Iuv Vlnircvhaltuna
Nr. 105
Beilage der Eckleswia-Holsteinischen Landeszeitung )Rendsburger Laiedlatt-
Dienstag, den 7. Mai 1955
Vier weltberühmte Kriminalisten haben das Wort.
Sein großer lall.../
Berichtet von Horst W. Karsten.
Schuldig — unschuldig —schuldig.
Aus der Praxis des Polizeirats Tr. Powell
Courtitz, San Franzisko.
VIII.
^Das muß und wird gehen! dekrediert der
Staatsanwalt. Einen Ausweg gibt es nicht.
Parker hat allerdings zwanzig Jahre unschul
dig im Kerker gesessen, zugegeben. Dafür
kann er im Wiederaufnahmeverfahren, das
Natürlich eine — wenn auch unumgängliche
7- Formalität sein wird, vom Staat eine ent
sprechende Geldentschüöigung verlangen, die
ihm auch zweifellos zugesprochen werden
wird. Damit ist dann aber auch der Mordfall
restlos abgetan und erledigt. Wir kommen
dann zu dem Totschlag. Wir werden den Ge
schworenen die Frage vorlegen, ob Parker
schuldig ist, den Connor vor ein paar Monaten
auf der Straße erwürgt zu haben. Bejahen sie
diese, und daran zweifeln Sie doch wohl kaum,
Muß Parker verurteilt werden.
Noch gibt der Anwalt nicht klein bei —:
Es steht nicht mehr zu hoffen, daß der alte
Mann eine nochmalige Kerkerstrafe überhaupt
überstehen wird. Dagegen wird er wohl gern
auf eine Entschädigung für seine unschuldig
erlittene Strafe verzichten, wenn man ihm
die jetzt zu erwartende dagegen aufrechnet.
Diese kann ja unmöglich zwanzig Jahre aus
machen, so daß der Angeklagte noch immer
der Leidtragende dabei bleibt. Also muß er —
Justitia treibt keine Schachergeschäfte! un
terbricht der Richter. Sie selbst wissen doch
auch recht gut, Herr Anwalt, daß uns das Ge
setz keine rechtliche Möglichkeit bietet, eine
jetzt zu verhängende Strafe mit einer bereits
verbüßten, wenn auch schuldlos erlittenen
auszugleichen. — Ich mutz jetzt die Debatte
über den Mordfall — der hier gar nicht her
gehört, sondern lediglich in das Wiederauf
nahmeverfahren — schließen und in der Be
weisaufnahme über den Totschlag fortfahren.
Angeklagter, Sie bekennen sich also schul
dig, den gewissen James Connor aus offener
Straße am
Das Ende.
Ich will diese Ungeheuerlichkeit schnell zu
Ende bringen. Es geschah also, wie es ge
schehen mutzte, weil der tote Buchstabe eines
steinernen Gesetzes und nicht das natürliche
Rechtsempfinden entscheiden mutzte, bezw.
durfte —:
Parker ist einstimmig des Totschlags schul
dig gesprochen und unter Anrechnung aller
mildernden Umstände zu drei Jahren schwe
ren Kerkers verurteilt worden.
Und das nicht etwa bedingt — mit Bewäh
rungsfrist! O nein, keineswegs: Parker ist
ja bereits — vorbestraft! Er bleibt also so
lange ein rückfälliger Verbrecher, bis ihm das
Wiederaufnahmeverfahren den an ihm vor
einem halben Menschenalter begangenen Ju
stizirrtum schwarz auf weiß bescheinigt! Dann
wird ihm allerdings wohl auch eine bedeu
tende Geldsumme als Entschädigung zuge
sprochen werden — aber ob er deren Genuß
noch erleben wird, wenn ihn nicht in abseh
barer Zeit eine außerordentliche Begnadigung
zuteil wird, ist wohl sehr die Frage, denke
ich....
Mein großer Fall — denn ich habe mitten
drin gesteckt, ich sagte es ja schon zu Anfang.
Aber daneben für meine Begriffe: zumindest
der seltsamste Fall der ganzen Kriminal-
geschichte aller Zeiten! Ich bin es nicht allein,
der von ihm nicht loskommt...
— So Dr. Powell Courtiß, Polizeirat von
San Franzisko, weltberühmter Kriminalist,
bekannt auf beiden Hemisphären. —
* * *
Das Geheimnis der weißen Jacht.
Hier erzählt „Sherlock Holmes rcdivivus".
