Full text: Newspaper volume (1935, Bd. 2)

Ser nationalsozialistischen Erhebung flattern. 
Züge und Straßenbahnen sind mit Blumen 
und Grün geschmückt. 
Auf den Fabriktürmen und Bürohäusern 
werden die Fahnen des Reiches gehißt. 
Kein Kind ohne Hakenkreuzwimpel. Die öf 
fentlichen Gebäude, Bahnhöfe, Post- und Te 
legraphenämter sollen in frischem Grün er 
stehen! Die Verkehrsmittel tragen Fahnen 
schmuck! 
In der Ehre der Arbeit liegt die Ehre des 
Volkes! Die Ehre des Volkes aber ist die 
Bürgschaft für den Frieden und die Sicherung 
der Nation! 
Deutsche aller Stände, Stämme, Berufe und 
Konfessionen reicht Euch die Hände! Für Ar 
beit, Frieden, nationale Ehre und Sicherheit! 
Es lebe der Führer! 
Es lebe Deutschland, 
sein Volk und sein Reich! 
Berlin, den 27. April 1935. 
Der Reichsminister für Volksaufklärung 
und Propaganda. 
s.'z. Dr. Goebbels. 
Fortsetzung von der 1. Seite. 
nächst, daß Dänemark an der Grenze sein Haus 
in Ordnung bringen mnß und daß dazu not 
wendig ist, die Lage vorurteilsfrei zu betrach 
ten und kaltblütig zu bewerten. Er verlangt 
kurz gesagt, daß Fehler eingesehen werden 
müsse», die bei der Regelung begangen worden 
sind, die aus der Grundlage des Versailler Ver 
trages getroffen wurde. Im Jahre 1919 war 
die Sachlage in Dänemark die, daß die damali 
ge dänische Regierung Nordschleswig gern 
helfen wollte, aber immer noch war sie beein 
druckt von der „langjährigen Furcht". Sie 
wollte deshalb, daß ein Unrecht, das Preußen 
angeblich 1861 beging, nicht wieder begangen 
werden dürfe. Deshalb sollte eine Ordnung zu 
wege gebracht werden, die national und recht 
lich unanfechtbar sei. Bruce schreibt, „niemand 
sollte unter Dänemarks politischen Einfluß ge 
zwungen werden. Man wollte nur die haben, 
die es selbst wünschten. Eine Unzahl von 
Grenzlinien wurde vorgeschlagen, die meisten 
waren nach rein theoretischen und sprachlichen 
Gesichtspunkten ausgedacht, ohne daß politi 
sche, historische oder wirtschaftliche Verhältnisse 
in Betracht gezogen waren." Und Bruce fügt 
nun folgendes hinzu: „Eine der Tatsachen, die 
Schwierigkeiten bereitet und die vielleicht nicht 
hinreichend erkannt wurde, war die, daß 
Schleswig eine alte Einheit ist, deren Teile 
wirtschaftlich voneinander abhängig sind, und 
daß es deshalb des Beste wäre, wenn Schles 
wig ungeteilt verbleiben könnte." Dänemark 
sei sich aber darüber klar gewesen, daß nach 
dem Weltkrieg diese Auffassung nicht durchge 
führt werden konnte. Deshalb wäre beschlossen 
worden, ein salomonisches Urteil zu fällen, das 
Kind mußte in zwei Teile geschnitten werden. 
