Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 3)

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Jur Unterhaltung 
Nr. 177 
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeikung (Rendsburger Tageblatt) 
Freitag, den 31. fjult 1931 
Die ewige Tatsrerrtrmke. 
Humoreske von W. Emil Schröder. 
Als grelles Morgenlicht durch di« Scheiben 
des Abteils dritter Klaffe brach, schreckte Gerda 
Rühland auf — und das gleichmäßige „Rattata — 
rattata" des v-Zuges erinnert« sie daran, daß sie 
ja auf der Reife nach München begriffen war. Zu 
gleich aber spürte sie, daß ihr Kopf nicht an der 
harten Holzwand, sondern auf einem weichen, et 
was bunt gemusterten Kiffen ruhte. Das Kiffen 
war vorher bestimmt nicht dagewesen 
Ihr Gegenüber verneigte sich freundlich: 
»Wünsche einen guten Morgen! — Ach so, das 
Kiffen! Seien Sie nicht böse, aber es tat mir 
weh, daß Ihr Kopf —" 
Gerda sah ihn mit leicht hochgezogenen Wim 
pern abweisend an: »Machen Sie sich um meinen 
Kopf keine Sorgen!" 
„Etwas kratzbürstig ist sie also auch!" stellte 
Doktor Thöns bei sich fest. Er griff zu seiner Zei 
tung, neigte sich etwas vor: „Wie Sie wünschen!" 
Sie begriff, daß der Ton ihrer Stimme ein 
wenig schroff gewesen war, und so fragte sie oben 
hin: „Sind wir bald in München? Meine Uhr 
ist leider stehen geblieben." 
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr: 
»Bald sechs Uhr. In einer Stunde sind wir in 
München." Und las weiter. 
Schüchtern fragte sie: „Die Gegend interessiert 
Sie wohl nicht?" 
Bedächtig faltet« er die Zeitung zusammen. 
»Ich fahre diese Strecke wohl zum achten Male. 
Interessant wird sie für mich erst hinter München." 
„Sie fahren auch weiter?" fragte sie in etwas 
wärmerem Ton. „Nach Kufstein? Ich auch. Zum 
ersten Male in dis Berge. Ich hoffe, es wird für 
mich ein Erlebnis. Wenn man zwanzig Jahre in 
Hamburg sitzt, bietet die See kaum etwas Neues." 
„Da pflichte ich Ihnen bei. See — sehr schön, 
das heißt, ein-, zweimal. Berge sind immer neu, 
ewig groß. Wenn meine Praxis es gestattet, fahre 
ich immer in die Berge." 
„Da können Sie — da sind Sie wohl ein guter 
Bergsteiger?" 
Er zuckte die Achseln: „Wie man es nimmt. 
Ich klettere nicht des Sports wegen, sondern des 
Erlebnisses halber. Diesesmal geht's zum Groß 
venediger, von Brambach aus, dann hinüber zum 
Kitzsteinhorn, von dort nach Zell am See." 
„llebrigens, sollten Sie auch in jene Gegend 
kommen," fuhr er eifrig fort, „in Zell am See 
Libt es ein Effen, wundervoll! Zu Fischgerichten 
kine Tatarentunke — ein Gedicht!" 
Sie mußte lächeln: „Die Liebe zu den Ber 
gen scheint bei den Männern ebenfalls durch den 
Magen zu gehen." 
„Keineswegs!" beteuerte Doktor Thöns, „aber 
Klettern macht hungrig." 
Sie wies mit dem Finger durch das Fenster: 
»Dort taucht München auf." 
Er trat neben sie, spürte die Wärme ihres 
Körpers wie einen Frühlingshauch herüber drin 
gen, sah ihr im Morgenlicht flammendes blondes 
Haar dicht vor sich, fein Atem wurde schwer. „Ja, 
das ist München. Sehen Sie die Türme der 
Frauenkirche?" 
Sie nickte beglückt, reckte sich ein wenig: 
„Wissen Sie, wenn man Jahr für Jahr an der 
Schreibmaschine saß, Jahr für Jahr die Sehnsucht 
nach den Bergen im Blut — und nun fliegt mast 
dieser Sehnsucht entgegen . . ." 
