war. Darum wirö sich ein Urteil über den
Geist unserer Landeszeitung, über ihre Ge
samtschau, ob sie Personen oder Ereignissen
gerecht geworben, ob sie auf führender Höhe
gewesen ist, am besten gewinnen lassen, wenn
man sie im Zusammenhang mit ihrer Zeit ge
schichtlich betrachtet.
Wir wollen beide Wege beschreiten. Machen
wir also zunächst ruhig einmal den Versuch,
die Persönlichkeiten der Schriftleiter unserer
Lanöeszeitung charaktermäßig zu erfassen. Wir
beschränken uns auf die Anfänger der drei
„Zeitungs-Dynastien", ö. h. der drei Familien,
à deren Besitz und Händen das Blatt in den
125 Jahren seines Bestehens gelegen hat. Wir
werden allerdings sofort finden, daß die Er
gebnisse dieser Betrachtung uns nur ein be
scheidenes Urteil gestatten. Wir können näm
lich schon den äußeren Rahmen der Entwick
lung dieser drei Männer nur in ganz groben
Strichen zeichnen. Eine letzte Schlußfolgerung
auf ihre innerste Charaktereinstellung ließe
sich aus dem äußeren Lebensgange recht schwer
ziehen.
Der Gründer des Ganzen war Johann Ge
org Friedrich Wendell, geboren am 26. Juli
1774, ein Renösburger Kind. Er wurde Sol
dat und Sergeant im Holsteinischen Infan
terie-Regiment in Rendsburg. Nach seiner
Verabschiedung betrieb er eine kleine Hökerei,
lernte Buchbinderei hinzu, verschaffte sich eine
kleine Handpresse und fertigte kleinere Druck
sachen für private und geschäftliche Bedürf
nisse an. Unterm 17. Juni 1806 erhielt er die
Konzession zum Betreiben einer beschränkten
Handdruckerei, unterm 11. Dezember 1807 ein
Buchdruckerei-Privilegium. Am 1. Januar
1808 gab er die erste Nummer des „Rendsbur-
ger Wochenblattes" heraus. In der Bürger
schaft errang sich Wendell große Achtung. Be
sonders um das Feuerlöschweseu unserer
Stadt machte er sich verdient, wurde Stadt
hauptmann und Chef der Renösburger Bür
gerartillerie und des Branöcorps und erhielt
sogar 1833 vom Könige den Rang eines
Oberstlieutenants der Kopenhagener Bürger
bewaffnung. Bei einer Parade der Bürger
artillerie hatte Wendell das Unglück, daß sein
Pferd sich bäumte und er sich bei dem Sturz
Verletzungen zuzog, an denen er am 29. Ok
tober 1836 starb. Aus diesem Lebensgang wirö
man ohne weiteres schließen können, daß
Wendell ein geistig regsamer, geschäftlich be
gabter Mann war, ein „Tüchtiger", dem man
nicht freie Bahn zu geben brauchte, weil er sie
sich selbst schuf.
Heinrich Gütlein, der 1866 den Verlag
selbständig übernahm, war ein Mann der
stillen Arbeit. Freilich mutz er auch lebhaften
Geistes gewesen sein. Denn es trieb ihn als
25jährigen Buchdruckergesellen aus seiner bay
rischen Heimat (geb. 1823 in Bamberg) 1848
nach Norden, um als Freischärler mit für den
bedrängten Bruderstamm zu kämpfen, Nachher
trat er als Buchdrucker in das Wendellsche Ge
schäft, leitete nach dem Todes des Friedrich
Matthias Wendell, des Sohnes des Geschüfts-
grünöers, für dessen Witwe das Blatt und
übernahm es 1866 ganz. Er soll ein gewandter
Schriftsteller gewesen sein, der es namentlich
verstand, überall sofort den springenden Punkt
herauszufinden und alles klar und scharf dar
zustellen.
1885 verkaufte Gütlcin das Geschäft an
Heinrich Möller. Dieser war am 4. März
1845 in Altona geboren. Dort erlernte er das
Buchöruckergewerbe. Nachdem er ausgelernt,
machte er weite Reisen durch Sachsen, Süd-
deutschland und die Schweiz. Alsdann grün
dete er mit einem Teilhaber zusammen die
Buchdruckerei von „Gräfius und Möller" in
Hamburg. Durch rastlose Tätigkeit gelang es
ihm, diesen Betrieb so zu heben, daß er zu
letzt mit 40 Gehilfen und Angestellten arbei
tete. Aber er selbst überanstrengte sich dabei.
