Schleswig-Holsteinischer WirLschaftsdļenst
Mahl- und Schrotlöhne
für Lohn- nnd Umtauschmüllerei
hat u. a. der Getreidewirtschaftsverband Rheinland
festgesetzt. Sie betragen: 1. bei der Verarbeitung
von Roggen zn Mehl: bei Barlohn: 2,20 Ml für
100 Kg., bei Naturallohn: 12 vH. der angelieferten
Menge. Es sind auszuliefern: 70 vH. Roggenmehl
Type 818 plus 27 vH. Roggenvollkleie, oder 78 vH.
Noggenmehl Type 007 plus 22 vH. Roggenkleie,
oder 86 vH. Noggenmehl Type 1370 plus 12 vH.
Roggenkleie.
Beispiel: Der Mahlkunde erhält: bei Barlohn für
gelieferte 100 Kg. Roggen 70 vH. — 70 Kg. Roggen
mehl Type 813 plus 27 vH. — 27 Kg. Roggenvoll-
kleie: bei Naturallohn für gelieferte 100 Kg. Rog
gen abzüglich Mahllohn 12 vH. = 12 Roggen, von
den verbleibenden 88 Kg. Roggen 70 vH. — 62 Kg.
Noggenmehl Type 813 plus 27 vH. = 23 Kg. Rog
genvollkleie.
2. bei der Verarbeitung von Roggen zu Back-
schrot: bei Barlohn: 1.50 JIM für 100 Kg., bei Na
turallohn: 8,5 vH. der angelieferten Menge. Es
sind auszuliefern: 97 vH. Roggen-Backschrot Type
1800.
3. bei der Verarbeitung von Weizen zu Mehl: bei
Barlohn: 2,50 Ml für 100 Kg., bei Naturallohn.
11 vH. der angelieferten Menge. Es sind auszu
liefern: 65 vH. Weizenmehl Type 502 plus 32 vH.
Weizenkleie, ober 70 vH. Weizenmehl Type 563
plus 27 vH. Weizenkleie.
4. bei der Verarbeitung von Weizen zn Backfchrot:
bei Barlohn: 1,50 JIM für 100 Kg., bei Natural
lohn: 7 vH. der angelieferten Menge. Es sind aus
zuliefern: 97 vH. Weizen-Backschrot Type 1700.
5. bei der Verarbeitung von Frucht aller Art zu
Futterschrot: bei Varlohn 1 Ml für 100 Kg., bei
Naturallohn: 6 vH. der angelieferten Menge. Es
sind auszuliefern: 98 vH. Schrot der gelieferten
Fruchtart.
6. bei dem Quetschen von Frucht aller Art: bei
Barlohn: 0,80 Ml für 100 Kg., bei Naturallohn:
5 vH. der angelieferten Menge. Es sind auszulie
fern: 99 vH. der gelieferten Frucht — gequetscht.
Der Saatenstand Ansang Mai
Das Aprilwetter war allgemein kühl und naß.
Aus Westfalen und der Rheinprovinz wurden
bereits zu viele Niederschläge gemeldet. Die Be
stellungsarbeiten sind infolge des nassen Wetters
erheblich verzögert worden. — Der Stand der be
urteilten Feldfrüchte hat sich im Vergleich zur glei
chen Zeit des Vorjahres nur unwesentlich verän
dert. Winterroggen hat sich mit der Note 2,6 <2,5)
um einen Punkt verschlechtert, dagegen Klee mit
2,9 (3,0) um einen Punkt verbessert. Winterweizen
weist mit 2,4, Winterfpclz mit 2,3 und Wintergerste
mit 2,5 den gleichen Stand wie im Vormonat auf.
— Die infolge Auswinterung und sonstiger Schädi
gungen vorgenommenen Umpflügungen beim Ge
treide bewegen sich zwischen 0,5 und 0,6 vH. der
entsprechenden Anbaufläche, also in normalen
Grenzen. Lediglich beim Klee sind größere Um-
pflügungen vorgenommen worden. Sie sind jedoch
mit 2,9 vH. wesentlich geringer als im Vorjahr.
Die beim Raps vorgenommenen Umpflttgungen
sind aus 2,0 vH. der Anbaufläche geschätzt worden.
