Lit Wirtschaftspolitik öcs
Neichsernährangsmimsters.
Donnerstagabend sprach der Reichsernährnngs-
mlnistcr im Rundfunk über die „Landwirtschaft an
der Jahreswende". Die Wiederherstellung der Er
tragsfähigkeit der Landwirtschaft konnte im Jahre
1932 nicht erreicht werden Gerade in den typisch
bäuerlichen Gebieten des Westens, Südwestens und
Nordens hat sich die Lage ausgesprochen verschlech
tert. Die Verkaufserlöse der Vieh- n„o Milchwirt
schaft waren im letzten Jahre um mehr als zwei
Milliarden niedriger als im Wirtschaftsjahr 1928-29.
Die Not der Bauern trifft auch schwer die Sied
lung, denn die Erzeugnisse der Viehwirtschaft sind
die typischen Produkte der Arbeit des Siedlers.
Wenn Schweine und Rinder, wenn Schmalz und
Butter nichts bringen, dann kann auch der Sied
ler trotz härtester Arbeit nicht vorwärtskommen
und seine Zinsen und Tilgungsraten nicht ab
zahlen.
Das Vorgehen gegen die Zinsspannen im land
wirtschaftlichen Kreditapparat zugleich mit der
Senkung des Reichsbankdiskonts und der Zinsen
für den Hypothekarkredit habe insgesamt der
Landwirtschaft eine Senkung der Zinslast auf wie
der Vorkriegsstand gebracht. Während im Wirt
schaftsjahr 1981-82 wahrscheinlich nur noch etwa
640 Millionen betragen.
Wir werden, so sagte der Minister u. a. weiter,
wie ich hoffe, durch in letzter Zeit erfolgte Kündi
gung mehrerer Handelsverträge mit anderen Län
dern die Lösung unerträglicher Zollbindnngcn der
wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse erreichen
und durch autonome Zollgestaltung und andere
geeignete handelspolitische Maßnahmen den Preis
druck der vom Weltmarkt nach Deutschland zu nied
rigsten Preisen hereinströmenden landwirtschaft
lichen Erzeugnisse auffangen. Eine Kartellieruna
der landwirtschaftlichen Erzeugung dürfte praktisch
schon an der Fülle der Betriebe scheitern. Man
kann für örtlich begrenzte Gebiete oder auch bei dem
einen oder anderen Erzeugnis, wie z. B. im Milch-
gesetz vorgesehen, Kartelle schaffen, aber es ist un
möglich, dies für unsere rund fünf Millionen
bäuerlichen Betriebe durchzuführen. Es gibt meist,
wie beispielsweise beim Getreidebau, keine andere
Möglichkeit der Beeinflussung des ErzcugungS-
umfanges als über den Preis. Welker wird der
Landwirtschaft Unkostcnsenkung empfohlen. Aber
leider sind die Möglichkeiten der Uukostensenkung
kür den einzelnen außerordentlich begrenzt. -
Abschließend möchte ich feststellen, daß es kein
irgendwie geartetes allein gültiges Rezept für die
gegenwärtig treibende Landwirtschaftspolitik gibt.
Ak mraiilil lit um. itjiiif.
Wöchentlicher Marktbericht für die heimische Land
wirtschaft von der Verbindungsstelle Hamburg des
Deutschen Landwirtschastsrats.
Das Ergebnis der am 1. Dezember durchgeführten
Schweinezählung,
insbesondere die altersmäßige Zusammensetzung
der Bestände, läßt darauf schließen, daß für das
nächste halbe Jahr mit einer nennenswerten Ver
änderung der Aüsatzverhältnifse und der Preislage
auf dem Schweinemarkt nicht zu rechnen ist. Den»
der gesamte Bestand an Schlachtschweinen lim Al
ter von Y Jahr auswärts) ist etwa ebenso groß
wie zur gleichen Zeit des Vorjahres, was ange
sichts der umfangreichen Vorräte an wirtschastS-
eigencm Futter, die in diesem Jahre verwertet
werden müssen, auch kaum einen Nachteil bedeutet.
Dagegen steht für die zweite Hälfte des kommen
den Jahres eine immerhin nicht unbeträchtliche
Verminderung des Angebotsdruckes in Aussicht,
da die Bestände an Ferkeln und Jungschweincn im
Alter bis zu Y Jahr im Vergleich zum Vorjahre
um 6 Prozent zurückgegangen sind.
