Full text: Newspaper volume (1935, Bd. 2)

128. Jahrgang. 
Sļhleswig-HoìlîeinisiHs 
Landesseitun 
Renösburgeo DmeblrE 
128. Jahrgang. 
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M.87 
Freitag, den 12. April. 
Stählerne Atmosphäre. 
Die berühmte Genfer „Atmosphäre" hat be 
reits ein würdiges Seitenstück in der Atmo 
sphäre von Stresa erhalten. Sie ist ungefähr 
das Gegenteil zu der landschaftlich herrlichen 
Umgebung der Konferenz. Die Empfänge der 
fremden Delegationen vollzogen sich im mat 
ten Glanz italienischer Stahlhelme und jener 
stählernen Bajonette, die Mussolini in neuerer 
Zeit bald in dieser, bald in jener Form gern 
zitiert. Der Duce selbst zeigt bei den Empfän 
gen ein verschlossenes, um nicht zu sagen frosti 
ges Gesicht. Ueberall wimmelt es von italieni 
schen Truppen und Geheimpolizisten, die sogar 
dem französischen Außenminister sehr schnell 
einen Abendspaziergang verleiden, so daß er 
sich wieder in sein Hotel zurückzieht. Am Him 
mel kreisen die italienischen Wachtflugzeuge, 
des Nachts tasten die langen weißen Finger 
der Schweinwerfer von den Ufern her ruhelos 
den Himmel ab. Es ist wirklich alles getan, 
um die Konferenz mit Nervosität zu umgeben, 
die trotz der absonderlichen militärischen und 
rhetorischen Vorbereitungen Mussolinis von 
der italienischen Post merkwürdigerweise die 
Telegrammadresse „Friedenskonferenz" bekom 
men hat. Sie gewinnt beiläufig auch dadurch 
nicht an Wert, daß sie immerhin die 128. Nach- 
àiegskonserenz ist. 
Zweierlei ist höchst erstaunlich an dem, was 
sich da in Stresa tut. Mussolini hat vor der 
Konferenz laut genug getrommelt und sich 
bis in die ersten Stunden des Zusammentritts 
hinein für die Erzielung eines greifbaren Er 
gebnisses stark gemacht, entgegen allen voran 
gegangenen Abmachungen. Er glaubte sogar, 
einen Haupttrumpf ausspielen zu müssen, in 
dem er gewissermaßen am Rande der Konfe 
renz die mobilisierten 600 000 Mann aufmar 
schieren ließ. Er verdiente sich damit unter an 
derem ein Lob aus der politisch zrveifelhaftesten 
Quelle: in Moskau versicherte Herr Radek, daß 
Mussolinis energische Haltung „hier in Mos 
kau aufs höchste geschätzt wird"! Man weiß 
nicht, ob Herr Mussolini die grausige Ironie 
erfaßt, die in solcher Anerkennung gerade von 
jener Seite liegt. Er hatte weiter aussprengen 
lassen oder jedenfalls die Verbreitung von Ge 
rüchten durch die italienische Presse geduldet, 
wonach er mit einem ganz bestimmten Plan 
»ach Stresa käme, und damit verdiente er sich 
den Beinamen der „Sphinx von Stresa". Aber 
die Konferenz hatte noch gar nicht begonnen, 
da ließ er bereits durch den aufsehenerregen 
den Artikel in seinem Blatt mitteilen, es werde 
bei den Besprechungen so gut wie nichts her 
auskommen. Diese plötzliche Meinungsände 
rung zeigt nicht nur die an dem Duce gewohn 
te Geschmeidigkeit der politischen Haltung. Sie 
zeigt auch, daß er sich im Vorstadium der Kon 
ferenz allzu weit vorgewagt und auf allzu 
radikale Ziele festgelegt hatte. 
Seine Hoffnung, daß die Engländer mit der 
zunehmenden örtlichen Annäherung an den 
Lago Maggiore sich der Haltung der beiden 
anderen Mächte mehr anpassen würden, blieb 
unerfüllt. Er hörte, daß beispielsweise Sir 
John Simon noch unmittelbar vor der Abreise 
den amerikanischen Botschafter noch einmal 
versichert hatte, England werde sich in Stresa 
nicht die Hände binden lassen,' er hörte von 
der Mitteilung Polens nach Genf, daß es mit 
einer Verurteilung Deutschlands nichts zu tun 
haben wolle,' er erkannte weiter die wieder 
deutlicher auftauchende Meinung der Englän 
der, daß Stresa nur als Einleitung zu einer 
Befriedungskonferenz in London unter Ein 
schluß Deutschlands sein könne. Es macht heute 
auch keinen Eindruck mehr, wenn ein bekann 
tes italienisches Blatt noch - solche hilflosen 
Bosheiten von sich gibt, Deutschlands böser 
Wille sei schon vor Stresa festgestellt worden. 