Und so, schildert Bruce weiter, wurde die 
Grenze gezogen, die der Ostküste ihren süd 
lichen Anschluß nahm und Flensburg zur un 
überlegten Zufriedenheit dänischer Chauvini 
sten zu einer Grenzstadt ohne Ausland und 
ohne Zukunft machte, ein dauernd unzufrie 
denes Gebiet, besten wirtschaftliche Armut an 
sich schon eine Gefahr darstellte. Es ist sehr rich 
tig, wenn Bruce das, was in Dänemark das 
„wiedergewonnene Land" genannt wird,^ cha 
rakterisiert nicht als einen verlorenen Sohn, 
der zurückgekommen ist, sondern als einen 
Sohn, der draußen in der Welt gewesen war 
und viel in den vergangenen 60 Jahren ge 
lernt hatte, ja, der gewohnt geworden war, sich 
auf sich selbst zu verlassen und ein National 
gefühl entwickelt hatte, das 1920 mehr schles- 
wigsch gewesen war als im Jahre I860. Bruee 
geht weiter. Er stellt fest, daß die leitenden 
Männer in Dänemark die Lage in Nordschles 
wig nicht begriffen hatten. Aber man kann 
nicht sagen, fügt er hinzu, daß sie nicht ge 
warnt waren. Dennoch lautete die dänische 
Antwort immer: Nordschleswig soll einver 
leibt werden. Die Nordschleswiger sollen so 
wohl vergessen, daß sie deutsch gewesen sind, 
als auch daß sie Schleswiger waren. Diesen 
Standpunkt bezeichnet Bruce mit Kurzsichtig 
keit, und wir wissen heute, daß Bruce recht 
hat,' denn man kann solche Dinge nicht befeh 
len. Und dann zählt Bruce auf, was an posi 
tiven und negativen Leistungen in Nordschles 
wig durch Dänemark in den letzten 14 Jahren 
erreicht ist, um dann zu dem Schluß zu kom 
men: Der jetzige Zustand kann nicht beiblei- 
ben) selbst wenn Dänemark nochmals 600 Mil 
lionen Kronen opfern würde, werde ein Friede 
nicht eintreten, und deshalb schlügt Bruce in 
seiner Schrift als einzige Lösung die Selbst 
verwaltung Nordschleswigs vor, natürlich un 
ter Dänemarks Souveränität. 
Unhaltbare Vorwürfe 
Wir haben alles das, was Bruce noch im 
Einzelnen ausführt, im Laufe der Jahre den 
dänischen Politikern und auch Kopenhagen im 
mer wieder vorgehalten. Es muß also in der 
dänischen Rechnung ein Rechenfehler vorhan 
den sein, der nach dem Durchbruch der natio 
nalen Revolution umso deutlicher sichtbar wer 
den mußte, als das nationalsozialistische 
Deutschland in Volkstums- und Minderheiten 
fragen ganz klare und eindeutige Grundsätze 
entwickelt hat. Man darf bei dieser Gelegenheit 
zunächst einige dänische Vorwürfe und Ein 
wände zurückweisen, die fast täglich die Spal 
ten der dänischen Presse füllen und die alle 
Schuld natürlich den „bösen Deutschen"- in die 
Schule schieben sollen. 
Da ist zunächst der Vorwurf erhoben wor 
den, daß Deutschland den Kamps um den Bo 
den provoziert und vom Zaune gebrochen hat, 
ein Vorwurf, der in Reichsdänemark vielleicht 
geglaubt wird, den aber in Nordschleswig kein 
vernüftiger Bewohner des Landes glaubt, weil 
ja die dortigen Bewohner die Zeit vor dem 
Kriege mitgemacht haben und über diese Vor 
würfe lächeln. 
Da ist weiter der Vorwurf von der Illoya 
lität der deutschen Volksgruppe. Einige aus 
Reichsdänemark nach Nordschleswig eingewan 
derte Beamte lassen sich durch derartig erhitzte 
Vorwürfe im „Hejmdal" und anderswo aus 
der Ruhe bringen. Im allgemeinen liegen die 
Dinge in Nordschleswig so, daß man auch mit 
diesem Ladenhüter keine Geschäfte machen 
kann. 
Da ist ein weiterer Borwurf auf dem Gebiet 
der Schulpolitik, daß die Deutschen mit allen 
anständigen und unanständigen Mitteln daran 
arbeiten, ihre privaten Schulen mit Kindern 
zu füllen, ohne Rücksicht darauf, daß nur deut 
sche Kinder in den deutschen Privatschulen un 
terrichtet werden dürfen. 
Da ist endlich ein weiterer Vorwurf, der aber 
langsam nach und nach zu verstummen scheint, 
daß die Deutschen auch deshalb illoyal sind, 
weil sie als „dänische Staatsbürger" eine „Neu- 
aufrollung der Schleswig-Frage" wünschen. 
