Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 2)

Ostern im Lerchen ö§L Liede. 
Vatmkätzchen mb Veikchsn. 
Fräulein Annemarie, die Tochter eines 
Chemnitzer Fabrikanten, hatte einen bösen 
Winter hinter sich. Sie hatte den letzten Fa- 
sching ihrer Mädchcnzeit vergnügt in Dres 
den verbringen wollen, wo ihr Bräutigam 
lebte, ihr zukünftiger Gatte war iedoch so 
eifersüchtig gewesen, daß es schließlich we 
gen einer geringfügigen Kleinigkeit zum 
Bruche zwischen den beiden Menschen gekom 
men war. Ter Verlobte der Dame hatte abc * 
um so weniger Veranlassung zu Szenen ge 
habt, als sie ihn wirklich von Herzen liebte. 
Nur grundlos tyrannisieren wollte sie sich 
nicht lassen, und sie wußte selbst nicht, wie so 
die letzte Auseinandersetzung so traurig ge 
endet hatte. Unglücklich kehrte sie in die H-i- 
matsiadt zurück, und die Frühlingssonne 
schien sür sie nur in ein zerrissenes Mäd- 
chenherz. Schmerzlich dachte sic daran, daß im 
Vorjahr um diese Feit alltäglich ein reizen 
des Arrangement von Palmkätzchen und Veil 
chen für sie abgegeben worden war. eine Auf 
merksamkeit des Geliebten, damals noch nicht 
ihr Vr"ntigam. Dann die Verlobung am 
Ostersonntag. der die Hochzeit im nächsten 
Fahre hätte folgen sollen. Tie ganze Auf- 
erstehungszeit der Natur war für sie voll von 
schmerzlichster Erinnerungen, und sie sprach 
ernstlich davon, den Schleier nehmen zu wol 
len. Am Palmsonntag ereignete sich etwas 
Unerwartetes: Für Annemarie wurde ein 
Arrangement ans Veilchen und Palmkätzchen 
abgegeben, wie im Vorjahre. Kein Work des 
Grußes war dabei, doch das jung? Mädchen 
zweifelte nicht daran, daß ihr ehemaliger 
Bräutigam der Spender sei. Als sich die Blu- 
mensendungcn mehrere Tage wiederholt hat 
ten, depeschierte sie an den noch immer Ge 
liebten: „Herzlichen Tank, erwarte Dich bal 
digst!" Ter junge Mann konnte sich die Wor 
te nicht erklären, da er jedoch nicht weniger 
Sehnsucht nach seiner einstigen Braut emp 
fand als diese nach ihm, setzte er sich in sein 
Anw und fuhr nach Chemnitz. Als er dort 
den Tatbestand erfuhr, wäre beinahe seine 
Eifersucht wieder erwacht, denn er hatte den 
Mut nicht aufgebracht, der jungen Lame Blu 
men zu schicken, folglich mußte die Aufmerk 
samkeit von jemandem anderen stammen. Ein 
Besuch in der Blirmenhandlung, von der die 
Sträuße geschickt worden waren, brachte je 
doch die originelle Aufklärung. Durch einen 
merkwürdigen Zuşall war der Zettel mit der 
vorjährigen Bestellung nicht vernichtet worden 
und gerade vor den Osterseiertagen wieder 
zum Vorschein gekommen. Man hatte an 
einen neuen Auftrag geglaubt uud diesen 
ausgeführt. Das junge Paar segnete den Zu 
fall und wird jedenfalls glücklichere Ostern 
gefeiert haben als dies Fräulein Annemarie 
noch vor wenigen Wochen für möglich ge 
halten hätte. 
Die îràttttê 
Ungefähr ein Fahr hindurch begegnete die 
elegante, junge Chemikerin auf ihrem tägli 
chen Wege in das Laboratorium der großen 
Fabrikniedertage, in der sie angestellt war. 
