Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 2)

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Brandstiftung oder Selbstentzündung? 
TU. München, 8. Juni. Der von der Poli- 
?>eidirektion München herausgegebene Bericht 
über die mutmaßliche Ursache der Glaspalast 
katastrophe besagt: Die eingehenden Erhe 
bungen zur Feststellung der Brandursache ha 
ben bisher keinerlei Anhaltspunkte dafür er 
geben, daß vorsätzliche Brandstiftung am Wer 
ke gewesen wäre. Dagegen deuten die bisheri 
gen Feststellungen mit großer Wahrscheinlich 
keit darauf hin, daß Selbstentzündung durch 
chemische Vorgänge die Ursache des Brandes 
war. Sobald die Erhebungen abgeschlossen 
sind und sich ein bestimmtes Bild über die 
Vorgänge gewinnen läßt, werden weitere 
Mitteilungen erfolgen. 
Die „Münchener Zeitung" bringt folgen 
de Nachricht: Montag vormittag weilte wie 
derum eine Untersuchungskommission am 
Brandplatz des Glaspalastes. Die mit den 
Malerarbeiten beauftragten Leute brachten 
Material von den von ihnen verwendeten 
Farben mit. Entgegen der von wissenschaftli 
chen Kreisen geäußerten Meinung, daß mög 
licherweise eine Selbstentzünung vorliegt, 
vertreten der gegenwärtig gleichfalls am 
Brandherd anwesende Generaldirektor Zim 
mermann und der Verwalter des Glaspala 
stes, Inspektor Werner, die Ansicht, daß doch 
Brandstiftung in Frage käme. Verwalter 
Werner begründet seine Ansicht damit, daß 
das Feuer nicht an der Stelle auf das Dach 
übergegriffen hätte, wo die zu Ausbesse 
rungsarbeiten aufbewahrten Materialien sich 
befanden. Auch sei ungefähr eine halbe Stun 
de vor dem Ausbruch des Feuers noch ein 
Nachtwächter an dieser Materialkammcr vor 
beigegangen, und dieser Hütte, falls das Feuer 
hier wirklich seinen Ausgang genommen hät 
te, doch irgendwie einen Brandgeruch wahr 
nehmen müssen. 
* * * 
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Während ganz Deutschland tief betroffen ist 
über den Verlust unersätzlicher Kunstschätze in den 
Flammen des Münchener Elaspalastes, verbrennt 
man in China freiwillig und mutwillig historische 
Kunstwerks und Bücher in dem Wahn, sie stünden 
der neuen Zeit im Wege. Eine Provinzialschul- 
behörds in der Provinz Schantung hat es fertig 
gebracht, die wertvolle alte Tafang-Ehin-Viblio- 
'thek verbrennen zu lasten, weil sie in den Biblio- 
cheksräumen eins Schule einquartieren wollte. 
Dis Tafang-Chin-Bibliothek enthielt, wie es 
heißt, die vollständigsto Sammlung alter buddhi 
stischer Klassiker, die es gibt. Zum Teil handelt 
es sich um gedruckte Werke — die Buchdrucker- 
kunst ist bekanntlich in China viel älter als bei 
uns — zum Teil um handgeschriebene und gemalte 
Bücher. Sie stammten in ihrer Mehrzahl noch 
aus den Zeiten der alten Ming-Dynastie, also aus 
der Zeit von Chinas politischer und kultureller 
Hochblüte, die ungefähr von 1350 bis 1645 nach 
christlicher Zeitrechnung dauerte. Im ganzen um 
faßte die verbrannte Bibliothek 30 000 Bände. 
Ihre Verbrennung durch eine Provinzial-Schul- 
behörde ist wohl der schlimmste denkbare „Pro 
vinzialismus", ist eine Barbarei, wie man sie 
einem alten, auf seine geistige Ueberlieferungen 
so stolzen Kulturlande wie China nicht zugetraut 
hätte. 
