Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 4)

Wie Paul Doumer lebt. 
Der Präsident in Pantoffeln. 
Alle Radioapparate aus dem Elyfee verbannt. - Kein Freund der Gesellschaft. 
Das Elyfee hat feine Jahrzehnte alten Traditio 
nen, die vom jeweiligen Staatsoberhaupt getreulich 
gehütet werden. Trotzdem hat es bisher noch jeder 
Präsident der französischen Republik verstanden, 
seinem Haushalt eine persönliche Note zu geben. 
Unter Fallieres herrschte eine durchaus familiäre 
Atmosphäre. „Papa Fallieres" lebte mit einer statt 
lichen Schar von Tanten und Anverwandten über 
aus anspruchslos und zurückgezogen und l'eferte 
damit den französischen Witzblättern Material für 
eine ständige Rubrik. Doumergue schuf ein ganz 
anderes Milieu. Die Abende verbrachte er in der 
Regel beim Kartenspiel im Kreise intimer Freunde 
oder hörte sich die Radiovorführungen an. 
Frankreichs derzeitiger Präsident, Paul Doumer, 
ist die Reserviertheit in Person. Er verbreitet eine 
Atmosphäre der Kälte um sich, Menschen, die ihn 
näher kennen, behaupten, daß er in Wirklichkeit 
keineswegs so unnahbar ist, wie es vielleicht den 
Anschein hat. In Paris gehen viele amüsante Anek 
doten über diese Eigenschaft des Staatsoberhauptes 
um. Als in den Wochen unerträglichster Hitze in 
Paris ein neues Grotzkino eröffnet werden sollte, 
wurde erwogen, in den Zuschauerraum eine beson 
dere Kühlanlage einzubauen. Ein Witzbold meinte, 
man solle zur Eröffnungsvorstellung einfach den 
Präsidenten Doumer einladen, dann werde schon 
eine kühle Temperatur im Kino herrschen. „Aber 
wie es ist", erwiderte ein anderer, „wenn der Prä 
sident das neue Kino erst im Winter besucht — 
dann muß wohl eigens eine besondere Heizung 
eingebaut werden!" 
Präsident Doumer liebt vor allem die Ruhe und 
die häusliche Behaglichkeit. Schon in den frühen 
Abendstunden zieht er Hausschuhe an und verbringt 
den Abend nur in Gesellschaft seiner Frau. Einla 
dungen ergehen in den seltensten Fällen und nur, 
wenn es die Etikette durchaus erfordert. Die freie 
Zeit, die ihm die Staotsgefchäfte lassen, verbringt 
der Präsident mit der Niederschrift seiner Memoi 
ren und politisch-philosophischer Abhandlungen. 
Diese Werke werden wahrscheinlich, so meinen die 
Spötter, in Zukunft einmal fleißigen Schülern als 
Besondere Auszeichnung zum Geschenk gemacht wer 
den. Eine Tradition des Elyfee hat Herr Doumer 
Bereits beseitigt. Bisher war es Sitte, daß der 
Präsident der Republik alljährlich einmal im Wald 
von Rambouillet eine Jagd veranstaltete. Als der 
Chef des Protokolls dem Präsidenten kürzlich mit 
teilte, der Zeitpunkt dieser Veranstaltung sei ge 
kommen, erwiderte Doumer, der in seinem ganzen 
setzen niemals ein Jagdgewehr in Händen gehabt 
hat: „Bitte, laden Sic zur Jagd ein, wen Sie wün 
schen— doch was mich betrifft, so werde ich nur 
insofern an der Jagd teilnehmen, als ich mit den 
geladenen Gästen frühstücken werde, bevor die 
Sache anfängt." Und so geschah es. Das traditio 
nelle Frühstück fand unter Vorsitz des Präsidenten 
statt, dann begaben sich die geladenen Gäste zur 
und Doumer blieb zu Hause. 
Wenn es dem Präsidenten plötzlich einfällt, eine 
Bleinc Reise zu unternehmen, überlegt er nicht 
lange, ob dies mit den Traditionen und der Sti 
lette des Elyfee vereinbar ist. Kürzlich verließ er 
ganz inoffiziell das Präsidentenpalais, um nach 
!taon zu fahren, wo er eine Villa besitzt. Sein erster 
Gang vom Bahnhof war der Friedhof, wo die vier 
im Weltkrieg gefallenen Söhne des Präsidenten be 
graben liegen. Noch mit einer anderen Tradition, 
die bisher mit peinlicher Gewissenhaftigkeit gehütet 
wurde, hat Paul Doumer gebrochen. Mi offiziel- 
Ein neuer amerikanischer Riesen- 
BankLrust gebildet. 