Lolche haltlosen Ausfälle, die man heute mit 
einem Achselzucken übergeht, sind nicht geeig 
net, Italiens Position zu verbessern. Ganz zu 
schweigen von der Erinnerung an die Tatsache, 
èatz unter dem zwischen Deutschland, England, 
Frankreich und Italien im Juni 1933 abge 
schlossenen Viererpakt auch die Unterschrift 
Mussolinis steht; mit der u. a. der Satz hekräs- 
tigt wird: „Die vier Mächte bestätigen den 
Grundsatz der Revision der Friedensverträge". 
Alles in allem, Mussolini ficht dort in keiner 
günstigen Position. So hielt er es für das beste, 
sich auf jeues Dementi über das voraussicht 
liche Konferenzergebnis und auf seine 600 000 
Mann zurückzuziehen. 
Und das zweite àstaunliche ist die radikale 
Wandlung in der Auffassung des sogenannten 
Völkerbundes von seinen grundsätzlichen Auf 
gaben. Die offizielle Genfer Rhetorik hat, wenn 
es ihr nötig schien, stets sehr eindringlich dar 
über doziert, daß der Völkerbund die frühere 
Gepflogenheit des Abschlusses von Bündnissen 
logischerweise überflüssig mache. Diese schön 
geistige Theorie hat zwar nie verhindern kön 
nen noch sollen, daß geheime und ganz geheime 
Militärbündnisse und dergleichen kreuz und 
quer durch Europa abgeschlossen wurden, allem 
voran von Frankreich. Aber offiziell wahrte 
man doch gern das Gesicht, veranstaltete feier 
liche Unterzeichnungsszenen von Kriegsäch 
lichen. Unermüdlich habe hier die Regierung 
gekämpft. 
Und so konnten wir schließlich feststellen, daß 
unter unseren unerbittlichen Schlügen das Un- 
tungspakten mit goldener Feder usw. Jetzt ist I öoch allmählich zu weichen begann. - 
derselbe Völkerbund von führenden Mächten lStürmiicker Beifall.! - 
in den Dienst einer ausgesprochen imperialisti 
schen Bündnispolitik militärischen Charakters 
gestellt worden, was umso leichter ist, als „der 
Völkerbund" und die in ihm maßgeblichen 
Mächte dasselbe sind. Unter dem Vorgeben, 
solche sogenannten Beistandspakte der Völker- 
üundssatzung angleichen zu wollen, mutet man 
Deutschland indirekt zu, einem Mächtekonzern 
als Geduldeter beizutreten, der kein anderes 
Ziel als die Vollendung der Einkreisung des 
Reiches hat. Im Zeichen des „Völkerbundes" 
ist Europa unter Frankreichs Führung also 
glücklich wieder in gesonderte feindliche Lager 
aufgespalten. 
Diese Dinge und ihre Erörterung sind kenn 
zeichnend für die Atmosphäre von Stresa. Man 
hat dort eine „Friedenskonferenz" unter dem 
Schutz der stählernen Bajonette usw. Welche 
„leidenschaftliche Friedensliebe", um mit 
Herrn Flandin zu sprechen! .., 
Die Männer von Stresa. 
Die Männer, die in diesen Tagen im Blick- 
feuer der Weltöffentlichkeit stehen, sind nur 
zum Teil auf dem Boden internationaler Kon 
ferenzen bekannt. Der italienische Minister 
präsident hat nur au wenigen der größeren 
und entscheidenden Konferenzen der Nach 
kriegszeit teilgenommen. Mussolinis kurzes 
Gastspiel bei der Locarno-Konferenz im Jahre 
1928 ist noch in Erinnerung. Er setzte aber nur 
seine Paraphe unter den abgeschlossenen Ver 
trag. Eine wirkliche Beteiligung Mussolinis 
an den Verhandlungen ist damals nicht zu 
verzeichnen gewesen. 
