Der S oniàasfreunà
125. Jahrgang / Nr. 77
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeikung (Rendsburger Tageblatt)
Sonnabend, den 2. April >932
SonnlagsgeKankm.
SEg find, die nicht sehe« und doch glaube«:
(Joh. 20, 29.)
Ist das nicht ein Wort, das denen recht gibt, die
da behaupten, christlicher Glaube mache die
Menschen urteilslos, ja geradezu blind gegen die
Forschungen der Wissenschaft? Hier höre man es
dochaus «su eigenem Alande, daß man das prü-
gellen, das sehen wollende Prüfen beiseite
qķ . !olle und einfach glauben, blind glauben!
«J , u / e Ņan sich nicht wundern, wenn man die
Zdie solches vertrete, eine Berdum,nunas-
anstalt nenne. Wer aber wahrhaft gebildet fei,
over wer nur unbefangen nach wahrem Wissen
rächte, der dürfe sich das Sehenwollen nicht neh-
glauben ' ^üffe erst sehen, anstatt einfach zu
Solche Reden klingen unsern heutigen Menschen
sehr vertrant und sind uns allen geläufig. Merk
würdig ist nur, daß man diese strenge kritische Ari
vorzugsweise gegen religiöse Wahrheiten geltend
Ņ^§ì'r>?Ņhîend man Dinge des täglichen Lebens,
S. V. Nahrungs- und Genußmittel, Mode. Tages-
melnung oft genug unbesehen und gedankenlos
hinnimmt, gairz zu schweigen davon, wie unkritisch
man z. B. dem Aberglauben und vielem offenkun-
şş? Schwindel verfällt. Wer aber von solch über-
u X Standpunkt aus das christliche Glauben
ad^hnt, begeht einen doppelten Fehler. Einmal
. er noch dem heute glücklicherweise über-
àrsàEektualisnlus, d. h. der einseitigen
r * ! bes verstandesmäßigen Erkennens,
/////versteht er völlig, was „Glauben"
. Tîblstch-chnstlichn Sprachgebrauck heißt.
„G.anben ist ja nicht, was wir landläufig manch
/Mchnen, ein blofzes Mutmaßen im
Einsatz zum bestimmten Wissen, sondern religio
fef*' «àà Luch» so schön
verkanen"î U6et Û 6 ^,nge fürchten, lieben und
Setzen wir aber für das Wort „Glauben": „Ver
trauen" ein, so bekommt unser Wort ein ganz an
deres Gesicht. Es gibt natürlich auch eine leicht
sinnige Der t rauensseligleit, die vom Uebel ist, die
u-ichts weiter bedeutet als sträfliche
bodenlose Dummheit. Beides
rächt sich -m Leben schwer. Aber wer andererseits
.ķ às wirklich wagen will, wer immer erst
^checherten und Gewahr bis ins kleinste verlangt
«Ìw- ņriraut, der wird kaum im Eefchäftsleben
^°°w°rtS-kommen Ņ niĢ wagt nicht ge
trauen und aus lauter vor lauter Miß-
einem Freund hingeben könne/' e/w' ^Slich
memals aus Liebe heiraten können ^ennì w?
eher Hingabe gehört immer ein Wagemut^ Man
Si?// 6,1 ? letztes Etwas in Kauf nehmen, was
sich weder berechnen noch garantieren läßt. Das
presste muß eben „geglaubt" und darum gewaat
'werden. Solches Wagen verlangt Jesus auch Gott
Sogeirüber.