„Gestatten Sie, daß ich vorstelle":
Sherlock Holmes? — Der wohlunterrichtete
Leser weiß: Sherlock Holmes, der Mann mit
der Shagpfeife, der große Schweiger und
Alleswisser, der Detektiv, der seinen unbe
kannten Besucher nach einem Blick auf die
Schuhe sagte, wie alt er war, welchen Weges
er kam, von was für einer Gattung Fleiß
seine Tienstmagd beseelt war, was er am
vorigen Abend gegessen, wieviel Geschwister
er hatte und wieviel runde englische Pfunde
er im Monat verdiente: Sherlock Holmes: die
meisterliche und rekordlerisch volkstümlich
gewordene Fantasiegestalt des seligen Conan
Doyle, der sich selbst diesem Produkt seiner
literarischen Laune als den getreuen Freund
Watson zur Seit stellte. Später hat dann der
Erfinder und Verfasser der von ihm geschaffe
nen Figur höchst eigenhändig den Garaus ge
macht — „Conan Doyle, der Mörder des
Sherlock Holmes"... wie wäre es damit? Je
denfalls nahm er in seinem Buch „The Cafe
Book of Sherlock Holmes" endgültig Abschied
von dem Meisterdetektiv — mit der Begrün
dung, er wünsche nicht, daß seine literarischen
Energien allzu sehr in einen Kanal geleitet
würden...—: „Ich fürchte, Herrn Sherlock
Holmes könne es ergehen, wie einem jener
volkstümlichen Tenöre, die ihre Zeit überlebt
haben und dennoch immer wieder der Ver
suchung erliegen, vor ihrem Auditorium wie
derholte Abschiedsverbeuguugcn zu machen.
Das muß aufhören, und Sherlock Holmes
muß den Weg alles Fleisches gehen!"
Damit also war der Meisterdetektiv hoff
nungslos umgebracht? — Halt, halt! Zunächst
einmal ist natürlich Sherlock Holmes eine
Fantasiegestalt Conan Doyles gewesen, aber
diese Fantasiegestalt hat höchst lebendige Vor
bilder gehabt, die in der Kriminalistik Eng
lands eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt
haben — Sherlock Holmes: ein mixtum com
positum aus recht lebendigen Elementen. Und
nun zur Hauptsache: alle diese lebendigen Ele
mente sind heute vereint in der Gestalt und
im Wesen desjenigen Kriminalisten, der seit
dem Abschied Percy Savages als der unbe
strittene Meisterkriminalist von Scotland
Aard gilt — auf diesen Inspektor William
Ben, der als „Billy Ben" ebenso volkstüm-
lich wie bei den Verbrechern gefürchtet ist und
alle Eigenschaften der Conan Toyleschen Ge
stalt in sich sammelt — das gilt von der ewi
gen Shagpfeife so gut wie von dem eisernen
Schweigen und der besonderen Methode, aus
den winzigsten und abwegigsten Spuren
mehr als jeder andere Sterbliche herauszu
lesen... weshalb man ihn ebenso kurz wie
aufschlußreich als „Sherlock Holmes redivi-
vus" bezeichnet hat. — Sherlock Holmes also
wurde von einem Autor höchst eigenhändig
umgebracht — und Sherlock Holmes ist prompt
auferstanden. Er lebt!
Fragt man diesen „Billy Ben" nach dem
„größten" seiner zahllosen Fälle, die er bear
beitet und gelöst hat, so antwortet er seinen
wenigen Vertrauten nur diese drei Worte:
„Die weiße Jacht"
Und berichtet, ist er besonders gut gelaunt,
in seiner wortkargen Art folgendermaßen:
(Fortsetzung folgt.)
Wort aus alter 2i\t
Aus dem Jahre 1782 für das Jahr 1935.
Von Matthias C l a u d i u s.
Hermann Claudius hat seinem Urgroßvater
Matthias Claudius, dem Wandsbeker Boten,
seine Verehrung bezeugt und eine Auswahl
aus seinen Werken gestaltet, der er den Titel
gab „Das Buch Ehrfurcht" (Gerhard Stalling,
Verlagsbuchhandlung, Oldenburg i. O.>. Darin
finden wir Worte aus dem Jahre 1782, die so
recht in die Ostertage des Jahres 1985 passen.
Wir Menschen gehen doch wie im Dunkeln,
sind doch verlegen in uns, und können uns
nicht helfen, und die Versuche der Gelehrten
es zu thun sind nur brotlose Künste. Auch ist
das Gefühl eigner Hülflvsigkeit zu allen Zeiten
das Wahrzeichen wirklich großer Menschen ge
wesen, ist überdem ein feines Gefühl, und viel
leicht der Hafen, aus dem man auslaufcn muß
um die Nordwestpassage zu entdecken.
