Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 4)

Zw Unterhaltung 
y r. 252 
Beilaae der Sckleswia-Ho'steinischen Larrdesreitung (Rendsburger Taaeblattl 
Dienstag. den 27. Oktober 1931 
Könne« Infekte» Metatl fressen. 
Exakte wiffen'chastļiche Feststellungen. 
Von Dipl.-Ing. Dr. A r t h u r Hamm. 
Als vor einigen Jahren eine Nachrichtenagentur 
Dis einer amerikanischen Zeitung die Mitteilung 
übernahm, es sei im Lande der unbegrenzten Mög 
lichkeiten ein Eisenwurm aufgetreten, der sogar 
Eisenbahnschienen zernagt habe, so daß nur durch 
die Aufmerksamkeit eines Bahnwärters ein Eisen 
bahnunglück verhütet worden sei, da hat ganz 
Deutschland gelacht. Denn jene Agentur hatte in 
ihrem Eifer das Datum übersehen, an dem die — 
sonst sehr angesehene — Zeitung erschienen war. 
Es war natürlich der 1. April gewesen. Also: der 
Eisenwurm existiert nicht, und wenn Gerhart 
Hauptmann in seinem „Buch der Leidenschaft" sagt: 
»Man berichtet, daß Natten Stahl zernagen", so 
g'.bt auch er nur eine Dolksmeinung wieder. Aber 
anläßlich der Geschichte vom Eisenwurm wurde wie 
der einmal erörtert, ob es denn überhaupt möglich 
sei, daß Insekten oder andere mit scharfen Nagezäh 
nen bewehrte Tiere Metalle angreifen können. Denn 
die Meinung, daß das möglich sei, ist weit verbrei 
tet, sogar die Ansicht, daß manche Insekten Metall 
Lu fressen imstande seien. In der Tat liegt für diese 
Vorstellung eine Reihe gut begründeter Belege vor, 
so daß es nicht möglich ist, sie einfach als Aberglau 
ben beiseite zu schieben. Schon unser Tierklassiker, 
der alte Brehm, berichtet, daß in der Wiener Münze 
von Holzwespen eine Bleiplatte von nicht weniger 
vis 43 mm Stärke durchbohrt worden sei. Nun ist 
Blei immerhin ein weiches Metall, aber der Pari 
ser Akademie wurde vom Marschall Daillant ein 
Paket Patronen vorgelegt, das er aus dem Krim- 
krieg mitgebracht hatte, und das von Larven der 
Kiefern-Holzwespe vollkommen durchbohrt worden 
war. Im gleichen Jahr legte der Zoologe Dumeril 
der Pariser Akademie ein Paket Patronen aus dem 
Arsenal von Turin vor, das ebenfalls von Holz 
wespen durchlöchert worden war, obwohl die Me- 
iallwände bis zu ö mm stark waren. Und in diesen 
beiden Fällen handelte es sich um Messing, das ein 
recht hartes Metall ist. Auch aus neuerer Zeit sind 
Mehrere Fälle solcher Angriffe von Insekten auf 
Metalle bekannt, allerdings fast ausschließlich auf 
das weichste Metall, nämlich Blei, das in der Tech 
nik vor allem seiner Säurebeständigkeit wegen so 
vielfach angewandt wird. In der Isolierung von 
elektrischen Leitungskabeln sind schon mehrfach In 
sekten gefunden worden, die den immerhin minde 
stens .1—2 mm starken Bleimantel durchbohrt hat 
ten. Das sind Fälle, die durch Photographien be 
legt sind. 
Immerhin weiß mancher nicht recht, ob er als 
aufgeklärter Mitteleuropäer daran glauben soll. 
