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125. Jahrgang,
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Eines Tages verschwanden aus der A.A.P.,
die im Astoria-Hotcl zu Berlin untergebracht
war, zwei schon einige Zeit durch Schminke.
Odeur. Faulheit und Anmatzung ausfallende
Dämchen, die^als Stenotypistinnen engagiert
waren. Im Schreibmaschinenkastcn sand man
einen französisch geschriebenen Brief o» eine«
französischen Offizier in Zürich, in welchem die
Briefschreiberin sich über deutsche Vertrauens
seligkeit lustig machte und ihrem Freund mit
teilte, daß es ihr gelungen sei, mit besten Emp
fehlungen ans dem Kricgsministcrium ins
Kriegsernährungsamt zu kommen und sie in
folgedessen weiterhin mit wertvollen Nachrich
ten dienen könne!
Die zwei Frauenzimmer waren die Sekrctä,
rinnen des Dezernenten.
Das Ende.
Die englisch-amerikanische Hungerblockade
klappte. Die Entente hatte darin einen un
heimlichen Strategen auf ihrer Seite.
Das Jahr des Zusammenbruchs, 1918, war
da. Die Zügel schleiften am Boden. Schlechtes
Beispiel hatte sich genügend im Lande herum
gesprochen. Der Schleichhandel im kleinen und
großen blühte, das Schicbertum wucherte mit
frecher Fratze. Tie kleinen Leute waren nach
wie vor froh, auf strapazenreichen Landtouren
eine Kleinigkeit zum Essen zu ergattern, oder
auf einem abgeernteten Getreidefeld bezw.
Kar!osselacker mühselig schmale Nachlese Yak»
ten zu dürfen.
Völlige Auflösung. Was galt noch Sieg oder
Niederlage?. Feldmarschall Hunger schwang
triumphierend die Hippe. Dem „Abnutzungs
krieg" allergrößten Stils fiel Deutschland zum
Opfer.
Dic Nutzanwendung.
Auch im Rückblick auf den Krieg muß die
agrarische deutsche Eigenproduktion möglichst
gestärkt werden. Das braucht nicht identisch zu
sein mit autarkischer Priuzipienüberspannung,
heißt schon gar nicht, an künftigen Krieg den
ken (wir brauchen den Friedens, fördert und
festigt aber Deutschlands Stellung im Kampf
um deutsche Selbstbehauptung in einer von
wirtschaftlicher und politischer Krise geschüttel
ten Welt, aus welcher leider die Kriegspsychose-
noch nicht geschwunden ist.
Tie letzten Entscheidungen in Auswirkung
des Krieges sollen erst fallen. #
ķtl-herr Hunger
«ne Rņckfcha» und eine Nutzanwendung.
lich den Krieg nicht vorgesehen hatten, also fabriken von St. rollten etwa eine Woche spä-
auch den Krieg nicht ernstlich gewollt haben ter eine Anzahl Waggons Zwetschen auf dem
konnten. Trotzdem machte sich das amtliche Bahnhof an. Die Waggons troffen, der Satt
England in Versailles der Lüge von der aller- der verfaulten und verfaulenden Früchte sik-
uigeir Kriegsschuld Deutschlands mitschuldig. kertc durch alle Fugen. Die Konservenfabrik
verzichtete, und die vermittelnde Handelsfirma
veranstaltete am Bahnhof einen .Billigen
wav statistisch şĢsteht, über dre neutralen L, n- -Ätschentag". Was noch einigermaßen gut
^^^ ^as kann nur unter englische ^ien, wurde von der Bevölkerung aus den
SSir*’* - ™Ä.r
Eine 1918 vom Bund der Landwirte heraus- Wie hier mit den Zwetschen, so ging es in
gegebene Jubiläumsschrift ist ein anfschluß- vielen Fällen ähnlich mit Kartoffeln, Fische»,
voller dokumentarischer Beleg für die Unter- Eiern und Getreide. Statt den Fisch an der
lassung von Getreide-Magazinisierungsmaß- Küste, vornehmlich in den Hafenstädten, zu las-
nahmen, über die man in Anbetracht der polt- sen, schickte mau ihn größtenteils unter crhcb-
tischen Unruhe in Europa im Mai 1914 (also kichern Risiko ins Binnenland.,Wer kann fest-
nicht lange vor Kriegsausbruch!) im Wirt- stellen, wie große Buttcrmcngen wegen nn-
schaftlichen Ausschuß des Reichstages gespro- zweckmäßiger Aufbewahrung und bürokrati-
chcn hatte. scher Schlüssel-Handhabung verdorben und
vielleicht in Form von Seise wiedererstanden
Ein Witz als Anschannngsnnterrichi. sind? Das den Verlust von Lebensmitteln und
Volkstümlicher Ausdruck für die Fehler, die Widerstandskraft des Volkes kostende Durch-
durch das K.E.A. beim Erfassen und Verteilen einander entsprach nicht den^ üblichen Bm'şkeE
gemacht wurden, ist der Witz eines Zauber- kungen von deutscher Organrsatronstuchtkglcrt.