Die Zufuhren an einheimischer
Butter
bcwcgteu sich iu dieser Woche im gleichen Umfange
wie in der Borwoche. Die Nachfrage zeigte sich vor
den Festtagen weiter leicht angeregt. Steuerliche
Preiserholungcn konnten sich aber nicht durch
sehen, da die ausländischen Einsender in Erwar
tung eines lebhaften Weihnachtsgeschäftes ihr An
gebot merklich verstärkt hatten.
Die Preisrückgänge auf dem
Eiermarkt
schienen sich zunächst beim Herannahen des Weih
nachtsfestes verlangsamen zu wollen, da die Nach-
frage sich um einiges reger gestaltete. Jedoch er
fuhr die Legetätigkeit durch das zeitweise wieder
warme, heitere Wetter eine derartige Anregung,
daß die Zunahme des Angebots wesentlich beschleu
nigt wurde und die Eier nunmehr auch bei dein
leicht erhöhten Bedarf nur zu weiter ermäßigten
Preisen unterzubringen waren.
Das Getreidcangcbot
verstärkte sich in dieser Woche zunächst soweit, daß
auch die umfangreichen Eingriffe der Deutschen
Getreidehandelsgescllschaft weitere starke Preisver
luste nicht verhindern konnten. Daraufhin ließen
die Zufuhren wieder um einiges nach, so daß die
Preise sich zum Schluß, wenigstens für Brotgetreide,
ein wenig zu erholen vermochten. Nach dem Jah
reswechsel, ivenn die Zahlungstermine vorüber
sind, wird das Angebot sicher nicht mehr so dring
lich sein und die Stützungskäufe der Deutschen
GetreidehanbelSgesellschaft hoffentlich ausreichen, um
neuerlichen Preiseinbußeir vorzubeugen. Für bas
kommende Wirtschaftsjahr kann dein einzelnen
Landwirt nicht dringend genug geraten werden,
seinen Getreidebau nicht noch mehr zu erweitern,
sondern diesen zur Vermeidung einer neuerlichen
Verschärfung der Agrarkrise eher wcitmöglichst
einzuschränken.
Nach Kartoffeln machte sich vor den Festtagen
durchaus keine regere Nachfrage bemerkbar. Die
Preise lagen infolgedessen unverändert gedrückt,
obwohl die Zufuhren ein wenig zurückgingen.
Der Kopfkohlmarkt dürste in nächster Zeit von
Holland ans keiner allzu starken Belastung mehr
ausgesetzt sein. Jedenfalls erreichen die dort noch
vorhandenen Rotkohl- und Wirsingbestände nach
den neuen Vorratszisfern nicht annähernd den
Umfang wie zur gleichen Zeit des Vorjahres.
Am ösn BnîterbsàèfchrrngS-
zwang |sis Masgasme.
Der Margarineverbrauch und auch der Butter
verbrauch werden jetzt in Fachkreisen aus etwa 400
bis 420 000 Tonnen geschützt. Bei einer Beimischung
von rund 20 000 Tonnen würde es sich also, ver
teilt auf den ganze» Margarinekonsum, um eine
Beimischung von fünf Prozent handeln. Dem ist
aber nicht so. DaS Ernährungsministerium beab
sichtigt, die mittleren und billigen Margarinesorten
von der Beimischung auszunehmcn, um Preiserhö
hungen bei den niedrigen Preislagen zu vermei
den. Dagegen will man die besseren Margarine
sorten durch eine stärkere Beimischung von Butter
derart im Preise erhöhen, daß der Preis für diese
besseren Margarinesorten sich dem für Butter
nähert.
Gleichzeitig sind aber Bestrebungen im Gange,
den Buttervreis im Kleinhandel ans mindestens
2 zu erhöhen. Die dann bestimmt zu erwar
tende Abwanderung zur Margarine soll aber da
durch aufgefangen werden, daß man die Marga-
rineprodnktion in Deutschland und wohl aucb die
Einfuhr kontingentiert, um so einem rückgängige»
Bntterverbrauch vorzubeugen.
sw. Auf der Borgs'.liner Feldmark fand eine Jagd
statt, bei der von 12 Jägern 27 Hasen erlegt wurden.