Daher ist es recht verdienstlich, daß sich das Mate 
riolprüfungsamt in Derlin-Lichterfelde der Unter 
suchung der Frage angenommen hat, zumal die 
Zerstörung auch nur dünner Metallwände von gro 
ßer technischer Wichtigkeit sein kann. Alan braucht 
jo nur an Gasrohre zu denken. Es wurden nun im 
Materialprüfungsamt verschiedene Insekten in 
Glosröhrchen gesteckt, die durch eine dünne Metall- 
mand von 0,2 mm Stärke abgeschlossen waren. Bei 
einem anderen Versuch gleicher Art wurden Tiere 
Lu vieren in ein Kästchen aus Bleiblech von 0,2 mm 
Stärke eingesperrt. Ein ihnen beigegebener feuchter 
Wattebausch sorgte für die nötige Feuchtigkeit, da 
mit sie leben konnten. Der Erfolg dieser Versuche 
sprach für die Käfer. Schon nach wenigen Tagen 
mar gewöhnlich der Bleideckel durchnagt. Es war 
Din Loch von 3 mm Durchmesser gefressen, durch das 
der Käfer das Weite gesucht hatte. Im Glasröhrchen 
sand sich nur noch feines Bleipulver. In einem der 
Kästchen konnte man nach fünf Tagen ein Loch von 
der Größe eines Stecknadelkopfes bemerken, dann 
ging es aber schnell weiter. Schon nach zwei Stun 
den war das Loch bis auf 1.5 mm erweitert, und 
Noch nochmals vier Stunden hatte es einen Durch 
messer von 3 mm erreicht, der groß genug war, um 
Aufruf 
des deutsch-evangelischen Kirchenausschuffes 
gegen die Kriegsschnldlüge. 
D. Dr. Kapler, 
Ņ' Präsident des Deutschen evangelischen 
'Mrcheuausschusses, hat einen Aufruf an die 
Christenheit der Welt erlassen, in dem er die 
^elt auffordert, das Unrecht der Kriegsschuld 
ige zu beseitigen und Deutschland endlich Ge 
rechtigkeit zuteil werden zu lassen. 
dem Käfer die Flucht zu ermöglichen. 
Sehr lehrreich war es. die Arbeitsweise der Tiere 
-u beobachten, wobei man folgendes feststellte: Mit 
ihren zangenartigen Beißwerkzeugen reißen sie feine 
Bröckchen von der Metallwand ab. Meistens arbei 
ten sie mit Ablösung; «in Käfer bohrt, die anderen 
stehen in Reserve und lösen den Arbeitenden ab, 
wenn er ermüdet ist Zuweilen arbeiten aber auch 
zwei zusammen. Haben sie ein Loch gebohrt, das 
groß genug ist, um ihnen das Hinausschlüpfen zu 
ermöglichen, so erlischt ihr Eifer an weiterer Bear 
beitung des Metalls. Auch an den im Rohr oder im 
Kästchen herumliegenden oder den Körper der Tier» 
bedeckenden Metallspänen erkennt man das. Jeden 
falls ist es sicher, daß sie es nicht fressen. Daß die 
Beißwerkzeuge und nicht irgendwelche ätzenden Aus 
scheidungen das Angriffsmittel sind, erkennt man 
an dem blanken Aussehen der Wand und der Me 
tallspäne; auch sieht die Wand des von ihnen ge 
bohrten Loches unter dem Mikroskop ganz rauh und 
zackig aus. Schließlich kennen wir auch die große 
Säurebeständigkeit des Bleies, das nicht einmal von 
Schwefelsäure angegriffen wird. Es ist also wohl 
ohne weiteres anzunehmen, daß kein Insekt Abschei 
dungen zu erzeugen vermag, die Blei angreifen 
können. 
Mit anderen Metallen angestellte Versuche fie 
len weniger günstig für die Küfer aus. In einer 
Zinnfolie von 0.2 mm Stärke konnten sie wohl noch 
e'n Loch bohren, aber es bedurfte zehn- bis zwölf- 
stündiger Arbeit, bis es auch nur 1,5 mm Durch 
messer erreicht hatte, und erst nach 36 Stunden 
war es groß genug geworden, um den eingeschlosse 
nen Tieren die Freiheit zu geben. Bei allen ande 
ren Metallen aber versagten sie vollständig, selbst 
bei recht weichen wie Aluminium oder Zink. Erst 
recht erwies sich Messing als vollständig iniektenfeft. 
