Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 2)

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Elektrisch betriebene Schiffe. 
Eine bedeutsame Neuerung in der 
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Schiff 
fahrt stellt der elektrische Schiffsantrieb dar. 
Die Arbeitsweise ist grundsätzlich folgende: 
Es wird zunächst Dampf erzeugt, der zum An 
trieb einer Turbine diente diese ist mit einer 
Dynamomaschine gekuppelt, die den Strom 
für den eigentlichen Antriebsmotor des Schif 
fes liefert. Auch für den Laien ist es offen 
sichtlich, daß hierbei ein Umweg beschrieben 
wird: Tenn warum sollte man den Dampf 
nicht — wie bisher beim Dampsmaschincnan- 
trieb — unmittelbar für den Antrieb des 
Schiffes nutzbar machen? Obwohl dieser Um 
weg einen gewissen Kraftverlust bedeutet, 
wird sich das Verfahren wegen seiner zahl 
reichen Vorzüge anderer Art behaupten: Zu 
nächst wird der Betrieb hierbei sauberer, ein 
facher und übersichtlicher. Ferner sind mit 
dieser Methode sehr wesentliche Vorteile raum- 
technischer Natur verbunden. Da auch die 
Uebertragung der Kommandos von der Kom 
mandobrücke durch Telegraphen beseitigt 
wird, können keine Mißverständnisse vorkom 
men, wodurch die Sicherheit entscheidend er 
höht wird. Außerdem kann verlangsamte 
Fahrt durch sofortige Verringerung der 
Brennstoffzufuhr ausgenutzt werden, d. h. die 
Wirtschaftlichkeit wird gesteigert. Die Ein 
führung des turbo-elektrischen Antriebs in der 
amerikanischen Kriegsmarine ist bezeichnend 
für die ihm zukommende Wertschätzung. 
Hängende Straßen. 
Warum nicht? — Dis Technik des neuzeit- 
ckchen Hausbaues in USA. schafft schon seit langem 
ihre Voraussetzung. Die Stahlskelette der Wol 
kenkratzer, gefestigt durch die Betonmauern, geben 
bi« sicheren Pfeiler dazu ab, und wenn sie erst 
höher sind und in einigermaßen gleichen Abstän 
den die heutigen Straßen der USA.-Städte mar 
kieren werden, dann ist kein Grund mehr vorhan 
den, sie als Stützpunkts mit Mammut-Stahl- 
straßen zu verbinden, an denen neue Verkehrs 
wege hoch über dem brodelnden Großstadtverkehr 
aufgehängt sind. Solange wird das gar nicht mehr 
dauern. Ein derartiges Prospekt soll im Plan 
schon vorliegen, der eine Hilfsverbindung vom 
Rewyorker Hafen nach der Eity vorsieht. Es 
wurde sogar errechnet, daß die Herstellung der 
hängenden Straßen weniger Unkosten verursacht 
und kürzere Zeit beansprucht als eine ent 
sprechende Verbindung im Untergrundbau. 
Napoleons geheimnisvolles Schachspiel. 
In Austerlitz, dem Lurch Lie große Schlacht 
berühmt gewordenen kleinen Städtchen in der 
Tschechoslowakei, trifft man zurzeit Vorberei 
tungen für eine „Napoleon-Ausstellung". 
Unter den Sehenswürdigkeiten werden sich 
auch Teile eines Schachspiels befinden, das Na 
poleon auf St. Helena zu benützen pflegte. Die 
Schachfiguren waren Napoleon von emem ehe 
maligen Offizier nach St. Helena geschickt wor 
den. Sie waren im Innern hohl. Aber der 
Offizier verlor bei einem Unfall sein Leben, 
und der gefangene Kaiser spielte mit diesen 
Figuren ungezählte Schachpartien, ohne eine 
Ahnung davon zu haben, daß das ausgehöhlte 
Innere der Figuren einen in allen Einzelhei 
ten ausgearbeiteten Plan für seine Flucht ent 
hielt. 
Automobile mit Badezimmer. 