Iagdkönig wurde Peter Delhi«ffs der Junge, der mit
9 Schutz 7 Hasen erlegt«.
Ei«;clhritmErgebnis -er Schwemerahiung.
Flcischcrgeiverbe und Landwirtschaft haben ge
spannt auf das Ergebnis der Dczcmver-Schivcine-
zählung im Reich gewartet. Die Berechungcn der
Statistischen Aemter gingen aber diesmal leider
Nicht so flott vonstatten, wie cs im Interesse der
praktischen Wirtschaft wünschenswert gewesen wäre.
Bor allem in Preußen gab es infolge der Zusam
menlegung der Kreise usw. manche Schwierigkeiten
zu überwinden. *
Ucberblick über die
Entwicklung der Gcsamtbcständc.
ES wurden gezählt:
1. Dezember 1928 . . . 20,1 Mill.
1. Dezember 1929 . . . 19,9 Mill.
1. Dezember 1980 . . . 28,4 Mill
1. März 1931 2-1,7 Mill.
1. Juni 1931 22,5 Mill.
1. September 1931 . . . 25,3 Mill.
1. Dezember 1931 . . . 23,8 Mill.
1. März 1932 20,6 Mill.
1. Juni 1932 21,3 Mill.
1. September 1932 . . . 24,2 Mill.
1. Dezember 1932 . . . 22,8 Mill.
Die Dezemberzählung 1032 ergibt im Vergleich
zu den beiden Vorjahren folgendes Bild:
Die Einzelergebniffe:
ez.
Gcsamtschwcincbcstand
darunter:
Ferkel unter 8 Wochen
Jungschiveine, 8 Wochen
bis noch nicht y 2 Jahr
Schweine, Y< bis noch nicht
1 Jahr alt, und zwar:
a) Schlachtschwcine
b) Zuchtsauen
davon trächtig
Schweine, 1 Jahr n. älter,
und zwar:
1. Dez. 1. Dez. 1. Dez.
1932 193 l 1930
in 1000 Stück
22 803 23 808 23 442
4 824
5128
6 469
9 866 10 484 10 035
5 253
484
259
5 238
494
251
4 749
674
309
a) Schlachtschwcine 881 893 892
b) Zuchtsauen 1882 1 459 1 503
davon trächtig 849 870 942
Schlachtschwcine insgesamt 6 1 85 6 1 3 1 5 644
Zuchtsauen insgesamt 1 867 1 952 2176
davon trächtig 1 108 1 120 1311
Der gesamte Schweinebestand ist gegenüber dem
Dezember 1931 mit 4,2 Prozent, gegenüber dem
Dezember 1080 um 2,7 Prozent zurückgegangen.
Die Ferkel unter 8 Wochen sind an diesem Rück
gang mit 6,9 Prozent gegenüber dem Dezember
1931 und mit 11,8 Prozent gegenüber dem Dezem
ber 1930 beteiligt. Die Jiingschwcine von 8 Wochen
biö noch nicht Y Jahr weisen einen Rückgang von
5,9 Prozent gegenüber dem Dezember 1931 und von
1.7 Prozent gegenüber dem Dezember 1930 ans.
Die Entwicklung der Zuchtsauen ist folgende:
Die jüngeren Zuchtsauen soon Y bis noch nicht I
Jahr alt) sind zivar gegenüber dem Dezember 1931
nur um 1,9 Prozent, gegenüber dem Dezember 1930
aber um 28,1 Prozent zurückgegangen und inner
halb dieser Zuchtsauen weisen die trächtigen Sauen
zwar gegenüber dem Dezember 1931 eine Zunahme
von 3,2 Prozent, gegenüber dem Dezember 1930
jedoch eine Abnahme von 29,8 Prozent ans. Die
ältere» Zuchtsauen U Jahr und älter) sind um
5,2 Prozent gegenüber dem Dezember 1931 und um
8 Prozent gegenüber dem Dezember 1930 zurückge
gangen. Die trächtigen Sauen dieser Kategorie wei
sen einen Rückgang von 2,3 Prozent gegenüber dem
Vorjahr und 9,8 Prozent gegenüber dem Dezember
1980 aus.