künstlers tu einem großstädtischen Variete. Bedauerlicherweise mangelte es an der Ei-
Airs einen Tisch setzte er einen Zylinderhut, f i )Crunß gehöriger Mitwirkung des Nährstan-
schwang seinen Zauberstab und sagte: F.M.B. 5 er Landwirtschaft, an den cinschncidend-
lFrische Molkerei-Butter), hob 5e« Hut, und y tctt Bestimmungen übe* die Erzeugnisse des
auf dem Tisch lag ein Stück Butter. Dann deutschen Ackers. Im Dienste der A.A.P., der
stülpte der Mann den Zylinder darüber und Aufklärungsabteilung Preußen, die im Jahre
sprach: K.E.A. (Kriegsernährungsamt) — 1917 eingerichtet wurde, machte Weber manche
und die Butter mar weg. Der Scherz wurde Feststellung in dieser Hinsicht. Er vermerkt,
belacht, doch auf das Lachen folgten Kritik und daß, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe
murrende Unzufriedenheit. streng nach den ewig wechselnden und dauernd
__ -8 „««„H verschärften Vorschriften geführt worden wä-
tz»fass n nnh verickicn es mnffclt. xen, die deutsche Ernährungswirtschaft bereits
Erfassungs- und Vertcilungsapparat lagen, spätestens nach den ersten zwei Kriegssahrcir
statt sich vorteilhaft zu ergänzen, im Wider- zusammengebrochen wäre,
streit. Butter wurde eine Kostbarkeit, Mar- . .
garine war knapp, und Marmelade jeden Gen- Sptnmnucu rm A. A. P.
res spielte eine bedeutende Rolle. Im Sommer Das feindliche Ausland war über den Ernst
1916 wurde in der Gegend von St. die gesamte der deutschen Ernährungslage hinlänglich un-
Zwetschenernte beschlagnahmt (= zentrali- terrichtet. Dafür sorgte seine umfangreiche
stisch erfaßt). Zur Belieferung der Konserven- Spionage.
Ichthyosaurus K. E. A.
Vorwärts, vorwärts! und an dem, was gewe
sen, nicht länger haften bleiben, als nötig ist.
Das muß die Hauptlosung in unseren Tagen
yalstiefcr volklicher Not sein. Zwischendurch
aber darf es am erzieherischen Rückblick nicht
fehlen: denn auch die deutsche Zukunft, welche
aus die Zeit heftigster nationaler Geburts-
Wehen folgt, wird die Vergangenheit als Lehr-
mcisteriu nicht missen können, und Geschichte
wird immer Synthese sein, ein Abschnitt sich
stets zum vorausgegangenen wie Folgen zu
den Gründen verhalten. Letzten Endes gibt es
nichts Organischeres als Menschheit, mensch
liche Gesellschaft sowie Geschichte eines Volkes.
