Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 2)

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1931 
124. Jahrgang > Nr. 123 
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt) 
Freitag, den 29. Mai 1931 
die Ņsrêàfer pwf. Piemrös. 
Ein amerikanischer Fliegerleutnant war bereits 
13151 Meter hoch. 
Der Höhenflieger Professor Piccarb hat in 
der Geschichte der Luftfahrt eine Anzahl von Vor 
läufern, die gleich ihm über die schwierige 10 000- 
Meter-Erenze hinaus in die Aetherhülle der Erde 
vorgestoßen sind. Die höchsten Höhen wuàn al 
lerdings nicht von Luftballons, sondern von Flug 
zeugen erreicht: Der amerikanische Fliegerleut 
nant Soucek gelangte bis in eine Höhe von 13151 
Metern und der deutsche Flieger Willi Neuenhofen 
aus Dessau doch immerhin bis zu 12 500 Metern. 
Der Welthöhenrekord für Luftballons wurde be 
reits am 31. Juli 1899 ausgestellt. Ein deutscher 
Professor, Geheimrat Süring aus Berlin, voll 
brachte damals diese gewaltige Leistung. Er hatte 
genau wie Piccard auch einen wissenschaftlichen 
Begleiter mit an Bord seines Freiballons genom 
men, Professor Verson, der mit Süring zusammen 
seit dieser Zeit Inhaber des Welthöhenrekords für 
Freiballons gewesen ist. 
Es ist interessant, nach den Berichten Pro 
fessor Sürings die großen körperlichen Schwierig 
keiten eines solchen Höhenflugs sich vorzustellen. 
Man kann mit Recht sagen, daß die höchsten 
Höhen von allen Fliegern und Freiballonführern 
eigentlich im Zustand der Bewuhtilosigkeit erreicht 
wurden. Der menschliche Körper wird durch die 
Eiseskälte und den Mangel an Sauerstoff so stark 
mitgenommen, daß er zu bewußten seelischen 
Funktionen nicht mehr in der Lage ist. Bei dem 
Weltrekordflug Professor Sürings begannen die 
ersten Anzeichen von Schläfrigkeit in einer Höhe 
von 6000 Metern. Hier herrschte eine Kälte von 
12 Grad Celsius. In 9000 Meter Höhe siel das 
Thermometer auf 30 Gr. Obwohl dis Müdigkeits- 
erfcheinungen zunahmen, konnten die beiden For 
scher noch immer das Veobachtungsprotokoll füh 
ren und wissenschaftliche Messungen vornehmen. 
Ueber 10 009 Meter Höhe ging das Bewußt 
sein der Flieger allmählich immer mehr in einen 
Dämmerzustand über; der nur mit einer Art 
Traumbewußtsein verglichen werden kann. Das 
Gefühl für die Wirklichkeit verblaßte. In die 
Gedanken mischten sich Bilder und Wunschträume. 
Die geringste Tätigkeit forderte einen ungeheuren 
Energieaufwand. Süring selbst schlief ein, so daß 
sein Begleiter angstvoll in Höhe von 10 250 Meter 
die Ventilleine zog.. Als Süring wieder auf 
wachte, fand er Berfon in schlafender Stellung vor. 
Alles Schütteln war umsonst. Auch als er sei 
nem Gefährten den Atmungsschlauch zuführte, 
blieb er zunächst regungslos. Aber bereits dieser 
Versuch hatte die Kräfte Sürings wieder so er 
schöpft, daß er von neuem einschlief. Erst nach 
fast einer Stunde erwachten die beiden Ballon 
fahrer wieder in einer Höhe von etwa 6000 Mtrn. 
Trotz starker Sauerstoffatmung befiel sie ein Ge 
fühl bleierner Müdigkeit, schwerer Kopfschmerzen 
und Schlaffheit. Sie mußten sich übergeben und 
dem Beherrscher des Luftmeers in aller Form der 
Luftkrankheit ihren Tribut zollen. Trotz dieses 
schweren Erschöpfungszustandes gelang ihnen bei 
Königsberg eins glatte Landung. 