Die Maharadschas gehen mit der Zeit, sie 
eilen ihr sogar voraus, wie die nachfolgende 
Meldung zeigt. Eine englische Firma hat so 
eben von einem indischen Fürsten den Auftrag 
erhalten, ein Reiseautomobil zu konstruieren, 
das eine vollständige Badeeinrichtung aus Por 
zellan enthält. Um die Erschütterungen des 
Wagens möglichst zu mildern, werden beson 
dere Federn angebracht, und auch die Bade 
wanne wird hängend angebracht, wodurch ver 
hütet wird, daß unterwegs das Wasser aus 
der Wanne heraustritt. 
Der größte unterirdische Wassertuuuel der 
Welt. 
Die große Fabrik Fords in Dearborn be 
nötigt, hauptsächlich zur Rückkühlung des Kes 
seldampfes, täglich fast 4,8 Millionen Kubik 
meter Wasser, die ihr nun durch einen neuer 
bauten Tunnel aus dem River Rüge zugelei 
tet werden. Der Wasserbedarf würde unge 
fähr dem Gesamtbeöarf von vier großen Städ 
ten entsprechen. Der Tunnel besteht aus ei 
nem Rohr, das innen einen Durchmesser von 
4,5, außen 6,5 Metern hat, so daß es bequem 
einer Untergrundbahn Platz bieten könnte. Es 
wurde durch die Aneinanderreihung von 4579 
Betonringen hergestellt, von denen jeder aus 
10 einzelnen gebogenen Teilen im Gewicht 
von 1,7 Tonnen besteht. Dieser Tunnel von 
3,6 Km. Länge führt unter vielen Haupt- und 
Nebenstraßen, Gleisen, Brücken, sogar unter 
einem Friedhof hindurch. Das Bohren geschah 
durch Maschinen, die in der schlüpfrigen Erde 
leicht vorwärtskamen, so daß die Erde dahinter 
wie aus einer Zahncremetube hervorquoll. 
Unter günstigen Umständen wurde eilt Bcton- 
ringteil durch mächtige Maschinenarme in 45 
Minuten an seinem Play befestigt, und man 
kam im Monat 650 Meter vorwärts. 
Das Florentiner Grillenfest. 
Eine Legende, die in Florenz heimisch ist, 
besagt, daß Christus, als er gen Himmel fuhr, 
eine Grille mitnahm. Von dieser Legende 
leitet sich eine absonderliche Gepflogenheit her. 
In der Woche, die dem Fest Christi Himmel 
fahrt vorausgeht, werden an allen Straßen 
ecken der Stadt Grillen in kleinen Bambus- 
käfigen zum Verkauf feilgeboten. Feder gute 
Forentiner, gleichgültig, ob er reich oder arm. 
ob gläubig oder religiös indifferent, kauft sein 
„Grilo" und hütet es wie seinen Augapfel, 
denn jedem Mann, Frau oder Kind droht Un 
heil, wenn die Grille vor dem Himmelfayrts- 
fest eingeht. Ist das Fest gekommen, so wer 
den die Grillen unmittelbar nach dem Hochamt 
auf die öffentlichen Plätze am Arno gebracht. 
Dort erklingt dann im Rahmen des Volks 
festes der helle Chor der eingesperrten Heim 
chen. Die Familien lagern in kleinen Trupps 
unter Weiden, und unter Scherzen und Wet 
ten werden die Käfige geöffnet und die Ge 
fangenen auf den Boden gesetzt. Wenn die 
befreite Grille in die Höhe springt, so kann 
ihr Eigentümer aufatmen, denn er hat dann 
Aussicht auf einen glücklichen Verlauf des 
Jahres. Wenn das Insekt aber am Boden bleibt 
und an den Sträuchern hochkriecht, so gilt das 
als üble Vorbedeutung für das Jahr. Der 
Aberglaube wurzelt so fest, daß Liebesleute 
von dem Grillenorakel ihre Verlobung ab 
hängig machen: wenn die Grille am Boden 
kriecht, fehlt oft genug den Brautpaaren der 
Mut, den Ehebund zu schließen. 
Geräuschlose Straßcnbahnwageu: 
Leichtmetalle finden nn modernen Ver 
kehrswesen immer vielseitigere Verwendung. 
