Full text: Newspaper volume (1932, Bd. 4)

Lit Wirtschaftspolitik öcs 
Neichsernährangsmimsters. 
Donnerstagabend sprach der Reichsernährnngs- 
mlnistcr im Rundfunk über die „Landwirtschaft an 
der Jahreswende". Die Wiederherstellung der Er 
tragsfähigkeit der Landwirtschaft konnte im Jahre 
1932 nicht erreicht werden Gerade in den typisch 
bäuerlichen Gebieten des Westens, Südwestens und 
Nordens hat sich die Lage ausgesprochen verschlech 
tert. Die Verkaufserlöse der Vieh- n„o Milchwirt 
schaft waren im letzten Jahre um mehr als zwei 
Milliarden niedriger als im Wirtschaftsjahr 1928-29. 
Die Not der Bauern trifft auch schwer die Sied 
lung, denn die Erzeugnisse der Viehwirtschaft sind 
die typischen Produkte der Arbeit des Siedlers. 
Wenn Schweine und Rinder, wenn Schmalz und 
Butter nichts bringen, dann kann auch der Sied 
ler trotz härtester Arbeit nicht vorwärtskommen 
und seine Zinsen und Tilgungsraten nicht ab 
zahlen. 
Das Vorgehen gegen die Zinsspannen im land 
wirtschaftlichen Kreditapparat zugleich mit der 
Senkung des Reichsbankdiskonts und der Zinsen 
für den Hypothekarkredit habe insgesamt der 
Landwirtschaft eine Senkung der Zinslast auf wie 
der Vorkriegsstand gebracht. Während im Wirt 
schaftsjahr 1981-82 wahrscheinlich nur noch etwa 
640 Millionen betragen. 
Wir werden, so sagte der Minister u. a. weiter, 
wie ich hoffe, durch in letzter Zeit erfolgte Kündi 
gung mehrerer Handelsverträge mit anderen Län 
dern die Lösung unerträglicher Zollbindnngcn der 
wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse erreichen 
und durch autonome Zollgestaltung und andere 
geeignete handelspolitische Maßnahmen den Preis 
druck der vom Weltmarkt nach Deutschland zu nied 
rigsten Preisen hereinströmenden landwirtschaft 
lichen Erzeugnisse auffangen. Eine Kartellieruna 
der landwirtschaftlichen Erzeugung dürfte praktisch 
schon an der Fülle der Betriebe scheitern. Man 
kann für örtlich begrenzte Gebiete oder auch bei dem 
einen oder anderen Erzeugnis, wie z. B. im Milch- 
gesetz vorgesehen, Kartelle schaffen, aber es ist un 
möglich, dies für unsere rund fünf Millionen 
bäuerlichen Betriebe durchzuführen. Es gibt meist, 
wie beispielsweise beim Getreidebau, keine andere 
Möglichkeit der Beeinflussung des ErzcugungS- 
umfanges als über den Preis. Welker wird der 
Landwirtschaft Unkostcnsenkung empfohlen. Aber 
leider sind die Möglichkeiten der Uukostensenkung 
kür den einzelnen außerordentlich begrenzt. - 
Abschließend möchte ich feststellen, daß es kein 
irgendwie geartetes allein gültiges Rezept für die 
gegenwärtig treibende Landwirtschaftspolitik gibt. 
Ak mraiilil lit um. itjiiif. 
Wöchentlicher Marktbericht für die heimische Land 
wirtschaft von der Verbindungsstelle Hamburg des 
Deutschen Landwirtschastsrats. 
Das Ergebnis der am 1. Dezember durchgeführten 
Schweinezählung, 
insbesondere die altersmäßige Zusammensetzung 
der Bestände, läßt darauf schließen, daß für das 
nächste halbe Jahr mit einer nennenswerten Ver 
änderung der Aüsatzverhältnifse und der Preislage 
auf dem Schweinemarkt nicht zu rechnen ist. Den» 
der gesamte Bestand an Schlachtschweinen lim Al 
ter von Y Jahr auswärts) ist etwa ebenso groß 
wie zur gleichen Zeit des Vorjahres, was ange 
sichts der umfangreichen Vorräte an wirtschastS- 
eigencm Futter, die in diesem Jahre verwertet 
werden müssen, auch kaum einen Nachteil bedeutet. 