Der erste wissenschaftliche Höhenflug wurde 
von dem Engländer Eleisher im September 1862 
unternommen. Seine Höhenschätzungen — er 
wollte bis auf 11300 Meier gekommen sein — be 
gegneten jedoch bald Zweifeln. Sein Begleiter 
erfror sich bei dem Flug beide Hände. Ein weite 
rer Flug der Franzosen Tissandier, Sievel und 
Croce-Spinelli am 15. April 1875 kostete sogar 
zwei Teilnehmern das Leben. Sie wurden mit 
schwarzem Gesicht bei der Landung leblos und er 
stickt im Korbe aufgefunden. 
Màrrrs NertrmgsrekZams. 
Auf dem Berliner Weltreklamekongreß hat man 
auch des Völkerbundes gedacht, und zwar recht an 
erkennend und hoffnungsvoll. Aber nian hat fest 
gestellt, daß die Leistungen dieser großen Firma in 
punkto Reklame gänzlich unzulänglich sind. 
Der Reklamechef von Lever Brothers in Lon 
don, H. G. Hart, hat diesen Gedanken nur so neben 
bei entwickelt. Aber ein anderer englischer Rekla 
mefachmann, Colonel Burton, ist tief in das Pro 
blem einer modernen, großzügigen Reklame für den 
Völkerbund hineingestiegen und hat den Plan des, 
wie er sagte, größten internationalen Reklamefeld 
zuges dargelegt, den die Welt je gesehen habe und 
der dazu führen solle, daß der Völkerbund nicht län 
ger einer Fabrik mit einem wundervollen Erzeug 
nis, aber einer schlechten Derkaufsorganisation 
gleiche. Auf Grund von Berechnungen entwickelte 
er den Plan eines jahraus, jahrein täglich in allen 
Zeitungen Europas, des britischen Weltreiches, der 
Dominions und Kolonien, Südamerikas und Ja 
pans erscheinenden, eine Spalte langen Inserates 
mit Aufklärungen über den Völkerbund (die Ver 
einigten Staaten ließ er wegen ihrer noch unge 
klärten Gefühle gegenüber dem Völkerbund außer 
Betracht). Diese Insertion werde jährlich „nur" 
40 Millionen Reichsmark kosten, also nur etwas 
mehrmals Lever Brothers jährlich für Inserate 
ausgeben, und bedeutend weniger als das, was eine 
beliebige amerikanische Zigarettenfirma aufwende, 
um eine neue Marke einzuführen. Der Gedanke ist 
so großzügig, wie man es von einem Fachmann der 
modernen Zeitungsreklame erwarten kann. Er ist 
ein begrüßenswerter Vertrauensbeweis für den 
Bund und es ist richtig, daß die Ausführung halb 
soviel kosten würde, wie ein Kriegsschiff. Aber Co 
lonel Burton, der selbst sagte, daß er auf dem bis 
her üblichen Wege nur herzlich wenig über den Völ 
kerbund erfahren habe, weiß nicht, daß manche der 
Staaten, von denen er glaubt, daß sie ohne weite 
res einen entsprechenden Beitrag für seinen Inse- 
ratenfeldzug zahlen würden, ihren regulären Völ 
kerbundsbeitrag schon recht hoch finden. So hat zum 
Beispiel die vorige britische Regierung durch ihren 
Vertreter bei der Budgetberatung während der letz 
ten Versammlung einen äußerst erbitterten Spar 
samkeitskampf führen lassen. Er wird erstaunt 
sein, wenn er erfährt, daß im vorigen Jahre die 
Gesamtkosten für den Völkerbund nur 22,7 Millio 
nen Goldfranc betragen haben, wovon auf -das Se 
kretariat und auf die selbständigen Organisationen 
des Bundes 11,9 Millionen, das Sekretariat allein 
6,8 Millionen und auf die Informationsabteilung 
858 555 Franc entfallen. Diese Abteilung wäre 
nach seiner Meinung als Rsklomeabteilung der 
Firma „Völkerbund" zu bezeichnen. Colonel Bur 
ton, der allein für die Zeitungsreklame rund 50 
Millionen Goldfranc für nicht zu viel hält, würde, 
wenn er dies erfährt, wahrscheinlich lächelnd sagen: 
„Kein Wunder, daß diese Firma so wenig bekannt 
ist!" Aber von allem ganz abgesehen, es wird schon 
so gehen müssen, mit einem Budget, für das man 
nicht das kleinste Kriegsschiff kaufen könnte und mit 
dem, was die Presse im Textteil für die Sache tut. 
Der sterbende Schwan der Pawlowa. 