Es werden noch einige weitere Vorwürfe in 
den dänischen Zeitungen immer wieder erho 
ben. Es hat wenig Zweck, sie aufzuzählen. Man 
muß vielmehr zu den Vorwürfen zunächst 
sagen, daß alle Einwendungen ja das innere 
Leben der deutschen Volksgruppe berühren 
und daß im Grunde genommen ein Herberg 
staat und ein Volk wie das dänische Volk vkek 
zu stolz und zu sicher in seiner Haltung sem 
müßte, als daß man sich um iot> >eW c>-nug- 
keiten im Grenzgebiet abgibt. In Wahrhert 
aber liegen die Dinge ja so, daß ganz andere 
Motive hinter den dänischen Angriffen zu 
suchen sind. Die Dinge liegen so, daß, wie 
Bruce sehr richtig sagt, vom dänischen Volk 
und dänischen Staat rund 500 Millionen Kro 
nen für Nordschleswig bisher bezahlt sind, und 
in Nordschleswig leben rund 200 000 Menschen, 
sagt Bruce. Das ist also ein ziemlicher Pro 
zentsatz auf den Kopf der Bevölkerung. Es 
wird immer schwieriger, das dänische Volk für 
die Nordschleswig-Frage zu erwärmen, und 
das ist der Schmerz der wenigen alten Führer 
der dänischen Nordschleswiger. 
(Schluß folgt.) 
Festfolge zum Feiertao der deutschen Arbeit 
am 1. Mai. 
1. 
8.30—9.30 Uhr: Jngcnd-Knndgebung 
im Lustgarten. 
Die Kundgebung wird über alle Sender über 
tragen. 
1. Fanfarensignal, 
2. Eröffnung durch den Reichsjugendführer) 
3. Lied: Tritt heran Arbeitsmann. Text^ von 
Heinrich Lersch, Melodie von Fritz Sotke, 
gesungen von 3000 Mann starkem Chor 
aus HI., DJ., BDM: 
4. Rede: Reichsminister Dr. Goebbels) 
5. Gemeinsames Lied: Aufhebt unsere Fah 
nen. Text von W. Zorg, Melodie von Fritz 
Sotke. Dazu spielen die vereinigten Mu 
sikzüge der Berliner Hitler-Jugend) 
6. Ansprache des Führers) 
7. Gemeinsames Lied: Vorwärts, vorwärts. 
2. 
10.00 Uhr: Festakt der Reichskultnrkammer in 
der Staatsoper Unter den Linden. 
Der Festakt wird über alle Sender übertragen. 
1. Festliches Präludium von Richard Strauß. 
Es spielt die Staatskapelle Berlin unter 
Leitung von Prof. Clemens Krauß) 
2. Ansprache des Präsidenten der Reichskul 
tnrkammer Reichsminister Dr. Goebbels) 
3. HJ.-Fanfare) 
4. Verkündung des Buch- und Fllmprerses 
1934/35; 
6. Festliche Musik. Finale (Passacaglia) aus 
der 4. (e-moll> Symphonie von Joh. 
Brahms. Es spielt die Staatskapelle Ber 
lin unter Leitung von Professor Heger. 
12.00 Uhr: Staatsakt aus dem Tempelhofer 
Feld. Die Beraüstaltung wird über alle 
Sender übertragen und in allen Orten des 
Reiches , werden Parallel - Kundgebungen 
durchgeführt. Während der Veranstaltung 
werden die am 12. und 13. April gewählten 
Vertrauensräte aus Führer und Volk von 
Dr. 
^ey feierlich verpflichtet. 
12.00 Uhr: Ankunft des Führers. Ter Führer 
schreitet die aufgestellten Ehrenformationen 
ab. Chor, gesungen von 2600 Sängern des 
Berliner Sängerbundes „Lied des Volkes' 
von Erdlen. ^ 
Eröffnungsansprache: Reichsminister Dr. 
Goebbels. 
Chor „Wir" von Heinrichs. 