immer an der gleichen Straßenecke einem jun 
gen Btanne in einem roten Kabriolet. Bei 
Sonnenschein und Regen, bei Schnee und 
Sturm stand der Wagen an der gleichen 
Stelle, immer fahrbereit und immer ausse 
hend. als wäre er eben an dem Ueberşahren 
der Straße durch ein Haltesignal gehindert 
worden. Tie junge Dame glaubte auch nichts 
anderes, hätte jedoch etwas vermißt, wenn 
das Auto eines Tages nicht an der gewohnten 
Stelle gestanden hätte. Sie ahnie nicht, daß 
sein Besitzer täglich ans sie, in der er eine Art 
Mascotte sah. wartete. Nu» ereignete es 
sich aber, daß die Firma, bei der sie angestellt 
war. die schon ein wenig altmodisch geworde 
nen Laboratoriumsräume ausgab und ihre 
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Bcrsuchswcrkstätte in einem hellen, neuen 
Anbau der eigenen Fabrik an der entgegen 
gesetzten Seite der Stadi unterbrachte. Ter 
tägliche Weg der Chemikerin erhielt dadurch 
eine andere Richtung und zu seinem Entset 
zen mußte der junge Mann feststellen, daß die 
schöne Frau, die ihm bisher täglich begegnet 
war, nicht mehr kam. Zuerst glaubte, ja, 
hoffte er, sie sei leicht erkrankt und sand sich 
auch weiterhin an der Straßenecke ein, doch 
sie kam nicht wieder. Da mußte er sich mit 
dem Gedanken abfinden, daß sie entweder ver 
reist oder gar gestorben sei. Fetzt erst kam er 
darauf, wie lieb ihm die zarte, graziöse Ge 
stalt. das reizende Gesicht seiner Unbekannten 
geworden waren. Fhr Verlust betrübte ihn 
mehr. als er sich eingestehen wollte. An einem 
der ersten schönen FrühUngssonntage nun, 
da die Wege noch zu sehr aufgeweicht sür grö 
ßere Touren waren, saß er im Sonnenschein 
auf der Brühlschen Terrasse und genoß die 
Annehmlichkeit des schönen Wetters. Gleich 
gültig musterte er die Menge ringsum, die sich 
angeregt unterhielt, mit einem mal aber ver 
schärfte sich sein Blick. Saß da nicht seine ver 
schwundene Unbekannte ganz allein, nur von 
den Sonnenstrahlen in eine leuchtende Glo 
riole gehüllt? Er war sich dessen kaum be 
wußt, daß er von seinem Platze weg zu ihr 
hinstürzte und sie wie eine alte Bekannte be 
grüßte. Doch auch sie hatte gar nicht das Emp 
finden, plötzlich von einem Fremden angespro 
chen zu werden, auch sie hatte bedauert, ihre 
tägliche Begegnung vermissen zu müssen m ' 
freute sich ungemein, den Automobilisten wie 
der zu sehen. Ans seine Ritte, bei ihr Platz 
nehmen zu dürfen, nickte sie gewährend, bald 
saß er bei ihr, schilderte, wie er ihren Ver 
lust bedauert hatte, und bat sie, künftige Be 
gegnungen nicht mehr dem Zufall zu über 
lassen. Auch diesen Wunsch erfüllte sie, und 
das Gefallen der beiden aneinander vertiefte 
sich so sehr. daß sie am Ostersonntag nach einer 
stillen kirchlichen Feier ihre Hochzeitsreise nt 
dem netten Kabriolet antraten, das der jun 
gen Dame schon von jeher gut gefallen bat. 
Schweres EîfeàhnlmģM m Frankreich 
Bisher 2 Tote, 10 Verletzte. 
TU. Paris, 9. April (Gig, Funkmeldung). Ein 
schweres Eisenbahnunglück ereignete sich am Mitt 
wochabend in der Nähe von Marieille. In dem 
Augenblick, in dem ein Arbeiterzug in einen Tun 
nel einfahren wollte, kam in entgegengesetzter Rich 
tung eine Lokomotive herangebraust, die direkt in 
den Brbeiterzug hineinfuhr. Der Zusammenprall 
war io heft'g. daß mehrere Wagen des Arbeiter 
zuges aus den Schienen sprangen und zum größten 
Teil zerstört wurden. Aus den Trümmern zog mau 
zwei Tote und 10 Verletzte. Mehrere von den Ver- 
letzten dürften kau mmit dem Leben davonkommen. 
Ein schmiss Hchänfeuer. 
Visselhövede, 8. April. Von einem schwe 
ren Schadenfeuer wurde am zweiten Ostertag 
die benachbarte Gemeinde Jedingen heimge 
sucht. Einige heimkehrende junge Leute ge 
wahrten in der Nacht, daß aus dem Schuppen 
des Landwirts Heinrich Vollmer Flammen 
herausschlugen. Sie weckten den Besitzer und 
benachrichtigten gleichzeitig die Feuerwehr. 
Inzwischen hatte sich das Feuer in den Spreu 
vorräten schnell ausgedehnt und war auch auf 
das Wohnhaus des Vollmer übergesprungen. 
Tie Familienangehörigen, die alle im tiefs 
ften Schlafe lagen, konnten sich noch retten. 