Für Baumwollgarne und -gewebe
sind Richtpreise festgesetzt mit Abschlägen für schlech
tere, von der Normalware abweichende Qualitäten,
da das jetzige Preisniveau «überhöht ist. Der
Reichskommissar stellt dazu fest, daß die neuen
Richtpreise genug Raum lassen zum Aufnehmen
von Preisschwankungen der Rohstoffe.
Zur Entlastung des Viehmarktes
wird Rindfleisch von Dänemark und Irland einge
führt, eine Maßnahme, die auf der Tagung der
badischen Fleischerobermeister begrüßt wurde. In
Hinsicht auf den bevorstehenden Konservenverkauf
müsse sich das Publikum im Geschmack den verän
derten Verhältnissen anpassen. Ein Vertreter der
Hauptvereinigung der Deutschen Vichwirtschaft er-
klärte, daß der Hauptvereinigung der augenblickliche
Zustand der Ninderpreise ebenso unerwünscht sei
wie dem Gewerbe.
Warum Anziehen der Speisekarioffelpreise?
Die Marktberichtstelle beim Reichsnährstand weiß
sich diese Tatsache, die im Widerspruch zu den gro
ßen Vorräten und der guten Ueberwinterung steht,
nur mit einer Geschmacksverlagerung zu erklären.
Durch die einseitige Bevorzugung von gelbfleischi-
gen Speisekartoffeln haben diese seit der Ernte nur
abgenommen, während rote und weiße als Speise
kartoffeln vielfach nur schwer abzusetzen sind. Wäh
rend früher nur Westdeutschland gelbfleischige
Speisekartoffeln bevorzugte, dringt diese Geschmacks
richtung immer mehr nach dem Osten vor.
Infolge der unverändert anhaltenden Nachfrage
nach den 4,5prozentigen Reichsschatzanweisungeu
per 1. 9. 88 wurde der Zeichnungskurs für diese
Abschnitte heute erneut um n vH. auf 100% vH.
erhöht.
Die neue Mehlmarktordmmg
Das Wochenblatt der Landesbauernschaft Kur
mark veröffentlicht die Anordnung Nr. 25 des Ge-
treidewirtfchaftsverbandes Kurmark betr. Fest
setzung von Preisen und Preisspannen von Rog
gen- und Weizenmehl, Weichweizengrieß und Back
schrot und Vorschriften für den Verkehr mit Müh
lenfabrikaten. Diese Anordnung ist auf Anweisung
der Hauptvereiniguug der Deutschen Getreidewirt
schaft ergangen und ist, vielleicht mit geringen Ab
änderungen hinsichtlich der ortsüblichen Aufschläge,
die beim Verkauf an Nichtgroßabnehmer dem nun
mehr von den Getreidewirtschaftsverbänden für
das ihnen zugehörige Festpreisgebiet festzusetzenden
Preise für Roggenmehl und Weizenmehl hinzuzu
rechnen sind, in diesen Tagen auch von den übrigen
Getreidewirtschaftsverbänden zu erwarten. Die
Festpreissehung erfolgt jeweils für längstens drei
Kalendermonate. Die Ablieferung hat stets zum
Preise des Liefermonats zu erfolgen.
Für die Verkäufe gilt stets der für bas Abliefe
rungsgebiet festgesetzte Mehlpreis. Allen Verkäufen
von Mühlenfabrikaten ist der neue Rcichsmehl-
schlußschein zugrundezulegen. In dieser Anordnung
werden auch die Auf- und Abschläge bestimmt, nach
denen sich die Preise für die neben den Basistypen
gehandelten Mehltypen ergeben. Ferner ist festge
legt, um wieviel die vom Getreidewirtschaftsverband
festgesetzten Preise bei Verkäufen der Mühlen mit
einem Grundkontingent von 1000 To., 1001—3000
To., über 3000 To. unterschritten werden dürfen.
Es sind weiter noch Unterschreitungsmöglichkeiten
der festgesetzten Preise für Roggenfabrikate und
Mühlenfabrrkate aus inländischem Weizen vorge
sehen für östlich der Elbe arbeitende Mühlen bei
Verkäufen nach bestimmten Bezirken im Westen.
