ihre Blicke
treffen sich. „Margret!" sagt er leise,
t Sie senkt den Kopf. „Mitten in den Him
mel", denkt das Mädchen, „mitten hinein ins
Glück!"
etwas früher einsenden? Es dauert gar zu
lange." Dazu kann ich Dir nur sagen, daß
die Schuld nicht an mir liegt. Wenn es nach
mir ginge, würde „Kindcrland" regelmäßig
alle 14 Tage kommen. Was Du über Dei
nen kleinen Garten schreibst, hat mich inter
essiert. Ja. es ist wirklich schade, daß zwi
schen den Erbsen nicht gleich der Schinken
und zwischen dem Grünkohl nicht gleich die
Schweinsbacke wächst.); Jngeborg Siemsen-
Dörpum (Ja, der Kieler Jahrmarkt ist grö
ßer. Aber schließlich ist alles dasselbe, ob
Bredstedter oder Kieler Markt.); Elfriede
Thiedemann-Hohn; Gotje Marie Witt-Gnuß
(Ich habe mich gewundert, daß in Deinem
großen Brief so wenig drinstand.); Gertrud
Pastor-Rendsburg (Ein Mädel, das sich mit
einer so netten Losung einführt, ist uns je
derzeit willkommen.) Antje Carstens-Eller-
dorf-Kamerun (So, Du hast nur Hilfe ge
braucht, weil Du keinen Ausdruck für Lie
besgott kanntest. Diese Unwissenheit war
kein Malör; es ist gut so. Wenn Mutter
immer noch „putzig" ist, sollst Du als Älteste
schon bald einen putzigen Posten abbekommen).
Eisriede Luise Krohn-Rendsburg (Ein klei
nes Mädchen, das so sauber arbeitet wie
Du, darf herzlich gern mitmachen.); Walter
Petersen-Westerbordelum (Wollen mal sehen,
wie wir's mit Leben und Nebel deichseln!);
Emmi Hansen (Oben gibst Du als Wohn
ort an Mörel und unten Moral. Ersteres
ist doch wohl das Richtige.) Lütten in Rends
burg (Schließlich hat es denn doch seine
Richtigkeit gekriegt. Alles läuft sich zurecht,
nur schiefe Stiefelabsätze nicht. Und die ha
ben wir beide ja nicht — seitdem es Gummi
ecken gibt.); Katrine Wilde-Osterrönfeld;
Hans Wichmann-Nindorf (Der Weg von
Nindorf nach Hohenwestedt konnte den Aus
bau auch gut vertragen,); Katrine Schmidt-
Brammer (Das war wenigstens ein Anfang,
und aller Anfang ist schwer. Ich sehe or
dentlich, wie sauer es Dir geworden ist.);
t einrich Greve-Boklund (Hoffentlich bringst
u nächstens auch soviel Zeit aus.); Christa
Ernst-Bokel; Else Kühl-Büdelsdors (Der
Film „Der Triumph des Willens" ist wirklich
ausgezeichnet und zeigt vor allem die mensch
liche Größe unseres Führers. Ich freue mich
mit Dir, daß Du nach Tondern ins Land
schulheim darfst.); Anneliese Kock-Tetenhusen
(Ja. der 1. Mai hat sich mit der Witterung
mies gemacht, aber die Feier war gleichwohl
großartig. Anderer Kram als früher.); Anne
Marie Greve-Bttnsdorf (Ist an sich gewiß
richtig, wenn Du Dir zur Regel machst, daß
man Verheiratete mit „Sie" anredet. Aber
bei mir mache bitte eine Ausnahme. Ja. der
„Wonnemonat" Mai.); Anneliese Saß-Nicn-
borstel (Vor dem Impfen brauchst Dukeine
Angst zu haben. Das ist, als wenn man sich
leicht mit dem Fingernagel ritzt. Mußt bloß
nicht hingucken.); Erna Frahm-Bargstall (Du
haft nur zu recht, Erna, auf die Dauer wird
einem die Reinemacherei über. Vielleicht er
zählst Du mal Deine Erlebnisse beim Rein-
machen.); Klaus Riecken-Nindorf (Mein Bru
der ist dieser Tage bei Onkel August zur
Verlobung gewesen. Da muß Onkel August
wohl bald aufs Altenteil.); Martha Peter -
sen-Tetenhusen (Ich gebe absichtlich die Rät-
sei nicht so schwer aus, um Euch die Freude
am Finden nicht zu erschweren.); Magda
Röckendorf-Bargstall (Ihr wart nach Hohn
zum Radioempsang am 1. Mai? Habt Ihr
denn kein Radiogerät in der Bargstaller
Schule?); Heinz Timm-Büdelsdorf (Also
war meine Mutmaßung richtig: Vater war
mit mir bei Onkel Wittmaack in Westerrön-
feld zusammen. Hoffentlich geht's ihm gut.
