Full text: Newspaper volume (1932, Bd. 2)

Der S oniàasfreunà 
125. Jahrgang / Nr. 77 
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeikung (Rendsburger Tageblatt) 
Sonnabend, den 2. April >932 
SonnlagsgeKankm. 
SEg find, die nicht sehe« und doch glaube«: 
(Joh. 20, 29.) 
Ist das nicht ein Wort, das denen recht gibt, die 
da behaupten, christlicher Glaube mache die 
Menschen urteilslos, ja geradezu blind gegen die 
Forschungen der Wissenschaft? Hier höre man es 
dochaus «su eigenem Alande, daß man das prü- 
gellen, das sehen wollende Prüfen beiseite 
qķ . !olle und einfach glauben, blind glauben! 
«J , u / e Ņan sich nicht wundern, wenn man die 
Zdie solches vertrete, eine Berdum,nunas- 
anstalt nenne. Wer aber wahrhaft gebildet fei, 
over wer nur unbefangen nach wahrem Wissen 
rächte, der dürfe sich das Sehenwollen nicht neh- 
glauben ' ^üffe erst sehen, anstatt einfach zu 
Solche Reden klingen unsern heutigen Menschen 
sehr vertrant und sind uns allen geläufig. Merk 
würdig ist nur, daß man diese strenge kritische Ari 
vorzugsweise gegen religiöse Wahrheiten geltend 
Ņ^§ì'r>?Ņhîend man Dinge des täglichen Lebens, 
S. V. Nahrungs- und Genußmittel, Mode. Tages- 
melnung oft genug unbesehen und gedankenlos 
hinnimmt, gairz zu schweigen davon, wie unkritisch 
man z. B. dem Aberglauben und vielem offenkun- 
şş? Schwindel verfällt. Wer aber von solch über- 
u X Standpunkt aus das christliche Glauben 
ad^hnt, begeht einen doppelten Fehler. Einmal 
. er noch dem heute glücklicherweise über- 
àrsàEektualisnlus, d. h. der einseitigen 
r * ! bes verstandesmäßigen Erkennens, 
/////versteht er völlig, was „Glauben" 
. Tîblstch-chnstlichn Sprachgebrauck heißt. 
„G.anben ist ja nicht, was wir landläufig manch 
/Mchnen, ein blofzes Mutmaßen im 
Einsatz zum bestimmten Wissen, sondern religio 
fef*' «àà Luch» so schön 
verkanen"î U6et Û 6 ^,nge fürchten, lieben und 
Setzen wir aber für das Wort „Glauben": „Ver 
trauen" ein, so bekommt unser Wort ein ganz an 
deres Gesicht. Es gibt natürlich auch eine leicht 
sinnige Der t rauensseligleit, die vom Uebel ist, die 
u-ichts weiter bedeutet als sträfliche 
bodenlose Dummheit. Beides 
rächt sich -m Leben schwer. Aber wer andererseits 
.ķ às wirklich wagen will, wer immer erst 
^checherten und Gewahr bis ins kleinste verlangt 
«Ìw- ņriraut, der wird kaum im Eefchäftsleben 
^°°w°rtS-kommen Ņ niĢ wagt nicht ge 
trauen und aus lauter vor lauter Miß- 
einem Freund hingeben könne/' e/w' ^Slich 
memals aus Liebe heiraten können ^ennì w? 
eher Hingabe gehört immer ein Wagemut^ Man 
Si?// 6,1 ? letztes Etwas in Kauf nehmen, was 
sich weder berechnen noch garantieren läßt. Das 
presste muß eben „geglaubt" und darum gewaat 
'werden. Solches Wagen verlangt Jesus auch Gott 
Sogeirüber. 