Der Mensch hat einen Geist in sich, den diese
Welt nicht befriedigt, der die Treber der Ma
terie, die Dornen und Disteln am Wege mit
Gram und Unwillen wicderkürt, und sich seh
net nach seiner Heimat. Auch hat er hier kein
Bleiben, und muß bald davon. So läßt es sich
an den fünf iFngern abzählen, was ihm ge
holfen sein könne mit einer Weisheit die bloß
in der sichtbaren und materiellen Natur zu
Hause ist. Sie kann ihm hier aus mancherlei
Weise lieb und werth sein, nachdem sie mehr
oder weniger Stückwerk ist: a b e r s i c kann
i h m nicht g e n ü g e n. Wie könnte sie das,
da es die körperliche Natur selbst nicht kann
und sie ihn aus halben Wege verläßt, und,
wenn er weggetragen wird, auf seiner Stu
dierstube zurückbleibt, wie (ein Globus und
seine Electrisirmaschine?
Was ihm genügen soll, mutz in ihm, seiner
Natur, und.unsterblich wie er sein: muß ihn,
weil er hieuieden einhergeht, über das Wesen
und den Gang dieser körperlichen Natur und
über ihre Gebrechen und Striemen weisen
und trösten und ihn in dem Lande der Ver
legenheit und der Unterwerfung in Wahrheit
unverlegen und herrlich machen: und wenn er
von dannen zieht mit ihm ziehen durch Tod
und Verwesung, und ihn wie ein Freund zur
Heimat begleiten.
Solch eine Weisheit wird freilich in keinent
Buch gefunden, wird nicht um Geld gekauft
noch mit Halbherzigkeit zwischen Gott und
de mMammon. Zeuch deine Schuhe aus, denn
da du auf stehest ist ein heilig Land! Aber sie
ist, das wissen wir: und wer sich des Odems
in seiner Nasen bewußt ist, nimmt das zu Her
zen, und wenn er sie in der sichtbaren und ma
teriellen Natur und in seinem eigenen Dünkel
nicht findet, läßt er sich guten Rath warnen
und sucht sie auf einem andern Wege.
Norddeutsche Kunst.
Von Ulrich Sander.
Dem ausgezeichneten Buch Ulrich
Sanders „Norddeutsche Menschen"
(Wilh. Gottl. Korn Verlag, Brcs-.
lau) entnehmen wir nachstehende
Betrachtung:
Der einsame, schwerblütige Mensch hat seine
eigene Melodie. Ohne Noten. Er geniert sich,
zu singen. Zu dichten. Es ist nicht Sitte, seine
Gefühle zu äußern. Und durch diesen Riegel
reifen sie zu seltsamer Schönheit aus. Es
strömt ihm nicht unter den Händen, sondern
es hat lange vor dem Fenster gesessen und ist
begrübelt und ausgetragen worden.
Ich glaube, daß wir nach längerer Ruhe vor
einer neuen Blüte norddeutscher Kunst
stehen. Der natürliche Gegensatz zwischen
Individualismus und Gemeinschaft wird in
Norddeutschland unschwer ausgeglichen, weil
bei uns jedes seinen Teil hat. Es gibt bei uns
keinen liberalistischen Individualismus, son
dern das feine und vornehme, durchaus
gesunde Abschalten der Persönlichkeit von der
lärmigen Masse. Es geht bei uns gar nicht
anders, und wir sind doch Gemeinschafts
menschen auf dem Schiff, auf dem Hos. in der
Truppe, im Stamm und vor Volk und Staat.
Die Kunstschöpfung gelingt nur aus dem
tiefen, vollen Born. Sie entsteht durch Ver
brennen. Darum sind fast alle norddeutschen
Menschen, von schöpferischer Kunst besessen,
tragische Menschen gewesen. Sie sind alle an
sich selber verbrannt, um gebären zu können,
haben alles weggegeben und sino zu einem
Häuflein Asche geworden, das nichts mehr zu
geben hatte. Manch einer har sich dann in die
Stille, in eine vorsichtige Stille zurückgezogen
und sitzt sinnierend am Fenster.
Wenn Kunst aus dem Blut, aus Wind und
Wetter, aus Acker und Wiese kommt, aus dem
diesigen Licht und aus greller Sonne, aus der
Unheimlichkeit des Nebels und blauer, heller
Nacht, so ist bei uns von allen diesem genug
da. Es fehlt nur oft an den lösenden Funken.
An der Ueberwindung der Scham. An?der Er
kenntnis. daß Kunstschöpfung doch eine nicht
ganz so unmännliche Betätigung ist, wie es
scheint, daß sie mit Seemann. Bauer und Sol
dat gleichen Schritt halten kann, ja halten
muß, vor ihnen und über sie hinweg und vor-
anfliegcn muß.