Die festgesetzten Preise <Notierungspreise) gelten
für Verkäufe an Großabnehmer. Der Begriff des
Großabnehmers ist in der Anordnung genau fest
gelegt. Von besonderer Bedeutung ist das Verbot
der Konsignationsläger. Mühlenfremöläger dürfen
nur bei Spediteuren und öffentlichen Lagerhäusern
unterhalten werden. Bestehende Konsignationslager
müssen innerhalb von drei Monaten aufgelöst sein.
Es sei noch besonders aus die Bestimmungen
über die Anpreisung von Mühlenfabrikaten in Zei
tungen und Zeitschriften hingewiesen, die der Wett
bewerbswahrheit dienen sollen. Verkäufer und
Käufer haben Bücher zu führen, aus denen der
Tag des Einkaufs oder Verkaufs, Name des Ver
tragsgegners, Preis, Menge und Zeitpunkt, sowie
der Verbrauch der umgesetzten Waren ersichtlich
sind.
Wir veröffentlichen die für die Kurmark festge
setzten Preise und Preisspannen, da ihnen offenbar
eine gewisse Allgemeinbedeutung zukommt:
Zu den für die Basistypen festgesetzten Mehl
preisen sind für die anderen Typen folgende Auf-
und Abschläge zu berechnen (je 100 Kg.): a) bei
Roggenfabrikation: für Type 816 ein Aufschlag von
0,50 Ml auf den Basispreis, für 1370 ein Abschlag
von höchstens 1 Ml, für Type 1800 (Roggenback-
schrotj ein Abschlag von höchstens 3,50 Ml vom
Basispreis: b) bei Weizenfabrikaten: für Type 630
ein Aufschlag von mindestens 1 JIM, für Type 563
von 2 JlJl, für Type 502 von 8 JIM, für Type 405
von 5 Ml, für Type 405 (Weichweizengrieß, grob,
mittel, fein) von 6 Ml auf den Basispreis: für
Type 1600 (Weizenbrotmehl) ein Abschlag von höch
stens 5 JIM, für Type 2000 (Weizenbrotmehl) von
7 Ml, für Type 1700 (Weizenbackschrot) von 3 Ml
vom Basispreis.
Die Aufschläge dürfen um höchstens 1 MM je
100 Kg. überschritten, die Abschläge um höchstens
1 Ml je 100 Kg. unterschritten werden.
Für Weizenmehl mit Auslandsweizenbeimischung
ist bei 20 vH. Beimischung ein weiterer Aufschlag
von 3 Ml, bei 10 vH. Beimischung ein weiterer
Aufschlag von 1,50 Ml je 100 Kg. zu berechnen.
Bei Mehl aus Mengegetreide beträgt der Auf
schlag auf den Preis für Roggenmehl Type 815 für
je 5 vH. Weizenanteil 0,25 Ml je 100 Kg.
Der vom Getreidewirtschaftsverband festgesetzte
Preis kann bei allen Verkäufen von Mehl und
Backschrot aus Roggen und Weizen und von Weich
weizengrieß unterschritten werden: Bon Mühlen
mit einem Grundkontingent (Roggen und Weizen
zusammen): a) bei Roggensabrikaten (je 100 Kg.):
bis 100 To. bis zu 0,30 Ml, von 1001—8000 To.
bis zn 0,20 JIM, über 3000 To. bis zu 0,10 Ml) b)
bei Weizenfabrikaten: bis 1000 To. bis zu 0,60 Ml,
von 1001—8000 To. bis zu 0,80 MH, über 3000 To.
bis zu .... MH.
Die festgesetzten Preise (Notierungspreise) sind die
Preise für Verkäufe an Großabnehmer.
Als Großabnehmer gilt: neben den Wiederver-
käufern, die Mehl im Großhandel absetzen, der
Betrieb, der mindestens 10 Tonnen Mehl aus einer
Getreideart oder 15 Tonnen aus verschiedenen Ge-
treibearten zur Verwendung im eigenen Betrieb
geschlossen abnimmt und im Durchschnitt eine
wöchentliche Verarbeitungs- oder Umsatzmenge
von mindestens 100 Dz. nachweist.