Dagegen steht für die zweite Hälfte des kommen 
den Jahres eine immerhin nicht unbeträchtliche 
Verminderung des Angebotsdruckes in Aussicht, 
da die Bestände an Ferkeln und Jungschweincn im 
Alter bis zu Y Jahr im Vergleich zum Vorjahre 
um 6 Prozent zurückgegangen sind. 
Die Zufuhren an einheimischer 
Butter 
bcwcgteu sich iu dieser Woche im gleichen Umfange 
wie in der Borwoche. Die Nachfrage zeigte sich vor 
den Festtagen weiter leicht angeregt. Steuerliche 
Preiserholungcn konnten sich aber nicht durch 
sehen, da die ausländischen Einsender in Erwar 
tung eines lebhaften Weihnachtsgeschäftes ihr An 
gebot merklich verstärkt hatten. 
Die Preisrückgänge auf dem 
Eiermarkt 
schienen sich zunächst beim Herannahen des Weih 
nachtsfestes verlangsamen zu wollen, da die Nach- 
frage sich um einiges reger gestaltete. Jedoch er 
fuhr die Legetätigkeit durch das zeitweise wieder 
warme, heitere Wetter eine derartige Anregung, 
daß die Zunahme des Angebots wesentlich beschleu 
nigt wurde und die Eier nunmehr auch bei dein 
leicht erhöhten Bedarf nur zu weiter ermäßigten 
Preisen unterzubringen waren. 
Das Getreidcangcbot 
verstärkte sich in dieser Woche zunächst soweit, daß 
auch die umfangreichen Eingriffe der Deutschen 
Getreidehandelsgescllschaft weitere starke Preisver 
luste nicht verhindern konnten. Daraufhin ließen 
die Zufuhren wieder um einiges nach, so daß die 
Preise sich zum Schluß, wenigstens für Brotgetreide, 
ein wenig zu erholen vermochten. Nach dem Jah 
reswechsel, ivenn die Zahlungstermine vorüber 
sind, wird das Angebot sicher nicht mehr so dring 
lich sein und die Stützungskäufe der Deutschen 
GetreidehanbelSgesellschaft hoffentlich ausreichen, um 
neuerlichen Preiseinbußeir vorzubeugen. Für bas 
kommende Wirtschaftsjahr kann dein einzelnen 
Landwirt nicht dringend genug geraten werden, 
seinen Getreidebau nicht noch mehr zu erweitern, 
sondern diesen zur Vermeidung einer neuerlichen 
Verschärfung der Agrarkrise eher wcitmöglichst 
einzuschränken. 
Nach Kartoffeln machte sich vor den Festtagen 
durchaus keine regere Nachfrage bemerkbar. Die 
Preise lagen infolgedessen unverändert gedrückt, 
obwohl die Zufuhren ein wenig zurückgingen. 
Der Kopfkohlmarkt dürste in nächster Zeit von 
Holland ans keiner allzu starken Belastung mehr 
ausgesetzt sein. Jedenfalls erreichen die dort noch 
vorhandenen Rotkohl- und Wirsingbestände nach 
den neuen Vorratszisfern nicht annähernd den 
Umfang wie zur gleichen Zeit des Vorjahres. 
Am ösn BnîterbsàèfchrrngS- 
zwang |sis Masgasme. 
Der Margarineverbrauch und auch der Butter 
verbrauch werden jetzt in Fachkreisen aus etwa 400 
bis 420 000 Tonnen geschützt. Bei einer Beimischung 
von rund 20 000 Tonnen würde es sich also, ver 
teilt auf den ganze» Margarinekonsum, um eine 
Beimischung von fünf Prozent handeln. Dem ist 
aber nicht so. DaS Ernährungsministerium beab 
sichtigt, die mittleren und billigen Margarinesorten 
von der Beimischung auszunehmcn, um Preiserhö 
hungen bei den niedrigen Preislagen zu vermei 
den. Dagegen will man die besseren Margarine 
sorten durch eine stärkere Beimischung von Butter 
derart im Preise erhöhen, daß der Preis für diese 
besseren Margarinesorten sich dem für Butter 
nähert. 
Gleichzeitig sind aber Bestrebungen im Gange, 
den Buttervreis im Kleinhandel ans mindestens 
2 zu erhöhen. Die dann bestimmt zu erwar 
tende Abwanderung zur Margarine soll aber da 
durch aufgefangen werden, daß man die Marga- 
rineprodnktion in Deutschland und wohl aucb die 
Einfuhr kontingentiert, um so einem rückgängige» 
Bntterverbrauch vorzubeugen. 
sw. Auf der Borgs'.liner Feldmark fand eine Jagd 
statt, bei der von 12 Jägern 27 Hasen erlegt wurden. 