^bvmas neigte nach der Seite der schwerfälli- 
şisfimisten, die nie sicher genug gehen kön- 
2)"' Damit drohte er sich aber den Weg zu Gott 
M verbauen. Er brauchte ja gar nicht blind dar 
aus loszuglanben. Hatte er nicht während der drei 
-Lahre schier Lebensgemeinschaft mit Jesus genug 
»Ott der göttlichen Herrlichkeit gesehen? Hatte nicht 
^sjus genug von seiner Auferstehung geredet > 
Waren denn nicht die Mitjünger, die ihm die Er- 
Auferstandenen bezeugten, durchaus 
urteilsfähige und zuverlässige Menschen? Das al- 
batte ,hn jedenfalls reizen müssen, der Oster- 
dvtschaft wenigstens näher zu treten und der eige- 
en Ojtererfahrung entgegenzuwarten. Statt dek- 
»ņ ^«steift er sich eigensinnig auf seine eigeiicn 
»ervannten Gedanken und Forderungen! Das 
// Wahrlich werden. Denn nicht hat Gott" sich 
Jz Un ^. ' onbcrn mir haben uns nach Gott zu 
^Ģn. Dahin zielt Jesu Wort an Thomas und 
es auch uns. Es fordert nicht Blindheit, 
Lrr tU *varnt uns geradezu vor Blindheit. Wir 
r / uns nicht einspinnen in unsere Vorurteile, 
mir«/:/ Şedairkeiigänge, in Bedingungen, die 
zu S i 's aber verrannt Gott meinen stellen 
TnatS'' "’ lindern wir sollen die Augen aus- 
bei and ,/ Gottes Wirklichkeit bei uns und 
Zügen nnî' ber Weltgeschichte wie in kleinen 
dann Ju 1 Us Şrgencn Erlebens begegnet. Und 
wagen L 5 ’ mt mutigem Blick es mit Gott zu 
gegen (Sotte/Tl 1 x mit r tm Taigen Gehorsam 
Nützlichkeits/i/ebot, auch wider Klugheits- und 
lichen EottverL'/ / wagen mit dem frö-h- 
und alles Dunk/ / gegen Scot und Sorge 
tot. Wer so u f unb / uns wuch- 
hinterdrein. Dem //' ^ kommt das Sehen" 
fahr,.,ig zum Schauen 5 &<Mn Glauben durch Er- 
600jährige Kirchen in Ostpreußen. 
preus'i>rfw-n" fr /lo, können die schönen ost- 
Kö'.!-/^k Kirchen von Ludwiosmalde bei 
»kSnio?s,^> 7 "uoivigswaioe net 
ttnîHvhen.furst, Kreis Heiligenbeil, 
Znrilckblià^/ "Ul ihr Mljähriges Bestehen 
bas sinn//"' Ņoii. be,anderer Bedeutung ist 
Zarten st///, der Stadtkirche von 
-skpreàà ôte UH rühmt, die älteste Orgel 
ans dem Sr?“ /l'tzcn- Tic Orgel stammt 
mit herrliche,/^ 1 64s - ^hr Gehäuse ist reich 
A 1 alten Schnitzwerk verziert. 
ķUî ĶK ķĶNşş. / Voman tosn DrLrrr Vemrsewetter. 
Und nuil wurde sie auch dcffen gewahr, gegen 
den sie ausgestoßen war. 
Durch die dichtgeschorte Menge bewegte sich eine 
schmächtige, untersetzte Gestalt in graukariertem 
Mantel mit Pelzkragen und Pelzaufschlägen um 
die Aermel, schob, wand sich aalgleich durch die um 
drängenden, nur langsanr und widerwillig wei 
chenden Massen, die hier und da Anstalten mach 
ten, ihr den Weg zn sperren, und sie mit Ausrufen 
mehr oder minder erdrückten Ingrimms begleite 
ten. Deutlich ließcir diese spüren, daß der alte Boll- 
ziehuilgsbeamte recht gehabt, daß die Sympathie 
der Leute ungeteilt auf der Seite des vertriebenen 
Bauern war und ihr nur mühsam gezügelter Un 
mut sich gegen den wandte, der ihn, vermöge eines 
ihm zugesprochenen Rechts heute von seinem Hofe 
trieb. 
Sie kannte den Mann. Es war Robert Zacha 
rias, der ailch ihrein Bruder hart zusetzte lind 
manchen anderen mit seinem skrupellosen Vorgehen 
auf dem Gewissen hatte. Aber das war robust, 
trotz aller Tüiichs und Biederkeit, in die er sich zii 
kleiden liebte. Sie wußte es und ließ sich nicht 
täuschen wie mancher andere in seinem arglos ver- 
tranenden Gemüt. Vielleicht war unter diesen 
Leuten auch einer, dem er einen Aufschub gewährt, 
ein paar Zinsen erlassen oder eine Hilfe in Aus 
sicht gestellt hatte, wie er es gern tat, seinen Schein 
zu wahren und sich einiger Anhänger zu brüsten. 