^bvmas neigte nach der Seite der schwerfälli-
şisfimisten, die nie sicher genug gehen kön-
2)"' Damit drohte er sich aber den Weg zu Gott
M verbauen. Er brauchte ja gar nicht blind dar
aus loszuglanben. Hatte er nicht während der drei
-Lahre schier Lebensgemeinschaft mit Jesus genug
»Ott der göttlichen Herrlichkeit gesehen? Hatte nicht
^sjus genug von seiner Auferstehung geredet >
Waren denn nicht die Mitjünger, die ihm die Er-
Auferstandenen bezeugten, durchaus
urteilsfähige und zuverlässige Menschen? Das al-
batte ,hn jedenfalls reizen müssen, der Oster-
dvtschaft wenigstens näher zu treten und der eige-
en Ojtererfahrung entgegenzuwarten. Statt dek-
»ņ ^«steift er sich eigensinnig auf seine eigeiicn
»ervannten Gedanken und Forderungen! Das
// Wahrlich werden. Denn nicht hat Gott" sich
Jz Un ^. ' onbcrn mir haben uns nach Gott zu
^Ģn. Dahin zielt Jesu Wort an Thomas und
es auch uns. Es fordert nicht Blindheit,
Lrr tU *varnt uns geradezu vor Blindheit. Wir
r / uns nicht einspinnen in unsere Vorurteile,
mir«/:/ Şedairkeiigänge, in Bedingungen, die
zu S i 's aber verrannt Gott meinen stellen
TnatS'' "’ lindern wir sollen die Augen aus-
bei and ,/ Gottes Wirklichkeit bei uns und
Zügen nnî' ber Weltgeschichte wie in kleinen
dann Ju 1 Us Şrgencn Erlebens begegnet. Und
wagen L 5 ’ mt mutigem Blick es mit Gott zu
gegen (Sotte/Tl 1 x mit r tm Taigen Gehorsam
Nützlichkeits/i/ebot, auch wider Klugheits- und
lichen EottverL'/ / wagen mit dem frö-h-
und alles Dunk/ / gegen Scot und Sorge
tot. Wer so u f unb / uns wuch-
hinterdrein. Dem //' ^ kommt das Sehen"
fahr,.,ig zum Schauen 5 &<Mn Glauben durch Er-
600jährige Kirchen in Ostpreußen.
preus'i>rfw-n" fr /lo, können die schönen ost-
Kö'.!-/^k Kirchen von Ludwiosmalde bei
»kSnio?s,^> 7 "uoivigswaioe net
ttnîHvhen.furst, Kreis Heiligenbeil,
Znrilckblià^/ "Ul ihr Mljähriges Bestehen
bas sinn//"' Ņoii. be,anderer Bedeutung ist
Zarten st///, der Stadtkirche von
-skpreàà ôte UH rühmt, die älteste Orgel
ans dem Sr?“ /l'tzcn- Tic Orgel stammt
mit herrliche,/^ 1 64s - ^hr Gehäuse ist reich
A 1 alten Schnitzwerk verziert.
ķUî ĶK ķĶNşş. / Voman tosn DrLrrr Vemrsewetter.
Und nuil wurde sie auch dcffen gewahr, gegen
den sie ausgestoßen war.
Durch die dichtgeschorte Menge bewegte sich eine
schmächtige, untersetzte Gestalt in graukariertem
Mantel mit Pelzkragen und Pelzaufschlägen um
die Aermel, schob, wand sich aalgleich durch die um
drängenden, nur langsanr und widerwillig wei
chenden Massen, die hier und da Anstalten mach
ten, ihr den Weg zn sperren, und sie mit Ausrufen
mehr oder minder erdrückten Ingrimms begleite
ten. Deutlich ließcir diese spüren, daß der alte Boll-
ziehuilgsbeamte recht gehabt, daß die Sympathie
der Leute ungeteilt auf der Seite des vertriebenen
Bauern war und ihr nur mühsam gezügelter Un
mut sich gegen den wandte, der ihn, vermöge eines
ihm zugesprochenen Rechts heute von seinem Hofe
trieb.
Sie kannte den Mann. Es war Robert Zacha
rias, der ailch ihrein Bruder hart zusetzte lind
manchen anderen mit seinem skrupellosen Vorgehen
auf dem Gewissen hatte. Aber das war robust,
trotz aller Tüiichs und Biederkeit, in die er sich zii
kleiden liebte. Sie wußte es und ließ sich nicht
täuschen wie mancher andere in seinem arglos ver-
tranenden Gemüt. Vielleicht war unter diesen
Leuten auch einer, dem er einen Aufschub gewährt,
ein paar Zinsen erlassen oder eine Hilfe in Aus
sicht gestellt hatte, wie er es gern tat, seinen Schein
zu wahren und sich einiger Anhänger zu brüsten.