Grüße ihn vielmals!); Grete Sievers-Barg
stall (Das muß ja ein stattlicher Zug gewesen,
der nach der Übertragung durch Hohn mar
schierte.); Irma Frers-Langwedel (Du stehst
zwar drei Stunden früher auf als ich, gehst
aber auch wohl drei Stunden früher ins
Bett; denn gegen 12 wird es fast immer mit
mir. Als Junge konnte ich melken, habe es
inzwischen aber wohl verlernt. Kiel-Ellerbek
ist fast ebenso weit von mir wie Dätgen von
Langwedel.); Helmut Pahl-Westerrönfeld;
Anne Hansen-Bokelseld (Wenn man nur in
der Wirtschaft vorwärts kommt, nimmt man
die Einsamkeit schon in den Kauf.); Heinke
Matzen-Bokelfeld (Wie Anne sich wohl ge
freut hat, nach vier Jahren in Dir eine Freun
din aus Hamdocfwiederzufinden! Vielen Dank
für Deine hübschen Schlüsselblumen, die ich
meiner Frau überreicht habe, da sie gerade
am Muttertag kamen.); Magda Breede-Te-
tenhusen (Ich glaube schon, daß in Teten-
husen die Igel nicht zu den Nagetieren zäh-
len; in Kiel auch nicht; die sind versehent-
lich drunter geraten. In Kiel aber gibt es
auch keinen Onkel Jakop. In Tetenhusen
doch wohl auch nicht. Ist wohl ebenfalls
durch ein Versehen zustande gekommen. Nä,
mein Deern, als Deine Mutter noch klein
war. habe ich noch nicht im „Kinderland" ge
schrieben. Euer Blättchen besteht doch auch
erst 11 Jahre. Meinen Geburtstag verrate
ich nicht. Aber alt bin ich 55 Jahre u. grau
wie'» weißer Schinimel- Gottlob nicht von
Sorgen!) (Fortsetzung folgt)
11. Jahrgang
Rendsburg, 4. Juni
11. Jahrgang
Mai
Es kam der Mai in unser Land.
Und als er schmucklos die Fluren fand.
da sprach er: Das muß anders sein!
Dann sprang er lachend durch Feld u. Hain.
Und wo er lachte: ein Brünnlein sprang;
und was er dachte: ein Döglein sang;
und wo er ruhte: ein Blümlein sproß;
ein bunter Falter war sein Genoß.
Nun springt durch die Wälder das Bächlein
ins Grün
nun zieht durch die Felder ein Dusten u. Blüh'n.
Nun lockt's in den Zweigen: Ihr Kinder, herbei
zum fröhlichen Reigen im blühenden Mai!
I. St.
L-
Wie die Blumen auf die
Erde kamen
Von Chr. Jeffen.
Viele Kinder meinen, das müßte ein großes,
buntes Fest gewesen sein, als die Blumen auf
die Erde kamen. Anders kann man es sich ja
auch nicht gut denken, wo doch die Blumen
alle so prächtig und festlich sind — die ganze
Erde ist ja bestimmt viel fröhlicher und schöner
geworden, seitdem die Blumen gewachsen sind.
Aber es ist damals doch kein Fest gewesen,
es ist ganz anders gekommen, das will ich
euch erzählen. Natürlich möchte die kleine
Gisela wieder gerne hören, woher ich die Ge
schichte weiß. Eigentlich darf ich es ja nicht
verraten. Aber Gisela sitzt immer so schön auf
der Wiese und macht Kränze aus Gänseblüm
chen, Butterblumen und Lichtnelken; sie ist eine
so treue Bluinenfreundin und ein so liebes
Mädchen, da muß ich es ihr doch wohl sagen.
Also da ging ich vor vielen Jahren einmal
durch die Heide, die blühte mit ihren Millionen
kleinen Blümchen weit in der Abendsonne. Auf
einmal stand da zwischen den Wacholdersträu
chern einFrau. Die hatte ein hellrotesKleid an.
einen Korb mit Beeren an der Hand und einen
weißen Hut über dem schwarzen Haar. Ich
dachte zuerst, sie gehörte zu einem kleinen Bau-
ernhäuschen, das ich von fern sehen konnte. Aber
sie !var doch wohl fremd, denn sie fragte mich
nach dem Weg und sagte: »Es ist so schwer,
aus der Heide herauszufinden". Da mußte ich
lachen. „Ach", sagte ich. „das ist aber doch
leicht, aus der Heide herauszukommen. Da
kommen Sie nur mit." Und ich wollte ihr den
nächsten Weg zeigen. Unterwegs kamen wir
ins Erzählen. „Ich bin noch ganz verwirrt",
sagte die Frau, „ich habe da etwas unter dem
Wacholderbusch geschlafen und habe einen so
seltsamen und schönen Traum gehabt". Da
sagte ich: „O, den müssen Sie mir erzählen»
ich höre Träume so gern". Und da fing sie
denn an:
Unterhaltung