Er blickte sie ernst an: „Ich kenne den Berg- 
rausch. Man darf sich nur nicht überwältigen las 
sen. Auch auf höchsten Gipfeln nicht." 
Sie schlug die Augen nicht nieder: „Sie ha 
ben recht. Nicht überwältigen laffen." 
Als sie eine Zeit schwieg, fragte er leise: 
„Habe ich Ihnen die Freude verdorben?" 
Sie wehrte lebhaft ab: „Nein, im Gegenteil 
— ich danke Ihnen." In ihren dunklen Augen 
blitzte der Schelm auf: „Und wenn es mich doch 
überwältigen will, werde ich an die Tatarentunke 
denken." 
„Jetzt werden Sie boshaft. Eins Frage: 
Bleiben Sie noch etwas in München oder fahren 
Sie gleich weiter nach Kufstein?" 
Sie nickte. „Wenn Ihnen meine Gegenwart 
nicht lästig ist?" Er nahm ihr Lachen für Zusage. 
In Kufstein reichte er ihr die Hand, ließ sie 
nur zögernd los, sagte leise: „Auch diese Reise 
war für mich Erlebnis. Vielleicht sehen wir uns 
in Zell?" 
Gerda preßte die Lippen auseinander. „Viel 
leicht —“ 
Als vier Tage später Doktor Thöns den Auf 
stieg zur Schmittenhöhe hinter sich hatte, entstieg 
der Bergbahn eine munter schwatzende Schar von 
Ausflüglern. Er hörte ein bekanntes Lachen. 
„Sie hier, Fräulein Rühland?" Er schüttelte ihr 
in aufrichtiger Wiedersehensfreude dis Hand. 
„Ich denke, Sie wollten erst zum Kitzstein 
horn?" 
Kläglich erwiderte er: „Später. Dis Ta- 
tarentunks —" 
Sie mußte lachen. In stillem Einverständnis 
schlugen sie einen anderen Aufstieg ein. Schwei 
gend genossen sie vom Gipfel den märchenhaften 
Blick über die Bergriesen, die in die fast schmerz 
hafte Himmelsbläue ragten. Er schlug vor, den 
Abstieg zu Fuß zu unternehmen. 
Dann saßen sie wirklich in einem schattigen 
Wirtshausstübchen, aßen „Fogosch mit Tataren 
tunke", leise klangen die Gläser mit dem Terlaner 
aneinander. Gerda würde gesprächig, klagte ihr 
Leid, ihre Sehnsucht, wie sie drei Jahre für diese 
Reise gespart. Er nahm ihre kleine, schmale Hand 
in die seine, sprach ihr Mut zu. 
Und plötzlich wußte sie: Hier war Geborgen 
sein, Hafen für ein kleines Lebensschiff. 
„Warum ich erst nach Zell kam? Unsinn. 
Nicht wegen der Tatarentunke, Närrchen, sondern 
Deinetwegen. Wo willst Du hin?" 
Sie lachte glücklich: „Zur Wirtin. Sie muß 
mir unbedingt das Rezept geben. . 
Der König diktiert. 
Anekdote, erzählt oon' Hubert Slldskum. 
Zehn Jahrs nach dem Siebenjährigen war's. 
Mitten im Sommer, an einem blaugoldenen Nach 
mittag. 
Da steht Hintz, Königlich Preußischer Förster 
und ehemaliger Leibjäger, vor seinem Häuschen 
irgendwo im Schlesier Land, schmaucht die Pfeife 
und schaut wohlgemut nach dem Walde und den 
Höhen hinüber. Gut gefällt's ihm hier, recht gut 
sogar. Wahrlich, ein dankenswerter Einfall war's 
vom König, als der vor drei Jahren seinem alten 
Diener diesen Posten hier verlieh. Wenn's nur 
mit dem Häuschen nicht so trüb aussähe! Ist das 
Dach doch morsch und das Gemäuer bröcklig. 