Der Rückgang der Schweinebestände dürfte kaum
den gehegten Erwartungen entsprechen: er paßt
auch nicht so recht in den gewohnten „Schweine
zyklus" hinein. Theoretisch gesprochen, liegt die
Kurve der Schweinebestände diesmal „a b g e-
schwächt". Während sie früher stets stärker ab
fiel, ivenn der gegebene Zeitpunkt erreicht war.
hat man diesmal die Tatsache festzustellen, daß sich
die Rückgangstendenz verlangsamt. Das hängt wohl
damit zusammen, daß die Landwirte noch viel
wirtschastseigcneS Futter zu verivcrtcn hatten und
daß sie dieses Futter am besten in der Schwcine-
haltnng anlegen, auch wenn sie dabei nicht oder nur
knapp ans oder über die Gestehungskosten kommen.
Außerdem hat sich bas Schwein hauptsächlich auch
in den vielen kleineren und größeren Reusied,
Ilttigen eingebürgert.
Änhtîl Roman von Gert Nothberg.
28) (Nachdruck verboten).
„Das Spiel ist verloren! Endgültig aus, Ich habe
auf der Welt nichts mehr z-u suchen. Ich hasse dich
und ich habe dein Kind gehaßt. Ich haßte die stets
vom Schicksal bevorzugte Anneliese und ich habe
die gehaßt, die deine zweite Fron wevden sollte.
Ich habe dich geliebt! Diel mehr wie Anneliese dich
geliebt hat. Bei ihr war es Berechnung, elende Be
rechnung, der Prinz hat ihr stets besser gefallen,
weil er weiches Wachs in ihren Händen war. Deine
stolze Schroffheit hat sie gehaßt. Aber sie hat im
letzten Augenblick doch gewußt, daß du wertvoller
warst. Und in diesem Bewußtsein ist sie in Werden-
fels geblieben, von wo sie doch erst mit dem Prinzen
fliehen wollte. Diese Umkehr vom ursprünglichen
Plan war ihr Verderben."
Mit einem Sprung war Werdenfels bei ihr, deren
Gesicht sich grauenhaft veränderte.
„Die Wahrheit will ich wissen. Wo ist Anneliese?"
„Im Irrenhause von Dr. Karlsfeldt in Br. . .!"
„Bist du denn ein Teufel?" keuchte er.
Ein herzzerreißendes Lächeln verschönte einen
Augenblick lang das blasse Gesicht, dann sagte Edith:
„Vielleicht! Aber ich bin es dann erst durch die
Lieblosigkeit geworden, die ringsum die Welt für
mich hatte."
„Niemals wäre Anneliese freiwillig dorthin ge
gangen. Was hast du ihr getan?"
„Nichts! Sie hat mich freiwillig znm angeblichen
Besuch einer Bekannten, die bei Dr. Karlsfeldt lebt,
begleitet. Ich habe dem Arzt meinen Geburtsschein
und Annelieses Trauschein vorgelegt, habe mich für
die Gräfin Werdenfels ausgegeben und Anneliese
für mich. Ich bat Dr. Karlsfeldt, meine Schwester
in Verwahrung zu nehmen, die in sinnloser Leiden
schaft und Liebe zu meinem Gatten irre geworden
sei und an der fixen-Idee leide, die Gräfin Wer-
Idenfels zu sein. Da behielt er sie. Weil sie Tobsuchts
anfälle bekam, glaubte er erst recht an ihre Krank
heit und ich habe monatlich 'die hohen Kosten von
dem allzu reichlichen Wirtschaftsgeld bezahlt, das
du mir gabst. Jetzt weißt du, wo Anneliese, ist. Und
deine Scheidung ist ungültig, denn Anneliese hat
dich nicht böswillig verlassen. Die schöne Berlind
wird nun nicht deine Frau sein können, denn ich
kenne dich zu gut. Zwischen dir und ihr steht Anne
liese! Und das ist meine Rache, weil du mich ver
schmäht hast, weil du nicht sehen wolltest, wie na
menlos ich dich liebte!"
Ein Schüttelfrost befiel sie, die letzten Worte wa-
rcn kaum verständlich über ihre Lippen gekommen.