Bei Flugzeugen und Kraftwagen erfreuen sie 
sich schon seit längerer Zeit heherrschender 
Stellung: neuerdings verwendet man Leicht 
metalle auch im Bau von Eisenbahnwaggons 
und Straßenbahnwagen. Die praktischen 
Vorteile dieser neuen Technik sind bedeutend. 
Je leichter die Wagen sind, um so niedriger 
sind Betriebs- und Stromkosten: schnelleres 
Anfahren und Bremsen ist ein weiterer Vor 
zug, und schließlich nutzen sich der Oberbau 
der Bahnstrecken und die von der Straßen 
bahn befahrenen Straßen weniger ab. In den 
Bereinigten Staaten haben zehn verschiedene 
Verkehrsgesellschaften mit Waggons aus 
Leichtmetall die besten Erfahrungen gemacht. 
Einer Gewichtsersparnis von rund 33 Prozent 
entsprach ein Minderverbrauch elektrischer 
Energie in Höhe von rund 33,3 Prozent. Au 
ßerdem werden die Geräusche stark vermindert, 
so daß man in den Vereinigten Staaten diese 
Waggons „noiseleß", d. y. geräuschlose, nennt. 
lum mb Lächeln. 
„Na, Hans, wie fühlst du dich in deiner jungen 
Ehe?" 
„Ausgezeichnet! Von Tag zu Tag werde ich 
jünger, wie in meiner Knabenzeit rauche ich jetzt 
wieder heimlich!" 
* 
In der Kunstausstellung: Der Maler muß 
verrückt fein! Das Stilleben mit „Rettich und 
Kartoffeln" kostet 600 Mark und „Ananas mit 
Rheinwein" nur 250 Mark. 
* 
Ordination auf der Straße. 
„Famos, Herr Doktor, daß ich Sie treffe. Je 
desmal, wenn ich ausgehe, fühle ich mich so matt, 
so kolossal matt. Ich kann keinen Schritt gehen. 
Was soll ich da tun?" 
„Nehmen Sie Eisen." 
„Und wenn das nichts hilft?" 
„Ein Auto!" 
„Ich habe mich nur ein einzigesmal in der 
Diagnose geirrt". 
„Wann?" 
„Als ich einen Millionär in zwei Besuchen 
heilte." 
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Das Duell. 
„Ihr Gegner verlangt dreißig Schritt Ent 
fernung und Pistolen!" 
„Hm ... mit dreißig Schritten bin ich ein 
verstanden, aber — mit den Pistolen 
Schachert» 
Aufgabe Nr. 38 
von Dr. A. K r a e m e r. 
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Weiß: Kg8, Del, Lc5 und e8, Sd4, Bf4, gl 
Schwarz: Ka5, Dh3, Te3, La3 und g4, Ba6, 
b4, e4, e2, fS, h5 
Matt in 3 Zügen. 
Dieses Problem erhielt in dem eben beendet^ 
t. internationalen Problemturnier von „Denken und 
Raten" bei schärfster Konkurrenz den t. Preis. W>k 
kommen auf das Preisausschreiben noch zurück. 
Partieschach. 
Auf der vorjährigen Schacholympiade zu Hamburg 
kam es in der Partie Cromer (Frankreich) — v. d 
Bosch (Holland) zu folgender Stellung: 
Weiß (Eromer): 
KF4 Tc4, Ld4, Se4, Bb3, c6, e5, f5, g4, h5 
Schwarz (v. d. Bosch): 
Kf7, Ta3 und d8, Le7, Bb4, c7, e6, g7, h6 
Weiß am Zuge. 
Schwarz hat zwar das Uebergewicht der Qualität 
aber Weiß ist im Begriff, sich auf dem Königsflügel 
ein gefährliches Bauernübergewicht zu verschaffen. 
1. f5— f6! g7Xf6 
Falls Lf8, so g5 hXg, SXg5+ Ke8, 17+ K>7, 
Lcö matt. Dieses Abspiel veranschaulicht deutlich d>< 
Raumnot des Schwarzen. 
2. e5xf6 Le7—d6+ 
Auch hier würde LÎ8 die vernichtende Fortsetzung 
g4—g5 gestatten. Z. B. 2. Lf8 3. g5 hXŞ 
4. SXg5+ Ke8 5. Sxe6 Tc8 6. Kf5 Txb3 7. Kgö 
Tg3+ 8. Sg5 usw. 