Da poltert Hufgeklapper jählings in des alten 
Försters Denken, und wie er sich umschaut — ei, 
der Kuckuck! — springt aus einer Kavalkade ein 
Reiter vom Pferde, stützt sich auf den Krückstock 
und kommt geradeswegs auf ihn zu. Jst's nicht 
der König selbst? Wirklich und wahrhaftig! Und 
er spricht den alten Diener an. Hat sich seiner 
erinnert auf der Revue in Schlesien und fragt ihn 
nun: „Ist Er zufrieden mit Seiner Lage?" 
„Oh ja, Majestät," gibt Hintz zur Antwort, 
„und ich danke auch untertänigst für die Gnade, 
mich auf meine alten Tage so versorgt zu haben, 
aber. . ." 
Wie der Erünrock verlegen die Achseln zuckt, 
forscht der König: „Heraus mit dem Aber! Was 
kann es denn sein, da Er zufrieden ist, wie Er 
sagt?" 
„Meine Wohnung ist sehr baufällig," berich 
tet Hintz. „Sie stürzt mir bald zusammen." 
„Ja so, da kann ich Ihm nicht helfen. Er 
muß sich an die Kriegs- und Domänenkammer 
wenden." 
„Das habe ich schon dreimal schriftlich getan, 
aber ohne Erfolg. 
„Wer weiß, wie und was Er geschrieben hat! 
Mit der Feder wußte Er nicht recht Bescheid." 
„Ich habe gerade so geschrieben wie an Ew. 
Majestät selbst." 
„So laß Er hören, wie?" 
Hintz besinnt sich kurz, dann deklamiert er: 
„Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König! 
Allergnädigster König und Herr! —" 
„Und doch hat Er keinen günstigen Bescheid 
erhalten? Das ist unartig." Nachdenklich geht 
der König auf und ab. Dann wendet er sich dem 
Hause zu: „Komm Er! Hol' Er Feder, Tinte 
und Papier!" 
In der Försterstube knallt sich der König auf 
einen Stuhl, rückt den Dreispitz in den Nacken und 
befiehlt: „Nun schreib Er: ich werd Ihm dr?» 
tieren! Fang Er aber an wie sonst." 
Der Erünrock sitzt und schreibt: der Alte Fritz 
diktiert: „Seine Königl. Majestät befehlen Ew. 
König!. Majestät, die Wohnung des Försters Hintz 
a dato in vier Wochen spätestens in baulichen 
Stand zu setzen, widrigenfalls versichern Se. Ma 
jestät, daß Ew. Königl. Majestät ein Donner 
wetter auf den Schädel fährt." 
Jeh! fährt's dem Schreiber in die Glieder, und 
zitternd nur bringt er die Schrift zustande. 
„So, nun schließ' Er die Eingabe. Und dann 
geb' Er mir das Papier!" 
An den Rand schreibt jetzt der König: „Wenn 
dem Gesuch des Försters wieder nicht stattgegeben 
wird, so werde ich mit Ew. Majestät persönlich 
sprechen. Friedrich." 
Punktum. Dann reicht er Hintz die Hand, 
und fünf Minuten später stiebt die Kavalkade 
wieder weiter. 
Die Eingabe geht ab . . . zwei Tage darauf 
kommt per Extrapost eine Deputation der Kam 
mer, und nach vier Wochen hat der Hintz ein 
Häuschen ohne Fehl und Tadel. 
So ist's geschehen, wirklich und wahrhaftig. 
Noch jetzt erzählt man's sich im Schlesier Land 
bei Neiffs. 
Bsnîe Welt. 
Wertvolle Funde aus dem 12. Jahrhundert. 
In der Dorfkirche des kleinen Ortes Idensen 
in der Provinz Hannover, die nachweisbar im 
Jahre 1130 erbaut wurde, sind jetzt Wandmalereien 
aufgefunden worden, die nach Meinung von Fach 
männern etwa in der Mitte des 12. Jahrhunderts 
gemalt wurden. Es ist dies die gleiche Zeit, in der 
die schönsten und wertvollsten Stücke des Welfen- 
schatzes, der zum Teil durch Ankauf ins Ausland 
abgewandert ist, gearbeitet wurden. Es handelt 
sich dabei um Malereien, die auf ganz eigene Art 
und Technik entstanden zu sein scheinen. Auf jeden 
Fall hat man nirgendwo in Deutschland ähnliche 
Arbeiten gefunden. Da die Bloßlegung dieser Fres 
ken sehr kostspielig ist, war es bis jetzt nur möglich, 
einen Bruchteil derselben, etwa %, freizulegen. 