* " * 
der Ķràkmmir vmr ļoļkegno 
TU. Rom, 6. Juni. Der „Unbekannte von 
Collegno", der Mann ohne Gedächtnis, der 
von zwei Frauen, der Frau Professor Canel- 
la und der Buchdruckersfrau Bruneri, als im 
Weltkrieg verschollener Gatte bezw. als ent 
laufener Ehemann in Anspruch genommen 
wird, beschäftigt fetzt erneut die OesfentUch- 
keit. Nachdem der Unbekannte längere Zeit 
als „Nr. 44 170" im Irrenhause gewesen, be 
zeichnete er selbst sich nach allmählicher Nück- 
kehr seines Gedächtnisses als Professor Ca- 
nella, zumal das Turiner Gericht entschieden 
hatte, daß der Beweis nicht erbracht sei, daß 
es sich um den Buchdrucker Bruneri handle. 
Die zweite Instanz hatte im Sinne der Fa 
milie Bruneri entschieden. Dieses Urteil wur 
de später kassiert. Vor einigen Wochen hatte 
der Appellationsgerichtshof in Florenz erneut 
zugunsten der Familie Bruneri entschieden. 
Der Unbekannte hat inzwischen als Professor 
Canella gelebt und hat mit Frau Canella auch 
mehrere Kinder. Nunmehr ist der Unbekannte 
aus einer dramatischen Sitzung des Turiner 
Gerichts hinter verschlossenen Türen wieder 
um als Bruneri hervorgegangen, anscheinend 
endgültig verhaftet und ins Gefängnis einge 
liefert worden, um zunächst die Strafen abzu 
büßen, zu denen er 1922 verurteilt worden 
war. Frau Canella, die in dem Unbekannten 
nach wie vor ihren Mann, den Professor Ca 
nella sieht, begleitete mit einem ihrer gemein 
samen Kinder den Verhafteten ins Gefäng 
nis, wo sich eine Abschiedsszene abspielte. Der 
Unbekannte hat sich noch immer nicht geschla 
gen gegeben und bleibt dabei, daß er der Pro 
fessor Canella st. Den Gefängnisdirektor bat 
er, ihn vor Besuchen der Familie Bruneri 
sseiner ursprünglichen Verwandten) zu be 
wahren. Er wolle sich in dieser unbequemen 
Lage nicht etwaigen Krokodilstränen jener 
Leute aussetzen. 
* . * 
Die ösEche WeLWŗache. 
Wenn wir uns, namentlich in früheren Jah 
ren, über so manches unnötige Fremdwort im 
Deutschen ärgerten, dann dachten wir kaum daran, 
daß auch deutsche Worte in nicht geringer Zahl in 
fremde Sprachen übergegangen sind. Das Wort 
„Kursaal" im Französischen, das Wort „Kinder 
garten" im Englischen gehören zu ihnen. Im all 
gemeinen scheint es eine West-Ostwanderung der 
Fremdwörter zu geben. Denn während beispiels 
weise aus dem Russischen kaum ein Fremdwort 
ins Deutsche gedrungen ist, haben umgekehrt die 
Russen eine ganze Anzahl Fremdworts von uns 
übernommen, zumal im letzten Jahrzehnt. So gibt 
es im Russischen, wie I. Weinbender in den „Mit 
teilungen des deutschen Instituts für Ausländer" 
(Universität Berlin) berichtet, das Fremdwort 
„Potfchamt", was so viel wie Postamt bedeutet, 
es gibt ein „Galstuck", was aber kein Halstuch, 
sondern eine Kravatte sein soll, und die Haare 
läßt der Russe sich beim „Parikmacher" (wörtlich 
Perückenmacher) schneiden. Die Zigarettenspitze 
ist ein „Mundschtuk". Besonders häufig sind 
Worte, die Begriffe des öffentlichen Lebens be 
zeichnen, übernommen worden: „Schtreikbrecher", 
„Schibarj" (Schieber, ein Typ, der in Rußland ja 
länger lebendig geblieben ist als bei uns), „Kul- 
turtreger", „Wunderkind", Leitmotiv", Putsch" 
und sogar „Lumpenproletariat". Verschiedene die 
ser Worte dürften aus der deutschen sozialistischen 
Literatur stammen, dis im öffentlichen Leben der 
Sowjetunion ja eine noch größere Rolle spielt 
als bei uns. Im übrigen zeigen diese Beispiele 
wieder einmal, wie sehr das Deutschs maßgebende 
Kulturfprachs im europäischen Osten ist. 
