Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 2)

Verantwortlich Ernst Schröder, Jlensburs- 
k r beide Pole überflogen hat und der auf 
i einem gefahrvollen Flug über den Südpol 
einen Stein von dem Grabe eines verstorbe 
nen Fliegerkameraöen mithatte, um ihn, in 
die amerikanische Flagge eingehüllt, am Süd 
pol niederzuwerfen? Die höchste Technik und 
eine charakterstarke Sportleistung in Verbin 
dung mit einer vollkommen kopflosen, ge 
fühlsgeborenen Sinnlosigkeit, eines neunjäh 
rigen kleinen Mädchens würdig! Der Fall ist 
charakteristisch für die Zeit, Technik und Hei 
dentum eng vermengt. 
Gerade dieses ist das Kennzeichen der 
Zeit: die ins Phantastische entwickelten techni 
schen Hilfsmittel und dann ein entschiedener 
Rückschritt in intellektueller Hinsicht oder in 
tellektuellem Geschmack. Eine Abstufung macht 
sich hier geltend, eine jüngere, sozusagen ge 
fühlsbetonte Haltung gegenüber Phänome 
nen, etwa nach Art der Frauen, eine Abnei 
gung gegen die Klarheit, die zugunsten eines 
beglückenderen Empfindens von allgemeinem 
Zwielicht abgelehnt wird. Reaktion gegen die 
Materialisierung der Zeit nennt man diese 
Neigung zu Mangel an Bescheidwrssen, für 
Religiosität gibt man sein Saccharin in der 
Seele aus, ohne überhaupt zu wissen, daß Re 
ligion eine Naturmacht ist und nicht ein Seuf 
zer zu einem Feuilleton. Durchgehends findet 
man jedoch ein gewisses Zurückscheuen davor, 
in den Brennpunkt zu treten, das unscharfe 
Bild gefällt der Zeit. Man erlebt daher, daß 
rein physische Wissenschaften wie die Atom 
theorie als Ausgleich für transzendentale 
Verkündungen hingenommen werden, in der 
Hoffnung, daß es Stoff überhaupt nicht gibt: 
man scheint die Zwischenräume, selbst wenn 
sie klein sind, mehr zu schätzen als die festen 
Dinge. Ein Zustand allgemeiner Seligkeit 
herrscht in der Welt über Einsteins Relativi 
tätstheorie, algebraische Finessen, die in Wirk 
lichkeit den Wissenschaftlern vorbehalten sind, 
aber von einer Mehrheit als willkommene 
Aufhebung des Gesetzes der Schwerkraft auf 
gefaßt werden. Allgemeine Verwirrung wird 
mit frohem Lärm begrüßt, wie in der Frei 
viertelstunde in der Schule. 
Ein gewisses Eingebildetsein auf die Un 
wissenheit selbst, die man ohne Grund mit der 
Mehrheit, dem einfachen Mann, identifiziert, 
fehlt nicht, eine der unappetitlichsten Züge der 
Politik. Diese ekelhafte Geistesform kommt 
nicht von unten, dem großen Niveau, sie 
kommt von einer verbrauchten, kriechenden 
Oberschicht. 
Blickt man zurück auf das jetzt verfloflene 
erste Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts 
und das neunzehnte vorher, hat man einen 
Gesamteindruck von Bewegungen, die größer 
sind als alles, was in der Weltgeschichte vor 
ausgegangen ist,' in gewissen Dingen fühlt 
man doch, daß man erst an einem Anfang 
steht. 
Eine merkwürdige und durchgreifende 
Entwicklung hat die Frau in dem letzten Men 
schenalter durchlaufen, und es ist eine der 
Aufgaben der Zeit, hierauf zurückzublicken 
und sich mit diesem Geschehen vertraut zu ma 
chen als einem der anziehendsten Kapitel in 
der Geschichte der Zeit. 
In allen Phasen der Zeit liegt ein Pro 
gramm, die Untersuchung und Erkenntnis des 
sen, was Entwicklung und was nur Fort 
schritt war,' so betrachtet, führt alles, was vor 
übergegangen ist,- in eine Zukunft hinein. 
Rückblick und Hoffnung nähren sich von 
der gleichen Quelle, dem sprudelnden Leben. 
Das Ostseejahr. 