Beim Verkauf an Nichtgroßabnehmer ist dem
Notierungspreis der von dem Getreidewirtschafts
verband festgesetzte ortsübliche Aufschlag hinzuzu
rechnen. Der ortsübliche Aufschlag betrügt bis auf
weiteres für: a) Noggenfabrikate 1,40 Mfl, 6)
Weizenfabrikate 1,80 MH je 100 Kg. frei Bäckerhaus
oder frei Niederlassung des Käufers.
Ata./
Roman von Margot Boger.
22) Nachdruck verboten.
„Ja — um den Wolfratshof geht es!" er
widerte Uta bitter. „Nicht um mich!"
Sentilo ries beschämt: „Wolfrats Tochter
und der Wolsratshof sind nicht zu trennen!
Hättest du einen Bruder, so dürftest du den
Wolfratshof verlassen. Und wahrhaftig, Uta,
auch ohne den Hof würde ich den Wunsch un
serer Väter gern erfüllen und dich zur Gattin
nehmen!"
Uta sagte heftig: „Höre, Sentilo! Ter Wolf
ratshof und Wolfrats Tochter müssen von
einander getrennt werden! Und dabei mußt
du helfen! Ja, niemand anders als du ver
mag überhaupt zu helfen — das wird mir
eben klar . . . Nicht wahr, du hilfst mir,
Lieber, Guter?" setzte sie ungestüm hinzu und
griff nach seinem Arm.
„Ja — aber wie denn, Uta?" fragte er ver
stört.
„Hast du nicht eben selber gesagt, daß ich
den Wolfratshof verlassen könnte, wenn ich
einen Bruder hätte, der das alte Erbe anzu
treten vermöchte? Ich bitte dich, sei mein
Bruder, Sentilo! Steh mir bei!"
„Ich verstehe dich wirklich nicht, Uta!" sagte
der junge Franke betroffen. Er fühlte wohl,
daß hier Geschehnisse am Werk waren, die
über seine Vorstellungen hinausragten. Zu
gleich lockte es ihn, an Dingen teilzuhaben,
die jenseits der engen Sippenordnung lagen.
Er hatte Uta beim ersten Blick in sein Herz
geschlossen. Aber nicht anders als eine liebe
Verwandte. Ja, auch er hätte sie gern als
junge Schwester gehabt. Er vertraute ihr.
Er fühlte sich warm zu ihr hingezogen. Ihre
Bitte tat ihm wohl: denn er hatte sich drei
Tage lang in knabenhafter Weise gedemütigt
herumgequält, weil er sich mißachtet vorkam.
Nun begriff er, daß mit seiner jungen Base
ebenso willkürlich gehandelt wurde wie mit
ihm. Sie hatte gar nicht gewußt, was die
Väter absprachen. Ihr Herz war schon ver
geben, als sie den Holzhof betrat. Das än
derte alles. „Verzeih mir, Uta!" bat er un
gewiß.
„Ich habe dir nichts zu verzeihen, Sentilo!
Ach, verstehe doch, wie verlassen ich bin! Wenn
du dich mit mir verbünden würdest, so könnte
nicht nur uns beiden geholfen werden, son
dern auch unsere Väter bekämen ihren
Willen . . ."
„So sag doch endlich, wie du dir das vor
stellst!" drängte er.
„Mein Vater scheint auf der Suche nach
einem Eidam zu sein, der das Blut Wolfrats
hat. Du hast Wolfratsches Blut, Sentilo — des
halb fiel seine Wahl auf dich. Und deine Ver
wandten haben nichts gegen diese Pläne einzu
wenden, weil Wolfrats Erbe weithin geachtet
ist. Außerdem gehen deine Zukunftswünsche
dahin, einen Edelhof mit Jagd, Fischerei, Vieh
zucht und gutem Ackerland dein eigen zu nen
nen — nicht wahr?"
„Ja, Uta!"