Wer weiß, ob sie ihn sonst so unversehrt hier durch
gelassen Hütten.
Jetzt kam er hart an ihr vorbei, um seinen drü
ben vor dem Dorfkrug wartenden Wagen zu be
steigen. Aber bevor er es tat, trat er an ihr Pferd
heran, lüstete den steifen Hut, daß die blendende
Glatze sichtbar wurde, in deren Mitte noch etliche
Haare vorhanden waren, die sein säuberlich mit
Pomade zur Andeutung eines Scheitels geglättet
lagen.
Er zeichnete sie immer mit einer gewisien Ehr
furcht aus. Aber seine Freude, sie heute zu sehen,
schien merkbar getrübt. Denn es war ihm nicht an
genehm, daß gerade sie Zeugin dieser abscheulichen
Szene sein mußte.
Rur mit einer leichten Neigung ihrer Reitgerte
erwiderte sie seine unterwürfige Begrüßung.
Als er dann seinen Wagen bestieg, flog ein
Stein hart über das Verdeck hinweg.
Höher kletterte die schwarze Wolkenwand. Här
ter, zackiger wurden ihre Kanten und Spitzen am
vielbeschäftigten, unruhig bewegten Horizont. Etwas
Aufgeregtes, Gefahrdrohendes zog durch die Luft,
teilte sich ihr mit. schnürte ihr das Herz zu.
Sie setzte die Stute in einen kurzen Trab. Da
machte diese einen Sprung seitwärts, so schnell und
unvermutet, daß. in ihre Gedanken versunken und
die Zügel nur lose führend. Mühe hatte, ihr Gleich
gewicht zu bewahren.
Ein Haufe junger Burschen hatte ihr deir Weg ge
sperrt. Aus den unfreundlich eingestellten Mienen
und den ihr entgegengeworfenen Worten, die sie
nicht verstand, vernahm sie nichts Gutes. Wollte
man es ihr zur Last legen, daß der verhaßte Mensch
sic begrüßt hatte?
Sie wußte es. Sie liebten sie nicht. Weshalb nicht?
Da sie doch mit ihnen und ihrer Not wie eine in
gleicher Verdammnis Befindliche litt. Aber sie waren
arbeitslos geworden, und es mochte sie verdrießen,
daß sie auf ihrer edlen Stute durch diese Welt des
Elends und der Auflösung wie eine vornehme
Nichtstuerin dahinritt.
Zu der Notte junger Burschen hatten sich meh
rere ältere Bauern und Kleinbauern, auch einige
Frauen gesellt. Man versuchte, die schon an sich
enlpşindsame unb nervöse Stute durch gellend«
Pfiffe und Händeklatschen scheu zu machen, und
ze.gte seine helle Freude, wenn es gelang.
Die Reiterin ober verleugnete auch diesmal den
Schneid ihres Wesens nicht. Furcht hotte sie nie ge
kannt; sie war ein fremder Tropfen in ihrem Blute.
„Geben Sie mir den Weg frei!" rief sie mit ihrer,
ein wenig herrischen Stimme, die die Worte so lässig
hinwarf und in der doch eine so kraftvolle Entschie
denheit war. „Und lassen Sie das arme Tier zu
frieden, das Ihnen nichts getan hat!"
Straff zog sie die Zügel an, hob die Gerte, als
richtete sie sie mehr gegen die uindrängende Rotte
als gegen ihr Pferd, suchte sich Bahn zu brechen.
Aber nun hatte sich ihre Lage verschlimmert.
Die Leuie, bereu Verhalten bis dahin vielleicht
mehr aus Uebermiit als von Feindschaft eingegeben
erschien, waren durch ihre herben Worte gereizt
worden. Ein Gejohle antwortete ihr, höhnische Ruse
wurden laut, und die Deriuche, die bereits am gan
zen Leibe zitternde Stute vollends kopfscheu zu
machen, nahmen eine bedrohliche Gestalt an.
^ctzt war cs^ doch um ihre Fassung geschehen, so
unbeirrt sie bieje auch bis dahin gewahrt halte.
