Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 3)

124- Jahrgang. 
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124. Jahrgang. 
j Lnzeîgenpreisr Dir 10 gespaltene Kolonelzêîle 25 'J& 
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Kt. 153 \ 
Freitag, den 3. Juli. 
Amerika setzt sich durch. 
M MWAllWlMW Ml ton MW. 
Paris, 2. Juki. Soeben wird bekannt, daß 
bas französische Kabinett das amerikanische Aide- 
Memoire als Grundlage einer vollen Verständi 
gung ansteht. Eine vom Finanzminister Flandin 
ausgearbeitete Antwortnote wurde vom Minister- 
rat gebilligt, in der Frankreich in den noch schwe 
benden Streitpunkten folgende Stellung ein 
nimmt: 
1 Die gestundete Annuität, wie die Amerikaner 
Es vorschlagen, in einem Zeitraum von 25 Jah 
ren nachbezahlt werden. 
L Frankreich verzichtet auf Kreditabzweigungen 
48» der Annuität für außerdeutsche Länder. 
3, Frankreich erklärt sich mit den Zusicherungen 
der Amerikaner hinsichtlich des von Frankreich 
zu stellenden Garantiefonds bei der Bank für 
rnternationals Zahlungen einverstanden. 
Einige Detailpunkte sind noch zu regeln, doch 
hofft mau, daß nun einer raschen Einigung keine 
Schwierigkeiten mehr im Wege stehen. 
* 
Der weltbekannte schwedische National- 
Skonmn Prof. Cassel kritisiert tm heutigen 
Leitartikel von „Svenska Dagblaöet" das Ver 
halten Frankreichs zuin Hoover-Vorschlag au- 
herordnentlich scharf. Frankreich wolle, so 
sagt Cassel, gern dabei sein, wenn andere Län- 
btt sich für ein gemeinsames Weltwirtschafts 
interesse aufopfern, wenn es sich nur nicht 
selbst daran zu beteiligen brauche Frankreichs 
Forderungen seien immer „heilig", weshalb 
sollten nicht auch die Forderungen der Verei 
nigten Staaten ebenso heilig sein?" Cassel er 
innert dann an die großen Zugeständnisse, die 
Amerika in der Schulöenfrage Frankreich ge 
macht habe, da letzteres angeblich damals nicht 
habe zahlen können. Inzwischen habe jedoch 
Frankreich riesige Goldmengen angehäuft, mit 
denen es gar nichts anzufangen wisse. Die 
fmnzösische Stellungnahme sei nicht folgerich 
tig, da Frankreich einerseits die Vorteile des 
Hoover-Planes genießen, andererseits aber 
Deustchland nichts zugestehen wolle. Sollte 
Deuftchlanö gezwungen werden, die von ihm 
gezahlte und über die B. I. Z. zurückgeliehene 
Suvrure nach Ende des Gnadenjahres zu zah 
len, so ware der Hoover-Plan völlig wertlos. 
Daß es sinter dem Druck Amerikas, wenn der 
Präsident «lrkllch Amerikas Macht und Einfluß 
gegen Frankreich einzusetzen willens war, zu einer 
Verständigung rn Paris kommen würde, haben 
wir gestern angedeutet. Sowohl der Prestigever 
lust Frankreichs unter den Völkern als auch die 
wirtschaftlichen Nachterle wurden so stark sein, daß 
Frankreich das Scheitern der Verhandlungen nicht 
auf sich nehmen konnte. Die letzte wesentliche 
Meinungsverschiedenheit wegen der 500 Millionen 
Garantiesumme wird auch noch aus der Welt ge 
schafft werden. Amerika drängte gegebenenfalls 
auf eine Konferenz der Signatarmächte des 
Youngplanes, zu der England nicht allein bereit 
war, sondern sogar eine diesbezügliche Einladung 
erlassen hatte, die aber Frankreich höflichst dan 
kend abgelehnt hat, vermutlich weil das Pariser 
Kompromiß mit Amerika genügend weit fortge 
schritten war. Die Amerikaner haben ihnen das 
Nachgeben durch bestimmte Zusicherungen erleich 
tert, über die materiell noch nichts näheres be 
kannt ist. Die Engländer haben eingegriffen, und 
Zwar mit dem Vorschlag, die Zahlung der 500 
Millionen, die eventl. nächstes Fahr an den Ea- 
rantiefonds der B.J.Z. zu leisten wäre und die 
Frankreich uns zuschieben wollte, gänzlich fallen 
z» lassen. Wie sehr der chauvinistische Geist 
gerade t tt diesen Tagen Frankreich überschattet, 
şş autz aus der Kammerdebatte über Marrne- 
XL b > 1cr Gelegenheit hat eine 
asslzlsille şiftontichkLit, nämlich der französische 
Marl's^' . " einem chauvinistischen Vorschlage 
zngestn'Şt' ņ°ch welchem der neue Panzerkreuzer 
m und der IN Aussicht genommene Panzerkr.011101- 
23 auf R-paànsronto an Frankreich avà 
kert ivErdcn fol n. Daß eine offizielle Perlön- 
Ģ-t eivo-r derartigen Vorschlag, der einem Witz 
blatt entnommen zu werden würdig wäre, ernst 
nimmt, läßt deutlich die gefühlsmäßige Einstel 
lung der chauvinistischen Franzosen erkennen. Wie 
stark die Tendenz weiter von der Kammer her sich 
auswirkt, Störungsversuchs zu machen, geht auch 
aus dem Kampf der äußersten Rechten gegen eine 
Ausschaltung des Parlainents in diesem Augen 
blick hervor. Man will sich nicht „vertagen" lassen. 