Verpflichtung der Vertrauensräte durch den 
Reichsorganisationsleiter Dr. Ley. 
Rede des Führers. 
Horst-Wessel-Lied. 
Großer Zapfenstreich. 
Deutschland-Lied. 
Schlußwort: Bezirkswalter der Deutschen 
Arbeitsfront Pg. Engel. 
Schluß der Kundgebung. 
4. 
17.00 Uhr: Empfang der Arbeiterdelegationen 
aus dem Reich und der Sieger aus dem 
Reichsberufswettkampf der Deutschen Ju 
gend in der Reichskanzlei durch den Führer 
und Reichskanzler. 
5. 
21.30 Uhr: Fackclzug der Rei-' swehr, Marine, 
Flieger, Landespolizei, Schutzpolizei, SA., 
SS., Leibstandarte Adolf Hitler, NSKK., 
Feldjägerkorps, Arbeitsdienst, PO., Deut 
sches Rotes Kreuz, Deutscher Luftsport 
verband, Technische Nothilfe, Bahnschutz, 
Feuerwehr und NSDFB. (Stahlhelm) durch 
folgende Straßen Berlins zum Lustgarten: 
Abmarsch der Spitze von Bülowstraße, Ecke 
Potsdamer Straße über Potsdamer Straße 
—Potsdamer Platz—Leipziger Platz—Leipzi 
ger Straße—Friedrichstraße—Unter den Lin 
den—Schloßbrücke—Lustgärten. 
6. . " 
23.00 Uhr: Schlußappell der am Fackclzug be 
teiligten Formationen. 
Marschmusik. 
Rede des Preußischen Ministerpräsidenten 
General Göring. 
Großer Zapfenstreich. 
* 
Die Kundgebung wird über alle Sender 
übertragen. 
fäedinec tBtiefc 
Vorfrühling imö Filmkongrrß. 
Das waren Ostern! 
Bevor wir über den Internationalen Film 
kongreß schreiben, möchten wir noch ein biß 
chen darüber plaudern, wie die Berliner 
Ostertage gewesen sind. Sozusagen über Nacht 
kam der Frühling hereingeschneit, ein Früh 
ling mit sommerlichen Akzenten. Ich habe von 
Thermometer und ähnlichen physikalischen 
Dingen keinen blassen Dunst, weil ich in der 
Physikstunde Karikaturen ans die Bank ge 
kritzelt habe anstatt zu lernen, aber die Leute 
sagen, es seinen 21 Grad Wärme gewesen, 
eine Wärme, die nach dem Kalender gar nicht 
erlaubt sein dürfte. Die Berliner haben dann 
auch gleich die Gelegenheit benützt und die 
große Frühlingsoffensive eröffnet. Der Him 
mel hatte während der Ostertage seine große 
Galauniform angezogen (mit silbernen Wol 
kentressen). 
Vom Gründonnerstag bis zum Ostermontag 
sind von den Berliner Bahnhöfen 333 000 
Fahrgäste abgereist. Man spricht von einer 
Rekordzahl. Da die gewöhnlichen Züge, die 
sonst wochentags und sonntags verkehren, 
lange nicht ausreichten, um die Menge der 
Ausflügler zu fassen, mußten 230 Vor-, Nach- 
und Sonderzüge eingestellt werden. Es war 
auf den Bahnsteigen u. in den Verkehrsmitteln 
ein Rummel, wie man ihn schon lange nicht 
mehr erlebt hat. Die Ausflugsorte der nähe 
ren Umgebung waren von Menschen über 
schwemmt. 
