Full text: Newspaper volume (1932, Bd. 3)

125. Jahrgang. 
öd)teswig-ßolfteinifd)e Landsszsîtung 
125. Jahrgang. 
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Ks. 203 I 
AmMg. öen 8. SspteiBet. 
1932 
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RrrsschmLt ösuifchs« ĢsgsWwarè. 
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ķm Bms^Wschftê mit ösm AsichskMZķer. 
In einem Schreiben an den Reichskanzler geht der 
Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchenaus 
schusses, D. Dr. Kapler, auf die durch die letzten Kür 
zungen der Unterstützungssätze verschärste Not der 
Rentenempfänger ein. Vor allem in den Industrie 
städten hätten die evangelischen Pfarrer im Norden 
und Süden des Reiches in ihrer seelsorgerischen Tätig 
keit einen erschütternden Eindruck von der bis zur Un 
erträglichkeit gesteigerten Not der verschiedenen Grup 
pen der Rentenempfänger. Verschiedene Kirchenkreise 
erwarteten von der evangelischen Kirche, daß sie aus 
spreche, daß das, was jetzt noch gewährt werde, nicht 
mehr zum Leben ausreiche, sondern ein langsames 
Verhungern und Verzweifeln mit allen möglichen Fol 
gen bedeute. Eine südwestdeutsche Kirchenregierung 
habe den Kirchenausschuß gebeten, bei den zuständigen 
Stellen zwecks baldiger Linderung der schreienden Not 
Mit Entschiedenheit vorstellig zu werden. Die Antrags 
steller seien überzeugt, daß derartige Entbehrungen nur 
auf allerkürzeste Zeit getragen werden könnten und 
auch nur dann, wenn alle Kreise unseres Volkes zu 
entsprechenden Opfern herangezogen würden. Der Prä 
sident des Kirchenausschusses richtete an den Reichs 
kanzler die dringliche Bitte, aus den Anträgen den 
Ruf zur Hilfe für die von bitterer Not betroffenen 
Volkskreise zu vernehmen und ihnen tunlichst bald 
Folge zu geben. 
In seiner Antwort betonte der Reichskanzler von 
Papen, es sei schmerzlich für die Reichsregierung ge 
wesen, daß sie sofort nach ihrem Amtsantritt die Be 
züge der Sozialrentner und Kriegsbeschädigten habe 
herabmindern und hiermit die durch die früheren Not 
verordnungen bereits stark eingeschränkte Lebenshal 
tung der wirtschaftlich schwächsten Bevölkerungskreise 
habe noch weiter verschlechtern müssen. Die Reichs 
regierung habe sich zu,diesem Schritt nur deshalb ent 
schlossen, weil es zur Aufrechterhaltung der Fürsorge 
für die Sozialrentner und Kriegsbeschädigten in ihrer 
Gesamtheit keinen anderen Weg gegeben habe. Sobald 
sich aber die Wirtschaftslage bessere, werde die Reichs- 
legierung prüfen, welche Härten der Notverordnungen 
gemildert werden könnten, und zwar werde versucht 
werden, den Aufbau und die Verwaltung der Sozial 
versicherung zu vereinfachen und zu verbilligen, um 
von den so beschränkten Mitteln möglichst viel für die 
Rentner freizumachen. 
* 
Der Deutsche Rentnerbund hat sich mit einer Ein 
gabe an die Parteien des Preußischen Landtages ge 
wandt, in der zunächst die seit 1931 eingetretenen 
Rentekürzungen und sonstigen Maßnahmen, die eine 
wirtschaftliche Verschlechterung der Kleinrentner im 
Eefolge hatten, aufgeführt werden. Sodann wird der 
Landtag aufgefordert, ■ beim Reich dafür einzutreten, 
daß den früheren Kapitalrentnern ein Rechtsanspruch 
auf eine Rente gewährt werde, die ihnen eine Existenz- 
Möglichkeit unabhängig von der öffentlichen Fürsorge 
gewähre, außerdem aber die Verschlechterungen der 
Fürsorge schnellstens wieder zu beseitigen. „Vor allem", 
>o heißt es in der Eingabe weiter, „wehren sich die 
stiihcren Kapitalrentner auch gegen die gerade in letz 
ter Zeit fast überall vorgenommenen erneuten Kür 
zungen der schon so niedrigen Richtsätze, die in vielen 
Fällen bei den Alleinstehenden ohne jede sonstige Hilfe 
Monatlich noch kaum 30 Mark betragen." Der Deutsche 
Rentnerbund wandte sich außerdem an die kommunalen 
Şpitzenoerbände und erhob Vorstellungen gegen die 
Bestrebungen, die gehobene Fürsorge mehr und mehr 
der allgemeinen Fürsorge anzugleichen und letzten 
Ģndes völlig aufzuheben. 
