Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 3)

Nr. 192 
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt) 
Dienstag, den 18. August 1931 
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fanden sie ständige Abnehmer. Nur so war es 
möglich, daß die Wilderer ihr unsauberes Hand 
werk so viele Jahre und in so großem Umfange 
treiben konnten. 
In den letzten Monaten wurde das Treiben 
der Bande immer schlimmer. Die Landesforst 
direktion Dresden wandte sich nach Berlin und 
von dort schickte man den Kommissar Häußler nach 
Oberwiesenthal. Einen sächsischen Forstbeamten 
mit dieser Aufgabe zu betrauen, wäre vergebens 
gewesen, da Hippmann und die Mitglieder seiner 
Bande über alle alten und neuen sächsischen Be 
amten genau orientiert waren. Kommissar Häuß- 
ler kam vor etwa zwei Monaten in Oberwiesen 
thal an. Er gab sich als Rennfahrer aus, der sich 
von einem schweren Sturz in.Oberwiesenthal er 
holen wolle. 
Unter Beobachtung der größten Vorsichts 
maßnahmen gelang es ihm, mit Hippmann be- 
Ein moderner „Schinderhannes" 
Zn des WskdeS -üft'rerr GsàKm... 
Wie der „Schrecken des Erzgebirges" unschädlich gemacht wurde. 
Eine Wildererbande, die seit über 20 Jahren 
das Erzgebirge in den außerordentlich wildreichen 
Revieren des Fichtelberges und des Keilberges in 
schrecklicher Weise heimgesucht hat, konnte nach 
wochenlanger Vorbereitung durch einen Berliner 
Kommissar jetzt endlich ermittelt und unschädlich 
gemacht werden. 
Führer der Bande war Hubert Hippmann, 
der vor ein paar Wochen 50 Jahre alt geworden 
ist. Ein sehniger Mensch, unerschrocken bis zur 
Verwegenheit, der in den letzten 20 Jahren nie 
gearbeitet hat. Vor mehr als zehn Jahren hat er 
den linken Unterarm eingebüßt; leine Zielsicher 
heit wurde aber dadurch nicht geschmälert. 
Um Hippmann hat sich in den letzten Jahren 
ein Sagenkreis gebildet. Alle Welt, auch dis Be 
hörden wußten, daß Hippmann und seine Bande 
nur vom Wildern lebte. Hippmann? Verschlagen 
heit spottete aber jeder Verfolgung. Er wohnte 
auf der böhmischen Seite des Erzgebirges, in Wei- 
pert-Neugeschrei. Für ihn gab es aber keine 
Grenze. Bald befand er sich im sächsischen, bald 
im böhmischen Erzgebirge. Er wechselte wie das 
Wild. In den letzten Jahren gab es wiederholt 
Wochen, da Grenz- und Forstbeamte das Haus 
Hippmanns Tag und Nacht beobachteten. Hipp 
mann lachte und rührte sich nicht aus seinem Bau. 
Aber kaum hatte man die Beobachtung aufgegeben, 
erhielten die Mitglieder seiner Bande ein Signal, 
und nun ging es von neuem auf die Pirsch. Der 
Schaden, den die Wildererbande Hippmanns in 
den letzten zwanzig Jahren angerichtet hat, läßt 
sich nicht nachrechnen. Ebenso wie Hippmann wa 
ren auch die Vandenmitgl'ieder durchweg vorzüg 
liche Schützen. 
Alle waren mit zusammenlegbaren Gewehren 
amsgeriistet, die sich in einer tiefen Rocktasche leicht 
verbergen ließen. Man hat vergeblich versucht, 
eine solche Schußwaffe in die Hand zu bekommen. 
Nahm man bei einem Verdächtigen eine 
Haussuchung vor — nie fand man ein Gewehr. 
Aber in der darauffolgenden Nacht krachten wie 
der Schüsse in den Revieren. Jetzt weiß man es: 
die Gewehrs waren meist im Walde verborgen. 
Im Laufe der Jahrs wurden Hippmann und Mit- 
gļiàr seiner Bande wiederholt beim Wildern 
gestellt. Aber stets gelang es ihnen, zu entkom 
men. Man konnte dis Wilderer nie überführen, 
so schwer auch die Verdachtsmomente waren. 