Iagdkönig wurde Peter Delhi«ffs der Junge, der mit 
9 Schutz 7 Hasen erlegt«. 
Ei«;clhritmErgebnis -er Schwemerahiung. 
Flcischcrgeiverbe und Landwirtschaft haben ge 
spannt auf das Ergebnis der Dczcmver-Schivcine- 
zählung im Reich gewartet. Die Berechungcn der 
Statistischen Aemter gingen aber diesmal leider 
Nicht so flott vonstatten, wie cs im Interesse der 
praktischen Wirtschaft wünschenswert gewesen wäre. 
Bor allem in Preußen gab es infolge der Zusam 
menlegung der Kreise usw. manche Schwierigkeiten 
zu überwinden. * 
Ucberblick über die 
Entwicklung der Gcsamtbcständc. 
ES wurden gezählt: 
1. Dezember 1928 . . . 20,1 Mill. 
1. Dezember 1929 . . . 19,9 Mill. 
1. Dezember 1980 . . . 28,4 Mill 
1. März 1931 2-1,7 Mill. 
1. Juni 1931 22,5 Mill. 
1. September 1931 . . . 25,3 Mill. 
1. Dezember 1931 . . . 23,8 Mill. 
1. März 1932 20,6 Mill. 
1. Juni 1932 21,3 Mill. 
1. September 1932 . . . 24,2 Mill. 
1. Dezember 1932 . . . 22,8 Mill. 
Die Dezemberzählung 1032 ergibt im Vergleich 
zu den beiden Vorjahren folgendes Bild: 
Die Einzelergebniffe: 
ez. 
Gcsamtschwcincbcstand 
darunter: 
Ferkel unter 8 Wochen 
Jungschiveine, 8 Wochen 
bis noch nicht y 2 Jahr 
Schweine, Y< bis noch nicht 
1 Jahr alt, und zwar: 
a) Schlachtschwcine 
b) Zuchtsauen 
davon trächtig 
Schweine, 1 Jahr n. älter, 
und zwar: 
1. Dez. 1. Dez. 1. Dez. 
1932 193 l 1930 
in 1000 Stück 
22 803 23 808 23 442 
4 824 
5128 
6 469 
9 866 10 484 10 035 
5 253 
484 
259 
5 238 
494 
251 
4 749 
674 
309 
a) Schlachtschwcine 881 893 892 
b) Zuchtsauen 1882 1 459 1 503 
davon trächtig 849 870 942 
Schlachtschwcine insgesamt 6 1 85 6 1 3 1 5 644 
Zuchtsauen insgesamt 1 867 1 952 2176 
davon trächtig 1 108 1 120 1311 
Der gesamte Schweinebestand ist gegenüber dem 
Dezember 1931 mit 4,2 Prozent, gegenüber dem 
Dezember 1080 um 2,7 Prozent zurückgegangen. 
Die Ferkel unter 8 Wochen sind an diesem Rück 
gang mit 6,9 Prozent gegenüber dem Dezember 
1931 und mit 11,8 Prozent gegenüber dem Dezem 
ber 1930 beteiligt. Die Jiingschwcine von 8 Wochen 
biö noch nicht Y Jahr weisen einen Rückgang von 
5,9 Prozent gegenüber dem Dezember 1931 und von 
1.7 Prozent gegenüber dem Dezember 1930 ans. 
Die Entwicklung der Zuchtsauen ist folgende: 
Die jüngeren Zuchtsauen soon Y bis noch nicht I 
Jahr alt) sind zivar gegenüber dem Dezember 1931 
nur um 1,9 Prozent, gegenüber dem Dezember 1930 
aber um 28,1 Prozent zurückgegangen und inner 
halb dieser Zuchtsauen weisen die trächtigen Sauen 
zwar gegenüber dem Dezember 1931 eine Zunahme 
von 3,2 Prozent, gegenüber dem Dezember 1930 
jedoch eine Abnahme von 29,8 Prozent ans. Die 
ältere» Zuchtsauen U Jahr und älter) sind um 
5,2 Prozent gegenüber dem Dezember 1931 und um 
8 Prozent gegenüber dem Dezember 1930 zurückge 
gangen. Die trächtigen Sauen dieser Kategorie wei 
sen einen Rückgang von 2,3 Prozent gegenüber dem 
Vorjahr und 9,8 Prozent gegenüber dem Dezember 
1980 aus. 