Aber auch die „zurückgebliebenen Berliner, 
die sich ein österliches Weekend mit bayerischer 
Höhenluft nicht leisten konnten, sind in den 
Mauern der Stadt auf ihre Rechnung gekom 
men. Die einen begaben sich mit ihren Stullen 
auf das Tempelhofer Feld, um den Udet und 
den Achgelis in ihren tollkühnen akrobatischen 
Leistungen zu bewundern, die andern gingen 
in den Zoo, um der Robbenfütterung beizu 
wohnen und den alten See-Elefanten Roland 
zu begrüßen, der schon regelrechte Starallüren 
angenommen hat. Im Zoo konzertierte der 
berühmte Obermusikmeister Fürst, der Schöp 
fer des Badenweiler Marsches. Und da wohl 
alle Berliner in der Zeitung gelesen hatten, 
daß Herr Fürst am Geburtstag des Führers 
im Garten der Reichskanzlei den Badenweiler 
Marsch dirigierte, war das Interesse natür- 
tich besonders groß. Alle wollten deü Mann 
sehen, der im Donner der Kanonen einen 
Marsch schuf, der nun schon historisch geworden 
ist. 
O, es ließe sich noch viel über die Ostern er 
zählen! Ueber den Flugtag in Tempelhof könn 
te man allein schon ein spannendes Feuilleton 
schreiben. Man weiß, daß Udet, der unerreichte 
Gentlemanflieger, der sich in seiner Maschine 
benimmt, als säße er gemütlich zu Hause an 
seinem Schreibtisch, die Hauptrolle in einem 
Fliegerfilm spielen wird. Es hatten sich auch 
nicht weniger als 250 000 Zuschauer eingefun-' 
den. Udet, dieser Teufelskerl, für deu die Luft 
Balken zu haben scheint, zeigte Sturzflüge aus 
4000 Meter Höhe. Auch der Weltrekordler Ach 
gelis führte seine „Hohe Schule" vor. Willi 
Stör, der dritte im Bunde dieser Luftakroba 
ten, tummelte sich mit seiner neuen Maschine. 
Als die Flüge, die Luftkämpfe und die gemein 
samen Fallschirmabsprünge vorüber waren, 
durften die Berliner einen luftigen Bummel 
machen und sich selbst in die Flugzeuge setzen. 
Achtung, Baumblüte! 
Alle Jahre wieder muß man, ob man will 
oder nicht, die Baumblüte in Werder besingen, 
denn sie ist für die Berliner immer wieder eine 
neue Sensation. Es vergeht keine Frühlings 
saison, ohne daß Werder, dieser klassische Wall 
fahrtsort aller frühlings- und obstweintrunke 
nen Berliner und Berlinerinnen in Gedichten 
und Episteln gerühmt und gepriesen wird. Um 
Werder herum hat sich seit vielen Jahren, seit 
es eine Berliner Umgebung gibt, eine organi 
sierte Ausflugsindustrie entwickelt mit eigenen 
„Baumblütendampfern" und „Baumblüten 
kapellen" und einem „Baumblütenfahrplan". 
In diesem Jahr haben die Blüten nicht lange 
auf sich warten lassen. Berlin selbst ist von ei 
ner Nacht zur andern, ich glaube es war vom 
Ostersonntag zum Ostermontag, grün gewor 
den. Ein Grund zum Trinken! Wie auf einen 
Startschuß haben die Bäume angefangen aus 
zuschlagen. An allen Ecken und Enden haben 
sie ihre Blätterknospen angesteckt. Der Tier 
garten hat sich auf eine wunderbare Weise ver 
wandelt. Am Sonntag sind 65 sogenannte 
„Blütenzüge" nach Werder abgefahren, um die 
Baumblüte gebührend zu feiern. Denn wenn 
Berlin grün wird, muß der Berliner blau sein, 
das ist eine geheiligte Tradition. Der Früh 
ling muß begossen werden. 
Der Kurfürstendamm hat seine Vorgärten 
herausgestellt, ein Vorgarten neben dem an 
dern. Da kann man herrlich bei einer Molle 
sitzen und die Leute beklatschen, die vvrüber- 
gondeln. Alles grünt in Berlin. Die Dämme 
sind grün, die Hunderte von Parks sind grün, 
die Kindermädchen sind sehr appetitlich und am 
Abend, wenn die Luft so verführerisch fächelt, 
ist es wie bei einem Korso: alles bummelt, 
plaudert und freut sich. Die Jünglinge haben 
ihre seidenen Stecktücher gebügelt und parfü 
miert, und die kessen Mädchen tragen ihre neu 
en Kostüme spazieren. 