„So wäre also alles schön und gut — wenn
es keinen Diethart gäbe, Sentilo! Aber der
Diethart ist nun einmal da, und daran läßt sich
nichts ändern! Der Diethart ist ein Gefolgs
mann des Königs — das weißt du. Er kann
nichts mit dem Wolfratshof anfangen. Im Ge
genteil, ihm könnte es lieb sein, wenn ich zwölf
Brüder hätte, die sich um das Erbe stritten:
dann fragte man nicht nach ihm. Begreifst du,
Sentilo, daß gerade dieser Umstand so erschwe
rend für mich ist? Ter Vater sucht einen Nach
folger für den Hof, und mein Nnverlobter kann
den Hof nicht brauchen."
„Das ist wirklich schlimm", stimmte der Vet
ter teilnahmsvoll bei. „Aber was soll ich bei
alledem?"
„Was du sollst? Aber das ist doch klar! Du
sollst den Wolfratshof erben! Unsere Groß
väter waren Brüder. Wenn ich den Hof nicht
brauchen kann, so fällt er eben an dich, Sentilo!
Und du wirst bestimmt eine Frau dazu finden,
die dich so lieben wird, wie ich meinen Diethart
liebe!"
Der junge Sentilo seufzte schiver. „Tu denkst
dir das alles einfacher, als es ist, Uta! Ich
würde dir gern zur Seite stehen: aber unsre
Väter werden mit diesem Handel nicht einver
standen sein .. ."
„Was brauchen sie davon zu wissen? Wir
wollen doch nichts Unrechtes!"
„Und wie denkst du dir das Weitere, Uta?"
„Genau so, wie es wohl geplant ist. Du
kommst mit uns, du lernst den Wolsratshof
kennen und lebst dich dort ein. Ach, ich bin
überzeugt, du wirst unsere alte Stammeshei
mat liebgewinnen! Und um dieser meiner
schönen Heimat willen bitte ich dich: Sei mein
Bruder und hilf mir!"
Sentilos grüne Moosaugen sahen Uta be
wundernd an. Der junge, hübsche Franke war
nicht nur der Nachkomme seines Großvaters
Marius, sondern auch der Enkel des Hermun
duren Marino. Zwiespältiges zerriß ihn. „Es
kann mir nicht gefallen, wie eine Wolfratstoch-
ter mit ihrem Erbe umgeht!" sagte er mißbil
ligend und fügte sogleich anerkennend hinzu:
„Aber wie klug du alles bedenkst, Uta! Gut, ich
will dein Verbündeter sein, obwohl ich natür
lich nicht weiß, wie unser heimlicher Handel
ausgehen wird."
Uta stieß einen kleinen, glücklichen Schrei
aus. Sie jagte mit dem Pferd voran — dann
kam sie zurück. Ihr Gesicht glühte vor Freude.
„Wie gut meint es Gott mit mir!" rief sie.
„Das vergangene Jahr schenkte mir den ge
liebten künftigen Gatten, und nun hab' ich
einen guten, treuen Bruder öazubekommen!
Nie sollst du es bereuen, Sentilo! Ach, wie
wohl ist mir nun!"
Sie warf ihr Gesicht aus die Mähne des
Pferdes und zauste mit beiden Händen über
mütig darin herum. Das Pferd wandte den
Kopf nach seiner jungen Herrin und tänzelte.
Es fühlte ihre Freude.
Sentilo blickte bedenklich auf Utas glückliche
Erregung. Obwohl er vier Jahre älter war als
die junge Base, empfand er die kühne Heftig
keit des Willens als gefahrvolle Ueberlegen-
heit. Es würde nicht ganz leicht sein, mit dieser
kleinen Schwester zusammenzuleben. Sentilo
hatte ein ruhiges, träges Gemüt. Eigentlich
war ihm die Lage, in die er geraten war, sehr
unbequem. Aber als Enkel des alten Marius
witterte er Vorteile, die man sich nicht entgehen
lassen durfte.
Inzwischen warf Uta in einem wilden Durch
einander vertrauensvoll Geständnisse vor ihm
hin, die ihn bewegten und beschäftigten.
Er begriff, daß sie krank wurde, weil sie
stundenlang traurig im Schnee umherirrte,
nachdem Dietharts Werbung von ihrem Vater
abgewiesen war . . . Arme kleine Uta! Wie
schwer mußte die einsame Krankheit gewesen
sein! Wahrhaftig: Er wollte ihr in Zukunft
getreulich beistehen, wenn sie Sorgen hätte.