Ein Museum für christliche Kunst wieder 
eröffnet. 
Nachdem das bischöfliche Museum in Münster 
von Grund aus neu eingerichtet worden ist, 
wird es Anfang August wieder der Oeffent- 
lichkeit zugänglich gemacht werden. Die Stadt 
Münster wird durch das Museum um eine 
wichtige Sehenswürdigkeit bereichert: denn 
die Sammlung der gottesdienstlichen Gewän 
der, Altar- und Kanzelbekleidungen in den 
prächtigen italienischen Stoffen und die wert 
vollen Stickereien und Spitzen stellen einzig 
artige Dokumente der christlichen Kunst dar. 
Varonin tfabty. 
Bon Liesbet Dill. 
13) (Nachdruck verboten). 
In seinem Hause war es verpönt, von geschäft 
lichen Dingen zu sprechen, oder von Geld und Be 
sitz. Seine Frau, die selbst aus wohlhabendem 
Hause stammte, brachte Geldfragen kein Interesse 
entgegen. Die Sorge um diese Dinge überließ sie 
ihm. 
Wer Frau Fabry verstand es, selbst aus der 
trockensten Frage eine interessante zu machen. Sie 
fühlte, wie eng die geschäftliche Welt mit der politi 
schen zusammenhing, so daß oft der Stand der einen 
nur der Widerschein der Stimmung der anderen 
war und reagierte auf jede kleinste Aenderung der 
politischen Lage. 
Sie sprach oft von Politik, es ließ sich nicht 
vermeiden. Sie standen durchaus nicht auf dem 
selben Standpunkt. Sie war für Tyrannenherr 
schaft, aber sie tadelte den selbstherrlichen Stand 
punkt der Industriellen, die ihre Arbeiter wie un 
mündige Kinder behandelten. „Ich würde sie am 
Gewinn teilnehmen lassen, aber ihnen auch mehr 
Verantwortung geben. Ich würde die Intelligenten 
dort einsetzen, wo mit «dem Kopf gearbeitet wird, 
damit sie in die Leitung Einsicht bekommen und nicht 
die Welt aus den Angeln zu heben glauben mit 
einem Streck." 
Eie ließ sich indessen auch wieder belehren und 
hörte ihm aufmerksam zu. Er kam aus einer ganz 
anderen Welt. Und zwischen beiden stand — wie 
eine unsichtbare Mauer — die Grenze. Aber die 
Verschiedenheit ihrer Umwelt, der sie entstammten, 
shre Erziehung und Art bildete nichts Trennendes, 
im Gegenteil, es zog sie zueinander hin, es reizte 
ihre Neugier, stachelte sie an . . . 
„Wie alles bei Ihnen fest geordnet und klar 
dasteht", sagte sie. „Ich glaube, wenn die Fabrys 
Sie vor zehn Jahren hier gehabt hätten, stünde bei 
uns manches anders." 
„Sicher", lächelte er. „Vielleicht auch 
Manches zwischen uns ..." 
Sie sah ihn an und schwieg, - 
Sr hatte ihr den ganzen Schopenhauer und 
Nietzsche ins Haus geschickt, aber bei Kant streikte sie. 
In der Philosophie war sie nicht stark. Sie war 
durchaus unphilosophisch veranlagt, sie ging da ein 
fach nicht mii. Als er sie tadelte, daß sie den großen 
deutschen Philosophen den Einzug in ihr Haus ver 
weigerte, sagte sie: „Ich verstehe sie eben nicht, das 
ist mir alles zu verwickelt." 
„Wie können Sie das sagen als intelligente 
Frau, Sie wollen sich einfach nicht Mühe geben, zu 
denken." 
