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124. 3ahrgang.
124. Jahrgang,
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Sonnabend, 8§ti 26. Zsvlemher
Jahre 1871 hatte keinen Sinn mehr; man kehrte
im Grunde zu der alten autokratischen Regierungs
form zurück, das Politbiuro ersetzte das Kabinett
des Zaren, die Tschska oder G. P. II. trat an die
Stelle der Okhrana. Und in der letzten Zeit ent
kleidete Stalin, nach schweren Meinungsverschie
denheiten zwischen den einzelnen Führern, auch das
Politbiuro (das Parteidirektorium) seiner Macht
befugnisse und vereinigte sie immer mehr in seiner
Hand.
Aber als äußere Form der Demokratie bestehen
die Sowjets immer noch, sie stellen die äußere
Fassade des Gebäudes dar. Die zentrale Säule
dieser Fasiade ist Michael Jwanowitsch Kalinin.
Wenn die Bolschewisten den Abgeordneten des
allgemeinen Kongresses der Sowjets die Tore des
großen Sankt-Andreas-Saales im Kreml öffnen
und die zerlumpte Menge gemächlich und befriedigt
zwischen den Goldsachen und ehrwürdigen Schmuck
stücken hereintappt, setzt sich Kalinin auf seine
dunkle Holzbank und leitet dieses seltsame und
hohle Parlament.
Die Kalinin zugewiesene Aufgabe besteht darin,
die Verbindung mit der dumpfen Masie aufrecht
zu erhalten und die Harmlosen zu empfangen, die
ihre kleinen Beschwerden dem Haupt des Sowjet
staates persönlich vortragen wollen, wie sie einst
mals verlangten ihre Bitten Väterchen Zar vorzu
stellen . . .
Im Vorzimmer Kalinins ziehen wie in einem!
Film über Trachten- oder Volkskunde die bunten I Weitere Aufsätze folgen in Absätzen.
Typen der vielen Volksstämme der Sowjet-Union
vorbei. Die Luft darin ist stets vom Rauch starken
Tabaks erfüllt, den die Bauern in Zeitungspapier
als Zigaretten rauchen. Kalinin nimmt die Bitt
gesuche entgegen und verspricht, sie zu prüfen. Es
wird gerecht entschieden werden. Denn der Sowjet-
Staat ist auf Gerechtigkeit gegründet. Gerechtig
keit für alle Arbeiter, die das alte System unter
drückte und unter die das neue den Boden verteilt
hat. . .
Sehr oft ist Kalinin auf Reifen: er fährt guer
durch Rußland und spricht zum Volke. In entfern
ten Gegenden, wo noch der alte Begriff der Sou
veränität nicht gestürzt ist, nennt man ihn Exzel
lenz. Und noch schlimmer, man begrüßt ihn mit
Väterchen. Dann hält er tapfer feine Rede: „Die
Vergangenheit ist vorüber, der Zar ist nicht mehr,
wir find alle Brüder, frei und gleich, wir duzen
uns alle." Aber da ruft ihm ein armer Schlucker,
dem es nicht gelingt, nachdem er Rotgardist und
Agitator gewesen ist, seine Kinder zu ernähren,
entgegen: „Das Du ist noch nicht Gleichheit, du
fährst Auto, ich sterbe vor Hunger, du wohnst im
Kreml, meine Familie liegt auf der Straße!"
Dieses kleine Abenteuer stört Kalinin nicht all
zusehr. Er spielt seine Rolle lächelnd. Seit zwölf
Jahren trägt er heiteren Sinnes die Krone, die
man ihm aufgesetzt, umso eher, da es sich um eine
Theaterkrone handelt, die nicht drückt."
Rußland in vielem: Italien das Land des Fa
schismus, Rußland das Land des Kommunismus.
In Italien sowohl wie in Rußland ist der Staa
dig höchste Macht: Repräsentanten dieser Macht
sind in beiden Ländern Diktatoren, die sich aui
eine militärisch organisiert« Partei stützen: Musio-
Zetzt kŗî'elt's auch in Frankreich
ersten Opfer in Paris, das ein Eingreifen der kann. Auch die Zurückberufung der letzten im Aus-
Regierung, eine Stützung, erforderte, um den lande stehenden Kredite wird dabei den Franzoser
wenig nützen, wenn die Bank von Franreich nichi
ihre Goldreserven einsetzt. Es ist aber die Frage, oļ
dies nicht dann wieder psychologische Niickwirkungev
auf die französischen Sparer haben wird. Es be-
stebt also durchaus Gefahr, daß Frankreich alè
nächstes oder übernächstes Land in die Krise hin-
eingeriffen wird, wenn nicht noch, was wir abe:
nicht für wahrscheinlich halten, der große Krach
in Amerika vor dem französischen kommen sollte
wird Rußland ganz von selbst den extrem kom
munistischen Ideen und ihren Ausführungen in
der Praxis den Rücken kehren müssen.
