Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 3)

Ï24. Jahrgang 1 Nr. 18g 7 Drittes Blatt. 
Dienstag, den 4. Angnst 1931 
LandeŞļtung 
RrķàduĢrÄageļàa 
Varomn àbrx. 
Don Liesbet Dill. 
16) (Nachdruck verboten). 
Scharf und schneidend klangen ihre Worte in 
dem hohen kühlen Raum, in dem sie sich an dem 
Abendtisch gegenübersaßen. 
Er legte Messer und Gabel hin und warf die 
Serviette auf den Tisch Gut, so fuhr er allein ins 
Theater. 
Sie schob -den Deller zurück ... »Allein? Das 
hast du ja gewollt! Geh nur, eile dich, damit du 
nichts versäumst? Was wird şdenn gegeben?" fragte 
sie. 
Er wußte das gar nicht. »Eine Operette, 
glaube ich." 
Sie lachte spöttisch »Du weißt nicht einmal, 
was gegeben wird? Das ist sehr gut. Das Theater 
als Rendezrousplaß. Wozu brauchst du also meine 
Begleitung?" Plötzlich siel ihr die grüne Iagdeinla- 
dungskarte ein, die vor dem Spiegel draußen lag. 
»Ach, nun weiß ich auch, weshalb du die Jagd ab 
gesagt hast. Wie dumm, wie dumm... Das ist ein- 
fach eine abgekartete Geschichte... Henri geht auf 
die Jagd, seine Loge ist leer... Twin nimmt irgend 
einen Platz und in !der Pause — setzt man sich zu 
sammen ... Daß ich mitgehen würde, darauf hattet 
ihr gar nicht gerechnet —" 
Er sah, daß olles verloren war, ob er hinging 
oder wegblieb. 
Und sie bestand auf ihrem Nein... »Ich will 
Euch doch nicht stören." Wie konnte er ihr zumuten, 
sich neben die Fmu zu setzen, die sie haßte... Ja, 
sie haßte Frau de Fabry, sie hatte- sie vom ersten 
Augenblick an durchschaut. Sie vermied jede Gele 
genheit, sie zu sehen uud ihr die Hand geben zu müs 
sen. Aber sie suchte sie nicht auch noch aus... „Geh 
doch, geh", fügte sie hinzu, als er nach der Uhr 
blickte... »Es ist längst acht, die Vorstellung hat 
schon begonnen, sie wartet." 
Er versuchte einzulenken. Er hatte die Jagd 
abgesagt, ehe er von diesem Theaterbesuch etwas 
wußte, er hatte keine Zeit, in der Woche auf Jagd zu 
gehen, Henri Fabry konnte sich das einrichten, er 
nicht. Er wußte gar nicht, log er, daß Frau Fabry 
im Theater sein würde. Er hatte die Karten genom 
men, weil er Lust hotte, einmal ins Theater zu 
gehen. 
Sie hörte ihn ungläubig an. „Wenn man so 
selten !das Theater besucht wie du, pflegt man sich zu 
erkundigen, was es gibt", bestand sie, „oder es ist 
einem gleichgültig, was man sieht und man verfolgt 
mit dem Theaterbesuch andere Zwecke." Sie blieb 
zu Hause, sie wollte der Feindin den Triumph nicht 
gönnen, ihr mit verweinten Augen im Theater ge 
genüberzusitzen ... »Was mich so empört", fuhr sie 
fort, »ist, daß du gar nicht zu wissen scheinst, daß es 
schon anderen auffüllt mit dieser Anbetung." Ge 
stern auf dem Diner chatte sie Andeutungen von Da 
men darüber gehört. Ueber die Baronin Fabry 
hatte man ja immer geredet, das war ihr gleichgül 
tig, aber es war ihr nicht gleichgültig, was man über 
ihren Mann sprach »Man beträgt sich nicht wie ein 
junger Fant, wenn man erwachsene Söhne hat." 
Sie stand am Fenster, ihre Gestalt bebte vor 
Erregung. 
Bei solchen Ausfällen erstarrte Versen zu Eis. 
Er versuchte gar nicht, sich zu verteidigen. Was ging 
es ihn an, was ein paar Weiber über ihn klatschten. 
Er hatte die Freiheit, sich zu unterhalten, mit wem 
er Lust hatte, und wenn die Fabry interessanter war 
als die anderen, so unterhielt er sich eben lieber mit 
ihr... Er ging ins Theater, um sich zu erfrischen. 
Die ewigen Abendessen griffen ihn an. Sein Ge 
hirn war ihm wie ausgedörrt, Arbeit, Sitzungen, 
Fahrten über Land bei diesem Wetter... Er wollte 
einmal andere Bilder sehen, und er würde ins Thea 
ter fahren, ob sie mitkam oder nicht. 