Hippmann und seine Bande wurden nament 
lich in den letzten zwei Jahren immer unterneh- 
mungslustiger. 
Sie dehnten ihr Wildern auf dis wildreichen 
Reviere der Farstämter Oberwiesenthal, Nendorf, 
Grottendorf und Raschau bis in den Zeisigwald 
vor den Toren von Chemnitz aus. 
Was ihnen vor die Flinte kam, schossen sie ab. 
Nebenbei plünderten sie die vielen forellenreichen 
Waldbäche des Erzgebirges. In mancher Nacht 
haben die Wilderer 50 Forellen erbeutet. Dis 
Jagdbeute wurde immer schnell umgesetzt. Auf 
sächsischer und böhmischer Seite des Erzgebirges 
kannt zu werden und sich mit ihm anzufreunden. 
Häußler nahm Hippmann wiederholt auf sei 
nem Motorrad mit. Vor der gewinnenden Art 
Häußlers schwand in Hippmann jedes Mißtrauen, 
und als man vor einigen Wochen wieder bei einem 
Glase Bier in Bärenstein beisammensaß, bot Hipp 
mann Häußler Brüderschaft an. Dabei löste Hipp 
mann von seiner Uhrkette ein paar Gehänge und 
schenkte sie Häußler. Und am nächsten Tage er 
hielt Häußler ein Gehörn von einem Bock, den 
Hippmann erst in der Nacht vorher erlegt hatte, 
mit folgender Widmung: „Zur Erinnerung an 
Deinen treuen Freund Hubert Hippmann." 
Hippmann wurde dem Kommissar Häußler 
gegenüber immer redseliger. Er renommierte mit 
seiner Schießkunst, rühmte sich, wie er die Beamten 
an der Nase herumführe, die ihn schon seit zwan 
zig Jahren verfolgten, drohte, daß jeder Beamte 
ins Gras beißen müsse, der ihn verhaften wolle, 
und trumpfte mit seinen Strecken auf. 
„Von den Hasen und Böcken will ich gar nicht 
reden, die gehen in die Tausende. Und hundert 
Stück Hirsche reichen bestimmt nicht. Aehnliche 
Ziffern können auch viele andere meiner „Vekann- 
MUiorreinmtrrschiaguns aus fSttget. 
Rache eines Pariser Steuerbeamten für seine Versetzung. 
Vor wenigen Wochen wurde aus Paris eine 
Riesenunterschlagung gemeldet, die von dem Steuer- 
einneihmer Jean Tourenq verübt worden war. Tou- 
renq hatte nicht weniger als 800 000 Francs in 
Banknoten und 4 Millionen in Steuermarken bei 
seite geschasst. Das Seltsame war allerdings, daß 
er sich selbst wegen dieser Unterschlagung bei seiner 
vorgesetzten Behörde anzeigte und als Grund für 
die Tat, die zunächst keiner dem pslichtgetreuen 
Mann zutrauen wollte, angab, er habe sie began 
gen, weil er sich über seine Vevsetzung in ein 
Steueramt in der Provinz nwßlos geärgert habe. 
Die näheren Einzelheiten, die jetzt über den 
Fall Tourenq bekannt werden, lassen seine Angaben 
durchaus als wahrscheinlich erscheinen. Schon die 
Unterschlagung vollzog sich auf sehr merkwürdige 
Weise, Herr Tourenq ließ zwei Gerichtsbeamte in 
sein Amt kommen und von ihnen feststellen, daß in 
seiner Kasse noch 800 000 Francs in Banknoten und 
4 Millionen in Steuermarken enthalten waren. 
Dann ging er mit dem Gelde und den Marken zu 
Freunden, die trotz aller Nachforschungen von der 
Polizei noch nicht festgestellt werden konnten, und 
übergab ihnen Geld und Marken zu treuen Händen. 
Der nächste Weg führte zum Telephon. Er läutete 
einen Polizeikommissar, der mit ihm befreundet 
war, an und teilte ihm mit, daß er eben Unterschla 
gungen in Höhe von 4,8 Millionen begangen chabe. 