Ihre Haltinig zwar blieb sicher und aufrecht, nur
um das eine bemüht, der aufgeregten Stute, aus
deren roten Rüstern der Atem in keuchenden Stößen
drang, die nötige Stütze und Hilfe zu geben. Aber
die erschreckten Augen sandten einen ratlos suchen-
oen Blick über die johlende Menge hinweg zu den
umliegenden Hofgebäuden, als erwartete sic von
dort irgendeine Hilfe und Rettung.
(Fortsetzung folgt.)
Durch den grautrllben Septemberiag ritt Tekla
von Rotholz. Dunkles Gewölk jagte in ängstlicher
Flucht über den Himmel. Mit schläfrigen Augen
blinzelte eine müde Sonne durch den träge krie
chenden Nebel, und am dunstig verschleierren Hori
zont türmte sich eine stetig wachsende Mauer
schwarz geschuppter, scharf gezackter Wolken, die
bald fest und undurchdringlich lag.
Die Stute mllßte einen anstrengenden Ritt hin
ter sich haben. Auf den Trensenzügeln lagen weiße
Flocken, und der schöne, schlanke Hals war blank
und hart von eiilgetrocknetem Schweiß.
Jetzt ließ die Reiterin sie in gemächlichem Schritt
gcheii. Denn Wulfskrona, das alte Familiengut
der^ Rotholz, war nicht mehr weit, und Detlef, ihr
sonst so ruhiger Bruder, konnte in Wallung ge
raten, weitn ein Pferd naß und abgetrieben in den
Stall kam.
Mit einem Male aber besann sie sich eines an
deren, ließ die gepflasterte Pappelallee, die sie in
schnurgerader, sanft ansteigender Richtung in we
nigen Minuten nach Hanse geführt hätte, liegen
und bog, einen kurzen Trab anschlagend, in den
von verkrünimten Weiden eingefaßten Triftenweg
ein, um bei der jetzt noch guten Beschaffenheit des
lehmigen Bodens, der im Frühjahr und Herbst
meist undurchdringlich war, einen Umweg über
Borkwalde, das weitgestreckte Bauerndorf, zu
machen.
Aber was war denn hier geschehen?
Die sonst so ruhig und meist wie ausgestorbeii
daliegende Gegend belebt, wie sie sie noch nie ge
sehen hatte. Ganze Gruppen von Leuten, die aus
dem Dorfe kamen oder zu ihm hinwanderten, in
merkbarer Ş Erregung aufeinander einsprachen,
rasche, leidenschaftlich bewegte Worte tauschten,
wenn sie einander begegneten.
Richtig! Heute war die Zwangsversteigerung
on Peter Quasts Hof. Aber Zwangsversteigerun
gen waren jetzt a« der Tagesordnung. Eine löste
eie andere ab. Man sprach kaum von etwas an
derem, sprach nur noch von der schweren Rot, die
das arme, gedrückte Land bis auf den letzten
Blutstropfen aussog.
Peter Ouast! Wie hoch hatte er den dicken trutzi-
gen Bauernschädel getragen! Als nähme er'es mit
der ganzen Welt auf und sähe von der sicheren
Höhe seines tief eingeimpften Bauerntums auf sie
und ihre kleinen Nebensächlichkeiten herab. Denn
eins nur gab es, das Wert und Bestand hatte, das
Erzeugerin und Nährmutter allen Daseins war
die Achse, um die die Erde sich drehte, ohne daß
sie eines Tages rettungslos stillstehen inußte, ein
gesundes, scholleverwandtes, seiner Macht'und
Kraft sich bewußtes Bauerntum!
Er hatte es bei einem Besuche auf dem Schloß
ihrem Bruder auseinandergesetzt, dem er, wie
allen EroßgrundÜesitzern, mit einem gewissen Aiiß-
rauen begegnete. Sie war dabei gewesen, und der
ģĢ' aber wie mit Keulen zusammen-
2,5t ànn Safte auf sie Eindruck gemacht,
[pfnr r- lC Standpunkt ihres Adslsbewußt-
//. ļwe Worte anmaßend fand. Denn sie ver-
I. /// nr der Ansicht veralteter Zeiten, für
d/te/ Ņ/ler einen Stand zweiter Gattung be-
L-h»-dÎĢ SV Mb à &m ”
Und nun auch er! Vertrieben aus dem alten,
von den Vatern ererbten Hofe, der seine Besitzer
eininal reich gemacht, recht- und besitzlos gewor
den! Nichts mehr in den Händen als ein Pilger
stab, mit dem er ohne Land und Heimat in eine
weite, unbekannte Welt wanderte! Heute traf es
ihn — und morgen?