Wenn man nach einer Woche die Kästen öffnete, la 
gen die Käfer tot darin, und die Wände zeigten 
nicht einmal Spuren irgendwelchen Angriffes. Das 
steht nun freilich im Widerspruch zu den in Paris 
vorgelegten durchbohrten Patronen, und fo bleibt 
an der ganzen Frage doch noch allerlei rätselhaft. 
Bedeutsam wäre es vor allem, einmal zu untersu 
chen, was die tropischen Insekten, die viel gefähr 
lichere Angreifer sind als die der gemäßigten Zonen, 
auf dem Gebiet leisten können. Soviel aber steht 
fest: es läßt sich schon heute sagen, daß die vewchic- 
bentlicheir Nachrichten über durchgefressene Blsi- 
rohre, Bleiplatten, in den Bleikammern von Schwe 
felsäurefabriken usw. wahrscheinlich zutreffend sind, 
daß aber 43 mm starke Bleiplatten voraussichtlich 
doch als iniektenfeft angesehen werden dürfen. Hier 
scheint Brehm, trotz der Sorgfalt, mit der er ar 
beitet« und die ihm zugehenden Nachrichten sichtete, 
einer Phantasie ge schichte zum Opfer gefallen zu 
sein. 
/ Roman von Lo Wilsdorf. 
22) (Nachdruck verboten). 
Mit einem Male gewannen alle bösen Geister 
wieder Macht über Theo. Er fühlte mehr, als er mit 
Worten hätte sagen können, feindlich Rätselvolles 
im Zusammenhang mit Mora und dem vornehmen 
Engländer. Es stand fest bei ihm, daß der Lord es 
war, den Mora in ihren Prozeß hineinziehen wollte, 
weiß Gott, aus welchem Grunde und was sie sich 
davon versprach. 
Aber es war die Frage, ob sie ihn von Angesicht 
überhaupt kannte. In diesem Falle hätte sie eine 
Begegnung unbedingt vermeiden niüssen, fand Theo. 
Nun spannte das dunkle Verhängnis, das ihr 
Leben umdüstert hatte, feine Schwingen auch über 
ihn. Sollte er die Frau direkt befragen? Theo wußte 
selbst nicht: War es Rücksicht für die Frau oder ein 
fach Bogel-Strauß-Politik, wenn er schwieg? 
In dieser Zwiespältigkeit, wie er sie niemals vor 
her gekannt, erfuhr Theo zum ersten Male, daß ein 
Mensch, nur auf sich allein angewiesen, ein Stück 
werk nn Leben ist. Er hätte viel darum gegeben, 
einen verläßlichen, treuen Freund zu besitzen, dem 
er sich hätte anvertrauen können, dessen unpartei 
ischer Meinung er Zutrauen entgegenzubringen ver 
mocht hätte. 
An diesem Abend, der der Nachricht folgte, mußte 
er sich Gewalt antun, um sich zu geben wie immer. 
Mehr als einmal fühlte er den prüfenden Blick der 
jungen Frau auf sich gerichtet. Als man sich nach 
Tisch wie allabendlich in der Kaminecke einrichtete, 
um den Mokka zu trinken, wandte Mora sich an 
Morli: 
„Nun sagt mein Sohn „Gute Nacht!" und geht 
mit EI friede noch ein schönes Bilderbuch ansehen!" 
Gehorsam tat das Kind, wie ihm geheißen, und 
Theos Augen hingen fragend an ihr, die sich auf 
ihren gewöhnlichen Platz ihm gegenüber niederge 
lassen hatte. 
„Was hat es gegeben?" fragte sie ohne Umschweife, 
sich zu ihm neigend. 
Theo war überrascht. Wie gut mußte sie ihn nun 
schon kennen, daß sie seine Gemütsstimmung durch 
schaute, trotzdem er sich sonst auf seine undurchdring 
liche Miene etwas zugute tat. 
„Lord Lindsdale kommt übermorgen abend", fuhr 
es ihm ohne Uebergang heraus. Der Gedanke hatte 
ihn tagsüber so stark beschäftigt, daß er ohne viel 
Ueberiegung einfach losplatzte. „Wie ein grüner 
Junge!", dachte er, ergrimmt über feine Ungeschick 
lichkeit. 