Der Freund hielt die Anzeige für einen Scherz. 
Aber Tourenq bestand auf seiner sofortigen Ver 
haftung. Auch eine Unterredung mit seinem Vor 
gesetzten machte ihn nicht irre. Mit größter Ent- 
sch^denheit betonte er: „Ich bin versetzt worden, 
ohne -daß ich etwas Schlechtes begangen habe. Das 
lasse ich mir nicht gefallen. Mein Fall muß vor die 
Oeffentlichkeit. Ich will mich in einer Gerichts 
sitzung verantworten. Ich lasse mich nicht dumm 
machen. Ich will nichts als meine Genugtuung." 
Den Behörden blieb unter diesen Umständen 
nichts anderes übrig, als Tourenq zu verhaften. 
Da das Geld verschwunden war, begann man sogar 
trotz der Selbstbezichtigung an der Ehrlichkeit des 
Beamten zu zweifeln. Aber die Darstellung Tou- 
renqs scheint doch wahr zu sein, denn soeben erschien 
seine Frau vor dem Untersuchungsrichter und über 
gab als erste Abschlagszahlung ihres noch in Un 
tersuchungshaft befindlichen Mannes 800 000 Frcs. 
in bar und 2 Millionen in Steuermarken. Sie er 
klärte, ihr Mann habe ihr das Geld geschickt und sie 
mit der Auszahlung beauftragt, damit endlich den 
törichten Betrngsmärchen in der Presse ein Ende 
bereitet würde. Die übrigen Marken wären nach 
wie vor gut verwahrt. Er würde sie jedoch erst am 
Tage seines Prozesses im Gerichtssaal dem Richter 
übergeben. Die Polizei sollte sich die Nachforschun 
gen sparen. Sie bekäme doch nichts heraus. So 
die Fron im Auftrage .des Mannes! 
Ganz Paris erwartet nun mit Spannung den 
Tag, an dem der Steuerbeomte zu seiner Rehabili 
tierung und der Staat wieder zu seinen Steuer- 
mallen kommt. 
5 entrannen dem Tode. 
Die fünf überlebenden Offiziere des im Juni in 
der Nähe von Weiheiwei gesunkenen britischen 
Unterseebootes „Poseidon" trafen am Sonnabend 
nachmittag, von Marseille kommend, in Folkestone 
ein. Ihre Ankunft wurde geheimgehalten, und es 
gelang ihnen, den Zug nach London zu besteigen, 
ohne irgendwelche Aufmerksamkeit zu erregen. Die 
weiteren Ueberlebenden der Katastrophe sind am 
Sonnabendnachmittag von Marseille abgefahren 
und werden auf dem Seewege Ende nächster Woche 
in Plymouth erwartet, wo ihrer ein besonderer 
Empfang harrt. 
ten" in der hiesigen Gegend ausweisen". Und 
Hippmann nannte dem Kommissar Häußler eine 
ganze Menge Namen von Erzgebirgsern auf säch 
sischer und böhmischer Seite, die zu seiner Bande 
gehörten... 
Wilderers Ende. 
Für Sonntag, den 9. August, vormittags 9.30 
Uhr, hatte Hippmann einen neuen Raubzug Im 
Erottendorfer Revier angesetzt. Kommissar Häuß 
ler wurde dazu von Hippmann „eingeladen". Un 
terwegs verschwand Hippmann einen Augenblick 
und kehrte mit seinem zusammengelegten Gewehr 
und einem Rucksack zurück, die tm Walde verborgen 
waren. Das Erottendorfer Revier war auf An 
ordnung von Kommissar Häußler von vielen Forst- 
und Gendarmeriebeamten umstellt worden. Auf 
den Anruf „Forstpolizei! Hönde hoch!" sucht« 
Hippmann in einer Schonung Deckung. Im näch 
sten Augenblick hatte er das Gewehr aus seiner 
Rocktasche gezogen und gegen einen Beamten in 
Anschlag gebracht. Die Forstbeamten gaben dar 
auf sofort Feuer und Hippmann brach zusammen. 