Sie war an seinem Hose angelangt. Die Ver
steigerung schien bereits beendet. Sie machten es
schnell mit solchen Dingen. Der Hammer fiel. Das
Urteil war gesprochen, das Los entschieden!
Dichter scharte sich die Menge zusammen. Drau
ßen auf dem Triftenweg waren es noch einzelne
Gruppen gewesen, die sich fanden und lösten. Hier
unmittelbar vor dem stattlichen Gehöft war cs be
reits ein ganzer grauschwarzer Knäuel, der mit
gespannter Aufmerksamkeit den Vorgängen auf
dem Gehöfte folgte.
Und nun crkaniitv sie auch den Grund dieser Zu-
sammenrottung.
Am weitgeöffneten Torflügel stand Peter Quast.
Obwohl es draußen durchaus nicht wann war,
sondern eine kühle Feuchtigkeit vom frühen Mor
gen ail in der herbstlich dunstigen Luft gelegen,
stand er ohne Jacke und Maiitel, in dem erhitzten
Gesicht mit den derben, bäuerischen Zügen die
deutlichen Spuren einer wilden Erregung, die
blutunterlaufenen Augen unentwegt und mit dro
hendem Ausdruck auf die immer näher andrängen-
den Leute gerichtet.
„Wer es wagen sollte, an ein einziges Stück auf
meinem Hofe Hand anzulegen, den schlage ich nie
der. Laßt es Euch gesagt sein!"^
Prall und wuchtig wie Kieselsteins fielen seine
Worte von den mit einem borstigen, schwarzen
Schnurrbart bedeckten Lippen.
Auch sie vernahm sie, klar und deutlich, sah zu
gleich, wie die Leute, durch diesen Ausbruch eines
maßlosen Zorns erschreckt, zurückwichen. Sie kann
ten den Quast, sie wußten, daß er nicht mit sich
spaßen ließ.
Der Vollziehungsbeamte trat an ihn heran:
„So nehmen Sie doch Vernunft an, Herr Quast,"
suchte er ihn fast väterlich zu beruhigen. „Ich tue
schließlich nur, was meines Amtes ist, und die
Leute — du lieber Himmel! — sind ja gar nicht so
bösartig. Sie halten's doch alle mit Ihnen!"
^Als hätte er gar nicht gesprochen, wiederholte
Peter Quast mit derselben Wucht seine Worte,
spuckte dann weithin aus, wollte sich seinem Hose
zuwenden
In demselben Augenblick kehrte er noch einmal
um. Kreidebleich war sein Gesicht, die weitgeLff-
neten Augen starrten auf einen Menschen oder
Gegenstand, den sie in der Entfernung und in der
dichten Masse nicht wahrnehmen konnten.
Und nun sah sie den weißen Hemdärmel hoch
empor über den dunklen Knäuel sich recken, und.
das Gemurmel und Stimmengewirr rings umher
durchschneidend, praffelte es zum zweiten Male
von den stammelnden Lippen wie Gertenhiebe dis
durch die Luft sausen:
„Du Blutsauger! Du Schuft, der du mich heute
von meinem Hofe jagst, mich an den Bettelstab ge
bracht! Heb dich hinweg, du Hund! Scher dich zu
dem Teufel, dem du gehörst! And wo und wann ich
dich treffe, dann Gnade deiner dreckigen Seele!"
So furchtbar und durchdringend war die Ver
wünschung, daß sie unter ihr zusammenschauerte,
als gelte sie ihr.