Darum kam es ihm gelegen, daß er den Ver
lag des damals zweimal wöchentlich erschei
nenden Wochenblattes in Rendsburg über
alles erschöpft, was man von der Persönlich
keit der Männer auf ihr Werk schließen und
folgern dürfte. Könnte man dem Charakter
dieser Männer tiefer nachgehen (bei Möller,
der unserer Zeit ja noch ganz nahe steht, wäre
das an sich möglich), so würde man natürlich
noch feinere Beziehungen finden, wo ihr Geist
den Geist des Blattes geprägt. Das würde je
doch über den Rahmen dieses Aufsatzes weit
hinausführen.
Wenden wir uns darum dem zweiten Weg
zu und fragen wir, wie das Blatt in seiner
Geschichte seiner Zeit entsprochen habe und
gerecht geworden sei.
Oer Schlcswig-Holstcinischcn Landcszeitung spricht der Verein Deutscher
Zeitungs-Verleger zur Feier ihres 125jährigen Bestehens seine herzlichen Glück
wünsche aus.
Es ist eine ganz außerordentlich reiche und wertvolle Ueberlieferung, auf die
die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung zurückblickt; gehört sie doch mit
ihren 125 Lebensjahren zu der verhältnismäßig kleinen Schar der ältesten
deutschen Heimatblätter.
Man hört so viel und leider nicht immer zu Unrecht von der allzu stark um
sieh greifenden Gleichförmigkeit in der heutigen Welt, auch in der Welt des
deutschen Zeitungswesens. Um so mehr ist es angebracht, sich bei besonderem
Anlaß recht deutlich bewußt zu machen, welch wertvolles Gut die deutsche
Oeffentlichkeit an der Heimatpresse besitzt, die ihre mannigfaltige Eigenart
bewahrt. Der hohe Stand und die Bedeutung der Heimatpresse ist eine Be
sonderheit des deutschen Zeitungswesens, die es von dem aller anderen Länder
scharf unterscheidet.
Die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung hat sich als rechte Heimatzeitung
stets bewährt; einer langen Reihe von Generationen, die sich auf diesem irdi
schen Schauplatz ablösten, war sie eine treue Beraterin und Führerin und in
dem sie in der langen Reihe ihrer Jahresbände den Niederschlag der Geschichte
ihres Heimatbezirkes enthält, gliedert sie sich zugleich ein in die wechselreiche
Geschichte des deutschen Volkes.
Daß die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung ihre Aufgabe, Förderin und
Beraterin der Heimat zu sein, treu und wirksam erfüllt hat, dafür legt die
Anhänglichkeit ihrer Leserschaft beredtes Zeugnis ab. Möge der Schleswig-Hol
steinischen Landeszeitung diese Anhänglichkeit erhalten bleiben und möge sie
sich womöglich noch vertiefen und mögen der Zeitung auch in Zukunft stets
so weitblickende und erfolgreiche Verlegerpersönlichkeiten beschieden sein, wie
sie in der Vergangenheit und der Gegenwart der Zeitung ihr Gesicht gegeben
haben.
Das ist der beste Wunsch, den ich zugleich im Namen des Vereins Deutscher
Zeitungs-Verleger der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung zu ihrem 125-
jährigen Geburtstag aussprechen kann.
In ausgezeichneter Hochachtung
Verein Deutscher Zeitungs »Verleger
Herausgeber der deutschen Tageszeitungen
E. V.
ge?. Dr. Krumb haar, Vorsitzender
Sein Leben ist von seiner Geburt «m (1815) bis zu
seinem Tode (1881) mit Rendsburg verknüpft. 1838
wurde er Advokat in Rendsburg und fortan verkörperte
er in vornehmster und entschiedener Weise den schleswig.
holsteinischen Gedanken. In dieser Richtung gehörte er
zu den şûhrenden Persönlichkeiten der Stadt und des
Landes. Am 2. Januar 1848 gründete er den Rendsburger
Bürgerverein. 1849—51 war er Mitglied der schleswig.
holsteinischen Ständeversammlung. 1857 wurde er Stadt
verordneter, 1863 stellvertretender Bürgerworthalter. Am
8. Mai 1864 präsidierte er der großen Landesversammlung
auf dem Paradeplatz, wo an die 20 000 Menschen zu.
sammengekommen waren. 1879 wurde er Justizrat, 1888
Ehrenbürger der Stadt Rendsburg. Der Verschönerungs-
verein hat ihm aus Dankbarkeit einen Gedenkstein auf
dem Eiland gesetzt.
nehmen konnte. Aber auch hier ruhte er nicht,
sondern trieb das Werk mit ungewöhnlicher
Tatkraft vorwärts. Schon 1886 erschien das
Blatt dreimal wöchentlich, 1888 täglich. Ge
krönt wurde dies Streben, als das ehemalige
„Wochenblatt" 1923 den Titel „Schleswig-Hol
steinische Landeszeitung" annehmen konnte,
ohne überheblich zu sein, und durch den Um
zug des Werkes aus den engen Räumen in
der Mühlenstraße in den heutigen prächtigen
Bau in der Bahnhofstraße (1927).