Er wurde ins Bezirkskrankenhaus Annaberg ge 
bracht, wo er bald darauf starb. 
Daß Hippmann seine Drohung, auf jeden Be 
amten, der ihn verhaften wolle, zu schießen, nicht 
wahrmachen konnte, ist nur darauf zurückzuführen, 
daß sein Gewehr im zerrissenen Rockfutter hängen 
geblieben war. 
Auf Grund der Geständnisse, die Hippmann 
dem Kommissar Häußler in den letzten Wochen 
gemacht hatte, konnten bald darauf einige Haupt- 
mitglieder der Wilddiebbande verhaftet werden, 
und zwar: Alois Hippmann, ein Bruder des Er 
schossenen, Rudolf Müller und dessen Braut, und 
Edmund Kunz, sämtlich aus Weipert-Neugeschrei, 
Franz Barthel aus Weipert und Josef Enzmann 
aus Schmiedeberg. Weitere 14 Bandenmitglieder, 
die zum Teil jahrelang mit Hippmann zusammen 
gewildert haben, wurden im Laufe dieser Woche 
verhaftet. Es handelt sich um Erzgebirgler, die 
teils auf böhmischer, teils auf sächsischer Seite 
wohnen. Als Hehler sind bereits 30 Personen auf 
sächsischer und böhmischer Seite ermittelt worden. 
Die Behörden und die Jagdinhaber des Erz 
gebirges atmen erleichtert auf, daß dem schreck 
lichen Treiben der Hippmann-Bande endlich ein 
Ende gemacht wurde. 
lum Lacheļn rmö Lachen. 
„Der Pfennig kommt wieder zu Ehren. Alle 
Münzstätten müssen Pfennige prägen, und es ent 
fallen auf den Kopf der Bevölkerung schon jetzt 16 
Pfennige, neun mehr als im Vorjahr." 
„Wenn nun noch ein paar Mark in die Ta 
schen der Bevölkerung hinterher fallen, dann ists 
gut!" 
„Minna, wo haben Sie das Ei hingelegt, das 
mein Mann zum Frühstück essen wollte?" 
„Ick? Ick habe rn meinem janzen Leben noch 
keen Ei jelegt!" 
Schôn-Nàķmt. 
Roman von Elsbeth Borchart. 
3) (Nachdruck verboten.) 
Der Waldweg zog sich jetzt dicht an der Fahr 
straße entlang, und auf dieser kam ihnen ein Wa- 
gen entgegen. Ihn gewahren und schnell sich hin 
ter schützendem Gebüsch verbergen, was für sie das 
Werk eines Augenblicks. In der nächsten Minute 
rollte der Wagen vorüber. 
Es war ein offener Wagen, an dessen Schlag 
verschlungene Initialen unid eine Krone prangten. 
Führer und Diener trugen reichbetreßte Livreen. 
Der Insasse aber war ein blonder Leutnant. 
Kaum war der Wagen vorüber, so trat die Grä 
fin aus ihrem Versteck hervor. Ihre Wangen waren 
wie in Glut getaucht. Sie wies mit der Hand die 
Fahrstraße hinunter: 
„Sie können den Weg nicht mehr verfehlen, 
Herr Braunfels," sagte sie in ganz verändertem, 
steifen Ton. „Ich will noch einen Besuch im Forst- 
hause machen, — auf Wiedersehen!" 
Ehe er sich von seiner Ueberraschung erholen 
Und etwas erwidern konnte, ging sie schon mit leich 
ten, fedeimden Schritten einem Seitenweg, der sie 
tiefer in den Wald führte, zu. 
Diese plötzliche Verabschiedung und der voran- 
gegangene Auftritt, der sich so schnell abgespielt 
hatte, daß er ihn noch nicht zu begreifen vermochte, 
verblüffte ihn. Was sollte das bedeuten? Warum 
hatte sie sich vor dem Walgen oder vielmehr seinem 
Insassen versteckt? Warum war sie plötzlich so 
verändert und ließ ihn hier stehen? Ein seltsam be 
klemmendes Gefühl, dessen Ursprung ihm jetzt ganz 
star war, stteg in ihm auf. Aber er wollte ihm 
jetzt nicht nachhängen, sondern sein Ziel allein wei 
ter verfolgen.- Er könne den Weg nicht mehr ver 
fehlen, hatte sie gemeint. So ging er bte Fahr- 
ftraße weiter, schritt durch ein Gartentor und kam in 
eine breite Buchenallee, die auf einen steten Platz 
wündete. 