Daraufhin hatte sie sich denn endlich entschlos 
sen, mitzufahren. 
Unüberzeugt, mit steifem Nocken und zuckenden 
Lippen, auf denen noch das letzte, verletzende Wort 
zitterte... Man gab eine neue Operette mit einem 
Gast aus Wien. Das kleine Theater war im Par 
kett ausverkaust. Der zweite Akt hatte eben begon 
nen. Troß der rotverschleierten Lampen, die wäh 
rend des Spieles in den Ecken der rottapezierten 
Logen glimmten, sah er Frau de Fabry sofort. 
Sie wandte sich um, als habe sie sein Blick ge 
rufen, legte -das Glas auf die Brüstung und grüßte 
stumm... 
Sie war allein in ihrer Loge. Der erste Rang 
war schwach besetzt, fast alle Seitenlogen waren leer. 
Wenn ich allein gekommen wäre, dachte er schmerz 
lich. 
Es hätte ihm genügt, stumm neben ihr zu sitzen, 
ihre Nähe zu atmen. Statt dessen bewachte man ihn, 
seine Gefühle waren in Fesseln gelegt. Die Freude 
an diesem Abend war ihm genommen. 
Er sah das feine Profil, überschattet von einer 
weichen großen schwarzen Hut, sich von dem Weinrot 
der Logentapete abheben. 
Auch sie schien ernst. 
Leilah hatte eine Stunde erlabt, wie man sie 
vor großen seelischen Veränderungen durchmacht. 
Sie war erst bei Beginn der Ouvertüre einge 
treten und hatte zu seinem Erstaunen die Loge neben 
sich leer gefunden. Er ist zum erstenmale nicht 
pünktlich, dachte sie. Die Ouvertüre rauschte an 
ihrem Ohr vorbei, die Logen füllten sich allmählich 
mit Fremden, drüben sah sie Vetter Arnands Glatze 
leuchten, neben sich seine Frau im Hermelinmantel, 
mit reihergeschmückter Frisur. Ihre großen Ohrge 
hänge funkelten. Armand grüßte herüber, Madame 
de Fabry übersah die Schwägerin stets. Diese Per 
sönlichkeit existierte nicht für sie. 
Worum kam er denn nicht? War etwas ge 
schehen? In den Logen ihr gegenüber saßen Offi 
ziere, die sich bei ihrem Eintritt grüßend erhoben. 
Der Vorhang wurde aufgezogen, die Loge blieb 
leer. 
Sie blickte nach der Bühne und sah, daß sich 
dort unten Mädchen in roten Miedern und seidenen 
Kopftüchern bewegten, deren Röcke mit Flitter ge 
stickt waren. Sie tanzten und sangen, die Männer 
trugen Sandalen und hatten weiße Lappen um die 
Beine gewunden. Offenbar war man in Italien. 
Sie sah gemalte Säulen und papierene Dattel 
bäume ... Und sie zerbrach sich den Kopf, warum er 
nicht kam. Er war so verläßlich sonst... er hatte 
ihretwegen die Jagd bei ihrem Vetter in letzter Mi 
nute abgesagt... Sie ahnte, daß irgend etwas ge 
schehen sein mußte 
Endlich ging die Logentür auf, eine große, 
schlanke Dame in perlgrauem Kleid trat ein. Hin 
ter ihr sah sie Versen. Er nahm dem Logenschließer 
das Programm ab und setzte sich. Dann sah er si« 
und sie grüßten sich. 
Er sah ernst und bleich aus und starrte gedan 
kenverloren in das dunkle Parkett, ohne die Bühn« 
zu beachten. Reben ihm saß aufrecht, wie eine 
Fremde, seine Frau. Als ob sie geahnt hätte, daß 
sie jemand beobachtete, wandte Frau Versen sich um 
und die Blicke der beiden Frauen kreuzten sich... 
»Du bist meine Feindin, laß dich anschauen. 
Dom ersten Augenblick an habe ich es gefühlt", sagte 
die blonde Frau. 
„Warum siehst du mich so an?" frv'gte die 
an'dere, „was habe ich dir geraubt? Doch nur das, 
was du selbst preisgegeben hast. Was du zu erhal 
ten niemals ernstlich bedacht warst: Die Liebe deines 
Mannes... Wenn er dich nicht mehr liebt, ist das 
meine Schuld? Soll ich deshalb die Augen nieder 
schlagen? Ist es ein Verbrechen, geliebt zu werden? 
Geliebt zu werden heißt gefallen. Das Weib gefällt, 
wenn es gefallen will. Das ist meine Schuld." 
Aber es flammte ihr ein solcher Haß entgegen, 
'daß sie sich abwandte. 
(Fortsetzung folgt.) 