Die Nordische Gesellschaft in Lübeck hat 
einen internationalen Arbeitsausschuß für 
das Ostseejahr 1931 gebildet, der dänische, fin 
nische, schwedische, estnische und lettische Inter 
essenten, Danzig, Memel und die deutschen 
Ostseestädte ohne Stettin sowie die- Ostseebä 
der umfaßt. Die Veranstaltungen dieses Ost 
seejahres ziehen sich über das ganze Jahr 1931 
hin. Es handelt sich hierbei um 200 Veran 
staltungen, also Ausstellungen, Kongresse, 
Sportveranstaltungen, Messen, Musikwochen, 
Festspiele usw. Eröffnet ist das Ostseejahr 
bereits Mitte Mai in Lübeck, von wo die An 
regung ausging. 
Aus der Reihe der großen Veranstaltun 
gen sind zu nennen: die Nordische Hafen-, 
Schiffahrts- und Verkehrsausstellung in 
Kiel, ore Internationale rmftfayrtausstel- 
lung in S t o ck h o l m, die Meierei-Landes 
ausstellung in Kopenhagen und die Reise- 
und Verkehrs-Ausstellung in L ü b e ck, die 
nebenbei als Wanderausstellung gedacht ist 
und noch in Mittel- und Süddeutschland ge 
zeigt wird, ferner die bedeutende Veranstal 
tungen in Schleswig und Flensburg. 
Das Bach - Fest in Königsberg, die 
Deutsch-Nordische Orgelwoche in Lübeck be 
deuten auf dem künstlerischen Gebiet Mittel 
punkte. 
Es ist immer wieder danach gefragt wor 
den, welchen Wert und welche Ziele denn nun 
eigentlich das Ostseejahr 1931 überhaupt hat. 
Das Ziel läßt sich nicht pointiert und rach 
einer Richtung hin festlegen, weil es eine An- 
regung im ganzen für die um das Ostseebecken 
liegenden Länder sein will in kultureller und 
wirtschaftlicher Beziehung,' insbesondere aber 
sollen die in der Ferne liegenden Ziele durch 
die Hebung des Verkehrs erreicht werden. Was 
Deutschland anbetrifft, so fällt das O.seejahr 
in einen Zeitpunkt größter wirtschaftlicher 
Depression, doch nicht ohne zukünftige Hoff 
nungen und Ausblicke. Man begegnet deshalb 
auf deutscher Seite kritischen Ansichten, die 
aber ignoriert werden dürfen, weil nach Be 
schluß der Abhaltung des Ostseejahres Beden 
ken hintangestellt werden müssen. 
Insbesondere was unsere engere Heimat 
anbelangt, darf man dem Unternehmen von 
Lübeck bis nach Flensburg hinauf 
alles Gute wünschen. Die Städte ha 
ben sich sehr stark in den Dienst der Sache ge 
stellt und den in Lübeck geborenen Gedanken 
zu realisieren versucht, teilweise unter starken 
Opfern. Es wäre deshalb, weil an den Plan 
Hoffnungen geknüpft werden, zu wünschen, 
daß diese Erfüllung finden möch 
ten. E. S. 
Aleine Mitteilungen. 
Im Alter von 49 Jahren starb in Kopen 
hagen der dänische Polarforscher Ingenieur 
Ludwig Varming. Varming, der 17 Jah 
re lang Kohlenbergwerksleiter auf Spitzber 
gen gewesen ist, wurde 1928 dadurch bekamt 
daß er von Spitzbergen aus eine Hilfsexpedi- 
tion unternahm, um nach der verunglückten 
Besatzung des Nobileschen Luftschiffes zu su 
chen. Auf Spitzbergen verlor Varming sein 
ganzes Vermögen, das in einer Grubengesell- 
schaft angelegt war. 
Gottlieb Mohnike. 
Am 6. Januar 1781 wurde in der Kreis 
stadt Grimmen in Vorpommern der Litera 
tur- und Geschichtsforscher D. Gottlieb Moh- 
nike geboren, der sich einen besonderen Na 
men als Uebersetzer des großen schwedischen 
Dichters Esaias Tegnsr machte. Seine Ueber- 
setzung der berühmten „Frithjossage" (28. Auf 
lage . bei Hermann Gesenius in Halle) gilt 
auch heute noch als die beste. Von Mohnike 
sagt sein Biograph Zober: „Er ist unstreitig 
als derjenige deutsche Gelehrte zu nennen, 
der die skandinavische Literatur ganz beson 
ders auf deutschen Boden verpflanzt hat." 
