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Montag, den 8. Juni 1931.
I2 t Jahrgang / Nr. 131 / Zweites Blatt.
Deri Sîmàm im LiekuS
Straßburger.
Sonnabend morgen. Mit Sonderzug rollt
der Zirkus Straßburger von Eckernförde, wo
er sein letztes Gastspiel gab, heran. Wagen auf
Wagen wird entladen, rollt durch die Bahnhof-
straße, Jungfernstieg nach dem Paradcplatz,
ununterbrochen, unermüdlich. Und schon gegen
Mittag — man traut seinen Augen kaum — ist
das große 5000 Menschen fassende Zelt, das
von vier Masten getragen wird, aufgebaut. Die
Ställe für die Tiere werden aufgestellt, und
der ganze untere Teil des Paradeplatzes ist
Zirkusstadt geworden.
Abends kommen unaufhörlich die Zu
schauer aus der Stadt, aus der näheren und
weiteren Umgebung, mit Sonöerzügen und
Omnibussen, und bald ist der obere Teil des
Paradeplatzes ein Wagenpark.
Die beiden Kapellen spielen, immer noch
strömt die Menschenmenge ins Zelt, das bei
nahe bis zum letzten Platz gefüllt ist. Bogen
lampen flammen auf und verbreiten eine blen
dende Fülle von Licht. Schon trotten die Gris
lybären in die Manege, spielfrendige, muntere
Tiere, zeigen erstaunliche Kunststücke auf Roll
schuhen und Fahrrad. Das dumpfe Grollen
von Löwen kommt näher, und schon schreiten
ruhig und selbstbewußt Verberlöwen in den
Käfig, prachtvolle Tiere, die der Löwenbändi
ger Togare, ein Sohn des dunklen Erdteils,
lediglich durch Blick und Geste, ohne jedes laute
Wort, sicher regiert. Zuletzt läßt sich eins der
gewaltigen Tiere von seinem Herrn und Mei-
ster auf den Schultern hinaustragen.
Noch während der Käfig abgebaut wird,
zeigen die beiden Nellas im Licht des Schein
werfers, hoch oben am Trapez einen verwege
nen Luftakt. Schon braust eine spanische Qua
drille durch den Raum. Und so geht es unauf
hörlich weiter.
Einen breiten Raum nimmt im Pro
gramm die klassische Zirkuskunst ein. Ein
prachtvoller Pferdebestand: Shetland-Ponys,
ostpreußische Rappen, russische Falben, edle
Lipizzaner-Schimmel von erlesener Schönheit
die ihre Ahnenreihe bis auf des Propheten
Mohammed Lieblingspferd zurückführen, ein
englischer Hengst, diverse Steiger. Regina,
Karl und Hans Straßburger zeigen Freiheits
öressuren und reiten hohe Schulen in höchster
Vollendung. Ein fabelhafter Jockeyakt, der
lange Emil in seiner komischen Reitparodie,
Tscherkessen und Kosaken, so geht es in buntem
Wechsel, und das Auge wird nicht müde. Dann
zeigen die Seelöwen Kapitän Thomsons ihre
Geschicklichkeit im Jonglieren mit Bällen, Hü
ten, brennenden Fackeln. Chinesische Gaukler
führen ihre überraschenden Künste vor, afrika
nische Fakire tanzen auf spitzen Nägeln und
schreiten auf scharfen Degen, produzieren sich
als Feuerfresser. Ein zoologisches Niescnschau-
stück ersten Ranges ist das Rieien - Ticrpot-
pourri mit 50 Pferden, Elefanten, Kamelen,
Dromedaren, Zebras.
In einer Pause drängen die Besucher zu
den Stallungen, um die Tiere aus der Nähe zu
sehen. Es ist eine Raubtierschau, zu der man
langer Zeit haben müßte.
Eine fabelhafte Leistung zeigen die 8 Ur-
manns, die fliegenden Menschen. Kühn schwin
gen sie sich von ihren Trapezen durch die Luft,
kreuzen und fangen sich. Jeder Griff, jeder
Schwung, jede Bewegung ist auf den Bruchteil
einer Sekunde berechnet. Körperbeherrschung,
Kaltblütigkeit und unübertreffliche Präzision
feiern Triumphe. Wie ein Märchenspiel aus
1001 Nacht mutet die große Parade der Völker
und Tiere an, die durch die Manege zieht.