Gemüse, Salate, 
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für darfst du dir Zuckerzeug kaufen." 
Lärchen rannte davon. Am Nachbargarten 
blieb sie stehen und rief über den Zaun: „So 
phie, Sophie!" Endlich tauchte ein rotes Kleid 
zwischen den Büschen auf. „Komm rasch mit in 
die Stadt, Sophie," bat Lorchen. 
Sophie besann sich nicht lange. Sie ries 
Ins Haus: „Ich gehe mit Lorchen!" und kam 
heraus zur Freundin. „Wo gehen wir?" 
„Durchs Mühlbachtal," antwortete Lorchen. 
„Da ist's schattig. Die Landstraße ist ja näher, 
aber zu sonnig. Komm, laß uns rennen!" 
Aber bald verlangsamten die Kinder ihre 
Schritte. „Ach, wie heiß!" seufzte Sophie und 
kniete am Bachrand nieder, um die Hände zu 
kühlen. Lorchen machte es ihr nach. „Guck mal, 
wie klar heute der Mühlbach ist," sagte sie. 
Langsam gingen sie am Ufer weiter. Jetzt war 
der Bach in Mauern eingefaßt. Ein kleiner, 
schräggemauerter Wasserfall kam den Kindern 
entgegen. Sie liefen über die kleine Schleuse, 
um zu sehen, wo der Bach geteilt wurde. „Hast 
du Papier, aus dem wir ein Schiffchen machen 
könnten?" fragte Sophie. 
„Nur das Geld," antwortete Lorchen. „Du, 
ich glaube, es ist schon sehr spät." 
Sie liefen jetzt ohne Aufenthalt bis an 
den Bäckerladen, der in einem der ersten Häuser 
der Stadt war. Lorchen kaufte ein und erhielt 
ein großes, flaches Paket und eine spitze Tüte. 
Lorchen und Sophie machten sich auf den 
Heimweg. Lorchen trug vorsichtig das große 
Paket im Arm. „Sophie, trag die Tüte! Nimm 
dir eins und gib mir auch." 
Weil sie nuu langsamer gingen, sahen sie 
die schönen Vergißmeinnicht, die am Bach blüh 
ten. „Ich pflücke einen Strauß für deine Mut 
ter!" rief Sophie. „Wenn ihr Besuch bekommt, 
müßt ihr auch Blumen auf den Tisch stellen. 
Sie bückte sich oft, und Lorchen sah ihr zu. 
Jetzt kamen sie an die kleine Schleuse. 
„Wenn du ein bißchen wartest, hole ich drüben 
von der Wiese die großen weißen Sternblu 
men," sagte Sophie und sprang bereits hinüber. 
Lorchen stand auf dem Mäuerchen und guckte 
ins Wasser. Sie bückte sich, um àem Fischlein 
zuzusehen. Plötzlich geriet das Kuchenpaket ins 
Nutschen, und ehe Lorchen zufassen konnte, fiel 
es ins Wasser. > 
„Sophie, der Kuchen schwimmt weg!" rief 
sse voller Schrecken. Die Freundin eilte herbei. 
»Er schwimmt gleich den Wasserfall hinunter!" 
ŗief sie und streckte die Hände aus, um den 
Kuchen aufzuhalten. Da fiel auch ihre Tüte 
und alle Blumen ins Wasser. 
„Meine Blumen." — „Meine Tüte!" — 
»Das Wasser fließt so schnell!" — „Wir fangen 
alles unten auf!" 
Flink liefen sie den Abhang hinunter. Hier 
floß das Wasser ruhiger, und richtig gelang es 
den Kindern, aus dem schmalen Vach Tüte und 
Kuchen herauszufischen. Aber wie sah alles 
aus! Das Wasser triefte daraus herunter. 
„Ob man das noch essen kann?" fragte 
Lorchen. 
„Warum nicht?" antwortete Sophie un 
sicher. „Wir nehmen das aufgeweichte Papier 
ab und wickeln den Kuchen in mein Taschen 
tuch. Es ist ganz rein." 
Dann liefen sie stumm nach Hause. 
„Der Kuchen ist unbrauchbar," sagte die 
Mutter ärgerlich. „Ich dachte, du wärst ver 
nünftiger Lorchen. Flink, Hans, nun mußt du 
doch in die Stadt. Nimm dein Rad!" 
Hans gehorchte. „Ich werde besser acht 
geben," sagte er und lachte die kleine Schwester 
tüchtig ans. 
Lorchen schlich in den Garten. An einer 
sonnigen Stelle breitete sie den verunglückten 
Kuchen aus. Er schien ihr nicht so sehr ver 
dorben. Das Zuckerzeug war allerdings ein 
vielfarbiger Klumpen. Die Sonne brannte 
Der Kuchen fühlte sich schon ganz warm an. Sie 
trug ein Stück zur Mutter. „Hier, Mutter, ich 
habe ihn getrocknet." 