Der Rückgang der Schweinebestände dürfte kaum 
den gehegten Erwartungen entsprechen: er paßt 
auch nicht so recht in den gewohnten „Schweine 
zyklus" hinein. Theoretisch gesprochen, liegt die 
Kurve der Schweinebestände diesmal „a b g e- 
schwächt". Während sie früher stets stärker ab 
fiel, ivenn der gegebene Zeitpunkt erreicht war. 
hat man diesmal die Tatsache festzustellen, daß sich 
die Rückgangstendenz verlangsamt. Das hängt wohl 
damit zusammen, daß die Landwirte noch viel 
wirtschastseigcneS Futter zu verivcrtcn hatten und 
daß sie dieses Futter am besten in der Schwcine- 
haltnng anlegen, auch wenn sie dabei nicht oder nur 
knapp ans oder über die Gestehungskosten kommen. 
Außerdem hat sich bas Schwein hauptsächlich auch 
in den vielen kleineren und größeren Reusied, 
Ilttigen eingebürgert. 
Änhtîl Roman von Gert Nothberg. 
28) (Nachdruck verboten). 
„Das Spiel ist verloren! Endgültig aus, Ich habe 
auf der Welt nichts mehr z-u suchen. Ich hasse dich 
und ich habe dein Kind gehaßt. Ich haßte die stets 
vom Schicksal bevorzugte Anneliese und ich habe 
die gehaßt, die deine zweite Fron wevden sollte. 
Ich habe dich geliebt! Diel mehr wie Anneliese dich 
geliebt hat. Bei ihr war es Berechnung, elende Be 
rechnung, der Prinz hat ihr stets besser gefallen, 
weil er weiches Wachs in ihren Händen war. Deine 
stolze Schroffheit hat sie gehaßt. Aber sie hat im 
letzten Augenblick doch gewußt, daß du wertvoller 
warst. Und in diesem Bewußtsein ist sie in Werden- 
fels geblieben, von wo sie doch erst mit dem Prinzen 
fliehen wollte. Diese Umkehr vom ursprünglichen 
Plan war ihr Verderben." 
Mit einem Sprung war Werdenfels bei ihr, deren 
Gesicht sich grauenhaft veränderte. 
„Die Wahrheit will ich wissen. Wo ist Anneliese?" 
„Im Irrenhause von Dr. Karlsfeldt in Br. . .!" 
„Bist du denn ein Teufel?" keuchte er. 
Ein herzzerreißendes Lächeln verschönte einen 
Augenblick lang das blasse Gesicht, dann sagte Edith: 
„Vielleicht! Aber ich bin es dann erst durch die 
Lieblosigkeit geworden, die ringsum die Welt für 
mich hatte." 
„Niemals wäre Anneliese freiwillig dorthin ge 
gangen. Was hast du ihr getan?" 
„Nichts! Sie hat mich freiwillig znm angeblichen 
Besuch einer Bekannten, die bei Dr. Karlsfeldt lebt, 
begleitet. Ich habe dem Arzt meinen Geburtsschein 
und Annelieses Trauschein vorgelegt, habe mich für 
die Gräfin Werdenfels ausgegeben und Anneliese 
für mich. Ich bat Dr. Karlsfeldt, meine Schwester 
in Verwahrung zu nehmen, die in sinnloser Leiden 
schaft und Liebe zu meinem Gatten irre geworden 
sei und an der fixen-Idee leide, die Gräfin Wer- 
Idenfels zu sein. Da behielt er sie. Weil sie Tobsuchts 
anfälle bekam, glaubte er erst recht an ihre Krank 
heit und ich habe monatlich 'die hohen Kosten von 
dem allzu reichlichen Wirtschaftsgeld bezahlt, das 
du mir gabst. Jetzt weißt du, wo Anneliese, ist. Und 
deine Scheidung ist ungültig, denn Anneliese hat 
dich nicht böswillig verlassen. Die schöne Berlind 
wird nun nicht deine Frau sein können, denn ich 
kenne dich zu gut. Zwischen dir und ihr steht Anne 
liese! Und das ist meine Rache, weil du mich ver 
schmäht hast, weil du nicht sehen wolltest, wie na 
menlos ich dich liebte!" 
Ein Schüttelfrost befiel sie, die letzten Worte wa- 
rcn kaum verständlich über ihre Lippen gekommen. 