„Ich will mich nicht mit etwas überanstrengen, 
was ich doch niemals beherrschen werde", sagte sie 
einfach, „und ich tröste mich mit Goethe, den auch 
diese Philosophie nicht lag; „der gesunde Menschen 
verstand ist auch der meinige . . ." 
Es war entzückend, sie von der Liebe sprechen 
zu hören. 
Darin war sie Meisterin, sie wußte erotische Fra 
gen mit einer Selbstverständlichkeit, einem Takt u. 
einer Sicherheit zu lösen, die ihn frappierte. Was 
ihm psychologische Rätsel waren, entwirrte sie mit 
leichter Hand. Sie war dazu geboren, geliebt zu 
werden und zu lieben. Alles, was in dieses Fach 
schlug, war ihr bekannt. 
Er verließ sie niemals unbereichert. Die Stun 
den in ihrem roten Salon verflogen ihm immer so 
rasch, daß er sich nur mit Bedauern verabschiedete. 
Er freute sich auf sie, er konnte sie kaum erwarten, 
sie waren ihm wie ein geistiges Bad. , 
Einmal sprachen sie über die flirtenden Frauen. 
„Ich habe für alle Leidenschaften ein Verständnis", 
sagte sie. „Und was heißt „Schuld"? Sie büßen 
ja alles ab. Liebe ohne den Besitz ist etwas Un 
mögliches", behauptete sie. Das Wort „platonische 
Liebe" fand sie lächerlich. „Es gibt keinen Sieg 
ohne den Besitz." 
Allmählich fühlte er, daß er ihre Denkungs 
art annahm. Ihr starker Einfluß machte sich gel 
tend. Er dachte über sie nach, ohne zu einem 
Schluffe zu kommen, sie beschäftigte ihn unauf 
hörlich. Ueber Musik, Literatur und Malerei strit 
ten sie sich oft. Sie hatte mehr gesehen als er, 
aber er wußte mehr. Sie behauptete zwar, es fei 
„zusammengelesen". „Ein Straußsches Lied, ein 
Nocturna, muß durchgemacht fein. Eine Don-Iuon- 
Sinfonie muß gelebt fein . . 
Troß ihres starken Sinnes für Realität hatte 
sie einen Hong zur Romantik und war sehr aber- 
, gläubig. Sie ließ ihren Wagen halten, um sich 
' von landfremden Zigeunern ihre Zukunft aus der 
Hand wahrsagen zu lassen und glaubte daran, was 
ihr die Somnambule in Brüssel auf der Ausstel 
lung prophezeit hatte. Sie ließ sich Horoskope 
stellen und suchte jedes Jahr eine Hellseherin in 
Paris auf, von der sie sich Ratschläge geben ließ. 
„Was hat sie ^nen denn von mir gesagt?" 
fragte er. 
„Das werde ich mich hüten. Ihnen zu sogen. 
Sie hat mich aber vorbereitet . . ." 
„Auf was?" 
„Auf — Sie . . ." 
„Und gewarnt?" 
„Auch das." 
„Bor mir?" fragte er erstaunt. 
„Vor — Briefen", sagte sie ernst. 
„Ah, deshalb schreiben Sie mir nicht?" rief er. 
Aber auf dieses Thema wollte sie durchaus 
nicht eingehen. Sie wich aus. „Lassen wir das. 
Sie glauben ja doch nicht daran." 
Er hatte früher Regentage und Rebel gehaßt, 
und der November war ihm der unangenehmste 
Monat. Jetzt fand er, daß das graue weiche Wet 
ter der Gegend stünde. Und ihre Spaziergänge im 
Nebel, zu denen sie sich an dunklen Tagen am 
Waldrand trafen, war ihm dos Schönste. Er be 
gann den Nebel zu lieben, der über -dem Lande 
lagerte. 