Hchallsabbau zu Großvaters Leiten
Folgende nette Geschichte entnehmen wir der
Zeitung „Der Schiffahrtsangestellte"; sie stammt
übrigens aus einem Kalender vom Jahre 1869
-ö/ 9 u ^ cn ölten Zeit geichah es einmal, daß
em Landesfürst sich und das Land in große Schul-
>den gebracht hatte. Seine Räte, groß und klein,
hatten auch redlich dabei mitgeholfen. Run sta'k der
-Karren ra Dreck, und es mußte irgendein Entschluß
-gefaßt werden. Der Landesfürst versammelte seinen
-ganzen Rat um sich tuid riet mit ihm lange hin und
her wie zu helfen wäre. Der eine brachte dies, der
andere jenes in Vorschlag, aber alles wurde als
unbrauchbar gefuirden, sintemalen es schon zu oşt
-dagewesen und gebraucht und mißbraucht worden
war. Endlich faßte sich ein alter Regierungsrat das
Herz und deckte den Schaden Josephs auf, indem er
Ipvach: „Das Uicheil, in dein wir jetzt stecken, komint
einzig und alleiii daher, daß wir immer mehr aus-
aegeben haben als eingenommen. Soli's besser wer-
den, ,o müsseil Einnahmen amb Ausgaben ins
Gleichgewicht gebracht werden. Und da die Einnah-
'Men zu vermehren dadurch unmöglich ist, so müssen
wir die Ausgaben vermindern, d. h. wir müssen
'lparcn." Bis jetzt war alles mit dem Sprecher cin-
verstandeii und nieste Beifall. Als er aber fortfuhr:
„Soll das Sparen von Wirkung lein, so müssen wir
von oben herab, d. h. bei uns selbst anfangen", da
erhob ,ich em Sturm in der Versammlung? daß die
I-euiter des Ratssaales erzitterten. Der Fürst be-
wies haarklein, daß bei ihm von Ersparnissen nickst
-me Rede sein könne, daß ihm eigentlich noch Anf-
/sse-ung gebühre, bei den Räten allerdings möge
Einjchrankung tunlich sein. Die Räte aber schwuren
hoch und teuer, daß sie schon genug von. ihrem
Eigenen eingebrockt hätten und auf die Dauer mit
ihrem seitherigen Gehalt nicht reichen würden. Wo
man zu sparen anfangen wollte, da erhob sich ent
schiedener Widerspruch von oben bis unten, bis man
endlich beim Treppenkehrer des fürstlichen Schlosses
angekommen war, der schon dreißig Jahre die
Treppeş kehrte und sechs Batzen des Tages hatte.
Hier, hieß es, müsse gespart werden. Man war bald
einig,^ das fragliche Gehalt von sechs Baßen herun-
terzujetzen, und ließ den Kehrer kommen, ihm sol
ches 3'U eröffnen. Der hörte geduldig die lange
Brühe an, die man ihm vorlas, blickte danii die
Herren der Reihe nach an, schulterte seinen Besen
und sprach also: „Gnädiger Herr und hohe Herr
schaften! Seit dreißig Jahren habe ich das Schloß
gekehrt und auch aus dem Zimmer des Rats man-
ckieu Unrat hinausgefegt; ich denke, ich habe etwas
Tüchtiges in meinem Amte gelernt. Eine Erfahrung
namentlich ist es, die ich mir iicf eingeprägt habe,
und b-ie ich einem hohen Rat nicht vorenthalten will.
Wenn ich nämlich das Schloß kehrcii wollte, fing ich
auf der obersten Treppe au, machte sort bei der fol
genden und hörte auf bei der untersten, so war das
Schloß gesäubert. Hütte ich aber an der untersten
Treppe angefangen, so wäre der Unrat von oben
immer wieder nachgekommen und ich hätte in 30
Jahren das Schloß incht sauber gebracht. Wenn da
her die hohen Herrschaften auch aus Auskehren ge-
hen wollen, und es wird nicht überflüssig sein, so
rate ich als ein in diesem Fache erfahrener Mann,
oben und nicht unten zu beginnen." Spruchs, mochte
rechtsum und marschierte zum Saale hinaus. Die
Herren sahen sich verdutzt an und beschlossen, alles
beim alten zu lassem