Wer weiß, ob sie ihn sonst so unversehrt hier durch 
gelassen Hütten. 
Jetzt kam er hart an ihr vorbei, um seinen drü 
ben vor dem Dorfkrug wartenden Wagen zu be 
steigen. Aber bevor er es tat, trat er an ihr Pferd 
heran, lüstete den steifen Hut, daß die blendende 
Glatze sichtbar wurde, in deren Mitte noch etliche 
Haare vorhanden waren, die sein säuberlich mit 
Pomade zur Andeutung eines Scheitels geglättet 
lagen. 
Er zeichnete sie immer mit einer gewisien Ehr 
furcht aus. Aber seine Freude, sie heute zu sehen, 
schien merkbar getrübt. Denn es war ihm nicht an 
genehm, daß gerade sie Zeugin dieser abscheulichen 
Szene sein mußte. 
Rur mit einer leichten Neigung ihrer Reitgerte 
erwiderte sie seine unterwürfige Begrüßung. 
Als er dann seinen Wagen bestieg, flog ein 
Stein hart über das Verdeck hinweg. 
Höher kletterte die schwarze Wolkenwand. Här 
ter, zackiger wurden ihre Kanten und Spitzen am 
vielbeschäftigten, unruhig bewegten Horizont. Etwas 
Aufgeregtes, Gefahrdrohendes zog durch die Luft, 
teilte sich ihr mit. schnürte ihr das Herz zu. 
Sie setzte die Stute in einen kurzen Trab. Da 
machte diese einen Sprung seitwärts, so schnell und 
unvermutet, daß. in ihre Gedanken versunken und 
die Zügel nur lose führend. Mühe hatte, ihr Gleich 
gewicht zu bewahren. 
Ein Haufe junger Burschen hatte ihr deir Weg ge 
sperrt. Aus den unfreundlich eingestellten Mienen 
und den ihr entgegengeworfenen Worten, die sie 
nicht verstand, vernahm sie nichts Gutes. Wollte 
man es ihr zur Last legen, daß der verhaßte Mensch 
sic begrüßt hatte? 
Sie wußte es. Sie liebten sie nicht. Weshalb nicht? 
Da sie doch mit ihnen und ihrer Not wie eine in 
gleicher Verdammnis Befindliche litt. Aber sie waren 
arbeitslos geworden, und es mochte sie verdrießen, 
daß sie auf ihrer edlen Stute durch diese Welt des 
Elends und der Auflösung wie eine vornehme 
Nichtstuerin dahinritt. 
Zu der Notte junger Burschen hatten sich meh 
rere ältere Bauern und Kleinbauern, auch einige 
Frauen gesellt. Man versuchte, die schon an sich 
enlpşindsame unb nervöse Stute durch gellend« 
Pfiffe und Händeklatschen scheu zu machen, und 
ze.gte seine helle Freude, wenn es gelang. 
Die Reiterin ober verleugnete auch diesmal den 
Schneid ihres Wesens nicht. Furcht hotte sie nie ge 
kannt; sie war ein fremder Tropfen in ihrem Blute. 
„Geben Sie mir den Weg frei!" rief sie mit ihrer, 
ein wenig herrischen Stimme, die die Worte so lässig 
hinwarf und in der doch eine so kraftvolle Entschie 
denheit war. „Und lassen Sie das arme Tier zu 
frieden, das Ihnen nichts getan hat!" 
Straff zog sie die Zügel an, hob die Gerte, als 
richtete sie sie mehr gegen die uindrängende Rotte 
als gegen ihr Pferd, suchte sich Bahn zu brechen. 
Aber nun hatte sich ihre Lage verschlimmert. 
Die Leuie, bereu Verhalten bis dahin vielleicht 
mehr aus Uebermiit als von Feindschaft eingegeben 
erschien, waren durch ihre herben Worte gereizt 
worden. Ein Gejohle antwortete ihr, höhnische Ruse 
wurden laut, und die Deriuche, die bereits am gan 
zen Leibe zitternde Stute vollends kopfscheu zu 
machen, nahmen eine bedrohliche Gestalt an. 
^ctzt war cs^ doch um ihre Fassung geschehen, so 
unbeirrt sie bieje auch bis dahin gewahrt halte. 