Ein neuer Höhepunkt. Acht riesige Elefan
ten stampfen herein, stehen auf den Hinterfü
ßen, auf den Boröerfützen, und zeigen ihre
Kunstfertigkeit. Einer von ihnen trägt zuletzt
dessen Vorsitzender Hansen betonte, daß das
Banner von seinem Verein an der norddeut
schen Grenze als ein Symbol des Deutschseins
in Ehren gehalten sei und unversehrt zurück
gegeben würde. Der Bundesvorsitzende, Lind-
ner-Hainbnrg, dankte für die gute Verwah
rung des Banners und streifte dann in kur
zen Worten die Geschichte des Norddeutschen
Schützenbundes, mit der die Stadt Rendsburg
eng verwachsen ist. Er gedachte verdien
ter Persönlichkeiten, sprach über die Ziele
des Deutschen Schützenbundes und ließ seine
Ausführung in den Worten „Wir wollen sein
ein einig Volk von Brüdern" gipfeln und in
dem Heimatspruch „Op ewig ungedeelt" aus
klingen. Dann übergab er dem Renüsburger
Schützenverein das Bundesbanner. Der Vor
sitzende Johs. Fcldkamp versprach, das Bun
deszeichen in Ehren zu halten. Nachdem die
Liedertafel als Abschluß das Lied „Brüder,
reicht die Hand zum Bunde" gesungen hatte,
unternahm der Festzug unter den Klängen
der schneidigen Kruseschen Kapelle den Marsch
durch die Stadt nach dem Schützenheim.
Im Garten vor den Schießständen wurde
um den Gedenkstein des Schützenvereins Auf
stellung genommen, und in strammer, mili
tärischer Weise meldete der Festzugsführer
dem Bundesvorsitzenden die Ankunft der
Schützen. Dann erteilte der Bundesführer
Landrat Steltzer das Wort für seine Anspra
che, in der der Redner unter anderem aus
führte, daß es ihm eine besondere Freude sei,
den aus der Provinz und darüber hinaus
herbeigeeilten Schützen den Gruß des Kreises
entbieten zu dürfen. Schießen sei imyrer eine
männliche Sache gewesen. In der Zeit, wo
noch mit Pfeil und Bogen die Familien und
später mit moderneren Kampfmitteln das
'Volk geschützt wurde, da bestand schon eine
enge Verbindung zwischen den Schützenver
einen und der Wehrhaftigkeit. Schießen sei
mehr als eine sportliche Betätigung, sie ver
lange persönlichen Einsatz. Der Vortragende
schloß seine Ansprache mit einem Hoch auf den
edlen Schießsport und wünschte, daß diesem
Sportzweig durch das Fest eine breitere
Grundlage erwachsen möge. — Die Vereins
wirtin, Frau Einfeld, hieß anschließend die
Schützen willkommen und ehrte die Vertreter
des Kreises, der Stadt, des Bundes und Ver
eins durch Rosensträuße, die sie durch kleine
Mädchen überreichen ließ
Beginn der Schietzivettkärnpfe.
Nachdem die Fahnen in der Vorhalle Auf
stellung gefunden hatten und die Böllerschüsse
gefallen waren, wurde auf den mustergültig
hergerichteten Ständen eifrig mit dem Schie
ßen begonnen. Da sah man die Schützen in
ihrem Element! Ruhig und ohne jede Erre
gung gaben sie ihre Schüsse ab. Ueber den
Ausgang läßt sich noch nichts berichten, da die
Gesamtwertung erst am letzten Tage aufge
stellt werden kann.
Während in der Halle fleißig um Punkte
und Sieg geschossen wurde, vergnügten sich die
Gäste und Angehörigen im Garten des Schüt
zenheims, wozu eine Schießbude, ein Karus
sell usw. Gelegenheit boten.
Abends fand im Schützenhof der Festball
statt, wo Freude und Humor neben der übli
chen Bewegung zu ihrem Recht kamen.
Der r. Festterst»
begann mit dem Schießen auf allen Ständen
und der Hauptausschußsitzung des norddeut
schen Schützenbundes in der Schweizerhalle.