3. Se4Xd6 c7xd6 
Wenn Weiß jetzt sich gegen die Drohung «6—e54 
zu schützen gezwungen wäre, etwa mittels Üb6, + 
würde Schwarz nach Tc8 aller Sorgen ledig sein. Abet 
Eromer findet eine sehr schöne, scharf pointierte Fort' 
setzung. 
4. Tc4xb4! Td8—c8 
Wählt nämlich Schwarz statt dessen die Fortsetzung 
4. e 6—e5+ 5. Kf5 eXd, so geschieht 6. Tblş 
Ke8 7. KdS (droht Th7 nebst Th8+, TXT und f6—D' 
Tc8-a8 8. Th7 Kd8 9. Td7-1-'. Ke8 10. Kg" 
5. Tb4—b7+ Kf7—f8 
6. g4—g5! c6—e5+ 
Oder 6. hXg, 7. Kxg5 e5, 8. Kg6 ļdroht Tļm 
Ta2, 9. Le3 Tg2+, 10. Kh7 nebst Lli6+ 
7. Kf4—e5Xd4 
8. K15—g6 h6XgS 
9. Tb7—h7 KfS-gS 
10. f6—f7+ Kg8—f8 
11. Kg6—f6 und Matt im nächsten Zuge. 
Wir entnehmen die Partie dem hübschen Bült 
lein „Die Schacholympiade von Hamburg. Erinnerm' 
gen an die Länderkämpfe 1930. Unter Mitwirkum 
von Dr. Rueb, I. Dimer, A. Brinckmann. Dr. Pasdh 
Herausgegeben von Chalupetzky und Toth." Verlag- 
Magyar Sakkvilag-Ungarn. 
Generaldirektor wider Willen. 
Roman von Earl Otto Windecker. 
Copyright 1930 by E. O. Windecker. 
17) > (Nachdruck verboten.) 
„Mitarbeiter?" Malot runzelte die Stirn und 
reichte Dr. Brunner kurz die Hand hinüber. „Ich 
verstehe nich recht. Wird der Herr als Ingenieur 
bei mir arbeiten?" 
„Richt ganz so", lächelte Gaston, „Herr Dr. 
Brunner wird in meinem Auftrag ein paar Expe 
rimente unternehmen, nur in meinem Auftrag, ver 
stehen Sie. Im übrigen ist er sein freier Herr und 
niemand unterstellt." 
Malot schien zu überlegen. Er lächelte 
drohend, während er sich an Dr. Brunner wandte. 
„Sie sind Deutscher, Monsieur?" 
„Allerdings," bestätigte der Ingenieur freund 
lich. 
„Hm," machte Malot, „ich fürchte, daß Ihnen 
gerade diese Nationalität hier einige Schwierig 
keiten bereiten wird." Er warf einen kurzen, 
stechenden Mick zu Gaston hinüber. 
„Man hat mir Frankreich als sehr friedfertig 
geschildert," entgegnete Dr. Brunner höflich, „und 
ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, warum 
man einem Deutschen, zehn Jahre, nachdem man 
den Irrsinn des Krieges begraben hat, heute noch 
unfreundlich begegnen soll?" 
„Ich — ich weiß nicht," erwiderte der Direktor, 
„ich fürchte nur, daß es nicht in meiner Macht stehen 
wird, Sie vor Uebergriffen zu schützen. Ilm so 
mehr, als Sie mir nicht unterstellt sind." 
Gaston hatte lächelnd zugehört. „Pardon", 
sagte er gleichgültig, „ich setze Ihr Einverständnis 
voraus, lieber Malot, daß jeder Angestellte, der es 
wagt, Dr. Brunner wegen seiner Nationalität an 
zufeinden, entlassen wird?" 
„Nun — gewiß, aber —" Malot hatte ein 
böses Gesicht. 
„Ich fürchte, daß es hier kein Aber gibt," sagte 
Easton scharf. „Trinken Sie noch ein Glas Port 
wein mit uns?" fragte er dann, den Ton wechselnd. 
„Ich denke, wir beide hoben schon manchen guten 
Tropfen miteinander getrunken." 