Di- großen Rcformfragen. 
Ģrià Tisch - MmäW Bàs. 
Bom Reîchsinnenminister von Gaul werden 
wlgende Aeußerungen zur Aufgabe einer 
Reichs- und Verfassungsreform bekannt: Er 
glaube, daß diese großen und wichtigen Fra 
gen vom grünen Tisch aus nicht mehr gelöst 
Werden könnten. Die Regierung gehe mit al 
len Kräften darauf ans, die Mitwirkung des 
Kolkes für ihre Politik zu gewinnen, was na- 
^lirlich nur erreichbar fein werde, wenn der 
'Urchtbare Parteistreit von der Einsicht in die 
wirkliche Lage des Vaterlandes überwunden 
werde. So oder so: In der Stunde des größ 
ten Aufschwungs oder der äußersten Gefahr 
werde die Regierung Papen, wie jede Regie 
rung, pflichtgemäß gezwungen sein, zu han 
deln. Aber was die Reform von Reich und 
Staat betreffe, so könne er die Versicherung 
abgeben, daß man nie gegen die Länder, im 
mer nur mit den Ländern handeln werde, und 
die Hoffnung sei wohl nicht unbegründet, daß 
es im Verhältnis zu den Ländern am ehesten 
gelinge, parteipolitische Widerstände auszu 
schalten. 
ÏÏH nmlschaftZMMW Bofoetotdnung 
Bet MchMgMMg 
liegt jetzt vor. Näheres im Wirtschaftsteil. 
Timm in SMeutzen. 
In Ostpreußen begannen die großen Divisions 
manöver. Die Leitung liegt in den Händen des 
Gruppenkommandeurs, Generals Hasse - Berlin. 
Die blauen Truppen werden vom Generalleut 
nant von Blomberg, dem Wehrkreiskommandeur, 
die roten vom Generalmajor von Roqnes-Allen- 
stein -geführt. Die Kämpfe des ersten Tages spiel 
ten sich um den llebergang über die Passarge ab. 
Reichswehrminister von Schleicher wohnt den 
Manövern als Gast bei. 
* * 
* 
Wm Bei uns. 
Straßenkämpfe in Kopenhagen. 
Die Leitung der konservativen Jugendorgani 
sation für Eroß-Ko-p-enhag-en gibt bekannt, daß in 
Straßenkämpfen der letzten Tage und Nächte zwi 
schen Jungsozialisten und Konservativen die letz 
teren 23 Verletzte auszuweisen hatten, die mit 
Schlagringen und Eisenstangen niedergeschlagen 
wurden; mehrere Opfer der sozialdemokratischen 
„Blauhemden" seien bewußtlos aufgefunden, sie 
feien,einzeln überfallen worden. Zwei Verletzte 
mußten ins Krankenhaus geschafft werden. 
Dänische Stadt in Not. 
Die wachsende Erwerbslosenzahl in Dänemark 
sucht jetzt auch die wohlhabende Stadt Odense 
heim. Die für die Hilfskasse bewilligten Mittel 
sind in den letzten vier Monaten überschritten 
worden. Der Bürgermeister erklärte, komme nicht 
von seiten der Regierung Hilfe, so müsse die Stadt 
eine fünfte Vi-erteljahrsrate der Steuern aus 
schreiben. 
Die Zahl der Arbeitslosen in Dänemark 
betrug in der letzten Woche 119 330. Gegenüber 
der Vorwoche hat sich die Zahl um 2500 erhöht. 
Steuerschwund und Defizit in Amerika. 
Senator King erklärte im Finanzausschuß des 
amerikanischen Senats, daß mit einem neuen gro 
ßen Fehlbetrag am Ende des nächsten Haushalts 
jahres zu rechnen sei. Der Fehlbetrag werde wahr 
scheinlich rund 2 Milliarden Dollar betragen. Die 
Schatzamtsausweise, die allerdings nur einen Teil 
des Monats Juni umfassen, zeigten einen er 
schreckend niedrigen Eingang an Verbrauchs 
steuern. 