Anläßlich seines 150. Geburtstages wurde in 
Grimmen an dem Hause, das heute an der 
Stelle von Mohnikes Geburtshaus steht, eine 
Gedenktafel mit folgender Inschrift ange 
bracht: „D. Gottlieb Mohnike, Literatur- und 
Geschichtsforscher, wurde hier am 6. 1. 1781 
geboren." 
Eingegangene Bücher. 
Die nachstehenden Neuerscheinungen wer 
den wir in den nächsten Nummern ausführ 
lich besprechen: 
„Handbuch znr Schleswigschen Frage", 3. 
Band, 2. Lieferung. Die Teilung Schleswigs 
1918—28. In Verbindung mit Dr. Vvlquarl 
Pauls und Prof. Dr. Karl Petersen, heraus 
gegeben von Dr. Alnor. Verlag Karl Wach- 
holtz, Neumünster. 
Deutschland und der Norden. Im Aufträge 
der Schleswig-Holsteinischen Universitätsge 
sellschaft herausgegeben von Professor Dr. Karl 
Petersen, Kiel. Verlag Ferdinand Hirt, Bres 
lau. 258 Abbildungen. Auf Mattkunstdruck 
papier gedruckt. 40,— RM. 
z. T. fast weißen Sand über, also ein Erdreich, 
das der Erkennung frühgeschichtlicher Einbau 
ten geradezu erstklassige Bedingungen bot. 
Nur wenige Meter vom Fuße des Walles 
entfernt traf der Graben bereits auf eine 
Hausanlage. An diese reihten sich in nicht 
allzu großen Abständen andere Häuserstätten, 
so daß heute bereits feststeht, daß jedenfalls 
an dieser Stelle die Besiedelung der Stadt bis 
an die Umwallung heranreichte. Ich habe die 
früher mehrfach ausgesprochene Vermutung, 
die Stadt selber sei viel kleiner gewesen als 
der Wall anzeigt, immer für abwegig gehal 
ten. Eine Stadt wird aus Gründen der Ver 
teidigung ihren Wall so eng wie möglich zie 
hen,' ganz anders liegen natürlich die Ver 
hältnisse bei Fliehburgen, die nur vorüber 
gehend die Bewohnerschaft der Umgegend mit 
ihrer gesamten Habe aufnehmen sollten. 
Daß bereits die erste Grabung in so gro 
ßer Anzahl Hausgrundrisse zutage fördern 
würde, übertraf die kühnsten Erwartungen. 
Fast überall, wo der Graben auf der Koppel 
des Herrn Tams (Haddeby) in das Erdreich 
einschnitt, begannen sofort unter der vom 
Pfluge durchwühlten Humuserde sich herdar 
tige und andere Anhäufungen von Steinen, 
gebrannter Lehmbewurf von Hüttenwändcn, 
Knochen von Haustieren und besonders viele 
Abfälle von der Bearbeitung von Hirschge 
weih, Tonscherben, Brocken von Mühlsteinen 
aus Basaltlava und andere Fundsachen zu zei 
gen. Diese Dinge lagen z. T. in Gruben von 
mehr oder minder rundlichem Querschnitt, 
deren Bedeutung im einzelnen noch nicht er 
klärt ist, und von denen viele Abfallgruben 
sein mögen, oder sie befanden sich in größeren, 
mit schwarzer Erde gefüllten Vertiefungen, 
die sich, wenn die Schichtengrabung weiter 
fortschritt, als Hausrüume erwiesen. Die tief 
sten Schichten ergaben dann oft ganz aus 
gezeichnete Bilder von Grundrissen, denen zu 
entnehmen ist, daß die Häuser rechteckige 
Schwellenbauten waren. Mehrfach ließen sich 
in den Innenwinkeln der Schwellen rechteckig 
zubehauene Ständer erkennen. Bei mehreren 
der Gebäude sind an den Ecken, ab und zu 
auch im Verlauf der Wandung, Pfostenlöcher 
beobachtet. Auch eine die Längsseite eines 
Hauses in einigem Abstand begleitende Pfo 
stenreihe konnte einmal festgestellt werden, 
wohl die Andeutung eines nur überdachten 
Raumes. Die bisher beobachteten Herde lagen 
größtenteils in den Ecken der Häuser, nicht 
also, wie man das nach einheimischen und nor 
dischen Analogien erwarten durfte, in der 
Mitte des Hauses. Tie Wände bestanden aus 
mit Lehm verstrichenem Reisigslechtwerk. 