Der Geschäftspalast der National City Bank 
in Newyork. 
Oben rechts: Mitchell, der Präsident 
der National City Bank. 
In Amerika ist eine neue Riesenfusion 
zweier Großbanken gelungen. Die National 
City Bank, die erst im vorigen Jahre mit 
dem Farmers Trust zusammenging, hat sich 
jetzt mit der Bank of Amerika vereinigt. Ter 
Konzern verfügt über Kapital und Reserven 
iil Höhe von mehr als 10 Milliarden Mark. 
len Ausfahrten zeigt er sich nicht im Frack, sondern 
trägt einen schlichten schwarzen Besuchsanzug. Auch 
auf das große Gefolge hat er verzichtet, und die 
Eskorte der republikanischen Garde, die früher ald 
Begleitung nicht wegzudenken war, bleibt heute zu 
Haus«. Der Präsident liebt Ruhe über alles; des 
halb sind auch alle Radioapparate abgeschafft wor 
den, die Doumers Porgänger hatte aufstellen lassen. 
Im Elyfee herrscht heute Schweigen und Beschau 
lichkeit wie in einem gutbürgerlichen Haushalt eines 
bejahrten Ehepaares, das seinen Lebensabend :n 
größter Zurückgezogenheit zu verbringen wünscht. 
Zeitgemäße Plastik. In Berliner Börsen 
kreisen hat man jetzt einen reizenden Vor 
schlag gemacht, der Verbreitung verdient. 
Man propagierte die Aufstellung von zwei 
werblichen Steinfiguren rechts und links vom 
■ * 
Börseneingang. Die eine soll die „Verschlei 
erte Bilanz" und die andere „Die nackte 
Pleite" symbolisieren. Vielleicht hält Herr 
Pallenberg bei ihrer Einweihung die Fest 
rede! 
» » 
tufl-HMsa enļlW Alà. 
Betriebsstillegungen, Gehaltskürzungen, 
Kurzarbeit. 
Die Wirtschaftskrise hat jeyt auch die Teut 
sche Lufthansa betroffen. Sie legt ihre Werk 
stätten in Stettin und Göttingen still und 
geht in den übrigen Werkstätten und Büros 
teilweise zur Kurzarbeit über. Ferner hat 
die Verwaltung eine Einschränkung bezw. 
Kürzung in den Bezügen des gesamten Per 
sonals beschlossen, infolgedessen ist u. a. auch 
den 184 Flugkapitänen und Piloten der 
Teutschen Lufthansa vorsorglich gekündigt 
worden zu dem Zweck, neue Vertrüge auf 
niedrigerer Gehaltsbasis abzuschließen. Darü 
ber hinaus werden, wie die Lufthansa erklärt, 
Entlassungen beim Fliegerpersonal nicht zu 
vermeiden sein. Es soll sich um den Abbau 
von etwa 30 Flugzeugführern handeln. 
Die Holzfäller kommen zu Tal. 
Bayrische Holzfäller steuern ihr Floß durch die Isar. 
Wenn die Holzfäller im bayrischen Hochgebirge ihre Sommerarbeit bewältigt ha 
ben, werden die geschlagenen und entrindeten Stämme zu großen Flößen zusam 
mengebunden und aus den reißenden Gebirgsflüssen zu Tal gebracht. Auf der 
Isar kann man in diesen Tagen zahlreiche solcher Flöße sehen, die von den ober- 
bayrischen Holzfällern über die Schnellen und Strudel gesteuert werden. 
Anfälle bet der Fliegerei. 
Ein Sportflngzeug abgestürzt. 
TU. Halle, 2. Okt. Am Freitagnachmittag 
stürzte in der Nähe des Sportflugplatzes 
Nietleben das der akademischen Fliegergruppe 
Halle gehörende Flugzeug „D. 2140" ab. Der 
Flugzeugführer stud. jur. Kostn hatte beim 
Trudeln in 1200 Mtr. die Gemalt über das 
Flugzeug verloren, so daß die Maschine ab 
rutschte. Noch in 80 Mtr. Höhe versuchte er 
das Flugzeug abzufangen, was ihm jedoch 
nicht gelang. Kosin glückte es noch, mit dem 
Fallschirm abzuspringen. Da aber die Höhe 
zu gering war, erlitt er beim Aufprall ans 
den Boden einen schweren Schädelbruch. 
Absturz eines französischen Militärflugzeuges. 