Der Geist dieser drei geschilderten Männer
aus verschiedenen Familien hat etwas Ver
wandtes. Alle drei entstammen dem ehrsamen
bürgerlichen Handwerkerstande, alle drei wa
ren geistig äußerst regsame und gut begabte
Menschen und haben sich frei in der weiten
Welt umgesehen, ihre Erfahrungen im bunten
Menschenleben gesammelt, mit klugem Geist,
rastlosem Fleiß und glücklichem Geschick das
Werk aus der Enge kleiner Anfänge in eine
Weite von wachsender Bedeutung getrieben.
Es ergibt sich von selbst, daß solche Männer
nicht vom grünen Tisch her schreiben konnten,
sondern, weil sie das Leben kannten, nun auch
lebendig ihre Zeit verstanden und für ihre
Zeit die Feder führten. Darum ist ihr Blatt
in ständiger Auseinandersetzung mit dem Geist
ihrer Zeit und empfängt von dorther Beleuch
tung und Farben.
Eine zweite Linie darf man vielleicht noch
von diesen Männern zu ihrem Werk ziehen:
die Liebe zu Schleswig-Holstein. Bei Wendell
liegt sie allerdings als Knospe mehr ver
schlossen in der Tatsache, daß er als Sohn
Rendsburgs mit seiner Heimatstadt eng ver
bunden und verflochten blieb. Bei Gütlein
zeigt sie sich darin, daß ihn die Liebe zu den
„stammverwandten" Ländern in unsern Nor
den geführt und hier festgehalten hat. Bei
Möller, dem geborenen Altonaer, tritt die
Heimatgesinnung am bewußtesten und klar
sten zu Tage. Aber damit wäre auch wohl
Gleich die ersten Blätter im Buchoktav sind
ganz ein Spiegel ihrer Zeit. Mit Politik im
Großen oder im Kleinen hatte der einfache
Bürger nichts zu schaffen. „Ruhe ist die erste
Bürgerpflicht." Für die Staatsleitung sorgten
der König und seine Minister, allenfalls ka
men die höheren Beamten dafür in Frage.
Der kleine Mann ließ sich regieren. Darum
gingen ihn höchstens die Gesetze etwas an, die
ihn betrafen, zur Hauptsache die Verfügungen
des „Präsidenten, Bürgermeisters und Rats".
Vom Weltgeschehen erregten Merkwürdigkei
ten ferner Länder oder alter Zeiten mehr Teil
nahme, als sonst wirkliche Zeitgeschichte. Hin
gegen mußte man — echt kleinstädtisch — im
mer erfahren, wer „Großes" in irgend einem
Hotel oder Gasthof der Stadt abgestiegen war,
und wäre es auch nur ein durchreisender Kan
didat! Die Unterhaltung kam zu ihrem Recht
durch etwas rührselige Geschichten, pathetische
oder sentimentale Gedichte. Dem „innern"
Menschen dienten moralische Abhandlungen
über alles, was „edel" sei, und dergl. So zeigt
sich in den ersten Jahrgängen ganz der ruhige,
friedliche, wohlbehagliche, von keinen Stür
men berührte Geist des — man mutz wohl
lieber sagen — achtzehnten Jahrhunderts.
Denn, was dem 19. neuen Schwung und Be
wegung brachte, setzte zwar sehr bald nach der
Jahrhundertwende ein. Es dauerte aber doch
eine geraume Zeit, ehe es im Geistesleben
und dann in der Presse einen bewußten Wi
derhall auslöste. Das waren die internatio
nalen Aufrüttelungen, die die Napoleonischen
Kriege mit sich brachten, die ja ihre Wellen
auch an unser nordisches Gestade warfen. Ein
leises Teilnehmen am Weltgeschehen erwacht,
ganz allmählich, und zeigt sich auch in unserm
Blatt, wenn auch immer noch das Wichtigste
die Reisen der Fürsten, Königsbesuche, Hof
feste und dergl. waren.
Bald nach 1830 allerdings spürt man den
neuen Wind. der international durch die
Welt wehte und auch vor den Grenzen der
dänischen Monarchie — zu ihr gehörig fühlte
man sich doch wesentlich — nicht halt machte.
Zunächst drückt noch eine straffe Zensur jede
freiere Regung nieder. Aber das von den
Freiheitskriegen erweckte Nationalgefühl und
zugleich auch das aufsteigende demokratische
Volksbewußtsein klopfte immer lauter an.