Es ist teils niederschmetternd und teils anf-
rüttelnd, was man in einer soeben int Weima
rischen Verlag G.m.b.H., Weimar, erschiene
nen Schrift von Otto Weber, betitelt „Feld-
marschall Hunger", über Fehler, Folgen und
Lehren der deutschen Ernährungswirtschaft im
Weltkriege nachlesen kann. Mit der leidigen
Rückerinnerung an den Kohlrübenwinter von
1916 auf 17, an die paar Gramm Fettigkeit, an
den Hering, um den man anstehen mutzte, an
die verfaulten Kartoffelmieten und das bei
nächtlicher Schwarzschlachtung um die Ecke ge
brachte Schwein, den demoralisierenden
Schleichhandel usw. allein ist es nicht getan.
„Erfaßt" wurde damals vom Kricgscrnäh-
rungsamt (K. E. A.s, dem wahrscheinlich größ
ten bürokratischen Ichthyosaurus, den die
Welt bis dahin gesehen hatte, so ziemlich alles.
Leider dachte der Ichthyosaurus überwiegend
ans Erfassen und nicht gleichmäßig an zweck
entsprechende Bewirtschaftung und Zuleitung.
Den Schaden infolge der Sünden der Ernäh
rungsbürokratie hatte das deutsche Volk zu
tragen. Er spiegelt sich zu seinem Teil in dem
erschütternden AuSgang des Krieges wider.
Das deutsche Volk ist nicht kriegsdurstig, heute
weniger denn je. Tie deutsche Ernäyrnngs-
smgc aber auf eine möglichst unabhängige
nationale Grundlage zu stellen, mutz ein ans
den Versäumnissen der Vorkriegszeit und den
schlimmen Erfahrungen der Kriegsjahre abzu
leitendes Gebot für Rückenstärkung gerade
friedlicher deutscher Politik sein, die immer
wieder die Verkehrtheit erleben muß, daß Po
litik die Fortsetzung des Krieges mit anderen
Mitteln ist.
Hungerblockade widerlegt Kriegsschuldlüge.
Von besonderem Wert hinsichtlich der Kriegs-
fchuldfragc ist der überzeugend geführte Nach
weis des Schriftversassers — der übrigens, be
vor er in der Kriegsernährungswirtschaft tätig
war, Zeitungsredakteur gewesen —, daß die
«ölligc crnährungswirtschaftlichc llcverra-
schung Deutschlands im Jahre 1914 eines der
unwiderlegbarsten Beweismittel dafür ist, daß
Deutschland de» Krieg nicht gewollt hat. Hier
befindet sich ein in seiner großen Bedeutung
für die Kriegsschuldfrage noch nicht genügend
genutztes Argument, für dessen Durchschlags
kraft die ehemaligen Feinde Deutschlands in
direkt und direkt einen hervorragenden Beleg
durch die Hungerblockade bieten, welche für die
Niederlage Deutschlands von so großer Wich
tigkeit gewesen ist. Ein Land, das einen An
griffs- und Eroberungskrieg will und be
treibt, rüstet in einer so gefährdeten geogra
phischen und wirtschaftlichen Lage wie Dcntsch-
land nicht nur militärisch, sondern auch wirt
schaftlich. Deutschland aber war wirtschaftlich
nicht einmal auf einen Abwehrkrieg, viel weni
ger also auf einen Angriffskrieg vorbereitet.
Mindestens in England und Amerika dürfte
man das bestimmt gewußt haben. 1917 ver
bündete sich darum England, znm Teil auf
Amerikas Betreiben, mit dem Feldmarschall
Hunger. 1km das deutsche Volk in die Knie zu
Zwingen, setzte die englische Hungerblockade
voll ein in der Erkenntnis, daß wir wirtschaft-
Rücktritt der preußischen Regierung.