In einem künstlichen kleinen See eines anmu 
tigen Londoner Gartens siecht ein einsamer Schwan 
langsam dem Tode entgegen. Es handelt sich um 
Jack, einen der beiden Schwäne, an denen die Tän 
zerin Anna Pawlowa mit ganzem Herzen hing, und 
der ihr auch zu ihrem weltberühmten Tanz „Der 
sterbende Schwan" die Anregung gegeben hat. Rach 
dem Ableben der Tänzerin waren Jack und seine 
Gefährtin Klara unzugänglich und bösartig ge 
worden. Kürzlich fand man Klara tot am Ufer. 
Von Stund an verweigerte Jack jede Nahrung, und 
sein russischer Wärter, der die Schwäne seit fünf 
zehn Jahren versorgt, bemüht sich vergebens, ihn 
durch Leckerbissen über seinen doppelten Schmerz 
hinwegzutrösten. Beide Schwäne hingen mit rüh 
render Liebe an der russischen Tänzerin, die alles, 
was sie wollte, mit ihnen machen konnte, während 
die Tiere anderen Menschen gegenüber scheu und 
unzugänglich waren. Seit dem Tode Anna Paw 
lowas mieden sie den Garten, flüchteten, sobald sich 
ein Mensch nahte, in die Mitte des Wassers und 
gerieten, wenn sich einer ihnen näherte, in Wut. 
Zwei amerikanische Strumpsfabrikanten 
treffen sich. Der eine sagt: „Ich habe mir aus 
Deutschland eine Maschine kommen lassen, da 
tut man oben die Seidenraupe hinein und 
unten kommt der fertige Strumpf raus." 
„Da haben Sie nicht das neueste Modell", 
erwiderte der andere. „Bei meiner Maschine, 
die ich habe, tut man die Seidenraupen hinein 
und unten kommt der prolongierte Wechsel 
heraus." 
Schomburgk 
bricht zu einer neuen Afrikaexpedition auf. 
Hans Schomburgk->mit seiner Tonfilmappara- 
tur. Links Mikrophon mit Jnsektenschnh, rechts 
Filmapparat mit den Fernrohrobjekten für 
Weitaufnahmen. 
Der Afrikaforscher Hans Schomburgk ist mit 
4 Kraftwagen zu einer neuen Afrikaexpedition 
aufgebrochen. An der Reise nehmen 8 Personen 
teil) die mit den modernsten Apparaturen für 
Ton- und Filmaufnahmen ausgerüstet sind. 
IDEE der völlig unschädliche, echte Bohnenkaffee 
4. 4. BARBOVEM, Hamburg 15 Bas große 200 g Paket kostet nur noch Um. 1.35 
rifW**" 
Generaldirektor wider Willen. 
Roman von «arl Otto Windecker. 
' Copyright 1930 by C. O. Windecker, 
t) (Nachdruck verboten.) 
2. 
Seit acht Tagen war nun Herrn Audets Sekre 
tär Rene Dubois im Hotel — noch hatte ihn dort 
niemand gesehen. Die Mahlzeiten ließ sich der 
Industrielle für sich und seinen Beamten aufs Zim 
mer dringen, — weder er noch der Sekretär hatte in 
diesen acht Tagen das Appartement verlassen. Selbst 
der Friseur, der jeden Morgen zum Rasieren kam, 
hatte diesen Dubois noch nicht zu Gesicht bekommen. 
Auch der Schneider nicht, der von Audet den Auftrag 
erhielt, ihm innerhalb 24 Stunden drei elegante 
Anzüge zu beschaffen. Niemand. Nicht einmal das 
kleine Stubenmädchen, das die Reinigung der Zim 
mer zu besorgen hatte. 
Man vermutete eine kleine Affäre und munkelte 
lind grinste — und vergaß dann schließlich über 
neuen Affären und Skandalgeschichten, an den ge 
heimnisvollen Sekretär zu denken. 
Gaston Fauchat, in einem der neuen Anzüge, 
laß dem Mann gegenüber, den er zu hassen begann. 
Anbei schien es nicht zu bemerken. Ruhig, als 
handele es sich um die größte Selbstverständiichke-.t, 
buchte er seinen Vetter mit den Geheimnissen seines 
A^erks vertraut, erzählte ihm von den Schwierig 
leiten, die sich allenthalben häuften und die schließ 
lich den Ausschlag zu seiner Flucht gegeben hatten. 