Langsam fiel der Körper zur Seite. Michael streckte 
die Hand aus, um sie zu stützen. Er wußte jetzt, daß 
Edith ihre Sünden selbst gesühnt hatte. 
In ihm tobte Unbeschreibliches. Es wurde über 
tönt von den: letzten Schrei der Sterbenden: 
„Ich habe dich — — geliebt!" 
Da beugte sich Graf Werdenfels über feine 
Schwägerin und drückte ihr die Augen zu. 
„Schlaf in Frieden, du irrende Seele", sagte er 
und seine Stimme kam ihm. seltsam fremd vor. 
Als er sich wieder aufrichtete, sah er um Jahre 
gealtert aus. 
„Berlind, nun ist unser Glück vorüber. Berlind, 
was soll jetzt geschehen? Ich liebe dich, meine kleine 
süße Mami Lind. Und ich war so unsinnig glücklich 
im Besitze deiner köstlichen jungen Liebe. So kurz 
vor der Erfüllung meines großen, seligen Glückes 
werde ich zurückgerissen. Was nun? Was nun?" 
Eine ganze Weile stand er regungslos. Sein 
düsterer Blick ruhte auf der stillen Gestalt auf der 
Chaiselongue. 
Die Tragödie eines Lebens war zu Ende. Und 
langsam, ganz lang'sam kroch das Mitleid in ihm 
hoch mit diesem unglückseligen Geschöpf. Es war 
jetzt ganz gleich, ob sie dieses Mitleid verdiente 
oder nicht. Ganz gleich war es. Hier erstand aber 
die Tragödie eines Menschenlebens in klarster Er 
kenntnis und diese Tragödie entstammte der gren- 
zenloscn Leere eines einsamen, leidenschaftlichen 
Herzens. 
Eine Tragödie war zu Ende. Eine neue begann! 
Denn niemals "würde seine Liebe zu Berlind ster 
ben. Und seine erste Frau würde wieder in ihre 
Rechte zurückkehren! Dieser Zwiespalt mußte für 
ihn zur Vernichtung werden, so oder so. Das war 
es, was er niit klarster Deutlichkeit wußte. 
Draußen in der Halle standen der Kommissar und 
der Haushofmeister. 
Der Graf trat zu ihnen. 
„Meine Schwägerin hat sich in einem Anfalle 
geistiger Umnachtung das Leben genommen." 
Der Haushofmeister wurde kreideweiß, während 
der Beamte leise sagte: 
„Es ist am besten so. Ich hatte es erwartet!" 
Der alte Haushofmeister wurde abgerufen. 
Michael und der Kommissar waren allein. 
„Herr Kommissar, meine Schwägerin hat eben ge 
standen vor ihrem Tode, daß meine Ehe zu Unrecht 
geschieden worden ist, daß meine Frau im Irren 
hause tu Br. . . lebt. Also gesund ist! Meine ver 
storbene Schwägerin hat auch diese Tat auf ihrem 
Gewissen. Ich reise noch im Laufe des Tages ab, 
um nach meiner Frau zu sehen?" 
Der alte Beamte hatte schon viel erlebt in seinem 
unruhigen, ereignisreichen Leben. Er war auch hart 
geworden im Kampfe mit Menschen, die sich gegen 
das Gesetz auflehnten. Liber jetzt wurden ihm doch 
die Augen naß, wenn er diesen schönen, großen auf 
rechten Menschen ansah, der dem Schicksal machtlos 
gegenüberstand. Und dann dachte er an das Mäd 
chen. Sie war frei! Frei für ein Leben in Einsam 
keit. Denn daß hier etwas Köstliches zerrissen wor 
den war, das wußte der alte Bernd genau. 
Der Ems wandte sich kurz ab und ging die Treppe 
hinauf. Und der alte Herr setzte sich wieder, stützte 
den grauen Kopf in die rechte Hand und dachte, daß 
sein Beruf, dem er mit Leib und Seele ergeben war, 
doch zuweilen recht schwer sein könne. 
Droben ging Michael in seinen Zimmern hin und 
her, drückte die geballten Hände an die heiße Stirn. 
„Berlind! Ich werde ja noch wahnsinnig. Es ist 
doch ausgeschlossen, daß ich dich von mir lassen kann. 
Doch auch die unglückliche Anneliese hat Rechte, lind 
sie ist Loris Mutter! Sie hat ein Recht, zurückzukom- 
men, nachdem das schändliche Verbrechen,'das ihre 
eigene Schwester an ihr beging, aufgedeckt ist. Doch 
wie ich das alles ertragen soll, weiß ich nicht." 