* * * 
SWhelmsührer beim Kanzler. 
Der Reichskanzler empfing am Montag in An 
wesenheit des Reichswehrministers die Bundes 
führer und andere Mitglieder des Stahlhelms. An 
den Empfang schloß sich ein Frühstück an. Die vom 
Saargebiet zum Reichsfrontsoldatentag nach Ber 
lin entsandten Mitglieder des Stahlhelms wurden 
in der Reichskanzlei dem Reichskanzler vorgestellt. 
AM MM lasts? ürnltrait on. 
Berhsmdķrmg über die deutsche WehrhoheitsforLernng auf der fortgesetzten 
Abrüstungskonferenz in Genf? 
Von zuständiger amtlicher Stelle in N o m 
wird die deutsche Gleichberechtigungsforderung 
für rechtlich unanfechtbar erklärt. Da dem 
nächst die Abrüstungsverharrdlungen wieder 
beginnen, hält Italien Genf als den geeigne 
ten Verhandlungsort für die deutsche Forde 
rung. 
Auch England für Genf. 
TU. London, 6. Sept. (Eig. Funkmeldung.) 
Zur Frage der weiteren Behandlung der deut 
schen Ansprüche auf Rttstungsgleichheit wird 
in Londoner Kreisen die Ansicht vertreten, daß 
England sich zwar noch in keiner Weise festge 
legt habe, die Angelegenheit sei ihrer ganzen 
Natur nach jedoch unit den Abrüstungsver- 
handlungen eng verknüpft, so daß es ange 
bracht erscheine, wenn die deutschen Forderun 
gen in Genf besprochen würden. 
Nadolny in Berlin. 
TU. Berlin, 6. Sept. (Eig. Funkmeldung.) 
Botschafter Nadolny ist, ans der Türkei kom 
mend, in Berlin eingetroffen. Wie verlautet, 
wird er von der Reichsregierung den Auftrag 
erhalten, erneut in der Abrüstungsfrage tätig 
zu sein. 
Nadolny hat bekanntlich Deutschland auf der 
letzten Abrüstungskonferenz vertreten. 
AMmch mi «ich! iihmaW. 
TU. Paris, 6. Sepzt. (Eig. Funkmeldung.) 
Der Unterstaatssekretär im französischen 
Außenministerium, Paganon, äußerte sich bei 
einer Kundgebung in Uriage bei Grenoble 
über den deutschen Schritt und betonte, daß 
die französische Regierung schon seit einiger 
Zeit mit der offiziellen Forderung Deutsch 
lands auf militärische Gleichberechtigung ge 
rechnet habe. Die deutsche Note habe in amt 
lichen französischen Kreisen daher keineswegs 
überrascht. Auf die deutsche Forderung werde 
Frankreich mit „seinen pazifistischen Wün 
schen" und der Notwendigkeit der Aufrecht 
erhaltung seiner „Sicherheit" antworten.- Die 
französische Regierung sei in dieser Haltung 
nicht isoliert, sondern könne auf die wirksame 
Unterstützung Englands und Amerikas rech 
nen. 
* * * 
Bûîinien will nichl. 
Die bolivianische Regierung hat die Forde 
rung des neutralen Vermittlungsausschusses 
in Washington, daß Bolivien seine Truppen 
mobilisierung einstellen solle, abgelehnt. 
Der bolivianische Abgeordnete Molena hat im 
Parlament den Antrag eingebracht, Paraguay so 
fort den Krieg zu erklären. Wird, so möchte 
man fragen, dieser kriegsbegeisterte Parlamen 
tarier auch an der Front zu finden sein? 
Regierungsdircktor E o e h r k e im Berliner 
Polizeipräsidium, der sich zurzeit auf Urlaub be 
findet, wird nach Beendigung des Urlaubs seinen 
Posten als Leiter der politischen Polizei nicht mehr 
übernehmen. Die Frage seiner Nachfolgeschaft ist 
noch nicht geklärt. 
Die MkNSder 
der r. DMtşimr. 
Eigenbericht der Schleswig-Holsteinischen 
Landeszeitung. 