Malot lachte. Ein wenig klang noch die Ver 
stimmung durch, aber er war zu klug, sich seinen 
Aerger anmerken zu lassen. Gaston ließ ihn er 
zählen. Er forschte ihn unauffällig über das Werk 
aus, über das er in Paris nur wenig Unterlagen 
vorgefunden hatte. 
Daß Malot ein unfähiger Mensch war, ging 
aus seinen Reden klar genug hervor. Allenfalls 
wußte er die verschiedenen Weinsorten voneinan- 
der zu unterscheiden, solange er nüchtern war. Sehr 
viel weiter reichten- seine Kenntnisse offenbar nicht. 
„A propos . . ." unterbrach er sich plötzlich, „wo 
haben Sie eigentlich Lilly gelassen, Audet?" 
Gaston warf einen kurzen Blick zu dem Deut 
schen hinüber, der aber nicht zuhörte. Mit geheim 
nisvoller Miene legte er den Finger auf die Lip 
pen. „Ich habe schon vor meiner Abreise Schluß 
mit ihr gemacht," 
„Ist das wahr?" 
„Bestimmt. Warum? Wollen Sie sie über 
nehmen?" 
Malot lachte laut. „Das ist drollig. Nun _ 
dann kann ich es Ihnen ja auch sagen, daß ich 
Lilly . , ." 
„Was denn?" 
„. . . na — in Ihrer Abwesenheit getröstet 
habe." 
Erstaunt sah Gaston aus. „Ist das wahr?" 
„Sind Sie böse, Audet? Sie kam doch zu 
mir. Ich habe sie bestimmt mcht gerufen!" Be. 
schwörend legte er seine dicke, fleischige Hand auf 
Gastons Arm. „Ich konnte eigentlich nichts dafür." 
Aengstlich sah der dicke Mann Gaston ins Gesicht. 
„Genug davon," sagte Gaston. „Ich denke, 
wir fahren jetzt zur Fabrik hinaus?" 
„Schon? Noch vor dem Essen?" staunte der 
Direktor. „Wollen Sie neue Methoden einführen?" 
„Vielleicht." sagte Gaston und erhob sich. 
* 
Zum erstenmal in seinem Leben befand sich 
Gaston Fauchat in den Werkräumen einer Auto 
mobilfabrik. Erstaunt I>atte sich der Direktor dem 
Rundgang angeschlossen. Früher war das nie 
vorgekommen, und er schnaufte angestrengt. 
Gaston hielt die Augen offen. Dr. Brunner 
verlor er bald aus dem Gesichtskreis. Der Deutschs 
sah sich die Anlage mit besonderem Eifer an. 
Zuerst war der Lärm in den Werkstätten be 
täubend. Es dauerte Minuten, bis man aus dem 
Chaos der Geräusche die einzelnen Rhythmen der 
Maschinen heraushörte. Das dumpfe Aufschlagen 
der großen Schmiedehämmer, — das Maschinen- 
gewehrfeuer der Niethämmer, — das Rasen der 
Motoren auf dem Bremsblock. Er lernte viel bei 
diesem ersten Rundgong. Heimlich hatte er in Pa 
ris in seinem Büro technische Werke studiert; er 
war nicht mehr Lai«, als er jetzt durch die schmalen 
Gänge zwischen den Maschinen schritt. Er sah, 
daß die Fabrik gut und modern eingerichtet war, 
iah viele neue Maschinen, bemerkte aber auch, daß 
die Arbeiter ihn scheu und offensichtlich nur wider 
willig grüßten. Er kam ihnen zuvor, indem er 
selbst zuerst höflich an die Mütze faßte, ehe er 
nähertrat und ihnen bei der Arbeit zusah.. 
Ueber eine steile, eiserne Treppe verließen sie 
die Montagewerkstättn, um im Obergei choß die 
Karosseriewerkstätten aufzusuchen. Auch hier blieb 
Gaston hin und wieder stehen, und hier Iprach er 
dann und wann ein paar freundliche Worte mit 
den Arbeitern, di« ihn erstaunt ansahen. Sie schie 
nen diese Freundlichkeit nicht gewöhnt. Der Direk 
tor machte ein verlegenes Gesicht und überschüttete 
Gaston mit einem Wortschwall, ihm von den Neu 
erungen erzählend, die er in seiner Abwesenheit 
getroffen habe. Gaston hörte ihm schweigend zu. 