Aur manchmal brach bei ihm eine teuflische Schaden 
freude durch, wenn Fauchat ein Problem sachlich 
durchzusprechen begann. Vollkommen ernsthaft ver 
hakte sich dieser in die Probleme der Firma, die er 
kmld übernehmen sollte, als Jean-Marie Audet, — 
dickst um sie zu leiten und zu führen, sondern um, 
°n seinen Eid gebunden, ein Werkzeug des Hasses 
êu sein. 
Ein Kellner brachte Post. Flüchtig sah Audet 
°ie eingegangenen Briefe durch, warf sie dann mit 
hinein: „Das ist für Sie", neben Fauchat auf den 
Schreibtisch. Er selbst behielt nur die Zeitungen und 
°^8onn zu lesen. 
„Famos", kicherte er plötzlich. „Hier ... hören 
'r: Aus einer kleinen Hotelpension hier verschwand 
einigen Tagen ein gewisser Gaston Fauchat 
unter Zurücklassung seiner wenigen, wertlosen Hab 
seligkeiten und einer nicht unbeträchtlichen Rech 
nung. Zum letzten Male wurde er im Roulettesaal 
des Kurhauses gesehen, wo er offenbar sein Geld 
verspielte. Trotz aller Nachforschungen war der 
Mann bisher nicht aufzufinden. Es muß angenom< 
men werden, daß er Selbstmord verübt hat. Die 
von der Polizeibehörde beschlagnahmten Habselig 
keiten des Verschwundenen sind dem geschädigten 
Wirt auf Antrag zurückgegeben worden, obgleich 
sie bei weitem nicht ausreichen dürften, den Schaden 
zu decken." 
Laut auflachend hatte sich Audet neben Fauchat 
auf die Chaiselongue geworfen und schlug ihm nun 
in widerlicher Vertrautheit auf die Knie. 
„Ist das nicht wundervoll?" lachte er. „Lassen 
Sie den guten Wirt nur weiterhin nach Ihrer hüb 
schen Leiche suchen. Vielleicht findet er bald meine 
dafür, und dann ist Herr Gaston Fauchat definitiv 
gestorben. Was halten Sie davon?" 
Fauchat war erregt aufgesprungen. Mit großen 
Schritten durchmaß er das Zimmer und blieb endlich 
vor dem Industriellen stehen. 
„Ich ... ich ...!" Er schwieg. Andet lachte 
nicht mehr. Ein kalter Blick aus seinen grauen, 
grausamen Augen hatte Fauchat zum Schweigen ge 
bracht. 
„Wünschen Sie, daß der Zechpreller und Ein 
brecher Fauchat weiterlebt?" fragte er kühl. 
Fauchat schlug die Hände vors Gesicht und 
schwieg. 
* 
Roch einige Tage waren vergangen. Fauchat 
zeigte sich als ein gelehriger Schüler. Unter Andets 
Anleitung hatte er gelernt, dessen Schrift täuschend 
nachzuahmen, er hatte dessen Sprechweise angenom 
men und bemühte sich, seine müde, kranke Körper 
haltung zu imitieren. Es gelang ihm nicht immer. 
„Das ist nicht schlimm", meinte Audet dazu. 
„Man wird annehmen, daß ich mich auf dieser Reife 
vorzüglich erholt habe." Wieder lachte er sein eigen 
tümliches, heiseres Lachen. 
„Wir werden nicht niehr sehr lange zusammen- 
sein", sagte er dann nach einer Weile. „Mein Geld 
geht zur Neige, — Sie werden heute die erste Probe 
ablegen und diesen Kreditbrief bei der Bank vor 
legen. Lassen Sie sich ruhig beim Direktor melden 
— er ist ein Wter Bekannter von mir. Wenn er eine 
Bemerkung über das veränderte Wesen macht, dann 
sagen Sie ihm eben, daß Sie sich sehr wohl fühlen. 
Und noch eins. Erkundigen Sie sich gleichzeitig nach 
den besten Verbindungen nach Deutschland. Bevor 
Sie in Paris meine Geschäfte aufnehmen, informie 
ren Sie sich über die Verhältnisse der Automobil- 
industrie in Deutschland. Ich selbst konnte es nicht 
mehr, — ich konnte die Ina-Werke nicht mehr leiten 
und auf neue Wege führen, vielleicht können Sie 
es..." 