Sobald er auf diesen Platz herausgetreten war, 
blieb er staunend stehen. 
Da lag Schloß Hallberg in seiner ganzen ge- 
walttgen Ausdehnung vor seinen Blicken, der stolze, 
stattliche Bau, der sich ttotz mancher neuzeitlicher 
Aenderungen das Aussehen einer alten Ritterburg 
bewahrt hatte. Das war die stilvolle Bauweise 
längst vergangener Zeiten, das waren die dicken 
Steinmauern, die für die Ewigkeit gefügt schienen. 
Ueber -dem massiven eichenen Eingangstor blinkte 
das in Stein gehauene und vergoldete Wappen der 
Haller im Sonnenschein, und uralter Efeu rankte 
sich an den mächtigen Türen empor. 
Der Eindruck war überwältigend und hielt 
Hans Udo einige Minuten vollständig gefangen. 
Dann entschloß er sich, weiterzugehen und Einlaß 
an der Pforte von Schloß Hallbevg zu begehren. 
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Im Herrenzimmer des Schlosses, das mit seiner 
dunklen Eichentäfelung, den Goldbrokattapeten, den 
gelben Damastmöbeln, schweren Vorhängen, kost 
baren Bildern, Schränken und Jagdbeutestücken ei 
nen überaus vornehmen, gediegenen Eindruck 
machte, faßen zwei Herren in eifrigem Gespräch. 
Sie waren beide kräftige Gestalten mit aristokrati 
schen Gesichtszügen und einer unverkennbaren Fa 
milienähnlichkeit. Dennoch schienen sie, was den 
Charakter anbetraf, verschieden veranlagt zu sein. 
Was bei dem einen auf starke Kraft und zielbe 
wußten Willen hindeutete, ließ bei dem anderen eine 
gewisse Unentschlossenheit und Gleichgültigkeit, wie 
■sic Menschen eigen zu sein pflegt, die das Schicksal 
gebeugt und vor der Zeit alt und stumpf gemacht 
-hat, vermuten. 
„Welchen Eindruck hat der Prinz auf dich ge 
macht?" fragte jetzt der ältere von beiden, der 
Majoratsherr von Hallberg, Graf Burkhard von 
Holler, seinen Bruder, indem er sich behaglich in 
feinen Sessel zurücklehnte und seiner Havana neue 
Dampfwollen entlockte. 
Graf Chlodwig zuckte leicht die Achseln: 
„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht, und 
—offen gestanden — ist es mir auch herzlich gleich 
gültig," gab er lässig zur Antwort. „Ich weiß nur 
nicht, warum du meine Gegenwart bei dem Besuch 
des Prinzen Löwenberg durchaus wünschtest Du 
kennst doch meine Abneigung gegen neue Bekannt 
schaften, es wäre mir lieb gewesen, wenn du mich 
damit verschont hättest." 
Graf Burkhard lachte herzlich. 
„Das glaube ich dir, du unverbesserlicher Son 
derling und Menschenfeind! Um deinetwillen habe 
ich dich auch nicht gewaltsam mitgezogen. Der Zu 
fall, ber den Prinzen gerade heute herführte, kam 
mir nur zu gelegen, denn ich wollte, -daß du den 
Prinzen kennen lernst." 
„Und willst du mir nicht wenigstens sagen, zu 
welchem Zweck?" fiel der jüngere etwas ungeduldig 
ein. 
„Gewiß —- es handelt sich um — Rollouts Zu 
kunft." 
„Um Rotvauts Zukunft?" fragte Graf Chlod 
wig," was hat sie mit -dem Prinzen zu tun?" 
„Kommt dir wirklich keine leise Ahnung?" 
fragte der Aeltere. 