Langsam fiel der Körper zur Seite. Michael streckte
die Hand aus, um sie zu stützen. Er wußte jetzt, daß
Edith ihre Sünden selbst gesühnt hatte.
In ihm tobte Unbeschreibliches. Es wurde über
tönt von den: letzten Schrei der Sterbenden:
„Ich habe dich — — geliebt!"
Da beugte sich Graf Werdenfels über feine
Schwägerin und drückte ihr die Augen zu.
„Schlaf in Frieden, du irrende Seele", sagte er
und seine Stimme kam ihm. seltsam fremd vor.
Als er sich wieder aufrichtete, sah er um Jahre
gealtert aus.
„Berlind, nun ist unser Glück vorüber. Berlind,
was soll jetzt geschehen? Ich liebe dich, meine kleine
süße Mami Lind. Und ich war so unsinnig glücklich
im Besitze deiner köstlichen jungen Liebe. So kurz
vor der Erfüllung meines großen, seligen Glückes
werde ich zurückgerissen. Was nun? Was nun?"
Eine ganze Weile stand er regungslos. Sein
düsterer Blick ruhte auf der stillen Gestalt auf der
Chaiselongue.
Die Tragödie eines Lebens war zu Ende. Und
langsam, ganz lang'sam kroch das Mitleid in ihm
hoch mit diesem unglückseligen Geschöpf. Es war
jetzt ganz gleich, ob sie dieses Mitleid verdiente
oder nicht. Ganz gleich war es. Hier erstand aber
die Tragödie eines Menschenlebens in klarster Er
kenntnis und diese Tragödie entstammte der gren-
zenloscn Leere eines einsamen, leidenschaftlichen
Herzens.
Eine Tragödie war zu Ende. Eine neue begann!
Denn niemals "würde seine Liebe zu Berlind ster
ben. Und seine erste Frau würde wieder in ihre
Rechte zurückkehren! Dieser Zwiespalt mußte für
ihn zur Vernichtung werden, so oder so. Das war
es, was er niit klarster Deutlichkeit wußte.
Draußen in der Halle standen der Kommissar und
der Haushofmeister.
Der Graf trat zu ihnen.
„Meine Schwägerin hat sich in einem Anfalle
geistiger Umnachtung das Leben genommen."
Der Haushofmeister wurde kreideweiß, während
der Beamte leise sagte:
„Es ist am besten so. Ich hatte es erwartet!"
Der alte Haushofmeister wurde abgerufen.
Michael und der Kommissar waren allein.
„Herr Kommissar, meine Schwägerin hat eben ge
standen vor ihrem Tode, daß meine Ehe zu Unrecht
geschieden worden ist, daß meine Frau im Irren
hause tu Br. . . lebt. Also gesund ist! Meine ver
storbene Schwägerin hat auch diese Tat auf ihrem
Gewissen. Ich reise noch im Laufe des Tages ab,
um nach meiner Frau zu sehen?"
Der alte Beamte hatte schon viel erlebt in seinem
unruhigen, ereignisreichen Leben. Er war auch hart
geworden im Kampfe mit Menschen, die sich gegen
das Gesetz auflehnten. Liber jetzt wurden ihm doch
die Augen naß, wenn er diesen schönen, großen auf
rechten Menschen ansah, der dem Schicksal machtlos
gegenüberstand. Und dann dachte er an das Mäd
chen. Sie war frei! Frei für ein Leben in Einsam
keit. Denn daß hier etwas Köstliches zerrissen wor
den war, das wußte der alte Bernd genau.
Der Ems wandte sich kurz ab und ging die Treppe
hinauf. Und der alte Herr setzte sich wieder, stützte
den grauen Kopf in die rechte Hand und dachte, daß
sein Beruf, dem er mit Leib und Seele ergeben war,
doch zuweilen recht schwer sein könne.
Droben ging Michael in seinen Zimmern hin und
her, drückte die geballten Hände an die heiße Stirn.
„Berlind! Ich werde ja noch wahnsinnig. Es ist
doch ausgeschlossen, daß ich dich von mir lassen kann.
Doch auch die unglückliche Anneliese hat Rechte, lind
sie ist Loris Mutter! Sie hat ein Recht, zurückzukom-
men, nachdem das schändliche Verbrechen,'das ihre
eigene Schwester an ihr beging, aufgedeckt ist. Doch
wie ich das alles ertragen soll, weiß ich nicht."