Ihre Haltinig zwar blieb sicher und aufrecht, nur 
um das eine bemüht, der aufgeregten Stute, aus 
deren roten Rüstern der Atem in keuchenden Stößen 
drang, die nötige Stütze und Hilfe zu geben. Aber 
die erschreckten Augen sandten einen ratlos suchen- 
oen Blick über die johlende Menge hinweg zu den 
umliegenden Hofgebäuden, als erwartete sic von 
dort irgendeine Hilfe und Rettung. 
(Fortsetzung folgt.) 
Durch den grautrllben Septemberiag ritt Tekla 
von Rotholz. Dunkles Gewölk jagte in ängstlicher 
Flucht über den Himmel. Mit schläfrigen Augen 
blinzelte eine müde Sonne durch den träge krie 
chenden Nebel, und am dunstig verschleierren Hori 
zont türmte sich eine stetig wachsende Mauer 
schwarz geschuppter, scharf gezackter Wolken, die 
bald fest und undurchdringlich lag. 
Die Stute mllßte einen anstrengenden Ritt hin 
ter sich haben. Auf den Trensenzügeln lagen weiße 
Flocken, und der schöne, schlanke Hals war blank 
und hart von eiilgetrocknetem Schweiß. 
Jetzt ließ die Reiterin sie in gemächlichem Schritt 
gcheii. Denn Wulfskrona, das alte Familiengut 
der^ Rotholz, war nicht mehr weit, und Detlef, ihr 
sonst so ruhiger Bruder, konnte in Wallung ge 
raten, weitn ein Pferd naß und abgetrieben in den 
Stall kam. 
Mit einem Male aber besann sie sich eines an 
deren, ließ die gepflasterte Pappelallee, die sie in 
schnurgerader, sanft ansteigender Richtung in we 
nigen Minuten nach Hanse geführt hätte, liegen 
und bog, einen kurzen Trab anschlagend, in den 
von verkrünimten Weiden eingefaßten Triftenweg 
ein, um bei der jetzt noch guten Beschaffenheit des 
lehmigen Bodens, der im Frühjahr und Herbst 
meist undurchdringlich war, einen Umweg über 
Borkwalde, das weitgestreckte Bauerndorf, zu 
machen. 
Aber was war denn hier geschehen? 
Die sonst so ruhig und meist wie ausgestorbeii 
daliegende Gegend belebt, wie sie sie noch nie ge 
sehen hatte. Ganze Gruppen von Leuten, die aus 
dem Dorfe kamen oder zu ihm hinwanderten, in 
merkbarer Ş Erregung aufeinander einsprachen, 
rasche, leidenschaftlich bewegte Worte tauschten, 
wenn sie einander begegneten. 
Richtig! Heute war die Zwangsversteigerung 
on Peter Quasts Hof. Aber Zwangsversteigerun 
gen waren jetzt a« der Tagesordnung. Eine löste 
eie andere ab. Man sprach kaum von etwas an 
derem, sprach nur noch von der schweren Rot, die 
das arme, gedrückte Land bis auf den letzten 
Blutstropfen aussog. 
Peter Ouast! Wie hoch hatte er den dicken trutzi- 
gen Bauernschädel getragen! Als nähme er'es mit 
der ganzen Welt auf und sähe von der sicheren 
Höhe seines tief eingeimpften Bauerntums auf sie 
und ihre kleinen Nebensächlichkeiten herab. Denn 
eins nur gab es, das Wert und Bestand hatte, das 
Erzeugerin und Nährmutter allen Daseins war 
die Achse, um die die Erde sich drehte, ohne daß 
sie eines Tages rettungslos stillstehen inußte, ein 
gesundes, scholleverwandtes, seiner Macht'und 
Kraft sich bewußtes Bauerntum! 