Ueber die Tachkonstruktion und -bedeckung 
konnte noch nichts ermittelt werden. Tie Häu 
ser, deren Grundriß sich klar im Erdboden ab 
hoben, sind ziemlich tief in diesen eingebaut 
gewesen. 
Mehrfach sind an derselben Stelle drei bis 
vier Hausgrundrisse beobachtet worden. Ta 
die Häuser sämtlich durch Feuer zerstört zu 
sein scheinen, wird sich auf Grund solcher Be 
obachtungen vielleicht schließlich einmal die 
Möglichkeit ergeben, die Zahl der die Stadt 
verwüstenden großen Brände annähernd zu 
bestimmen. Die Besitzer haben das neue Haus 
an der alten Stelle mit geringen Abweichun 
gen wieder aufgeführt. 
Es sind auch einige Spitzgräben gefunden 
worden, die vielleicht der Kanalisation dien 
ten. Man darf annehmen, daß der die Stadt 
durchquerende Wasserlauf mehr zur Fortfüh 
rung der Abwässer denn als Zufuhr von 
Trinkwasser gedient hat. Dieses wurde sicher 
durch Brunnen geliefert. Schon auf der rela 
tiv kurzen Strecke unseres ersten Suchgrabens 
fand sich eine sehr tiefe, brunnenschachtartige 
Grube, die nur gut als Brunnen oder als 
Bersuchsgrube, das Grundwasser zu erreichen, 
gedeutet werden kann. Nicht weit von dieser 
Grube wurde eine ähnliche mit eigenartig 
trichterförmig sich verengender Wandbeklei 
dung von Lehm entdeckt, die unmittelbar vor 
dem Abschluß der Grabungen ganz in der 
Tiefe, im Grundwasser gelegen, die Holzum 
rahmung eines Brunnens ergab, der aber erst 
im nächsten Jahre gehoben werden soll. Aus 
den früheren Grabungen besitzt das Museum 
bereits eine solche Brunnenbekleidung, und 
man gewinnt schon jetzt den Eindruck, daß 
Brunnen in der Stadt keineswegs selten ge 
wesen sind. 
Der spätere Verlauf des Versuchsgrabens 
ging auf eine Koppel des Herrn Köpke (Bus 
dorf) über, die durch den darauf befindlichen 
Skelettgräbcrfriedhof bekannt geworden ist. 
Von den tausenden von Gräbern, die wir dort 
erwarten dürfen, sind erst wenige hundert 
aufgegraben. Die Beigabenarmut der streng 
von Westen nach Osten orientierten, in Sär 
gen beigesetzten Leichen läßt vermuten, daß 
dieser Friedhof bereits christlich ist. Vereinzelt 
sind inmitten der beigabenlosen Skelette doch 
nach heidnischer Art mit Beigabe bedachte Grä 
ber aufgetreten. Da diese sowie die ärmlich 
ausgestatteten Skelette meist aus Frauengrä 
ber schließen ließen, war man zu der Ueber 
zeugung gekommen, daß der Friedhof ein Be 
gräbnisplatz der Frauen gewesen sei. Diese 
Auffassung wurde allerdings durch, einige ganz 
wenige mit Waffen ausgestattete Männergrä 
ber erschwert. Man vermutete den Männer 
friedhof an anderer Stätte, wahrscheinlich 
außerhalb der Umwallung, wo ja schon das 
reich ausgestattete Vootskammcrgrab gefun 
den worden war, oder auf der nördlich der 
Stadt vorgelagerten „Hochburg", die als eine 
niedrig umwallte Zitadelle (ähnlich wie bei 
Birka) angesprochen wurde und deren Jn- 
nenraum noch heute von zahlreichen Grabhü 
geln der Wikingerzeit erfüllt ist. Andere wie 
derum suchten den Friedhof am südlichen Ab 
hang dieser Anhöhe, wo schon vor langen 
Jahrzehnten in der Lehmgrube einer Ziegelei 
Altertümer gesunden sind. Eine der interes 
santesten Beobachtungen der diesjährigen 
Grabungen ist nun die Feststellung, daß auf 