Man wünscht als Kammer bei der Entscheidung 
nicht ausgeschaltet zu werden, um möglichst viele 
Fußangeln in der großen Hoover'schen Aktion un 
terzubringen. Ein weiterer wesentlicher Faktor 
eines Kompromisses dürfte eine Kreditaktion für 
die kleineren Mächte sein, die Amerika übernehmen 
soll zugunsten des Ausfalls auf Neparationskonto. 
Die endgültige Entscheidung dürfte in einer heu 
tigen Sitzung fallen. Amerika hatte nochmals 
zugestimmt, die letzten entscheidenden Verhandlun 
gen auf Freitag zu vertagen. Der tiefste Grund 
für die Verschiebung ist wohl vor allem darin zu 
erblicken, daß die französische Regierung im Prin 
zip bereits entschlossen ist, die amerikanischen Vor 
schläge im wesentlichen anzunehmen, und daß nun 
die zuständigen Ressortminister in Paris die Eini- 
gungsformel noch genau ausarbeiten müssen. 
Das ftsnZWsche KÄmeîî schlicht à 
MWS RsWWmH à 
TU. Paris, 3. Juli. Die Mitternachtaus 
gabe öes „Mattn" beschäftigt sich mit öer Hal 
tung der französischen Regierung gegenüber 
der Denkschrift Hoovers und stellt in der 
Ueberschrift fest, daß daS Kabinett ein gerech 
tes »nd billiges Kompromiß erstrebe, wobei 
es jedoch gleichzeitig den im Parlament über 
nommenen Verpflichtungen treu bleiben wol 
le. Diese an und für sich nichtssagende Aeuße 
rung des „Mattn" scheint erneut zu bestätigen, 
daß sich die sranzsische Regierung zn einer 
nachgiebigeren Haltung gegenüber Washing 
ton entschlossen hat. 
TU. Washington, 3. Juli. Die amtlichen 
Kreise verweigern jede Stellungnahme zu den 
Pariser Einigungsmelöungen. Der stellver 
tretende Staatssekretär Castle erklärte: „Der 
Verlauf öer Pariser Verhandlungen ist vor 
trefflich. Wir sind sehr optimistisch bezüglich 
öes Ergebnisses." 
Am 2t IM im ßMg. 
Die Zollunion vor dem Internationalen 
Gerichtshof. 
Haag, 2. Juli. Die Eröffnung öes münd 
lichen Verfahrens in der Angelgenheit öer 
deutsch-österreichischen Zollunion ist im Stän 
digen Jnternattonalen Gerichtshof ans den 20. 
Juli vormittags, festgesetzt worden. 
Schwere Msschràngen m Spanien. 
Ein Kloster in Brand gesteckt. 
TU Madrid, 3. Juli. (Erg. Funkmeldung.) 
Nach einer Syndikalistenversammlung kam es am 
Donnerstagabend in La Coruna zu schweren Aus 
schreitungen. Die Versammlungsteilnehmer zogen 
in geschlossenem Zug durch die Stadt und steckten 
das Kapuziner-Kloster in Brand. Rach wenigen 
Minuten stand das Gebäude in Hellen Flammen. 