Für Rußland ist der Kommunismus «in An
fang. Gegenüber dem zaristischen System ist die
Freiheit der Masse errungen: noch aber fehlt die
Freiheit des Individuums, das Ur-Recht des Men
schen. das sich nicht unterdrücken läßt.
Für Mittel- und Westeuropa aber ist der Kom
munismus kein Anfang, sondern ein schreckliches
Ende, das Ende der höchsten Menschenwürde, der
Freiheit eines Ehristenmenschen, das Ende des
Individuums als sittlicher, geistiger, fühlender
Einheit und das Untertauchen in die dumpfe Masse
Mensch. Was mühsam in Jahrhunderten gegen
Absolutismus erkämpft worden ist, daß würde mit
einem Male aufgegeben und eingetauscht werden
gegen eine größere Knechtschaft, diejenige durch
die ungegliederte atomistische Masse.
Der italienische Faschismus — ein Segen für
Italien — wird als politisches Prinzip deshalb so
von den Vertretern der kollektivistischen Formen
des Sozialismus und des Kommunismus be
kämpft, weil er etwas ganz Neues, eine Synthese,
eine Ueberwindung sowohl der ertrem-kapitalisti-
schen wie der extrem kollektivistischen Gedanken
welt durch den organischen Staatsgedanken dar
stellt. Der italienische Faschismus bedeutet Frei
heit des Individuums in der Bindung eines star
ken Staates. So scheint es. daß diesmal das Licht
nicht aus dem Osten, sondern aus dem Süden
kommen wird.
Wie der Süden nun den Osten, wie Italien
Rußland sieht, soll an einer Reihe von Aufsätzen,
die im Lause der Jahre 1930 und 1931 in der
zroßen Mailänder Zeitung „Carriere della Sera"
erschienen sind, verfolgt werden.
In einem der Aufsätze, betitelt „die Krone von
Papiermache", befaßt sich der Berichterstatter Sal
vatore Aponte mit dem russischen Staatspräsiden-
ien, mit Kalinin, dem Mann aus dem Volke.
„Lenin wählte ihn gerade deshalb aus, weil er
mittelmäßig war: auf diesem Posten wollte er ei
nen gewöhnlichen Menschen, einen aus dem Volke
haben. Die dumpfe Masse, die zur Auflehnung und
jum Bürgerkrieg dadurch überredet worden war.
daß man ihr versprach, die soziale Pyramide auf
die Spitze zu stecken, mußte sehen, daß man zum
Staatsoberhaupte einen Mann aus ihren Reihen
machte. Nicht der fähigste von allen, sondern im
Gegenteil einer, in dem jeder seine eigene Mittel
mäßigkeit erkennen konnte, sollte diese Stelle ein
nehmen. Wer den demagogischen Charakter der
Zahlungseinstellung der Danatbank für
Teutschland hatte. Daß ein Hineingleiten
Frankreichs in die allgemeine Weltkrise nicht
so ganz unwahrscheinlich ist, geht auch aus der
folgenden Darstellung hervor:
Die Aufhebung des Goldstandards in England
ist in der Hauptsache 'darauf zurückzusühren, daß
die sog. Pfundstützungskredite, die von der Bank
von Frankreich und den amerikanischen Banken
gegeben worden sind, so gut wie völlig verbraucht
waren. England hätte also, wenn es den Gold
standard hätte weiter behalten wollen, seine Gold
reserve in die Bresche werfen müßen. Diese Fest
stellung ist wichtig, wenn man sich klar darüber
werden will, wie weit die englische Krise Frank
reich getroffen hat. Die Berichte in der deutschen
Presse sind verständlicherweise in dieser Hinsicht
zum Teil sehr lückenhaft. Nach unseren Infor
mationen haben die bisherigen Tage der Krise al
lein der Bank von Frankreich Verluste in Höhe
von rund 6M Mill. GM. gebracht, die sich zweiser-
los noch weiter vergrößern werden.