Die Mutter lachte. „Das nützt nichts. Er 
bleibt ungenießbar. Hans hat anderen geholt." 
„Iß ihn nur selber!" neckte Hans. 
Da schlich Lorchen wieder davon. „Sophie!" 
rief sie über den Zaun. „Komm, willst du von 
dem Kuchen essen? Er ist nun trocken, aber die 
Mutter braucht ihn nicht." 
Sophie war gleich bereit. „Man darf doch 
nichts umkommen lassen." Aber er schmeckte 
wirklich nicht gut. Nach ein paar Bissen sahen 
sich die Kinder an, spuckten und lachten und be 
schlossen: „Wir tun ihn ins Schweinefutter. 
Aber das Zuckerzeug teilen wir beide, und Hans 
soll nichts davon haben. I l f e M a n z. 
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Dec Qecneqcaß. 
Guckt mal, dem ist alles zu groß! 
Die Schuhe, die Hos', 
der Hut viel zu weit, 
du meine Zeit! 
Ja, was ist denn das für einer? — 
Na, das ist doch unser Kleiner; 
der wär' schon gern ein Mann, 
zieht große Sachen an 
und läuft damit hinaus. 
Alls lachen ihn zwar aus, 
doch er denkt, er ist sehr fein, 
tend bild't sich noch was ein. 
8. Jahrgang 
Rendsburg, 4. August 
8. Iahrgau 
Das 2UctenßiißCein~ 
Es war einmal ein Hirtenbüblein, bas 
war wegen seiner weisen Antworten, die es 
auf alle Fragen gab, 'weit und breit be 
rühmt. Der König bes Landes hörte auch da 
von und ließ das Bübchen vor sich kommen, 
Da sprach er zu ihm: „Kannst du mir aus 
drei Fragen, die ich dir vorlegen will, Ant 
wort geben, so will ich dich halten wie mein 
eigen Kind, und du sollst bei mir in meinem 
königlichen Schlosse wohnen." — Sprach das 
Büblein: „Wie lauten die drei Fragen?" 
„Die erste lautet: wieviel Dropsen Was 
ser sind in dem Weltmeer?" 
Das Hirtenbüblein antwortete: „Herr 
König, laßt alle Flüsse der Erde verstopfen, 
damit kein Tröpflein mehr daraus ins 
Meer läuft, das ich nicht erst gezähl habe, so 
will euch sagen, wieviel Tropfen im Meere 
sind." 
Sprach der König: „Die andere Frage 
lautet: wieviel Sterne stehen am Himmel?" 
Das Hirtenbübchen sagte: „Gebt mir 
einen großen Bogen weiß' Papier", und 
dann machte es mit der Feder so viele feine 
Punkte darauf, daß einem die Augen über 
gingen, wenn man sie anblickte. Dann sprach 
es: „So viel Sterne stehen am Himmel, wie 
hier Punkte auf dem Papier. Zählt sie 
nur!" Aber niemand war dazu imstand. 
Sprach der König: „Die dritte Frage 
lautet: wieviel Sekunden hat die Ewig 
keit?" 
Da sagte das Hirtenbüblein: „In Hin 
terpommern liegt der Demantberg, der mißt 
eine Stunde in die Höhe, eine Stunde in die 
Breite und eine Stunde in die Tiefe; da 
hin kommt alle hundert Jahre ein Vögelein 
und wetzt sein Schnäbelein daran. Und 
wenn der ganze Berg abgewetzt ist, dann ist 
die erste Sekunde von der Ewigkeit vorbei." 
Da sprach der König: „Du hast die drei 
Fragen gelöst wie ein Weiser und sollst 
fortan bei mir in meinem königlichen Schloß 
wohnen, und ich will dich ansehen wie mein 
eigen Kind."- Gebr. Grimm. 
Eine gute üBeute. 
Ein kurzes, aber schönes Leben hatte 
mein Onkel Otto Harbeck. Nach sonniger Ju 
gendzeit verließ er das Elternhaus und trat 
bei Kriegsausbruch in die Armee ein. Bald 
wurde er zum Leutnant befördert und kam 
auf den östlichen Kriegsschauplatz. 
Eines Tages bekam er Befehl, sich mi> 
seiner Kompagnie einzuschiffen, um die In 
sel Oesel von den Russen zu säubern. Nach 
einer nächtlichen Fahrt durch minenver 
seuchte Gewässer langten sie auf Oesel an. 
Unhörbar wurde die Kompagnie ausge 
schifft. Kein Russe war zu sehen. Jetzt erhielt
	        
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