Wohl zwei Stunden hatte nun schon der Rund 
gang gedauert, der Direktor schnaufte immer ver 
nehmlicher, aber Gaston zeigte kein Mitleid. In 
einem Quergang, in dem man sich besser verstän 
digen konnte, sagte er boshaft zu dem schwitzenden 
Malot „CH — heute wird Ihnen das Mittagessen 
besonders gut schmecken. Haben Sie sich etwas 
Anständiges bestellt?" 
„Ich — ich dachte — wollen Sie neue Sitten 
einführen, Audet? Essen wir nicht zusammen?" 
„Nein", antwortete Gaston freundlich. „Ich 
habe mit Dr. Brunner zu sprechen." 
Der Direktor zog ein beleidigtes Gesicht. „Sie 
haben sich sehr verändert, Audet. Man kennt Sie 
gar nicht wieder." 
Gaston lachte. „Vielleicht können Sie davon 
lernen, Malot?" 
Der andere schüttelte erstaunt den Kopf. — 
„Was ist eigentlich m>i dem Deutschen?" fragte er 
nach einer kleinen Weile. „Ich verstehe nicht, wie 
Sie das tun können." 
„Nun, ich denke, die Hauptsache ist, daß ich 
es verstehe?" 
„Gewiß, sicherlich," beeilte sich der Direktor zu 
versichern, aber er kniff die Lippen zusammen. Von 
jetzt ab bewahrte er ein beharrliches Schweigen. 
Sie gingen durch die letzten Hallen, in dene" 
die Wagen zusammengesetzt wurden. Gaston freute 
sich, auch hier ganz moderne Einrichtungen zu sehen, 
Aber auch hier schienen die Arbeiter nur sehr un' 
willig zu arbeiten, und mehr als einmal mußte 
Gaston an sich halten, daß er nicht dem einen oder 
dem anderen das Werkzeug aus der Hand nahm, 
um selbst eine Schraube anzuziehen, selbst die a" 
der Kette herniederhängende Karosserie auf dos 
Fahrgestell zu lenken. 
„Die Leute arbeiten nicht gut," sagte er z" 
Malot, als sie endlich wieder im Freien standen, 
„Woran liegt es?" 
„Die Kerle nehmen sich zuviel heraus," schimpft« 
Malot. „Ich habe erst gestern drei Arbeiter ent' 
lassen." 
„Warum?" 
„Sie haben mir fteche Antworten gegeben." 
„Sind die Leute noch im Betrieb?" 
„Ich habe ihnen erst zu Ende der Woche g«' 
kündigt." 
„Schicken Sie sie mir nachher ins Mro." 
„Wozu?" 
Gaston sah den Direktor an; der schwieg b§ 
treten. 
„Schicken Sie jemand noch Dr. Brunner," bc' 
fahl er kurz. Der Direktor verschwand und ka^ 
wieder. Gleich darauf hörte er, wie ein LehrjuvP 
durch die Fabrik lief und laut rief: „Der Deutsch« 
soll ins Büro kommen!" 
Gaston horchte, bis sich der Ruf wiederholt«- 
Dann wandte er sich zornig an, den Direktors 
„Wenn Sie uieine Wünsche weiterhin so promt 
erledigen, tantt werden wir bestimmt gute Freu"' 
de bleiben." 
Malot verstand die Ironie dieser Worte sş 
wohl. Er schwieg betreten. Gaston schritt ķ 
zum Verwaltungsgebäude voraus. 
Schweigend saßen sich die beiden Männer ^ 
Malots Kontor gegenüber. Gaston rauchte. ® 
wartete auf Doktor Brunner. Als dieser kaM 
freute er sich Uber das zufriedene Gesicht des Dş 
schen. 
„Ich habe mich mit einem Arbeiter unterhalte": 
der in Görlitz Kriegsgefangener war und dort 
einem Gut gearbeitet hat. Er hat eine deuşş 
Frau, die hier wohnt." 
(Fortsetzung folgt.) 
J ' s ļx . ' 
Ì AM 
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