* * 
HauÄtföll bei BoHsfcotf. 
Autoführer wit dem Revolver bedroht. 
Nach einer bei der Polizei erstatteten An 
zeige wurde Montag nachmittag gegen 214 
Uhr in der Nähe von Volksöorf der in Volks- 
öorf wohnende Mühlenbesitzerssohn St., der 
einen Kraftwagen führte, von einem Manne 
zum Halten gezwungen. Der Täter bedrohte 
St. mit einem Revolver und erzwang die 
Herausgabe einer Brieftasche mit 100» Reichs 
mark in bar und einigen Barschecks. Der 
Räuber lief dann querfeldein und entkam. 
Mit dem Flugzeug ins Master. 
Paris, 8. Juni. Wie Companie Air Orient 
meldet, ist das zwischen Indo-China und 
Frankreich verkehrende Postflugzeug südlich 
von Akyab (Birma) in einen Fluß gestürzt. 
Die drei Piloten ertranken. Passagiere befan 
den sich nicht an Bord. Havas fügt hinzu, daß 
vermutlich doch ein Fahrgast das Flugzeug 
benutzt und ebenfalls den Tod gefunden habe. 
Das Flugzeug bringt es an den Tag. 
Mysteriöse Gerüchte um Daron Louis Rothschild. 
Die Hintergründe des Zusammenbruchs 
der „Oesterreichischen Credit-Anstalt" werden 
in den interessierten Kreisen gegenwärtig noch 
eifriger diskutiert, als die finanziellen Wir 
kungen und Merkwürdigkeiten der erzielten 
Sanierung. Besonders die Person des ehema 
ligen Hauptaktionärs der Credit-Anstalt, des 
Barons Louis von Rothschild, erscheint in 
einem seltsamen Licht. Seine verwandtschaft 
lichen und finanziellen Beziehungen besonders 
zum Pariser Hause Rothschild legen gewisse 
Kombinationen über recht derbe Fäden zwi 
schen Paris und Wien nahe. Der plötzliche Zu 
sammenbruch der Credit-Anstalt unmittelbar 
vor der Genfer Ratstagung ist ja auf andere 
Art wirklich kaum zu erklären. 
Wie eine Art von Entschuldigung für das 
Verhalten des Barons Louis von Rothschild 
mutet nun eine Geschichte an, die gegenwärtig 
in Wien im Umlauf ist und die den Baron von 
allen Vorwürfen nationaler Unzuverlässikeit 
reinwaschen möchte. Danach soll die französische 
Regierung von dem bevorstehenden Zusam 
menbruch der Credit-Anstalt auf folgende selt 
same Art und Weise erfahren haben: Baron 
Louis Rothschild hatte bis zum Ende vorigen 
Jahres selbst keine richtigen Vorstellungen 
über die Lage der Credit-Anstalt. Erst drin 
gende Vorhaltungen der englischen und fran 
zösischen Rothschilds machten ihn stutzig. Es 
wurde eine Konferenz der Rothschilds in Pa 
ris verabredet, bei der in größter Verschwie 
genheit die finanziellen Fragen durchgespro 
chen werden sollten. 
Die Verschwiegenheit wurde auch auf die 
Abreise Baron Rothschilds selbst ausgedehnt. 