Die Derhandlnngen um Preußen
Straffer als Kandidat der R. S.D.A.P. Dr den preußischen Ministerpräsidenten.
— Das Zentrum und die neue Lage. — Litzmmm als Landtagspräsident?
Nationalsozialisten fordern rung in Preußen. Das preußische Staatsmini- als Präsident eintreten, verlangt aber, daß die
staasauilölnna nnd Aufhebung des Vor- şierimck hat in feiner gestrigen Sitzung bc- zweitgrößte Partei, die SPD-, den Bizeprästz
' schlossen, den Landtag am 24. Mai cinznberu- deuten stellt.
' ocx nno W..«. j Ctt nnö dZcşŞ ücw Rücktritt der Regierung Selbstverständlich wendet sich das größte
II. München, 27. April. (Entz Funkmeld.) ihrer Gesamtheit mitzuteilen. Bis zur Neu- Interesse weiter der Stellungnahme der beiden
lieichstagsfraktion der NSDAP, hat fol- ^hl des Ministerpräsidenten wird die gegen- für eine Koalitionsbilömrg entscheidenden
: Anträge im Reichstag eingebracht: bärtige Regierung die Geschäfte auf Grund Parteien, der Nationalsozialisten und des
:r Reichstag wolle beschließen: Der Herr des Artikels 59 weiterführen. Damit ist über Zentrums, zu. Trotz Dementi vonseiten des
nchspräsidcut wird ersucht, den Reichstag die Stellung der Regierung Klarheit geschafft Zentrums, eine im parlamentarischen Leben
maß Artikel 25 der Reichsverfassung und die Verantwortung für die Weiterentmick- übliche K u l i s s e, ist nicht daran zu zweifeln,
'fzulösen. lung und für die Uebernahme der Macht in daß die erste Fühlungnahme zwischen Natio-
:r Reichstag wolle beschließen: Gemäß Preußen ist somit an den Landtag und deren nalsozialisten und Zentrum bereits erfolgt ist
ctikel 34 der Reichsverfassung einen Un- Parteien verwiesen worden. Jur Landtage nnd zwar ist eine Anfrage von nationalsozia-
csuchungsausschnß einzusetzen zur Un- selbst werden die Nationalsozialisten den Land- listischer Seite erfolgt, ob Besprechungen gc-
rsuchung der Frage, ob nnd welche öffent- tagspräsidcnte» stellen. Bisher wurde hierfür nehm seien. Die offiziellen Verhandlungen
hen Mittel für die Hindenbnrg-Wahl- der Abgeordnete Kubc genannt. Kubc möchte werden allerdings voraussichtlich erst nach
opaganda im Reichspräsidentenwahl- aber lieber der Führer der preußischen Land- Rückkehr des Reichskanzlers und des Vorsitz
mpf in Anspruch genommen wurden. tagsfraktion werden, um damit auf die politi- zenden der Zentrumspartei, des Prälaten
-r Reichstag wolle beschließen: Die Ver- sche Gestaltung stärkeren Einfluß ausüben zu KaaS, nach Berlin beginnen. Erst dann wird
dnnng des Reichspräsidenten über Auf- können als als Landtagspräsidcnt. Gegebenen- auch dem Vernehmen nach Hitler selbst nach
snng der Ş.-A. und S.-S. der NSDAP, falls wird dem General Litzmann, der ver- Berlin kommen, nur in engster Fühlungnahme
ifznhcbcn. ' ' mutlich auch Alterspräsident des Landtages mit den die Verhandlung führenden Abgeorö-
- feilt wird, der Posten des Landtagspräsidenten neten Knbe und Göhring, die Dinge führend
! innenpolitische Lage wird beherrscht von angeboten. Das Zentrum wird nach parlamen- zu beeinflussen. Das Zentrum erwartet nach
politisch-parlamentarischen Neuorientie- tarrschem Brauch für einen Nationalsozialisten einer Erklärung weitestgehende Rücksicht auf