Als „Neuling" ist vor allem der französische 
Ministerpräsident Flandin anzusehen. Seit sei 
nem Amtsantritt im November vorigen Jah 
res hat er sich außenpolitisch nicht sehr expo 
niert. Flandin gilt in Frankreich als Vertreter 
der jungen Generation, obwohl der heute 45- 
jährige bereits seit 20 Jahren Parlamentarier 
ist. Flandin ist ein moderner Mensch, der 
Sprachen beherrscht, Sport treibt, der das Flug 
zeug lenkt und am Steuer des Autos sitzt. Den 
Krieg hat der französische Ministerpräsident als 
Fliegeroffizier mitgemacht. Die Grundlage sei 
ner politischen Laufbahn ist die Wirtschafts 
politik. Flandin ist trotz seiner juristischen 
Vorbildung in erster Linie Wirtschaftspolitiker 
gewesen. Außenpolitisch gilt der französische 
Ministerpräsident als rcalpolitisch eingestellt. 
Aber Flandin ist Ministerpräsident eines par 
lamentarisch regierten Landes. Entsprechend 
sind seine gelegentlichen „wilden" Reden zu 
bewerten. Man darf annehmen, daß in dem 
jetzt beginnenden Endkampf um die Gestaltung 
der europäischen Politik der französische Mini 
sterpräsident stärker in die Erscheinung treten 
wird, weil die Notwendigkeit einer strafferen 
Zügelführung angesichts der sozialistisch-kom 
munistischen Agitation gegen die Heeresver 
stärkung auf der einen Seite und die chauvi 
nistisch-kriegerische Stimmungsmache gewisser 
Nechtskreise auf der anderen Seite eine feste 
Hand erfordern. 
Von mancherlei Konferenzen her bekannt ist 
dagegen die Persönlichkeit des englischen Mi 
nisterpräsidenten. Macdonald ist heute 68 Jahre 
alt. Selbst in Anbetracht der Tatsache, daß in 
England die „Verjüngung" der Kabinette nicht 
in dem Ausmaße Fortschritte macht wie in 
anderen europäischen Ländern, gilt der gegen 
wärtige erste Minister Großbritanniens als 
Vertreter der ältesten Politikergeneration. Es 
ist kaum ein Zweifel darüber möglich, daß sein 
neues Eingreifen in die außenpolitische Ent 
wicklung notwendig ist, weil das Kabinett vor 
allem für die künftige Wahlkampagne eine 
Entlastung durch die Persönlichkeit des Mini 
sterpräsidenten benötigt. Gerade der außen 
politischen Konzeption des gegenwärtigen Ka 
binetts hat die Opposition manche Erfolge bei 
Nachwahlen zu verdanken. Macdonald hat im 
Jahre 1924 die Londoner Konferenz über die 
Reparationsleistungen stark beeinflußt,' das 
gleiche gilt von der Haager Konferenz im 
Jahre 1929. In Stresa erscheint die Lage für 
ihn auf den ersten Blick einfach, da England 
keine neuen Bindungen einzugehen beabsich 
tigt. Trotzdem kann Macdonald dort vor über 
raschende Erklärungen und vor Tatsachen ge 
stellt werden, die eine schnelle Stellungnahme 
nötig machen. 
Welche Made hat die MM? 
Dr. Goebbels spricht in Frankfurt a. M. über die aktuellen Tagesfragen. 
Während Reichsminister Dr. Goebbels die 
Reichsautobahn besichtigte, hatte sich die Frank 
furter Festhalle mit Zehntausenden von Volks 
genossen gefüllt. Kurz nach 20 Uhr traf der 
Münster mit seiner Begleitung auf dem Fest 
hallengelände ein. Als Dr. Goebbels die Fest- 
halle betrat, brauste ihm ein unbeschreiblicher 
Jubelsturm entgegen. Ergriffen stimmte die 
Menge das Deutschlandlied an. Unter Fanfa 
renklängen und Beifallsstürmen bestieg der 
Minister den Reönerstand. Er sprach in klaren, 
treffenden und überzeugenden Worten über 
die aktuellen Tagesfragen. 