Er mietete ein Flugzeug der Oesterreichischen 
Luftverkehrsgesellschaft, mit dem er als einzi 
ger Passagier startete, immer in der Hoffnung, 
nach wenigen Stunden schon wieder von der 
Pariser Konferenz zurück zu sein. Aber diese 
Hoffnung wurde leider enttäuscht. Das Flug 
zeug mußte auf dem Gebiet der Festung Metz 
eine Notlandung vornehmen. Da das Ueber- 
fliegen von Festungsgürteln verboten ist, 
wurde es beschlagnahmt. Baron Rothschild und 
sein Pilot wurden in der Komwanöautur 
einem Verhör unterzogen, und die gesamte 
wichtige Korrespondenz, die der Baron in sei 
ner Aktentasche mit sich führte, eingesehen. Auf 
diese Weise kamen die französischen Behörden 
in den Besitz des Geheimnisses der Oesterreichi 
schen Credit-Anstalt, das bisher von den Häu 
sern Rothschild sorgsam gehütet morden mar. 
Schon 24 Stunden vor dem Bekanntwerden 
des Zusammenbruchs in Wien konnten franzö 
sische Gläubiger bereits ihre Kredite kündigen. 
Diese Geschichte klingt zn schön, um wahr 
zn sein. 
Das Potsdamer Ehrenmal 
der Kraftfahrtruppe» eingeweiht. 
Ein französisches Militärflugzeug abgestürzt. 
TU. Paris, 9. Juni. (Eig. Funkmeldung.) 
Nach einer Meldung aus Lyon stürzte am 
Montag auf dem Flugplatz Valbonne ein Mi 
litärflugzeug ab, das von einem Korporal ge 
steuert wurde. Der Fliege*. wurde auf der 
Stelle getötet. % 
8 Tote bei der Eintreibung von Pachtgelder«. 
TU. London, 9. Juni. (Eig. Funkmeldung.) 
Bei einer gewaltsamen Eintreibung von rück 
ständigen Pachtgeldern kam es in einem Dorf 
bei Allahabad in Indien zu einem Zusammen 
stoß zwischen den Pachtherren und Dorfbewoh 
nern, bet dem 8 Personen getötet wurden. Die 
Polizei ist schleunigst in das Gebiet zur Wie 
derherstellung der Ordnung gesandt worden. 
Kerns post. 
Ein ägyptisches Dorf mit 139 Eingebore- 
nen-H8uscrn ist abgebrannt. 7 Personen ka 
men in den Flammen um. 
Bei einem Essen in Stockholm erkrankten 
8 Gäste, von denen der Militärarzt Dr. Borg 
starb. Man nimmt Muschelvergiftung an. 
Auf einer Skiwanderung durch Lappland 
sind zwei junge Leute aus Leipzig wahrschein 
lich ertrunken. Die Leiche des einen wurde 
schon gefunden. 
Eine 24 jährige Norwegerin, die als Haus 
angestellte bei einer französischen Familie in 
Parts war, ist verschwunden. 
Ein Neuyorker Diamantenhändler, der 
für 25 900 Dollar Diamanten bei sich hatte, ist 
verschwunden. 
Der Neuschöpfer des dänischen Untergla. 
surporzellans und langjährige Leiter der Kö 
niglichen Porzellanfabrik in Kopenhagen, Pro 
fessor Krog, ist im Alter von 75 Jahren ge 
storben. 
Ein 4000 Tonnen großer deutscher Damp 
fer ist bei der Einfahrt nach Stockholm aus 
Grund geraten. 
Der polnische Dampfer „Pulafki" ist im 
Sund gestrandet, da er die Fahrt ohne Lotsen 
vornehmen wollte. 
Der französische Panzerkreuzer „Ernest 
Renan" hat Maschinenschaden erlitten und 
Hilfe erbeten. 
Zwei französische Torpedoboote sind bei 
Algier zusammengestoßen, konnten jedoch mit 
eigener Kraft den Hafen erreichen. 
Ein bayerischer Marinetag fand in Mün 
chen statt im Beisein des ehemaligen Kron 
prinzen Rupprecht. 
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und 
Abonnement-Dnnahme 
der 
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