Der Horcher an der Leinwand . . . 
Sie werden schon aus der Ueberschrift erra 
ten haben, es handelt sich um den Internatio 
nalen Filmkongreß. Mit Leinwand ist natür 
lich die Filmleinwand gemeint. Ich hätte den 
Kongreß vor lauter Frühling beinahe ver 
gessen! 
Diese Zusammenkunft internationaler Film 
fachleute in Berlin hat den Zweck, wichtige 
technische, künstlerische und wirtschaftliche Fra 
gen zu erörtern und die Lage des internationa 
len Filmmarktes zu behandeln. Der Kongreß 
hat am 25. April begonnen und dauert bis 1. 
Mai. In vier großen Sitzungen werden die von 
den einzelnen Ländern benannten Mitglieder 
der Einzelkommissionen Entschließungen fas 
sen, die dann eine Generalkommission weiter 
geleitet werden. 
Der Kongreß hat mit einem eleganten Be 
grüßungsabend im berühmten Lokal „Rhein 
gold" am Potsdamer Platz, wo jetzt die Unter- 
tunnelungsarbeiten für die neue Untergrund 
bahn im vollen Gange sind, seinen Anfang ge 
nommen. Planken, Bretter und Holzbrücken, 
notdürftige Passagen für die Fußgänger haben 
das Bild des Potsdamer Platzes verändert. 
Hebekrane und andere geheimnisvolle Maschi 
nen hemmen den eiligen Blick der Passanten. 
Bor dem „Rheingold" ist große Auffahrt. Die 
Bellevuestraße hat ihre Sensation. Die Mag 
naten der flimmernden Leinwand verlassen 
ihre Wagen, der Portier ist ein Künstler der 
distinguierten Verbeugung. Charlotte Susa, 
Annemarie Korff, Willi Domgraf-Fatzbünder, 
Werner Finck und andere sin'' dabei, um den 
Glanz ihrer Prominenz erstrahlen zu lassen. 
Und erst der Filmball am 27. April! Das 
größte gaesellschaftliche Ereignis Berlins seit 
längerer Zeit: eine „Filmrevue" mit Leuten 
wie Else Elster, Hilde Hildebrand, Brigitte 
Horney, Paul Hörbiger, Paul Heidemann, Ha 
rald Paulsen! Die Prominenten, um dieses 
abgeklapperte Wort zu gebrauchen, treten sich 
aus die Fersen. Einige Tage vor diesem Fest 
schon war im gewöhnlichen Handel keine Karte 
mehr zu haben. Charlie Amberg schrieb den 
Text der Filmrevue, Franz Doelle machte die 
schmissige Musik. Das große Ballett der Staats 
oper und die Tanzgruppe der Reichsfachschaft 
Film mit wundervollen Tanzeinlagen: der 
„Horcher an der Leinwand" kann diesmal wirk 
lich nur das Allerbeste aussagen. Während 
manches Happy end im Film an den Haaren 
herbeigezogen ist, ist dieses hier durchaus echt. 
Am 29. April wird den Delegierten im Har- 
nackhaus, Berlin-Dahlem, Gelegenheit gebo 
ten, einer Fernseh-Sendung beizuwohnen. Ul" 
den ausländischen Teilnehmern Gelegenheit zu 
geben, die Ansprachen in den verschiedenen 
Sprachen zu verfolgen, ist in dem Kongreß 
saal im Reichstag eine besondere „Uebek- 
setzungsmaschine" eingeführt worden. Es han 
delt sich um eine Telephonanlage mit Kopf 
hörern, die von einer besonderen Dolmetscher 
kabine zu den Sitzen der ausländischen Gäste 
ihre Leitungen hat. Dolmetscher vermitteln 
durch die Telephonanlage den Ausländern die 
Uebersetzung in deutsch, englisch und franzö 
sisch. Im Rahmen des Kongresses wirb eine 
große kinotechnische Ausstellung veranstaltet. 
Etwa 150 sprachkundige Damen und Herren 
werden während der Kongreßzeit den Gästen 
aus dem Ausland zur Verfügung stehen.
	        
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