T-U. Paris, 3. Okt. (Eig. Funkmeldung.) In der 
Gegend von Grenoble ist am Freitagabend ein 
französisches Militärflugzeug vom 36. Fliegerregi 
ment in den Wald abgestürzt. Einer der Insassen 
wurde mit zerschmettertem Schädel unter den 
Trümmern des Kampfflugzeuges hervorgezogen, 
während der 2. Insasse infolge der hereinbritzen 
den Dunkelheit noch nicht gefunden werden konnte. 
Man nimmt an, daß letzterer im Augenblick des 
Absturzes hinausge,schleudert worden und daß sein 
Körper in den Bäumen hängen geblieben ist. 
* * • 
Srandunglürk in Rotterdam. 
Rotterdam, 2. Oktober. In einem Hause der 
Tweedc Lombardstraat wollte gestern abend ein 
junger Mann mit Unterstützung seiner Ehe 
frau in einer Pfanne, die auf einen Petrole 
umofen gestellt war, eine Lösung erhitzen, um 
damit Putzlappen zu präparieren. In der 
Pfanne befanden sich Ammoniak und Benzin. 
Plötzlich entzündete sich der Inhalt der Pfan 
ne, und die ganze Wohnung stand sofort in 
Flammen. Die Kleider der Eheleute brannten 
lichterloh. Sie eilten auf die Straße, wo Pas 
santen die Flammen erstickten. Schwer verletzt 
wurde das Ehepaar ins Krankenhaus geschafft, 
wo man an seinem Aufkommen zweifelt. Än 
der Wohnung waren aber noch drei Kinder 
von 0 Monaten bis zu 4 Jahren znlückgeblie- 
ben. Als die Feuerwehr eindrang, waren die 
beiden älteren Kinder, ein Knabe und ein 
Mädchen in ihren Betten erstickt; der Säugling 
war verkohlt. 
Die Fenersgefahr auf dem Lande. 
Frankfurt a. M., 2. Oktober. In dem Tau 
nusdorf Oberems ist gestern nacht Feuer 
ausgebrochen. Die örtliche Feuerwehr war 
mit ihren Handspritzcn machtlos. Da nachts 
keine Telephonvcrbindung besteht, konnten 
die Feuerwehren der benachbarten Orte nichl 
benachrichtigt werden. Tie Dorfbewohner 
fanden schließlich aus den Landstraßen bei 
vorbeifahrenden Antomobilisten Hilfe, so daß 
die Feuerwehren von Königstein, Idstein und 
anderen Orten doch noch herbeigeholt werden 
konnten. .Mehrere Scheunen und Stallungen 
sind den Flammen zum Opfer gefallen. 
Drei Höfe in Brand gesteckt. 
Kopenhagen, 2. Okt. In dem Stationsort 
Agerstedt nördlich des Limfjord brach Don 
nerstagabend gleichzeitig auf drei Höfen 
Feuer aus. Ein Hof konnte gerettet werden, 
die beiden andern brannten bis auf den 
Grund nieder. Im Torfe wurde gerade 
Jahrmarkt abgehalten, weswegen die meisten 
Bewohner von ihren Höfen abwesend waren. 
Es kann kein Zweifel bestehen, daß die 
Brände von einer und derselben Person an 
gesteckt worden sind. Bon dem Brandstifter 
hat man jedoch noch keine Spur. 
Großer Fabrikbrand in England. 
TU. London, 2. Okt. Die große Fabrik der 
Metro-Radiogesellschaft in Wimbley ist voll 
ständig niedergebrannt. Der Schaden beträgt 
eine Million Mark. 
. * 
LyrmmèîMschlM auf eine Zechenbahn 
in VeMen. 
TU. Recklinghausen, 2. Okü Wie die Presse 
stelle beim Polizeipräsidium Recklinghausen 
mitteilt, haben am Freitag früh gegen 4,43 
Uhr unbekannte Täter die Zechenbahn des 
Schachtes Brassert zwischen Berg und Sicking 
mühle an zwei Stellen mit Dynamit ge 
sprengt. Die Gleise sind auf einer Länge von 
86 bezw. 26 Zentimetern zerstört worden. Die 
Explosion war weithin hörbar. Die Polizei 
hat sofort die Ermittelungen aufgenommen. 
Nennenswerter Sachschaden ist nicht entstan 
den. Innerhalb einer halben Stünde waren 
die Gleise wieder ausgebessert. Für die Er 
mittelung der Täter ist eine Belohnung von 
300 RM. ausgesetzt worden. 
Attcntatsversuch gegen den Osloer Schnellzug. 