Auf einer Tagung der Deutschen Staats
partei in Hannover, auf der Dr. Johannes
Nathje (früher Chefredakteur in Kiel) einen
Vortrag über die Neichsreform hielt, wurde
eine ein R e i ch s ļ a n d Niedersachsen
fordernde Entschließung gefaßt. Diesem sollen
zugehören Hannover, Oldenburg. Braun
schweig, Bremen, Lippe, der Kreis Grafschaft
Schaumburg sowie Teile des Regierungsbe
zirkes Minden, mithin kein Gebiet nördlich der
Elbe.
aufgenommen. Um 2 Uhr begab sich Finanz
minister Flandin in Begleitung des Gouver
neurs der Bank von Frankreich zum Minister
präsidenten Laval, um ihn über das Ergebnis
der Verhandlungen zu unterrichten. Um 3,15
de amtliche Verlautbarung heraus:
„Der Finanzminister versammelte die Ver
treter der Großbanken und den Gouverneur
der Bank von Frankreich bei sich. Gegenstand
Zwischenbemerkung.
Die englische Währungskrise beschattet Dä
nemark, das in England seinen Hauptab
nehmer für landwirtschaftliche Erzeugnisse hat.
Die dänische Krone ist angegriffen, und
es geht in dem Nachbarland das Gerede über
die zwei schlimmen Begriffe Deflation und
Inflation.
Die dänische Presse in F l e n s b u r g ist au
genscheinlich unzufrieden mit dem A p e n r a -
der „Hejmdal", weil dieser „mit voller Lun
genkraft die Jnflationsmelvdie" blase, ver
mutlich im Hinblick auf die gerade Nordschles-
wig drückende Deflation, d. h. Zahlungsmit
telknappheit.
Es gebe, meint die dänische Presse in Flens
burg, Leute genug, denen eine Entwertung der
der Besprechungen war die Lage der „Banque
nationale de Credit" über die gewisse Gerüch-
Auch das
französische Publikum hat beträchtliche Verluste zu
verzeichnen, soweit cs Gelder in englischen Staats
anleihen angelegt hatte, während die Verluste der
französischen Banken, die sonst Kredite nach Eng
land gegeben hatten, gering geblieben sein dürf
ten. Jmerhin ist durch diese Dinge auch die Lage
Frankreichs prekär geworden. Da Frankreich jetzt
so gut wie keine Auslandsguthaben hat, die es
zur Stützung seiner eigenen Währung nach Frank
reich zurückholen kann, beginnt seine Lage jeden
falls jetzt umzuschwenken. Die französische Han
delsbilanz ist bekanntlich in diesem Jahre, nach
dem sie bereits im vorigen Jahr mit rund 1,5
Milliarden GM. passiv gewesen war, mit etwa 2
Milliarden passiv. Während aber sonst in der
Zahlungsbilanz diese Passivität der Handelsbi
lanz durch Einnahmen aus dem Fremdenverkehr
und den Reparationszahlungen ausgeglichen wurde,
fallen diesem
Länger als sonst ein Land ist Frankreich von
ier Weltkrise verschont geblieben, seine Wirt
schaft schien gefeit zu sein gegen die Infektion
mit dem Bazillus des Mißtrauens, der in an
deren Staaten die Krise auslöste und wachsen
ieß. Die Franzosen selbst hofften, sich diese
Ausnahmestellung erhalten zu können, auch
noch, als der deutsche Zusammenbruch im
Juli einen großen Teil der übrigen Welt in
Mitleidenschaft zog. Damals mochte diese Hoff
nung noch begründet sein. Heute, nach der
englischen Währungskrise, ist jedoch die Kon
stellation auch sür das goldstrotzende Frank
reich wesentlich anders. Tie Bedeutung des
Pfundes sür die Weltwirtschaft ist so groß,
daß kein Land sich den Auswirkungen dieser
Krise entziehen kann, auch Frankreich nicht.
Die obenstehende Meldung berichtet von dem
Krone sehr sympathisch wäre.
Komische Szenen soll es übrigens gegeben
haben, als in den letzten Tagen in Kopen
hagen kaufkräftige und besorgte Leute zur
Nationalbank eilten, um sich einen Goldbar
ren für 28 000 Kronen das Stück zuzulegen.
Der Tanz ums goldene Kalb, ums tote Gold,
mutet doch seltsam an, wo das Geschick der
Menschen vernunftgemäßer behandelt wer
den soll!
)ahr diese beiden Posten fort, so daß
abzusehen ist, bis wann Frankreich zur Stützung
seiner Währung Gold wieder ins Ausland abfüh
ren muß. Die Folge der Pfundinflation in Eng
land ist jedenfalls, daß der französische Handel mit
England zu leiden begonnen hat, so daß sich die
Passivität der Handelsbilanz kritisch vergrößern