Wieder dachte er angestrengt nach. Wenn Anne 
liese mit der Scheidung einverstanden wäre? 
Ein letzter Hoffnungsstrahl! 
Ein Strohhalm, an den er sich klammerte, obgleich 
schon jetzt die Ahnung in ihm war, daß es anders 
kommen würde. 
Sein Gesicht wurde immer finsterer, verschlossener. 
Anneliese konnte kommen! Doch verlangen konnte 
sie nichts mehr von ihm. Die Liebe zu dieser Frau 
war so gänzlich aus seinem Herzen fort, daß er ihr 
nichts mehr geben konnte. Das große gute Mitleid, 
das in ihm war, wenn er an sie dachte, hatte nichts 
damit zu tun. Anneliese hatte das Band bereits 
lange bor der Untat ihrer Schwester gelöst. 
Ah! Der Prinz! 
Also wax seine Ahnung dock) richtig gewesen da 
mals. Und im letzten Augenblick erst hatte Anneliese 
sich besonnen, daß es nicht ratsam sei, das warme 
Rest zu verlassen. Und nun wollte sie hierher kom 
men, nachdem er ein echtes, großes Glück hätte fin 
den können? 
„Berlind! Meine liebe arme Berlind! Ja, wenn 
du anders wärst! Dann könnte ich dir vielleicht zu- 
muten, unser Glück trotz allem zu erholten. Aber 
bei deiner Wesensart ist das ja ganz ausgeschlossen. 
Ganz und gart" 
Wie ein gefangenes Tier lief Werdenfels wiede 
im Zimmer auf und ab. Dann blieb er stehen, faßte 
nach dem schweren, geschnitzten Stuhl, warf ihn in 
wilder Wut zu Boden. 
„Mein Glück soll ich opfern? Nachdem ich so lange 
einsam war und schon mit jeder guten Liebe abge 
schlossen hatte? Warum soll denn gerade ich von 
allem Glück und aller Seligkeit ausgeschlossen sein?" 
Noch eine ganze Weile blieb der Graf in dieser 
verzweifelten Stimmung, Dann aber kam doch nach 
und nach die Ruhe zurück. Er »rußte erst noch, ehe 
er zu Anneliese fuhr, mit Berlind sprechen. Ihr 
Wille sollte gelten, ihm heilig sein! 
. 12. Kapitel. 
Klein Lori sah den Pater bittend an und strei 
chelte mit den kleinen Händen zärtlich über sein 
braunes, düsteres Gesicht. 
„Mami Lind ist fort. Meine Mami Lind! Holst 
du sie wieder, Papi?" 
Michael küßte sein Kind. In seinen Augen 
brannte es dunkel. Welche Wirrnisse kamen für das 
Kind! Es war nicht auszudenken. Was sollte er ant 
worten? Lori kannte ihre wirkliche Mutter ja nicht. 
Es war zwei Jahre her, seit Anneliese das Schloß 
verlassen und dann hatte sie sich ja überhaupt schon 
früher nicht um ihr Kind gekümmert. 
Lori hatte die Mutter nie vermißt, hatte nie nach 
ihr verlangt! Und hatte dann alle Liebe ihres kind 
lichen Herzens auf Berlind geworfen, hatte das 
schöne Mädchen als zu sich gehörig betrachtet. 
„Lori wird schön brav sein. Der Papi reist fort 
und bringt dir eine Mami mit." 
Mit großen Augen sah das Kind ihn an, dann, 
sagte es: 
„Ich will Mami Lind! " 
Ratlos sah Graf Werdenfels sein Töchterchen an. 
Er mußte Lori vorbereiten auf das, was vielleicht 
kommen würde. 
„Papi geht zu Mami Lind. Wenn sie aber nicht 
kommen kann, dann bringt der- Papi eine andere 
Mami mit und Mausi hat sie dann lieb und ist schön 
brav", sagte er dann vorsichtig. 
Lori legte den kleinen Finger an das Raschen und 
dachte ein Weilchen nach, dann flüsterte sie dem Va 
ter ins Ohr: 
„Mami Lind Kuß geben. Mami Lind sehr lieb 
haben, dann kommt Mami Lind." 
„Ja, wenn sie kommt, dann gibst du ihr einen 
Kuß." 
(Fortsetzung folgt.) 
Pastillen gegen 
Erkältungen
	        
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