Er hatte es bei einem Besuche auf dem Schloß 
ihrem Bruder auseinandergesetzt, dem er, wie 
allen EroßgrundÜesitzern, mit einem gewissen Aiiß- 
rauen begegnete. Sie war dabei gewesen, und der 
ģĢ' aber wie mit Keulen zusammen- 
2,5t ànn Safte auf sie Eindruck gemacht, 
[pfnr r- lC Standpunkt ihres Adslsbewußt- 
//. ļwe Worte anmaßend fand. Denn sie ver- 
I. /// nr der Ansicht veralteter Zeiten, für 
d/te/ Ņ/ler einen Stand zweiter Gattung be- 
L-h»-dÎĢ SV Mb à &m ” 
Und nun auch er! Vertrieben aus dem alten, 
von den Vatern ererbten Hofe, der seine Besitzer 
eininal reich gemacht, recht- und besitzlos gewor 
den! Nichts mehr in den Händen als ein Pilger 
stab, mit dem er ohne Land und Heimat in eine 
weite, unbekannte Welt wanderte! Heute traf es 
ihn — und morgen? 
Sie war an seinem Hose angelangt. Die Ver 
steigerung schien bereits beendet. Sie machten es 
schnell mit solchen Dingen. Der Hammer fiel. Das 
Urteil war gesprochen, das Los entschieden! 
Dichter scharte sich die Menge zusammen. Drau 
ßen auf dem Triftenweg waren es noch einzelne 
Gruppen gewesen, die sich fanden und lösten. Hier 
unmittelbar vor dem stattlichen Gehöft war cs be 
reits ein ganzer grauschwarzer Knäuel, der mit 
gespannter Aufmerksamkeit den Vorgängen auf 
dem Gehöfte folgte. 
Und nun crkaniitv sie auch den Grund dieser Zu- 
sammenrottung. 
Am weitgeöffneten Torflügel stand Peter Quast. 
Obwohl es draußen durchaus nicht wann war, 
sondern eine kühle Feuchtigkeit vom frühen Mor 
gen ail in der herbstlich dunstigen Luft gelegen, 
stand er ohne Jacke und Maiitel, in dem erhitzten 
Gesicht mit den derben, bäuerischen Zügen die 
deutlichen Spuren einer wilden Erregung, die 
blutunterlaufenen Augen unentwegt und mit dro 
hendem Ausdruck auf die immer näher andrängen- 
den Leute gerichtet. 
„Wer es wagen sollte, an ein einziges Stück auf 
meinem Hofe Hand anzulegen, den schlage ich nie 
der. Laßt es Euch gesagt sein!"^ 
Prall und wuchtig wie Kieselsteins fielen seine 
Worte von den mit einem borstigen, schwarzen 
Schnurrbart bedeckten Lippen. 
Auch sie vernahm sie, klar und deutlich, sah zu 
gleich, wie die Leute, durch diesen Ausbruch eines 
maßlosen Zorns erschreckt, zurückwichen. Sie kann 
ten den Quast, sie wußten, daß er nicht mit sich 
spaßen ließ. 
Der Vollziehungsbeamte trat an ihn heran: 
„So nehmen Sie doch Vernunft an, Herr Quast," 
suchte er ihn fast väterlich zu beruhigen. „Ich tue 
schließlich nur, was meines Amtes ist, und die 
Leute — du lieber Himmel! — sind ja gar nicht so 
bösartig. Sie halten's doch alle mit Ihnen!" 
^Als hätte er gar nicht gesprochen, wiederholte 
Peter Quast mit derselben Wucht seine Worte, 
spuckte dann weithin aus, wollte sich seinem Hose 
zuwenden 
In demselben Augenblick kehrte er noch einmal 
um. Kreidebleich war sein Gesicht, die weitgeLff- 
neten Augen starrten auf einen Menschen oder 
Gegenstand, den sie in der Entfernung und in der 
dichten Masse nicht wahrnehmen konnten. 
Und nun sah sie den weißen Hemdärmel hoch 
empor über den dunklen Knäuel sich recken, und. 
das Gemurmel und Stimmengewirr rings umher 
durchschneidend, praffelte es zum zweiten Male 
von den stammelnden Lippen wie Gertenhiebe dis 
durch die Luft sausen: 
„Du Blutsauger! Du Schuft, der du mich heute 
von meinem Hofe jagst, mich an den Bettelstab ge 
bracht! Heb dich hinweg, du Hund! Scher dich zu 
dem Teufel, dem du gehörst! And wo und wann ich 
dich treffe, dann Gnade deiner dreckigen Seele!" 
So furchtbar und durchdringend war die Ver 
wünschung, daß sie unter ihr zusammenschauerte, 
als gelte sie ihr. 