dem gesamten vom Graben angeschnittenen 
Gelände vereinzelt Gräber getroffen worden 
sind. Es dürfte sich hier um die Reste eines 
Friedhofs handeln, der durch die massenhaf 
ten späteren Häuser und anderen mit diesen 
zusammenhängenden Anlagen in hohem Gra 
de zerstört worden ist. So fand sich fast unmit 
telbar am Fuße des Walles bereits ein mit 
schönen ovalen, im Oseberg-Stil verzierten 
Spangen und anderen Beigaben bedachtes 
Skelettgrab, das von einem Hausgrundriß 
überschnitten wurde. Weiterhin hat der Gra 
ben nicht weniger als fünf aus Holz konstru 
ierte Kammergräber angeschnitten, von denen 
drei durch ihre Waffenbeigaben als Männer 
gräber charakterisiert sind. Zwei dieser Kam 
mern sind in der Mitte durch eine Holzwand 
geteilte Doppelkammern gewesen. Die eine 
Hälfte eines solchen Kammergrabes enthielt 
ein großes, mit Eisen beschlagenes Holzgefätz, 
einen deckelartigen, auf der einen Seite mit 
Bronze beschlagenen Holzgegenstand, ein rost 
artig aussehendes Eisengerät (vielleicht Ka 
stenbeschlag), einen Schildbuckel und zwei 
Speere. Die andere Kammerhälfte war leer. 
Ein zweites derartiges Grab ergab in der 
einen Hälfte eine mit ovalen Spangen und 
anderen Beigaben bedachte Frauenleiche, in 
der anderen einen noch nicht näher untersuch 
ten größeren Eisengegenstand, wahrscheinlich 
auch ein mit Eisen beschlagenes Holzgefäß. 
Schon die von unserm verhältnismäßig 
schmalen Suchgraben angeschnittenen Gräber 
lassen deutlich erkennen, daß die Besiedlung 
in jüngerer Zeit hier auf einen alten Friedhof 
übergegriffen hat, dessen Bestattungen durch 
aus heidnischen Charakter tragen. Es handelt 
sich um dieselben Kammergräber, wie wir sie 
von dem gleichfalls zweigeteilten Bootskam 
mergrab her kennen und wie sie auch sonst im 
Norden beobachtet worden sind. Auch die „heid 
nischen" Gräber des großen Friedhofs mit 
den in mehreren Schichten übereinander lie 
genden Särgen mögen ganz oder zum Teil 
diesem alten Friedhof angehören. Es ist anzu 
nehmen, daß dieser alte, heidnische Friedhof 
ursprünglich außerhalb der ehemals viel klei 
neren Siedlung gelegen hat. Ob dieses ältere 
Haithabu bereits eine Umwallung besessen hat, 
läßt sich noch nicht sagen. Der heutige impo 
sante Stadtwall ist offenbar erst in einer spä 
teren Periode, wohl der Blütezeit Haithabus, 
aufgeführt worden. Diese wird im großen und 
ganzen mit der Herrschaft der schwedischen 
Olaf-Dynastie zusammenfallen. Der inmitten 
dieses jüngeren Haithabu gelegene große Skc- 
lettgräberfriedhof dürfte dann dieser späteren, 
schon von christlichen Grabstätten beherrschten 
Zeit angehören. Er wird daher vielleicht doch 
neben den an spärlichen Beigaben bisweilen 
kenntlichen Frauenbestattungen auch die der 
Männer in sich bergen. Wir erwarten von der 
Fortsetzung der Grabungen auch eine weitere 
Klärung dieser viel erörterten Frage über die 
Bedeutung des Friedhofs mit seinen Sargbe 
stattungen. Ist dieser ein christlicher Kirchhof 
inmitten der Stadt, so darf man sich wohl den 
Erwartungen hingeben, in seiner Nähe viel 
leicht sogar eine Kirche zu finden 
Das Interesse der Bevölkerung für unsere 
Grabung überstieg die kühnsten Erwartungen. 