Nachdem in den letzten Jahren die Reichs 
wehr aus Etatsgründen von Uebungen in 
größeren Verbänden harte absehen müssen, 
sind in diesem Jahre erstmalig wieder die für 
die Schulung der Führung und der Truppe 
so unumgänglich notwendigen Manöver in 
beschränktem Umfange durchgeführt worden. 
Dankenswerter Weise hatte das Kommando 
der 2. Division in Stettin, zu dessen Dienst 
bereich Schleswig-Holstein gehört, in größerer 
Zahl Gäste eingeladen, denen Gelegenheit ge 
geben werden sollte, einen Einblick in den 
Stand der Ausbildung und besonders in die 
neuartige Kampfesweise unserer Reichswehr 
zu nehmen. Unter der liebenswürdigen Füh 
rung des Hauptmann Petersen vom Stabe 
der 2. Division, der unermüdlich die Flut der 
mehr oder weniger sachverständigen Fragen 
aus den Kreisen der Manövergäste beantwor 
tete, war hierzu in den Tagen des 31. August 
und 1. September reichlich Gelegenheit gege 
ben. Der alte Frontsoldat, der mit den Er 
fahrungen der letzten Kriegsjahre heimkehrte, 
ist überrascht, in welchem Maße sich die 
Grundlagen der Gefechtsführung und der 
Ausbildung von Führer und Mann seit 1018 
geändert haben, und wie gewaltig die An 
sprüche an die Selbständigkeit im Denken und 
Handeln des einzelnen Mannes gewachsen 
sind. Die von Jahr zu Jahr gesteigerte Fort 
entwicklung der Waffen bei unseren Nachbarn 
— Flieger, Tanks, vermehrte Ausrüstung mit 
mechanischen Waffen, größere Reichweite der 
Infanterie- und Artilleriebewaffnung, erhöhte 
Beweglichkeit durch Motorisierung der Truppe 
usw. — zwingt unsere Reichswehr, in der 
Ausbildung von Führer und Mann und in 
der taktischen Durchführung des Gefechts ganz 
neue Wege zu gehen, stellt sie vor neue Auf 
gaben, deren Lösung umso schwerer ist, als 
uns durch den Versailler Vertrag Fesseln auf 
erlegt werden, die Führung und Truppe in 
unerträglicher und unwürdiger Weise ein 
engen. 
Die Anlage der Uebung, die unter Leitung 
des Befehlshabers Gruppenkommando 1, Gene 
ral der Infanterie Hasse, stand, entsprach ganz 
den Verhältnissen, mit denen im Ernstfälle zu 
rechnen sein wird. Der zahlenmäßig und in 
der Ausrüstung mit Artillerie, Fliegern usw. 
weit unterlegenen blauen — also wohl deut 
schen — Armee, bestehend aus dem verstärk 
ten Jns.-Reg. 16, stand Rot mit weit überle 
genen Kräften gegenüber, nämlich der gesam 
ten 2. Division mit insgesamt 7 Bataillonen, 
1 Feldartillerieregiment und einer — nur 
markierten — schweren Artillerieabteilung. 
Die Entwicklung und Durchführung der zwei 
tägigen Kämpfe, die sich in dem Raum Wa 
ren — Malchin — Teterow — Krakow — 
Malchow abspielten, boten den Zuschauern eine 
Fülle von ungemein fesselnden und spannen 
den Momenten und Gefechtsbildern, für die 
die prächtige Mecklenburger Seenlandschaft 
einen reizvollen Rahmen abgab. Ob und wie 
weit die Führung der beiden Parteien ihren 
Aufgaben gerecht geworden ist, wird die am 
Schluß der Uebung von der Leitung und dem 
Chef der Heeresleitung, General der Inf. 
von Hammerstein, abgehaltene Kritik ergeben 
haben. Der Berichterstatter vermag hierüber 
ein sachverständiges Urteil nicht abzugeben. 
Mit Freude und Stolz vermag er aber als 
Augenblick ... 
Die Goldproduktion in Südafrika har 
im letzten Halbjahr einen R e k o r d h ö ch st - 
st a n ö erreicht. 
Der G o l d k u r s der Erde wird aber wei 
terhin dadurch künstlich hochgehalten, daß das 
Gold jeglichem Verkehr fern- und in sicheren 
Kellern zurügehalten wird. 
Und darum wesentlich leidet die Mensch 
heit unter Hunger und Elend! Wie lange 
noch?.
	        
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