Wieder dachte er angestrengt nach. Wenn Anne
liese mit der Scheidung einverstanden wäre?
Ein letzter Hoffnungsstrahl!
Ein Strohhalm, an den er sich klammerte, obgleich
schon jetzt die Ahnung in ihm war, daß es anders
kommen würde.
Sein Gesicht wurde immer finsterer, verschlossener.
Anneliese konnte kommen! Doch verlangen konnte
sie nichts mehr von ihm. Die Liebe zu dieser Frau
war so gänzlich aus seinem Herzen fort, daß er ihr
nichts mehr geben konnte. Das große gute Mitleid,
das in ihm war, wenn er an sie dachte, hatte nichts
damit zu tun. Anneliese hatte das Band bereits
lange bor der Untat ihrer Schwester gelöst.
Ah! Der Prinz!
Also wax seine Ahnung dock) richtig gewesen da
mals. Und im letzten Augenblick erst hatte Anneliese
sich besonnen, daß es nicht ratsam sei, das warme
Rest zu verlassen. Und nun wollte sie hierher kom
men, nachdem er ein echtes, großes Glück hätte fin
den können?
„Berlind! Meine liebe arme Berlind! Ja, wenn
du anders wärst! Dann könnte ich dir vielleicht zu-
muten, unser Glück trotz allem zu erholten. Aber
bei deiner Wesensart ist das ja ganz ausgeschlossen.
Ganz und gart"
Wie ein gefangenes Tier lief Werdenfels wiede
im Zimmer auf und ab. Dann blieb er stehen, faßte
nach dem schweren, geschnitzten Stuhl, warf ihn in
wilder Wut zu Boden.
„Mein Glück soll ich opfern? Nachdem ich so lange
einsam war und schon mit jeder guten Liebe abge
schlossen hatte? Warum soll denn gerade ich von
allem Glück und aller Seligkeit ausgeschlossen sein?"
Noch eine ganze Weile blieb der Graf in dieser
verzweifelten Stimmung, Dann aber kam doch nach
und nach die Ruhe zurück. Er »rußte erst noch, ehe
er zu Anneliese fuhr, mit Berlind sprechen. Ihr
Wille sollte gelten, ihm heilig sein!
. 12. Kapitel.
Klein Lori sah den Pater bittend an und strei
chelte mit den kleinen Händen zärtlich über sein
braunes, düsteres Gesicht.
„Mami Lind ist fort. Meine Mami Lind! Holst
du sie wieder, Papi?"
Michael küßte sein Kind. In seinen Augen
brannte es dunkel. Welche Wirrnisse kamen für das
Kind! Es war nicht auszudenken. Was sollte er ant
worten? Lori kannte ihre wirkliche Mutter ja nicht.
Es war zwei Jahre her, seit Anneliese das Schloß
verlassen und dann hatte sie sich ja überhaupt schon
früher nicht um ihr Kind gekümmert.
Lori hatte die Mutter nie vermißt, hatte nie nach
ihr verlangt! Und hatte dann alle Liebe ihres kind
lichen Herzens auf Berlind geworfen, hatte das
schöne Mädchen als zu sich gehörig betrachtet.
„Lori wird schön brav sein. Der Papi reist fort
und bringt dir eine Mami mit."
Mit großen Augen sah das Kind ihn an, dann,
sagte es:
„Ich will Mami Lind! "
Ratlos sah Graf Werdenfels sein Töchterchen an.
Er mußte Lori vorbereiten auf das, was vielleicht
kommen würde.
„Papi geht zu Mami Lind. Wenn sie aber nicht
kommen kann, dann bringt der- Papi eine andere
Mami mit und Mausi hat sie dann lieb und ist schön
brav", sagte er dann vorsichtig.
Lori legte den kleinen Finger an das Raschen und
dachte ein Weilchen nach, dann flüsterte sie dem Va
ter ins Ohr:
„Mami Lind Kuß geben. Mami Lind sehr lieb
haben, dann kommt Mami Lind."
„Ja, wenn sie kommt, dann gibst du ihr einen
Kuß."
(Fortsetzung folgt.)
Pastillen gegen
Erkältungen