Mehrfach sind täglich über tausend Besucher 
auf dem Grabungsgelände gewesen. Der An 
marsch begann schon in den Morgenstunden 
mit dem Erscheinen von Schulklassen und er 
reichte in den Nachmittagsstuttden von 4—5 
Uhr den Höhepunkt. Es mußten umfassende 
Absperrungsmaßnahmen unter Hinzuziehung 
überwachender Polizisten getroffen werden. 
Da Zeit und Kraft der wissenschaftlichen Mit 
arbeiter schließlich nicht mehr ausreichten, um 
fortwährend Führungen zu veranstalten, wur 
den diese dann von zwei Lehrern geleitet. Da 
sich auch die Presse der Sache mit großem In 
teresse annahm, hatten wir das beglückende 
Empfinden, daß das Unternehmen tatsächlich 
von der Bevölkerung der Provinz getragen 
wurde und darüber hinaus: aus Hamburg und 
noch entfernteren Orten des Südens wie auch 
aus Dänemark waren täglich Besucher am 
Platze. 
So wurden die Untersuchungen in hohem 
Maße auch zu einem pädagogischen Ereignis 
im weitesten Sinne des Wortes. Es war eine 
klassische Stätte unseres Altertums in ausge 
dehnten Grabungen erschlossen: nicht nur Grä 
ber und nicht nur Wohnungen waren da zu 
sehen, sondern beides nebeneinander und in 
allen Stadien der Aufdeckung zu betrachten. 
Man konnte einen Eindruck von der großen 
Schwierigkeit der Deutung solcher Befunde be 
kommen, ohne daß die Schwierigkeiten im all 
gemeinen ein für den Laien untragbares Matz 
überschritten, wie nicht selten beim Anblick vor 
geschichtlicher Aufschlüsse. Ein ungeheueres 
Feld der Veranschaulichung der Forschertätig 
keit war für Schulen und Erwachsene erschlos 
sen und sowohl ein Teil der Lehrerschaft als 
auch des Publikums hatte seine Bedeutung 
erfaßt. In Zukunft soll auch die Ausnutzung 
der pädagogischen Seite des Unternehmens 
weiter gefördert werden, vor allem durch be 
quemerer Zurschaustellen der Funde und der 
die großen Zusammenhänge erschließenden 
Karten und Modelle. Zu unserer großen Freu 
de teilen auch alle Schichten der Bevölkerung 
und der wissenschaftlichen und pädagogischen 
Fachwelt bis in das Ministerium für Wissen 
schaft, Kunst und Volksbildung hinauf, die Auf 
fassung. Als uns die Herren Ministerialdirck- 
tor Dr. Hübner und Regierungsrat Dr. Haes- 
ler besuchten, äußerte Herr Ministerialdirektor 
Dr. Hübner den Gedanken, ob man nicht einen 
Teil der ausgezeichnet klaren Hausgrundrisse, 
Gräber usw. durch Konservierung im Boden 
und unter Dachschutz dauernd erhalten könne 
Die weitere Verfolgung dieses wertvollen Ge 
dankens wird uns hoffentlich einmal sogar ö ü 
einer Art Freiluftmuseum auf dem GrabungS- 
gelände führen, in dem dann die Besucher stän 
dig ins Innere des Bodens hineinschauen 
könnten. Haithabu als Schulbeispiel für Vor 
zeitunterricht, ein Stück erlebten Altertums 
und erlebter Forschung für jedermann! Dieses 
neue große Ziel hat sich aus der täglichen Grn- 
bungsarbeit und ihrem Besuch heraus 
terisch aufgetan. In welchem Maße es sich den 
geschauten Ideal nähern wird, hängt natürliN) 
wieder sehr von den verfügbaren Mitteln 
Dienordischen Fachkreise beehrten uns 
der Entsendung von Vertretern. Aus Dän^ 
mark war Herr Dr. V. la Cour, aus Norrveg^ 
Herr Dr. Sigurd Grieg, aus Schwede« 
Dr. Flodcrus erschienen: die Herren nähme 
lange Wochen hindurch an unseren Arbeiten 
teil. ^
	        
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