„Und das verstimmt Sie?" fragte Mora, ohne 
Ueberraschung zu zeigen. 
„Sie etwa nicht. Mora?" fragte er zurück. 
„Nein!" antwortete sie ruhig. Kein Wort mehr. 
Theo konnte nicht mehr an sich halten: „Wollen 
Sie ihn wirtlich persönlich empfangen?" 
Sie blieb weiter vollkommen gelassen. „Weshalb 
Mün chen Sie nicht, daß ich ihn empfange?" 
T!)eo wußte nicht, was er darauf erwidern iofltc. 
— Sollte er die ganze Wahrheit vor ihr ausbreiten, 
um sie niederzu chmettern — oder ihr Gelegenheit 
geben, all die Rätsel zu lwen? Aber würde er ihr 
glauben können, was immer sie zu ihrer Entlastung 
anführen Güte? Würde er ihr glauben können, nach 
allem, was er von ihr wußte und wovon sie schein 
bar keine Ahnung hatte? 
Ein tiefer, gepreßter Seufzer hob «eine breite 
Brust. Ratlosigkeit, die sich mit 'einer Krafterichei- 
nung IN seltsamem Widerspruch befand, drückte sich 
in seinen Mienen aus. 
„Ich wünsche nichts, was Ihnen unangenehm fein 
könnte. Mora!" 
Ihr Blick schmolz, und Theo war verblüfft, ein 
leiies, ganz leides, fast schelmisches Lächeln auf dem 
schönen Gesicht aufkeimen zu sehen. 
„Bleiben Sie ruhig, Theo", sagte sie: „ich werde 
Lovd Lindsdale empfangen — als Ihre Frau!" 
Wie gebannt blickte der Mann in die klar auf ihn 
gerichteten Augen. Was stand darin? 
Was immer auch in den schönsten, schimmernden 
Sternen stehen mochte: Abwehr oder gar Furcht war 
nicht darin zu lesen — weder vor Lord Lindsdale 
noch vor ihm, Theo Belian. 
Und wieder nahm Mora das Wort: „Ich werde 
den Lord an Ihrer Seite mit allen ihm gebührenden 
Ehren empfangen. Machen Sie sich keine Sorgen, 
Theo, es wird an nichts fehlen — und — und Theo, 
Sie sollen Ihren geraden Sinn nicht auf — nicht 
auf ziellose Wege schicken! Das ist es, was ich 
Ihnen sagen wollte." 
Langsam wandte sie sich um und trat von ihm 
weg. Er war wie vor den Kopf geschlagen. 
In diesem Augenblick erschien Elfriede und er 
kundigte sich nach den Befehlen der Herrin, wie 
täglich zu dieser Stunde.. ‘ ‘" ' ■’ 1' . T. 
„Schläft Morli?" fragte Mora freundlich. 
„Klein-Morli schläft schon lange", erwiderte das 
Mädchen, und in ihr unschönes, aber gutes Gesicht 
trat ein verklärender Schein. „Wir haben ein wenig 
gespielt, und dann hat „Top" seine Lektion auf 
zwei Beinen bekommen." 
Mora lachte ein leises, glückliches Lacher:. „Der 
arme Top!" meinte sie, zu Theo gewandt. Dann 
sagte sie zu dem Mädchen: 
„Lassen Sie noch Tee bringen, Elfriede, und dann 
gehen Sie zur Ruhe! Ich brauche nichts mehr." 
Frau Belian nahm niemals Hilfe in Anspruch 
beim An- und Auskleiden — das war es, was El 
friede Immer von neuem in Verwunderung fetzte. 
Mit einem Knix zog sse sich zurück, und das selt 
same Ehepaar war wieder allein. Der Tee wurde 
gebracht, und Mora bediente Theo in ihrer haus 
fraulichen Grazie, die er genoß wie ein kostbares 
Bild. 
„Wollen Sie nicht die Abendzeitung lesen?" fragte 
Mora dabei. 