Und diese Stunden am Kaminfeuer, wenn die 
rosa Vorhänge zugezogen waren und man nichts 
mehr sah von der Welt da draußen und nur den 
Regen gegen die Fensterscheiben schlagen und die 
Uhren im Hanse ticken hörte wie aus weiter Ferne 
und er nichts sah wie ihr schönes Gesicht und ihre 
spielenden Hände und nur ihre Stimme hörte, diese 
musikalische, weiche dunkle Stimme . . . Zusammen 
gekauert vor dem Kaminfeuer, hörte sie ihm zu. Er 
erzählte aus seiner entbehrungsreichen Jugend, 
seinem einfachen, arbeitsreichen Leben, seiner Ehe. 
Mit keinem Menschen hatte er jemals diese intim 
sten Dinge berührt, aber mit ihr, das war etwas 
anderes. Es kam ihm vor, als fei er mit ihr hier 
oben in einer andren Welt . . . abgetrennt von 
der Wirklichkeit. Und immer dachte er, sie fei nicht 
zu Hause, als verlöre er sie bald, oder sähe sie 
dann niemals wieder. Er träumte oft, daß er sie 
verloren habe und vergebens nach ihr suchen ging. 
Und erwachte erschreckt und eÄöst . . * 
Er sehnte sich die ganze Woche nach diesen Tee 
nachmittagen und sagte an diesem Tage olles an 
dere ab, unter dem Vorwand von Geschäften. Sie 
hatte ihn gewarnt, irgend jemand zu sagen, wohin 
er, ginge. 
„Kommen Sie immer erst, wenns dunkelt, es 
darf Sie niemand bei' mir regelmäßig aus- und 
eingehen sehen, nicht meinetwegen, sondern Ihret 
wegen", setzte sie warnend hinzu. 
„Und Ihre Diener?" meinte er. 
„Meine Leute sind diskret, ich kann mich auf 
sie verlassen." 
* 
Wenn er nach solchen Stunden sein hohes, 
stilles Haus betrat, war es ihm, als ob er auf 
einem anderen Planeten gewesen sei, und diese alt 
bekannte Welt kam ihm so öde vor und so leer. 
Run weiß ich doch wenigstens, daß ich lebe, dachte 
er . . . 
Frau Versen war gewöhnt, sich mit Tatsachen 
abzufinden. Sie hatte sich dareingefunden, in einem 
Lande zu leben, in dem es ihr nicht gefiel. Das 
Jahr der Verbannung würde ja vorüber gehen. 
Ihr Mann hatte ihr gesagt, daß er nicht daran 
denke, sich zu binden. Sie wußte, daß der Vertrag 
mit den Fabrys noch nicht unterzeichnet war. Aber 
sie wußte nicht, daß diese Unterschrift jeden Tag 
einen Entschluß besiegeln konnte, der sie für immer 
in diesem Lande, „an dieser verlorenen Ecke" fest 
hielt. Versen schob es immer wieder hinaus. Und 
von der anderen Seite bedrängte man ihn nicht. 
Man wollte ihn sich erst in Ruhe einleben lassen. 
Und ihr schien es selbstverständlich, daß er es auf 
einem in jeder Beziehung so heißen Boden nicht 
lange aushielt. Seit sie hier lebten, dachte Frau 
Versen über vieles noch, das ihr früher so einfach 
erschienen war. Erotische Fragen lagen ihr nicht 
Sie waren ihr unangenehm, wie eine Berührung 
mit etwas Unreinem. 
lFortfetzung folgt.) 
8äöns wei®@ Zähne W î&ffi 
rnmsaitssmtsxKiJBEBaxBasrssammmBisBmm Ihnen mein* 
aröhte Anerkennung und vollste Zufriedenheit über die „CHIoro- 
dont-Zahnpaste" zu übermitteln. Ich gebrauche „Chlorodont" schon 
seit Jahren und werde ob meiner schönen weihen Zähne oft be 
neidet, die ich letzten Endes nur durch den täglichen Gebrauch Ihrer 
„Ehlorodont-Zahnpaste" erreicht habe." E. .Reichest, Sch.... 
Man verlange nur die echte Ehlorodont-Zahnpaste, Tube 64 Pf. 
und 30 Pj., und ©eile jeden Erfatz dafür zurück.
	        
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