Und sie rief dankbar: „Wie gut du bist, Sen
tilo!"
Als die beiden am späten Nachmittag in den
Holzhof zurückkehrten, sagte die Edele Balbina
zum Edeling Wolfrat: „Die heitere Vertrau
lichkeit unserer Kinder erfreut mein Herz!"
Dann rief sie Uta zu: „Was würdest du dazu
sagen, mein Töchterchen, wenn Sentilo für
einige Zeit als Gast bei euch einkehrte? Er
möchte bei deinem Vater die Bewirtschaftung
eines großen Hofes erlernen."
„Das ist schön!" antwortete Uta. „Hoffentlich
wird es ihm gut bei uns gefallen!"
Mutter Balbina und Vater Wolfrat tausch
ten befriedigte Blicke. Die Abreise wurde auf
Ende Januar festgesetzt.
Das Jahr begann mild. Der Schnee taute.
Und die Vögel sangen verhalten, wenn die
Mittagssonne schien.
Schon nach zwei Wochen wurden König
Heinrichs Bedingungen im Lande bekanntge
macht. Sie erregten gleichgültige Ablehnung.
Wer würde sein Land dazu hergeben, es als
Feindesfalle auszubauen? Mochten die Sachsen
beweisen, daß sie den Opfermut besaßen, den
sie von andern Stämmen forderten!
Was es überhaupt gewiß, daß die Madjaren
so weit vordringen würden? Was konnte ihnen
daran liegen, in kältere Länder einzurücken, da
sie doch fruchtbare südliche Gefilde besaßen? Es
würde bei den tückischen Räubereien bleiben,
denen sie unvorhergesehen nachgingen. Dage
gen vermochte sich niemand zu schützen.
Es wurde viel hin und her gestritten, wenn
sich die alten Eöelinge des Umkreises zusam
menfanden, um im Holzhof das winterliche
Würfelspiel zu betreiben.
Die Jugend aber hatte eigene Ansichten: sie
hing mit heimlicher Verehrung an König
Heinrich. Anstatt Reigen zu tanzen, sprach man
in einer entlegenen Ecke der Halle leise vom
Reich.
Dabei wurde Uta beredt. Sie trachtete, die
Jünglinge dafür zu entflammen, sich mit der
Tat für Deutschland einzusetzen. So kam es,
daß mehrere junge Männer gegen den Willen
ihrer Väter in des Königs Dienst traten. Sie
baten um Aufnahme in die sächsische Reiterei.
Utas Vater versuchte, die Gegensätze zwischen
den Alten und den Jungen durch gütliches
Zureden zu überbrücken. Gegen seine Tochter
trug er in diesen Wochen eine gleichmäßige
Herzlichkeit zur Schau. Im Innern aber
konnte er es nur schwer verwinden, daß sie
kein Kind mehr war, und er erinnerte sich un
gern an ihre sächsische Blutbindung, weil er
gern gesehen hätte, daß sie ihm ähnelte.
Immerhin wäre die Rückkehr nach dem Wolf
ratshof in erträglicher Ruhe vor sich gegangen,
wenn nicht jenes Ereignis eingetreten wäre,
das Uta heimlich gefürchtet hatte.
Es begann damit, daß sie in einer hellen
Mondnacht erwachte. Sie hörte seltsame Ge
räusche und nahm war, daß in den Arbeits
stätten jenseits des Mains lebhaftes Treiben
herrschte. Fackeln brannten: Pferde stampften.
Wahrscheinlich warteten die Slawen an der
mondhellen Saale, um ihre Waffen in Empfang
zu nehmen.
Würden die Sachsen Wache halten? Uta war
so erregt, daß ihre Zähne aufeinanderschlugen.
Erst, als das Flußufer längst wieder in stil
lem Dunkel lag, begab sie sich auf ihr Lager
zurück. Doch konnte sie keinen Schlaf finden.
Was würde der gute Sentilo sagen, wenn er
wüßte, daß sie die Sachsen auf die geplante
Verschiebung der Waffen aufmerksam gemacht
hatte? War sie nicht verpflichtet, dem brüder
lichen Freund die Wahrheit zu bekennen?
(Fortsetzung folgt.)
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