Nachbarn und Feuerwehr gingen sofort dar 
an, das Mobtlar und das Vieh zu bergen. 
Leider war das nicht möglich. Eine Kuh und 
ein Pferd sind den Flammen znm Opfer ge 
fallen. Auch von dem Mobiliar konnte nur 
ein Bruchteil gerettet werden. Als die Mo 
torspritze aus Visselhövede und die Nachbar 
wehren an der Brandstelle erschienen, konnten 
die stark gefährdeten Nachbargebäude gehal 
ten werden. Es ivird Brandstiftung vermutet. 
„ötsf Zrpyelm" 
M MgWîenfchrķ Mgrļeî. 
TU. Friedrichshofen, 9. April. sEig. Funk 
meldung.) „Graf Zeppelin" ist heute früh um 
0,07 Uhr unter Führung von Tr. Eckener zur 
Aegyptenfahrt mit Zwischenlandung in Kairo 
und anschließender Rundfahrt über Aegypten 
und Patästiila aufgestiegen. An Bord besin- 
den sich 25 Passagiere. Kurz vor der Ausfahrt 
mußten sämtliche Photoapparate aus dem 
Luftschiff gegeben werden wegen Photogra 
phierverbotes. Nach einer kurzen Schleife 
über der Stadt flog das Luftschiff über den 
Bodensee davon. Es wird voraussichtlich am 
Sonnabendvormittag gegen 8 Uhr in Kairo 
eintreffen. An Nord ivird auch Post nach Kairo 
befördert. Während der Rundfahrt über 
Aegypten itttd Palästina wird Tr. Eckener 
und ein Teil der Besatzung in Kairo verblei 
ben. 
Ein Wellenreiten sür Millionäre. 
Ein Luftschiff zieht den Wellenleiter 
über das Wasser. 
Dieser kostspielige Sport ist das Neueste, was 
inan sich in Amerika ausgedacht hat. Während bei 
uns nicht einmal das Wellenreiten selbst »ehr 
bekannt ist, läßt man sich brüben schon per Luft 
schiff über das Wasser ziehen. Unser Bild zeigt 
den Meister der Hohen Schule des Wellenreitens, 
Elmer Peck, bei seiner Vorführung. 
Drahtlose Telephonic mit säst sämtlichen 
Teilen des britischen Reiches. 
Die in den letzten Monaten durchgeführ 
ten Versuche, von London aus drahtlose Tele 
phongespräche mit den verschiedenen Teilen 
des Reiches zu führen, sind so erfolgreich ver 
laufen, daß in kurzer Zeit mit der Einführung 
für den allgemeinen Verkehr gerechnet wer 
den kann. Die letzten Versuche wurden zwi 
schen London und Bombay angestellt. Ferner 
sind zur Zeit Verhandluitgen im Gauge über 
die Einrichtung eines öffentlichen drahtlosen 
Telephondienstes zwischen England und Neu 
seeland. Die Verbindung geht über Sidney in 
Australien. Sowohl in Neuseeland als auch in 
Australien sind die Vorbereitungen sür die Er- 
öffnung des öffentlichen Dienstes, nahezu be 
endet. Die Versuche für den drahtlosen Teie- 
phonüienst zwischen England und Südafrika 
werden ausgenommen werden, sobald die Sta 
tion in Johannesburg entsprechend eingerich 
tet ist. Ferner sind die Vorbereitungen für den 
Verkehr zwischen England und Aegyvten be 
reits ziemlich weit vorgeschritten. Tie Versuche 
mit Japan werden zur Zeit noch fortgesetzt. 
Dis Hochdriickgclner, welches vom Nordkap bis 
nach Bödmen reicht, wächst noch weiter an. Die Wit 
terung in ganz Deutschland steht unter seinem Ein 
fluß Das Tief im Westen hat sich zunächst auf- 
gefüllt. Die Vorderfeitenströmung ist nicht über Ofb- 
england gelangt. Außer einiger Bewölkung dürfte 
dieses Tief bei uns keine nennenswert« Witterungs, 
erfcheinung hervorrufen. 
Bei der Nettungsîaļ verunglückt. 
Ein tragisches Ende fand der 68 Jahre alte 
Schmieden».ister Paul Maaß in Pritzwalt. Ais 
Maaß über die Bergstraße ging, ,'ah er. daß ein 
Gespann, dessen Pferde durchgegangen waren, (sie 
Straße heruntergerast kam. M. sprang auf d:e 
S!raße, riß einige dort spielende Kinder zurück nnd 
rettete ihnen das Leben. Als er die Pferde anlzalten 
wollte, kam er zu Fall und die Räder dos Wagens 
gingen ihm über den Kopf. Man brachte den 
Schwerverletzten sofort in das Krankenhaus, wo er 
bald daraus starb. 