Wir haben zwei Arten der Kunstauffassung
bei uns. Tie eine ist ein wenig sclbstspötte-
risch, wird dann humorig, aus einem weiten
und guten Herzen, vor dem alles Leben ver
zeihend betrachtet werden muß. Reuter und
Busch. Die zweite Art wühlt in der Tiefe.
Ring mit Tod und Schicksal. Mit allen un
heimlichen Gewalten des seltsamen Landes,
das einem in seiner Größe und Weite, mit
seinen schroffen Gegensätzen Angst vor dem
Leben machen kaun. Tie Troste, Storm,
Frenssen, auch Agnes Miegel. Eine sehr
schmerzhafte Kunst, die nur Beständiges gebä
ren kann, wenn der Träger sich verzehrt.
Wir müssen aber zu einer neuen Art nord
deutscher Kunst kommen und werden es kom
men. Wir können sie auch. Wir müssen uns
nur etwas Zeit lassen und die Zeit dazu ha
ben. Es ist, wenn ich es als Laie so sagen
darf, wie ein Lied auf unser Land, bunt und
doch beherrscht, reine, klare Farben und Töne,
wohlgebaut und kühn gegriffen, von völliger
Einheit, knapp und von gegossener Form, in
verhaltenem Feuer und doch von wärmender
Glut, nicht mehr unter der Tragik der Zer
rissenheit leidend, auch nicht mehr gedrückt
von hoffnungsloser Schwere und bangen
Zweifeln, sondern gehoben zu beinahe skandi
navischer Frische und Froheit. Es ist ja doch
nun unser Wesen, das Richtung gibt. Das
Wesen des nordischen und norddeutschen
Menschen, des selbstbewußten Arbeiters im
blauen Anzug, der den Kopf hoch trägt und
weiß, was er wert ist, des befreiten und hof-
gcsessenen Bauern, des maßgeblichen und re
gierenden soldatischen Bien scheu, der so und
so sagt, und dann wird es gemacht, des
fleißigen und geschickten Handwerkers, dessen
Arbeit zu neuer Geltung kommt, nachdem
man ihm ans seinem Niedergang heraus ge
holfen hat, des Beamten, dem die Idee des
Staates alles gilt. Auch des Seemannes,
dem neire Schiffe gebaut werden, wenn die
alten verrottet und verschrottet werden muß
ten. Ich glaube daran, nicht seit heute oder
gestern, sondern seit den letzten Jahren des
Friedens, als man zu erkennen lernte, daß
viel Ende immer der Anfang bedeutet. Es
kommt in Norddeutschland aus eine Handvoll
Einzelheiten nicht an. Stämme und Land
schaften haben Zeit, viel Zeit, weil sie viel
Kraft haben. Aber vom Niederrhein bis über
die Weichsel kommt aus viel Zeit und viel
Kraft einmal auch jene breite, schwere, kern
gesunde Kunst, die nicht das Ende, sondern
den Anfang Norddeutschlands einleiten wird.
Europa hat einen heißen und sonnigen
Rücken zum Mittelmeer, aber die breite und
kühle Brust nach Norden zur See. Es ist dort
ein schweres, schönes, schweigsames Land. Ein
sauberes Land. Eine gute und getreue Hei
mat für den, der in ihm geboren und ausge
wachsen ist. Man kann es gar nicht genug
lieben.
Der Jägerhof „Hermann Göring".
In der Buchhorst vor den Toren Braun-
schweigs weihte der Rcichsjägcrmeistcr Her
mann Göring den neuen nach ihm benannten
Jägerhof.
5)1. Selle-Eysler
iw, hMMWoSoj'iz!
Für 4 Personen. _
1/4 Pfund Speck, 2 Eßlöffel Feit, 3 Pfund rohe Kartoffeln,
2 Würfel Maggi's Lrateufoße, 2 Zwiebeln, 1 prise Pfeffer,
je 2 Teelöffel Salz, Genf und Essig, 1 Liter Wasser.
Speck und Zwiebeln kleinwürfeln, im Fett anbraten. Die in Scheiben
geschnittenen Kartoffeln mit '/2 Liter Wasser dazugeben, leicht falzen
und zum Kochen bringen - Maggis Lratenfoße laut Vorschrift be-
reiten und zufügen,- nach Pfeffer und Essig abschmecken, den Senf
darunterrühren Unter öfterem Umrühren garkochen. Beigabe: Salzgurke.
MA©©r
örabnsoße