Findet Lornsen bei seiner Festungshaft in
Rendsburg auch in unserm Blatt nur die be
hördlich eingestellte ablehnende Beleuch
tung (1832), so ist das bei Olshausens Verhaf
tung (1846) schon ganz anders. Vorsichtig, aber
deutlich, dem Wissenden verständlich werden
die schleswig-holsteinischen Bestrebungen be
rührt. Man spürt das Gären, kann aber noch
nichts laut äußern. Das wirö mit einem
Schlage anders, als der 24. März 1848 die Dä
nen Hinausgetrieben und die Presse „frei" ge
macht hatte. Das Wochenblatt ist nun zunächst
ein brodelndes Sammelbecken aller in jener
Bewegung zusammen strömenden verschieden
artigsten Richtungen. Die schleswig-holstenn-
sche Bewegung fand ihren Ausdruck so loyal,
wie sie ein Reventlow und der Prinz von
Noer sah; aber gleichzeitig finden sich Artikel,
die einen demokratisch-radikalen Geist aus
sprudeln. Erst als die demokratische Richtung
sich im „Neuwerker Bürgerverein" ein eigenes
Bett und im „Volk" und andern Blättern ein
eigenes Organ schuf, legten sich diese Wogen.
Mit der Zeit gewann die Reaktion die Ueber-
hand, und alles wurde wieder notgedrungen
still und ruhig, in vollkommenem Maße, als
die Dänenherrschaft wieder ihre Hand aus
alles legte.
Als aber der neue Frühling in den sechziger
Jahren anbrach, da vertrat auch das Blatt die
schleswig - holsteinischen Rechte.
Wie hätte es auch anders sein können bei der
Familie Wendell, dessen jüngster, leider schon
1863 verstorbener Sproß das Lied „Blau wie
der Himmel . . ." gedichtet und auf dem Tur-,
nerfest am 14. Juli 1862 öffentlich gesunge«
hatte, und bei einem Gütlein, der s. Zt. zum
Befreiungskampf aus seiner südlichen Hei
mat herbeigeeilt war!
Diese schleswig-holsteinische Linie wurde
auch nach der Annektion durch Preußen beibe
halten, besonders von H. Möller. Mit dem Er
starken des gesamtdeutschen Nationalgefühls
verlor sich nicht die besondere Pflege des
Schleswig-Holsteinischen in seiner Eigenart
nach Geschichte und Volkstum, Natur und
Kultur bis in all die seinen Verästelungen, die
das Wort „Heimat" mit umfaßt. Tie Pflege
wurde von allen Leitern und Mitarbeitern des
Blattes mit vollem Bewußtsein betrieben bis
auf den heutigen Tag. (Besonders hervorzu
heben wären in dieser Richtung die regel
mäßigen Beiblätter „Heimaterde" und die
plattdeutschen „Heimatklokken".) Man könnte
versucht sein, gerade diese Heimatpflege
als das gesunde, starke Mark im Stamme un
seres Blattes zu bezeichnen. Hat es mit ihr
doch von je her eure Richtung innegehalten,
die durch die heutige Entwicklung unseres ge-
Geboren zu Viborg 1781, wurde er 1817 Advokat und
Notar in Rendsburg. Er gehörte bald zu den Kreisen,
die den deutschen und demokratischen Geist pflegten. Als
Mitglied des Stammtisches im Ratsweinkeller verschmähte
Bauditz nicht die seinem geistreichen Humor besonders
liegende Waffe der Verul-kung des Gegners. Breiter auf
die Oeffentlichkeit wirkte er als Schriftleiter des Rends-
biirger Wochenblattes von 1^36 bis 1848. Die beiden
Höhepunkte feines Lebens waren das Sängerfest in Würz.
burg 1845, das er als Vorsitzender der Liedertafel mit.
machte und wo er als Schleswizholsteiner der Mittelpunkt
begeisterter Huldigungen wurde, und der 24. März 1848,
wo er die auf dem Rathause bewaffnete Bürgerschaft zum
Paradeplatz führte. Während der Erhebungskriege war
er unermüdlich tätig. Von der gemeinsamen Negierung
wurde er zwar unterm 10. 3. 1849 wegen Hochverrats
in Anklagezustand versetze, aber am 26. 4. 1849 von der
Rendsburger Harmoniegesellschaft zum Ehrenmitglied er
nannt. Am 15. 6. 1849 erhielt er den Posten als Trans,
latenr am fchlesw.-holst. Kanal, den er aber 1851 infolge
eines erlittenen Schlagflusses aufgeben mußte. Bauditz
starb am 1. 4. 1858 in Wandsbek.
KP*