Oslo, 2. Okt. In Skien hat man einen Atten 
tatsversuch gegen den OSloer Schnellzug ent 
deckt. Auf den Schienen fand ein Bauer, der 
das Gras mähte, mehrere Dynamitpatronen. 
Das Bergwerksunglück in Ungarn. 
Budapest, 2. Okt. Die Pumparbeiten in dem 
Steinkohlenbergwerk bei Waitzen, wo seit drei 
Tagen infolge Einbruchs von Grubenwasscr 
sechs Bergleute vermißt werden, sind bisher 
ergebnislos verlaufen. Die elektrischen Pum- 
Tr. Karl Ritter von Halt 
wurde zum neuen Vorsitzenden der Deutschen 
Sportbehörde für Leichtathletik gewählt 
Dr. v. Halt, der selbst aktiver Leichtathlet ist, 
versieht seit langen Jahren mit größtem Er 
folg das Amt des Sportwarts der Deutschen 
Sportbehörde für Leichtathletik und hat als 
Vertreter Deutschlands in vielen ausländi 
schen Sportexpeditionen sich überall größt? 
Beliebtheit erworben. 
pen konnten die Wassermassen, die bis z« 25 
Meter hoch stehen, nicht verringern, so daß die 
Vermutung aufgetaucht ist, daß aus einer un 
bekannten Quelle stets neues Wasser hinzu 
strömt. Die sechs Bergleute müssen als nerlo» 
reu gelten. 
* * * 
Für 3000 Mark Mietgelder geraubt. 
TU. Berlin, 2. Okt. Während am Freitag 
vormittag der 60jährige Zwangsverwalter 
Gottfried Richter in Gemeinschaft mit einem 
Angestellten und dem Pförtner des Häuser 
blocks der Straße 210 in Weißenscc in der 
^Nähe der Gustav-Adolf-Straße in einer im 
Parterre leerstehenden Wohnung die kassier 
ten Mietgelder abrechnete, stürmten zwei 
Männer mit vorgehaltener Pistole in das 
Zimmer und raubten die Mietgelder in Höhe 
von rund 3000 Mark. Der Ueberfall geschah 
so schnell, daß den Ueberfallenen keine Zeit 
blieb, sich zur Wehr zu setzen oder um Hilfe 
zu rufen. Die Räuber entkamen auf Fahr 
rädern. 
Dreiste Beraubung eines Eisenbahnpostwagrns. 
T-U. Warschau, 2. Okt. In der Nähe von Eran- 
denz wurde der Postwagen eines Personenzuges 
während der Fahrt von unbekannten Tätern über 
fallen und beraubt. In die Hände der Banditen 
sielen drei Geldbeutel mit einem Inhalt im Werte 
von über 700 000 Zloty. Die polizeilichen Ermitt 
lungen haben bis jetzt noch zu keinem Erfolgs ge 
führt. 
Räuberunwefeu bei Sevilla. 
Sevilla, 2. Okt. 100 maskierte und mit Revol 
vern bewaffnete Banditen überfielen am hell 
lichte» Tage eine Bauernwirtschaft in der Nähe 
von Sevilla. Sie fesselten den Sohn des Be 
sitzers und raubten 2000 Peseten. Die Räuber 
konnten zunächst unbehelligt entkommen, doch 
gelang es der Polizei, neun von ihnen zu ver 
haften. 
Ein englischer Automobilist von Beduinen 
beraubt. 
Kairo, 2. Okt. Ein englischer Automobilist, 
der eine Fahrt ins Innere der unwirtlichen 
und wasserlosen Lybischen Wüste unternom 
men halte, wurde völlig erschöpft aufgefunden. 
Beduinenbandcn hatten ihm sein Eigentum 
abgenommen. 
Langjährige Unterschlagungen 
eines schwedischen Parlamentariers. 
TU. Stockholm, 3. Okt. (Eig. Funkmcldg j 
Großes Aufsehen erregt hier die Nachricht, daß 
der bekannte schwedische Parlamentarier, Di 
rektor Gustaf Olson, ans der Kirchen- und 
Schulkasse in Torsby 100 000 Mark unterschla 
gen hat. Olson hat die Verfehlungen, die wahr 
scheinlich bereits vor 20 Jahren begonnen 
wurden, eingestanden. 
„Fräulein, bitte bestellen Sie 
Herrn M .. 
Eine neue Einrichtung der Reichspost ist 
der Fernsprech-Kundendienst, der die Aufgabe 
hat, bei Abwesenheit der verlangten Teil 
nehmer für sie bestimmte Meldungen ent 
gegenzunehmen oder auch in ihrem Auftrag 
Mitteilungen weiterzugeben.
	        
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