Dis Feuerwehr mußte sich darauf beschränken, das 
Uebergreifen des Brandes auf die benachbarten 
Häuser zu verhindern. Als die Polizei versuchte, 
die Brandstifter zu verhaften, wurde sie vom Pö 
bel mit Steinen und Stöcken angegriffen, so daß 
Militär zur Wiederherstellung der Ordnung ein 
gesetzt werden mußte. Das Militär machte von 
der Schußwaffe Gebrauch. Zahlreiche Verletzte 
blieben am Platz. 
Zwei Tote. 
Bomben-Explosion in Nom. 
TU. Nom, 2. Auf dem kleinen 
Güterbahnhof im Quartiere Portonaccio, ei 
nem östlichen Arbeiterviertel Roms, ist heute 
gegen 11,30 Uhr eine Bombe explodiert, und 
hat zwei Tote und einen Verwundeten ge 
fordert. Die Bombe befand sich in einem 
Güterwagen. Die Wirkung der Explosion war 
außerordentlich stark, so daß die Fensterschei 
ben der umliegenden Häuser gesprungen sind. 
Der betreffende Güterwagen war heute mor 
gen auf dem Hauptbahnhof in Rom eingegan 
gen. Dem Aufsichtspersonal war dort aufge 
fallen, daß von dem Güterwagen sämtliche 
Siegel entfernt waren. Der Wagen wurde 
daher auf den vorerwähnten kleinen Güter 
bahnhof abgeschoben, um dort entladen. zu 
werden. Er enthielt Tabak und Unterkleider 
und kam von öer französisch-italienischen 
Grenze her. Von den Tätern ist bisher keine 
Spur vorhanden. Es ist aber anzunehmen, 
daß auch dieser Anschlag in den Rahmen der 
in öer letzten Zeit aus Bologna, Turin und 
Genua gemeldeten Terrorakte gehört. Der 
Anschlag hat in der Bevölkerung Roms er 
hebliche Entrüstung hervorgerufen. Die Op 
fer des Anschlages werden wahrscheinlich auf 
Staatskosten feierlich beerdigt werden. 
Die Nachricht von dem Attentat gegen den 
Fonds für Unterstützung italienischer Arbeiter 
in Paris hat in der ganzen italienischen Pres 
se Entrüstung hervorgerufen. Alle Blätter 
widmen dem barbarischen Terrorakt lange 
Berichte. Das halbamtliche „Giornale d'Jta- 
lia" stellt n. a. fest, daß in Frankreich nur 
einige Zehntausend Italiener vorhanden sei 
en, während 10 Millionen Italiener in der 
ganzen Welt zerstreut wären, und doch fänden 
derartige Verbrechen fast nur in Frankreich 
und hauptsächlich in Paris die Voraussetzun 
gen, um sich in ihrer kriminellen, wenn auch 
nutzlosen Verruchtheit immer zu wiederholen. 
Bombenanschlag aus ein italienisches Arbeitsamt 
in Paris. 
TU. Paris, 2. Juli. Zn den Abendstunden 
des Mittwoch wurde auf ein italienisches Arbeits- 
vermittelungsbiiro in Paris ein Bombenanschlag 
verübt, durch den vier Italiener lebensgefährlich 
verletzt wurden. Die Polizei ist der Auffassung, 
daß es sich nicht um einen politischen Anschlag, 
sondern um einen Racheakt handelt. 
* . * 
Zer MmmchsZl zwischen Norwegen 
rmd Dänemark. 
Kopenhagen, 2. Juli. Die Note der norwe 
gischen Regierung über die Grönland-Frage ist in 
Kopenhagen eingetroffen und wird heute zum 
Gegenstand der Erörterung in einem Ministerrat 
und in dem außenpolitischen Ausschuß gemacht. 
Der wörtliche Inhalt wird noch nicht bekannt ge 
geben. Die Antwort der dänischen Regierung wird 
sofort nach den Sitzungen abgegeben. 
Die norwegische Regierung hat bis heute noch 
nicht endgültig Stellung zur Okkupation genom 
men. Dies wird wahrscheinlich erst erfolgen, wenn 
die Antwort der dänischen Regierung in klaren 
Worten vorliegt. 
Inzwischen hat der Norweger-Deoold, der zu 
sammen mit seinen Kameraden die Annexion im 
Namen des norwegischen Königs durch das Hissen 
der norwegischen Flagge vornahm, der norwegi 
schen Regierung hiervon telegraphisch Mitteilung 
gemacht und er bittet die Regierung, die Hand 
lung anzuerkennen und das Gebiet unter norwe 
gische Staatsoberhoheit zu nehmen, da dies das 
einzige sichere Mittel zur Wahrnehmung der nor 
wegischen Erwerbsinteressen in Grönland fei. 