Für heute nachmittag sind ein Festessen, das
Festsetzen des Schießens, ein Vereinswett-
kampf und Konzerte mit Tanzeinlagcn im
Conventgarten und Schützenheim vorgesehen.
Rendsburg, den 8. Juni 1931.
borddeutschen Schützen war. 1872 und 1879
veranstaltete der Norddeutsche Schützenbund,
der bereits im Jahre 1860 auf Anregung
eines Bürgers unserer Stadt, v. Tolk, durch
Vereinigung der einzelnen Schützenvereine
ins Leben gerufen war, Schützenfeste in
Rendsburg. An diesen Festen beteiligten sich
fast alle Einwohner, ja, sogar aus der Um
gebung kamen die Jungen und Alten, um
diese Volksfeste mitzufeiern. Das hatte in
der Ueberlieferung seine Berechtigung. Die
Schützenfeste entstanden aus den altgermani
schen Maispielen und hängen eng mit der
Diachtentwicklung der Städte zusammen. Die
häufigen Ein- und Uebergriffe der Fürsten
vnd des Adels nötigten die Städte zur Kampf
bereitschaft und Ordnung ihres Kriegswesens.
Der Bürger, der sich den durch Pfeilschüsse
gemarterten St. Sebastian als Schutzpatron
wählte, griff zur Armbrust und übte das
Schießen geordnet nach Städtevierteln und
Zünften. Aus besonderen Uebungsstätten bil
deten sich dann die Schützengilden. Die städti
schen Behörden begünstigten solche Einrich
tungen nachdrücklich und veranstalteten schon
ah 1387 ein Wettschießen. Mit dem Schwinden
der städtischen Freiheit und dem Aufkommen
der stehenden Heere verloren die Schützen-
gilden ihre Bedeutung für die Leibesübun
gen und körperliche Ertüchtigung des Volkes
Und sanken mehr oder weniger zu Vergnü
gungsgesellschaften herab. Erst mit dem natio
nalen Umschwung Mitte des vorigen Jahr
hunderts und nach dem großen Zusammen
bruch erhoben sie sich wieder zu höherer, va
terländischer Bedeutung.
Der 1. äftiRß.
Schon vormittags brachten die Verschie
densten Verkehrsmittel die Festteilnehmer
»ns allen Gegenden der Provinz, aus Ham
burg und Lübeck, die von Rendsburger Schllt-
zenbrüdern empfangen und in die Empfangs
lokale geleitet wurden. Mittags bewegte sich
ein buntbelebter Zug durch die festlich ge
schmückten Straßen nach der Mittelschule, wo
die Aufstellung zum
Festzug durch die Stadl
erfolgte. Hier gab es manch fröhliches Wie
dersehen, Grütze wurden übermittelt und
herzhafte Händedrücke bekräftigten früher ge
schlossene Freundschaften. Nach alter Sitte
führten eine Falkenreiterin, ein Armbrust
schütze und vier Herolde in historischen Ge
wändern hoch zu Rotz den Festzug an. Es
folgten der-Wagen mit dem Bundesbanner
vnd die vielen Gespanne mit den Ehrengästen
des Norddeutschen Schiitzenbundes. Den
Schluß bildeten die Schützenvereine mit ihren
Fahnen. Die Schützen selbst, in ihren kleidsa
men Uniformen, deren Röcke zum Teil mit
Drden und Ehrenzeichen des Schießsportes
schwer behängen waren, hinterließen einen
schneidigen Eindruck. Durch die mit Fahnen
und Guirlanden geschmückten Straßen be
wegte sich der lange Zug, begleitet von einem
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Vor einer vieltausendköpfigen Zuschauer
menge begrüßte Senator Dr. Fenn die Schüt
zen im Namen der Stadtverwaltung und
Einwohnerschaft auf dem Schloßplatz, nachdem
die Liedertafel ein Lied zu Gehör gebracht
hatte, wünschte der Veranstaltung einen gu
ten Verlauf und brachte ein Hoch auf den
Norddeutschen Schützenbund aus.
Dann erfolgte die Uebergabe des Bnn-
desbanners durch den Wyker Schützenverein,
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