Hchallsabbau zu Großvaters Leiten 
Folgende nette Geschichte entnehmen wir der 
Zeitung „Der Schiffahrtsangestellte"; sie stammt 
übrigens aus einem Kalender vom Jahre 1869 
-ö/ 9 u ^ cn ölten Zeit geichah es einmal, daß 
em Landesfürst sich und das Land in große Schul- 
>den gebracht hatte. Seine Räte, groß und klein, 
hatten auch redlich dabei mitgeholfen. Run sta'k der 
-Karren ra Dreck, und es mußte irgendein Entschluß 
-gefaßt werden. Der Landesfürst versammelte seinen 
-ganzen Rat um sich tuid riet mit ihm lange hin und 
her wie zu helfen wäre. Der eine brachte dies, der 
andere jenes in Vorschlag, aber alles wurde als 
unbrauchbar gefuirden, sintemalen es schon zu oşt 
-dagewesen und gebraucht und mißbraucht worden 
war. Endlich faßte sich ein alter Regierungsrat das 
Herz und deckte den Schaden Josephs auf, indem er 
Ipvach: „Das Uicheil, in dein wir jetzt stecken, komint 
einzig und alleiii daher, daß wir immer mehr aus- 
aegeben haben als eingenommen. Soli's besser wer- 
den, ,o müsseil Einnahmen amb Ausgaben ins 
Gleichgewicht gebracht werden. Und da die Einnah- 
'Men zu vermehren dadurch unmöglich ist, so müssen 
wir die Ausgaben vermindern, d. h. wir müssen 
'lparcn." Bis jetzt war alles mit dem Sprecher cin- 
verstandeii und nieste Beifall. Als er aber fortfuhr: 
„Soll das Sparen von Wirkung lein, so müssen wir 
von oben herab, d. h. bei uns selbst anfangen", da 
erhob ,ich em Sturm in der Versammlung? daß die 
I-euiter des Ratssaales erzitterten. Der Fürst be- 
wies haarklein, daß bei ihm von Ersparnissen nickst 
-me Rede sein könne, daß ihm eigentlich noch Anf- 
/sse-ung gebühre, bei den Räten allerdings möge 
Einjchrankung tunlich sein. Die Räte aber schwuren 
hoch und teuer, daß sie schon genug von. ihrem 
Eigenen eingebrockt hätten und auf die Dauer mit 
ihrem seitherigen Gehalt nicht reichen würden. Wo 
man zu sparen anfangen wollte, da erhob sich ent 
schiedener Widerspruch von oben bis unten, bis man 
endlich beim Treppenkehrer des fürstlichen Schlosses 
angekommen war, der schon dreißig Jahre die 
Treppeş kehrte und sechs Batzen des Tages hatte. 
Hier, hieß es, müsse gespart werden. Man war bald 
einig,^ das fragliche Gehalt von sechs Baßen herun- 
terzujetzen, und ließ den Kehrer kommen, ihm sol 
ches 3'U eröffnen. Der hörte geduldig die lange 
Brühe an, die man ihm vorlas, blickte danii die 
Herren der Reihe nach an, schulterte seinen Besen 
und sprach also: „Gnädiger Herr und hohe Herr 
schaften! Seit dreißig Jahren habe ich das Schloß 
gekehrt und auch aus dem Zimmer des Rats man- 
ckieu Unrat hinausgefegt; ich denke, ich habe etwas 
Tüchtiges in meinem Amte gelernt. Eine Erfahrung 
namentlich ist es, die ich mir iicf eingeprägt habe, 
und b-ie ich einem hohen Rat nicht vorenthalten will. 
Wenn ich nämlich das Schloß kehrcii wollte, fing ich 
auf der obersten Treppe au, machte sort bei der fol 
genden und hörte auf bei der untersten, so war das 
Schloß gesäubert. Hütte ich aber an der untersten 
Treppe angefangen, so wäre der Unrat von oben 
immer wieder nachgekommen und ich hätte in 30 
Jahren das Schloß incht sauber gebracht. Wenn da 
her die hohen Herrschaften auch aus Auskehren ge- 
hen wollen, und es wird nicht überflüssig sein, so 
rate ich als ein in diesem Fache erfahrener Mann, 
oben und nicht unten zu beginnen." Spruchs, mochte 
rechtsum und marschierte zum Saale hinaus. Die 
Herren sahen sich verdutzt an und beschlossen, alles 
beim alten zu lassem
	        
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