„Soll ich Ihnen vorlesen?" Er zwang seine 
Stimme zum gewohnten Ton, denn er fühlte, daß 
sie das vorige Thema nicht mehr weiterspinnen 
wollte. 
„Wenn Sie nicht zu müde sind, bitte ich Sie 
darum", antwortete sie freundlich auf seine Fr^e. 
Er überflog das Blatt, las einiges'vor, wovon er 
annahm, daß es sie interessieren könnte, wendete 
die Seite um. Aber plötzlich zuckte feine Hand, und 
sein Gesicht überzog sich mit kreidiger Bläffe. Sein 
Erschrecken war so auffallend, daß Mora es bemerken 
mußte. 
„Nun?" Sie streckte unwillkürlich die Hand nach 
der Zeitung aus. Aber er zog das Blatt wie unab 
sichtlich aus dem Bereich ihrer Hand, erhob sich 
schwerfällig, faltete die Zeitung mechanisch zusam 
men und steckte sie in die Taiche. 
„Ich bin ein wenig müde und bitte um Entschul 
digung, wenn ich mich schon zurückgehe", sagte er 
gemalt am. und seine Stimme schien erloschen, wie 
eine Augen. - 
Mora war seinen Bewegungen aufmerksam ge 
folgt. Eine Falte erschien zwischen ihren Brauen; 
aber sie reichte ihm freundlich die Hand hin. 
„Gute Nacht, Theo!" sagte sie scheinbar unbefan 
gen. 
Theo neigte sich über die schlanke Rechte der Frau, 
murmelte einige Worte; dann verließ er das 
Zimmer. 
Eine Weile blieb Mora im Nachsinnen versunken. 
Dann straffte sie ihre Gestalt; sie hob die Muschel 
des Haustelephons auf und sprach hinein. 
„Hallo, Johann, bitte bringen Sie mir die Abend 
zeitung herauf — aber schnell, bitte!" 
Wenige Minuten später brachte der Diener die 
Zeitung und war daun lautlos wieder gegangen. 
Mora entfaltete dos Blatt, und ihr Blick suchte die 
Seiten ab, bis sie an die Stelle gelangte, wo Theos 
Augen einen so entsetzlichen Ausdruck bekommen 
hatten. 
Es waren nur wenige Zeilen. Mora las zuerst mit 
einem verständnislosen Gesichtsausdruck — aber 
plötzlich zuckte sie zusammen, und ein unendlich we 
hes Lächeln, das aber sanft und zärtlich zugleich war, 
glitt über ihr schönes, erblaßtes Gesicht. 
„Armer Theo!" murmelte sie vor sich hin. „Armer, 
lieber Theo!" Dann erhob sie sich, seufzte tief, zit 
ternd auf und ging in ihr Schlafzimmer. 
* 
Theo pflegte Mutter und Kind immer erst abends 
zu sehen, denn wenn er früh nach der Stadt fuhr, 
schlief Klein-Morli noch wie ein Murmeltierchen, 
und seine Mutter war ebenfalls nicht zu sehen. 
So war es auch an dem Tage, der der Ankunft 
des englischen Gastes voranging. 
Als Theo ziemlich spät heimkehrte, war olles wie 
sonst. Man aß zu Abend, man sprach, und Morli 
wurde von Elfriede zeitiger als fönst geholt. 
Mora trug ein schwarzes Kleid; eine kostbare 
schwarze Spitze legte sich schmeichelnd um die Herr- 
liche Gestalt und hatte keine farbige Beimischung. 
Hoch und schlank stand sie neben dem Kamin, und 
der arme Theo meinte bei sich, so viel Schönheit und 
Liebreiz, mit natürlicher Hoheit vereint, gäbe es 
sicherlich kein zweites Mal, kein zweites Mal fo viel 
rührende — Würde. 
Mit einem zitternden Seufzer zwang er den Blick 
gewaltsam hinweg von diesem zauberhaften Bild, 
das feine Sinne verwirrte und ihn des klaren Ur 
teils beraubte. 