Walfangschiff untergegangen. 
Oslo, 8. April. Das norwegische Wal 
fangschiff „Bouvet V" ist während eines or 
kanartigen Schneesturms am 1. April unter- 
gegangen. Die Mannschaft wurde nach 48 
Stunden schweren Kämpfens an Bord der 
Trankocherei der Walfangexpedition genom 
men. Ein Steward, ein junger Norweger, er 
lag den Ueberanstrengungeu. Das Schiff ge 
hört der Norwegischen New Sevilla Expedi 
tion, die gerade ihren diesjährigen Fang von 
über 1000 Walen, das heißt 100 000 Faß Tran, 
abgeschlossen hatte. 
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2 s „ Tļ 2t- < „ .X- *2 v 
DeutW HĢŞknsW 
in der amlnemliüöer DW 
Vom 16. bis 20. April findet tu der Ducht 
von Swinemünde eine große deutsche 
Floitenschau statt, bei der das Publikum 
Gelegenheit haben wird. 4 Linienschiffe, 
2 Kreuzer, sowie die erste und zweite 
Torpedobootfloitille zu besichtigen. 
Oben links: Linienschiff »Hannover, 
Unten links: Kreuzer »Köln- 
Oben rechts: Kreuzer »Königsberg" 
Unten rechts: Linienschiff „Hessen" 
Im Kreis: Admirel Oldekop, 
Ches der deuhchen Hochseeflotte 
Für den Nobelpreis stehen in diesem 
Jahre 886 000 Kronen zur Verfügung, so daß 
jeder Preisträger 177 000 Kronen erhält. Das 
ist die höchste Summe, die bisher verteilt wor, 
den ist. 
Der Bremer Flugzeugkonstrukteur. Dipl- 
Jngenieur H. Fokke, isi vom Bremer Senat 
mit dem Titel Professor ausgezeichnet worden. 
Die deutschen Chirurgen sind wieder Mit 
glieder der internationalen Gesellschaft für 
Chirurgie, nachdem der 1922 erklärte Ausschluß 
Deutschlands, Oesterreichs und Ungarns noil 
der Societe International nt aller Form mit 
dem Ausdruck des Bedauerns zurückgenom 
men wurde. 
Der schwedische Dichter Axel Karlseldi ist 
im Alter von 67 Jahren gestorben. Er war der 
bedeutendste Lyriker Skandinaviens. 
In Berlin mußte ein Prozeß gegen Na 
tionalsozialisten vertagt werden, weil der eine 
Angeklagte kurz vor der Verhandlung 15 Ve- 
ronaltabletten genommen hatte und in tiefen 
Schlaf gesunken war. 
In Bunzlau sprang eine Arbeiterfrau mit 
ihren zwei Kindern aus unbekannten Grün 
den in den Mühlengraben. Lille drei ertranken. 
Der 71jährige Weichensteller a. D. Grömke 
in Blankenburg b. Berlin hat seine von ihm 
getrennt lebende Ehefrau erschossen, als sie 
einige ihr gehörige Sachen aus der Wohnilng 
herausholen wollte. 
In einem Anfall von Eifersucht hat der 
22jährige erwerbslose Schmied Nowaky in 
Domslau bei Breslau seine Brant und sich 
selbst erschossen. 
* 
Ans der Strecke Athen—Taten stieß der 
Orientexpreß bei einem Bahnübergang mit 
einem Autobus zusammen. 2 Personen wurden 
getötet, 4 schwer verletzt. 
Ein schweres Bauunglück hat sich in Kali 
fornien bei dem Neubau der Universität in 
Barkeley ereignet. Das dritte Stockwerk stürz 
te ein, 5 Arbeiter wurden getötet, 18 schwer 
verletzt. 
Bei Ausschachtungsarbeiten in Newyork, 
184 Meter unter der Erde, ereignete sich eine 
Explosion, wobei 2 Arbeiter getötet und meh 
rere verletzt wurden. 
Ein Brand hat einen großen Teil der 
Spielkartenfabrik Mirakel ui Prag vernichtet. 
Durch einen unglücklichen Schuß beim 
Scheibenschießen wurde die Tochter des Ba- 
rons Eugen Forster in Budapest tödlich ver 
letzt.
	        
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