Zar HMuM-PkoSlein. 
Ein großer Teil der Auslandspresse Ve- 
schäftigt sich seit den letzten außenpolitische» 
Schritten Oesterreichs mit der Habsburger- 
Frage. Insbesondere wollen nach den gewiß 
nicht bedeutungslosen Zusammenkünften der 
Exkaiserin Zita mit dem Papste und dem 
König Italiens die mannigfachen Deutungen 
einer habsburgischen Wiederkehr keine Ruhe 
finden. 
Unmittelbar nach dem Kriege bedauerten 
Frankreich und England den völligen Zusam 
menbruch der österreichisch-ungarischen Mo 
narchie. Es wurden in der Schweiz durch die 
Gesandten Frankreichs und Englands noch 
Besprechungen wegen Erhaltung einer Mo 
narchie im verkleinerten Oesterreich und im 
verkleinerten Ungarn geführt, die jedoch zu 
keinem Erfolge führen konnten, weil in Oester 
reich die Republik bereits ausgerufen wurde 
und die Ausrufung der ungarischen Republik 
unmittelbar bevorstand. Daß aber Frankreich 
und England auch später noch die Wiederher 
stellung einer Donaumonarchie auf den Ge 
bieten des heutigen Oesterreichs und des heu 
tigen Ungarns wünschten, ging klar daraus 
hervor, daß Frankreich in voller Kenntnis der 
Plltschpläne des Exkaisers Karl war und daß 
England diese Pläne zumindest ahnte und 
ihnen nicht entgegentrat. Daß diese beiden 
Staaten dann beim Putsch formell protestier 
ten, war insbesondere mit Rücksicht auf die 
Bindungen Frankreichs zur Tschechoslowakei 
und zu Jugoslawien selbstverständlich. Als 
dann diese Pläne an der Untauglichkeit der 
mitwirkenden Personen scheiterten und der 
Träger des Restaurationsgedanken — Exkaiser 
Karl — starb, blieb es lange still. 
Seit dem heurigen Frühjahr, insbesondere 
seit der Aufrollung des deutsch-österreichischen 
Zollunions-Gedankens kam aber wieder reich 
lich Bewegung in die Restaurationsidee. Der 
Spiritus rector ist zweifellos Prinz Sixtus 
von Bourbon-Parma, der Bruder und Bera 
ter der Exkaiserin Zrta. Seine wiederholten 
Reisen nach Budapest, Belgrad und Bukarest 
fielen allgemein auf. Er ist auch ein Vertrau 
ter des französischen Außenministers Briand, 
er ist weiter Prätendent auf den Thron 
Zwischenruf. 
Ansätze zu einer Reichsreform sind unter al 
len Umständen zu begrüßen, auch wenn sie, näher 
betrachtet, sich noch so geringfügig ausnehmen. 
So hörte man dieser Tage mit Genugtuung, 
daß nun auch der Freistaat Bayern seine Gesandt 
schaft bei der preußischen Regierung aufgehoben 
hat. Herr von Preger, der dieses Amt mit An 
mut und Würde versah, ist von seinen amtlichen 
Pflichten entbunden. 
Es tut dabei wenig zur Sache, daß Bayern 
diesen Schritt aus einer gewissen Verärgerung 
heraus ausführte. 
Preußen hat bekanntlich vor einiger Zeit 
seine Gesandtschaft in München aufgelöst. Bayern 
konnte garnicht anders, es mußte mit gleicher 
Münze heimzahlen. „ 
So wurde aus der Verärgerung "ein 
Reichsreförmchen. Das ganze illustriert 
deutsche Einigkeit! 
* 
Wie „einig in seinen Stämmen" Deutsch 
land auch in anderen Bezirken ist, dafür ein 
Beispiel in unserer engeren Heimat. 
Da gibt es die bekannte Hamburgische Ex 
klave Wohlöorf. Kein preußischer 
Schüler darf die h a m b u r g i s ch e Schule in 
Wohldorf besuchen. 
Desgleichen dürfen die preußischen 
Ortschaften zwischen Hamburg und Wohl 
dorf kein hamburgisches Gas entneh 
men, obgleich die Rohrleitungen durch ihre 
Dörfer gehen. 
Wenn man aus „guten alten Zeiten" be 
richtete, würde man bestimmt von Schild-- 
bürgerei sprechen. 
Aber die Tatsachen bestehen im Jähre des 
Heils 1931, 60 Jahre nach 70/71 und 12 Jahre 
nach Weimar.
	        
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