Er sah schlecht aus. Seine Gesichtsfarbe war blaß, 
ferne Augen lagen dunkel beschattet tief in ihren 
Höhlen. Aber seine hohe, gebietende Gestalt war 
auch jetzt stramm aufgerichtet, und Mora, die ihn 
aus halbgeschloffenen Augen beobachtete, hatte die 
Empfindung, daß dieser seltsame Heilige da vor ihr 
die Märtyrerkrone verdiente. Aber sie schwieg. 
Später, im Verlauf des Abends, meinte sie wie 
so nebenbei: 
„Ach bitte, Theo, ehe ich es vergesse — würden Eie 
wohl die Güte besitzen, mir meine Perlenschnur zu 
geben, die Sie in Verwahrung haben?!" 
Als habe der Blitz vor ihm eingeschlagen, so fuhr 
Theo zurück bei diesen einfachen Worten. Sein Ge 
sicht sah verfallen aus, und die Augen blickteir glä 
sern, wie die eines Sterbenden. „De Perlen?" lallte 
er. „Die Perlen?" 
Wieder ging ein trauriges Lächeln über ihre rei 
nen Züge, als sie mit ruhiger Stimme wiederholte: 
„Die Perlen — meine Perlen, von denen ich Ihnen 
sagte, sie seien meine letzte Habe..." 
„Sie wollen diese Perlen — tragen?" forschte er 
heiser und Grauen schwang in seiner Stimme. 
„Ich will die Perlen tragen, zum Empfang unse 
res Gastes — ganz richtig!" antwortete Mora gleich 
mäßig gelassen, als entginge ihr feine maßlose Er 
regung. 
Nun verlor Theo alle Selbstbeherrschung. Er trat 
dicht an sie heran und faßte hart ihr Handgelenk: 
„Spielen Sie nicht weiter mit dem Feuer, Mora!" 
Seine Stimme war leise und drohend geworden. 
„Sie wagen zu viel — das ist mehr als unvorsichtig 
— das ist frevelhaft..." 
Mora befreite ihre Hand von dem fast brutalen 
Griff, der einen roten Streifen an dem feinen Ge 
lenk zurückließ, und trat von ihm weg. 
„Ich verstehe Sie nicht!" 
Ihre Stimme klairg ruhig und ein wenig scharf; 
aber ein besserer Beobachter als Theo hätte unschwer 
auch ihre Erregung erkannt. 
„Weshalb m aller Welt soll ich meine Perlen nicht 
tragen?" fragte sie. 
Theo hatte sich wieder einigermaßen in der Ge- 
watt. Er hob die Hände, und seine Stimme klang 
fast flehend: 
„Sie sollen die schönsten und kostbarsten Perlen 
haben, Mora, die aufzutreiben sind", sprach er wie 
zu einem eigenwilligen Kinde, „Sie sollen Schmuck 
haben, dessen sich keine Kaiserin zu schämen brauchte 
— alles, was Sie nur irgend wünschen, schaffe ich 
Ihnen herbei — nur nehmen Sie deses frevelhafte 
Ansinnen zurück!" 
Die letzten Worte waren flüsternd, fast kenckrend 
erklungen und erhielten dadurch eine Eindringlich 
keit wie eine Eidesformel. 
Mora ließ die Augen nicht von ihm; aber die 
Lippen blieben stumm. 
Er blickte sich vorsichtig um, als ob er Lauscher 
zu befürchten hätte. 
„Ich muß Ihnen etwas tagen, Mora", flüsterte er, 
„aber nicht hier! Kommen Sie mit hinüber in mein 
Arbeitszimmer!" 
(Fortsetzung folgt.) 
ļttm §LÄà imà Lachm. 
Im Kaffee. 
Im Kaffee blättert eine Dame in illustrierten 
Zeit christen. „Herr Ober", ruft sie auf einmal, „ich 
möchte die „Jugend"!" 
„Die „Jugend" liegt jo hinter Ihnen, gnädige 
Frau!" gab der Angerufene zur Antwort. 
* 
Buchhalter (mit seiner Freundin am Arm. dem 
Chef begegnend): „Erlauben Sie, Herr Direktor, 
daß ich Ihnen meine Kusine vorstelle." 
„Oh, die kenne ich bereits. Vor einem Monat war 
sie meine."
	        
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