Dr. Goebbels führte u. a. aus: Der Natio 
nalsozialismus verdanke alles, was er sei, nur 
seiner eigenen Kraft. Seine Gegner stellten 
keine Gefahr dar, denn wenn sie die Kraft nicht 
gehabt hätten,sich an der Macht zu halten, wie 
sollten sie dann die Kraft haben, die Macht zu 
erringen? (Beifall) Warum aber, so fragte 
man, poch eine nativnalsozialistische Partei; 
wo wir doch alle Nationalsozialisten sind? Ich 
wills hoffen. (Stürmische Heiterkeit.) Man 
könne ebensogut fragen: Warum noch christ 
liche Kirchen, wenn alle Deutschen Christen 
sind? Es sei auch kein Grund, eine Armee auf 
zulösen, wenn das deutsche Volk soldat^ch den 
ke. Die Aufgabe der Partei sei es, das Volk 
in nationalsozialistischem Geiste zn erhalten 
und immer mehr mit ihm zu durchdringe«. 
Der Nationalsozialismus habe das Volk für 
reif genug gehalten, die Wahrheit zu ertragen. 
Die Wahrheit-sei gewesen, daß die Lage in 
Deutschland bei der Machtübernahme so kata 
strophal gewesen sei,'daß nur ein unbändiger 
Glaube an den inneren Wert des Volkes den 
Mut habe verleihen können, die Führung die 
ses Volkes zu übernehmen. 
Fragen dritter und vierter Ordnung müßten 
zurückstehen, nm zunächst die Lösung der ganz 
großen Znkttnftsfragcn der Nation z» ermög- 
Dr. Goebbels behandelte dann die verän 
derte und neue Stellung, die sich Deutschland 
durch die nationalsozialistische Politik in der 
Welt errungen habe. Paris erklärt: Wenn 
ihr eine Armee ausbaut, dann wollt ihr also 
Krieg führen! Wieso? Tie anderen wollen ja 
auch keinen Krieg führen und haben trotzdem 
mächtige Armeen unterhalten. Deutschland 
wolle nur den Frieden sichern, denn der 
Frieden liege am allermeisten im Interesse 
der Arbeiter. Wenn eine Nation einen Krieg 
verliere, so verliere ihn in erster Linie der 
Arbeiter. Darum habe der Arbeiter ein 
Recht darauf, daß der Friede durch eine 
Armee gesichert werde. (Beifall.) 
Wir wissen, daß wir in der Welt nicht allzu, 
viele Freunde haben, die uns schützen, und 
darum haben wir unseren Schutz der Kraft der 
eigenen Nation anvertraut. (Stürmischer, im 
mer neu aufbrausender Beifall.) 
Man soll doch nicht so töricht sein, zu glau, 
ben, wir meinten, wenn man in 15 Fricdens- 
jahren die Zerstörungen des Krieges nicht 
habe beseitigen können, so könne man sie durch 
einen neuen Krieg beseitigen. (Beifall.) 
Wir müssen die Arbeitsschlacht gewinnen. 
Wir müssen den Sozialismus uoch mehr aus 
bauen als bisher. Wir müssen die Reichs- 
rcform vollenden. Wir müssen die soziale 
Lage des Volkes heben. Dann haben wir keine 
Veranlassung, Krieg zu führen. 
Dr. Goebbels wandte sich dann gegen die 
Hyperrevolutionäre, denen es nicht schnell 
genug gehen könne. Unsere Arbeit ist auf die 
Jahrhundert eingestellt, und keiner von uns. 
wird das Ende unserer Arbeit erleben. 
Der Minister erinnerte an die Reichsauto 
bahn, die er am Nachmittag besichtigt habe und 
von der man in Jahrhunderten noch sagen 
werde: Das sind die Straßen, die Adolf Hitler 
gebaut hat. (Tosender Beifall.) Wenn es dem 
Führer gelingt, so wie er das Volk im In 
nern geeinigt hat, Deutschland auch nach außen 
gleichberechtigt neben die anderen Nationen zu 
stellen, dann werden ihm Millionen noch in 
ferner Zukunft dafür danken. 
■m 
Die neue Führerstandarte. 
Professor Klein-München hat für den Führer 
diese neue Standarte geschaffen, die sowohl am 
Wagen wie auch auf der Reichskanzlei in der 
Wilhelmstraße geführt wird. Entsprechend 
der Stellung des Führers als Staatsober 
haupt wie als Oberbefehlshaber der Wehr 
macht sind in der Standarte die Hoheitszeichen 
des nationalsozialistischen Staates und der 
Wehrmacht vereint. In der Mitte befindet sich 
ein von einem golddurchwirkten Eichenlaub, 
kranz umgebenes goldgerändertes Hakenkreuz 
Ar, Eelle-Eytzlsid» 
ì
	        
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