„Du meinst doch nicht etwa, daß der Prinz —* 
„ ganz ernstliche Absichten hat," beendete 
Graf Burkhard den Satz. „Io, mein Lieber, die hat 
er; denn wer seine Bewunderung und Verehrung 
für ein Mädchen so offenkundig zur Schau trägt, 
wie Prinz Egon Löwenberg, der verbindet auch ei 
nen Zweck damit. Auch sein heutiger Besuch galt 
ihm, und er schien sehr enttäuscht zu sein, unser 
Kind nicht angelloffen zu hoben." 
„Das ist allerdings eine Ueberraschung," er 
widerte Graf Chlodwig jetzt mit mehr Anteilnahme, 
„an die ich nicht im entferntesten gedacht hätte. 
Also ein Prinz ist ihr Bewerber —" 
„Einer unter vielen anderen," ergänzte Graf 
Burkhard mit unverhehltem Stolz. „Denn unser 
Kind ist schön und liebenswert, ihr fliegen die 
Herzen im Sturme zu. 
„Schön wie — ihre Mutter," sagte der Jüngere 
-leise, und ein Seufzer entstieg seiner Brust. „Möge 
sie -den Monn glücklich machen." 
„Na, höre einmal," rief der Aeltere jetzt in ge 
spielter Entrüstung, „in erster Linie kommt es doch 
darauf an, ob der Mann sie glücklich macht. Das 
-scheint mir doch die Hauptsache zu sein." 
„Liebt sie den Prinzen?" fragte Chlodwig, 
-ohne den Einwurf zu beachten- 
„Da fragst bxt mich zu viel. Wer kann ein 
Mädchenherz ergründen? Sie hat sich darüber nicht 
ausgesprochen, noch sonst was verraten. Sie ist ja 
auch noch so jung und voll kindlicher Freude über 
die ihr von ollen Seiten entgegengebrachten Huldi 
gungen, und ich glaube nicht, daß sie -dem Gefühl 
Liebe schon Eingang in ihr Herz gewährt hat. 
Dennoch möchte ich behaupten, daß -des Prinzen of- 
fenkundi-ge Werbung nicht ohne Eindruck auf. sie 
geblieben ist und daß sie nicht abgeneigt wäre, Prin 
zessin Löwenberg zu werden." 
„Und wie stellst du dich dazu, Burkhard?" fragte 
Graf Chlodwig seinen Bruder, „wärest du ebenfalls 
nicht abgeneigt, Rotraut dem Prinzen zu geben?" 
„Ich?" fragte der andere zurück. „Lieber 
Chlodwig, du wirst dir denken können, daß wir un 
sren Sonnenschein nur schiveren Herzns hergeben, 
aber wenn es zu ihrem Glück dient, müssen wir das 
Opfer bringen, meine Frau und ich. Aber die Ent 
scheidung liegt nicht bei uns. Du, als Rotrauts 
Bater, hast das bestimmende Wort zu sprechen, und 
ich will dir offen gestehen, daß ich dich aus diesem 
Grunde bat, nach Schloß Hallberg zu kommen, um 
mit dir zu beraten. Da ein Zufall dir den Prin 
zen heute persönlich vorgeführt hat, wirst du deine 
Ansicht und -deinen Willen schon jetzt äußern kön- 
nen." 
„Was habe ich zu wollen und zu bestimmen?" 
fragte Graf Chlodwig in entsagendem Ton. „Wohl 
bin ich Rotrauts leiblicher Bater, aber meine 
Rechte und Pflichten habe i-ch an dich abgetreten, 
von der Stunde an, als ich dir und deinem Weibe 
mein armes, verlassenes, mutterloses Kind brachte, 
das ich in meinem Schmerz um die Verlorene nicht 
um mich dulden, nicht einmal sehen konnte, um das 
ich mich so wenig gekümmert habe. Ihr habt Rollout 
in euer Haus, in euer Herz genommen, ihr habt ihr 
eine Heimat auf Hallberg gegeben, habt ihr Mutter- 
und Daterliebe ersetzt, und du, Burkhard, hast dir 
die Vaterrechte erworben, auf die ich freiwillig ver 
s'chtete." 
(Fortsetzung folgt.) 
Unterhaltung
	        
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