Erstaunt hatte Fauchat aufgeblickt. Das waren 
die ersten Worte seines Peinigers, die nicht aus 
Grausamkeit und Roche gesprochen waren. 
Audet hatte das Erstaunen seines Opfers wohl 
bemerkt. Er nickte müde vor sich hin. „Vielleicht 
bin ich nicht ganz der, für den Sie mich halten", 
lächelte er. „Vielleicht ist in mir auch noch etwas 
Menschlichkeit und Verantworturkgsgefühl, — viel 
leicht ist nur das andere in mir stärker. Mein Leben 
war nicht gut, darum konnte ich selbst nicht gut wer 
den." Einer plötzlichen Regung folgend, reichte er 
Fauchat die Hand, aber er zog sie eben so schnell 
wieder zurück. „Lächerlich..." murmelte er wieder 
abweisend und mit verkniffenen Lippen. „Ich habe 
Ihre Unterschrift." — 
Am nächsten Morgen betrat Fauchat den Lift 
und ließ sich zum Vestibül hinunterfahren. Er folgte 
Audets Anweisungen, kaufte sich am Kiosk in der 
Halle ein paar Zeitungen und Zigaretten, — dankte 
dem Portier, der ihn höflich mit „Herr Audet" be 
grüßte. Die Täuschung gelang also, — wenigstens 
hier. 
Wie erlöst atmete er die frische Frühlingsluft 
ein. Als sei er von einer schweren Krankheit ge 
nesen, betrachtete er die vorübergehenden Menschen. 
Dann wieder kehrten seine Gedanken zu Audet zu 
rück. War er einem Wahnsinnigen in die Hände ge 
fallen? Im Geist sah er das zermürbte Gesicht vor 
sich — mit den müden, uniränderten Augen, den 
tiefen Furchen um Rase und Mund und dem kleinen 
schwarzen Schnurrbart. Von Audets gefährlicher 
Atmosphäre befreit, dachte Fauchat ununterbrochen 
an Flucht. Er hatte den Kreditbrief in der Tasche, 
— an Geld würde es ihm also nicht fehlen. Was 
hinderte ihn daran, den nächsten Zug nach irgend 
welcher Richtung zu nehmen, um spurlos zu ver 
schwinden? Er erschrak, als ihm einfiel, daß ihm 
Audet wohlweislich alle Papiere, die auf seine» 
Namen lauteten, abgenommen und wohl inzwischen 
vernichtet hatte. Nicht vernichtet war aber die Er 
klärung, — sein Geständnis, — nein — er konnte 
nicht fliehen. Seine Gedanken liefen weiter, — un 
bewußt beschäftigte er sich jetzt mit den Aufgaben, 
die seiner warteten, und so merkte er gar nicht, daß 
er schon lange an dem Bankgebäude vorübergegan 
gen war. 
Er kehrte um und zögerte doch wieder, als der 
goldbetreßte Portier die Schwingtüre vor ihm in 
Bewegung setzte und höflich seine Mütze abnahm. 
Gaston erinnerte sich, daß Audet hier bekannt war. 
Erft nach einer halben Stunde verließ er das 
Bankgebäude wieder. Er hatte im Klubsessel des 
Direktors gesessen, mit ihm eine Zigarre geraucht, 
über Banktransfusionen und die Schwierigkeiten in 
der Automobilindustrie gesprochen, hatte doch irgend 
wie erfreut das Kompliment über sein frisches Aus 
sehen gehört und festgestellt, daß auch hier bei dem 
Freunde Andets die Täuschung vollkommen gelang. 
Unbewußt empfand er einen gewissen Stolz über 
diese Tatsache, wurde freier und ungezwungener und 
verabschiedete sich endlich mit großer Herzlichkeit 
von dem Bankier, der ihm noch viele Grüße an seine 
Gattin auftrug. 
Gattin —! Gaston konnte ein leichtes Lächeln 
nicht unterdrücken. Und jung und übermütig, wie 
er im Grunde seines Wesens war, begann er bei 
nahe an diesem Spiel Freude zu empfinden. 
Fast vergnügt — den Gedanken an Flucht hatte 
er aufgegeben —, eine Stimmung, die nicht zuletzt 
durch bie zehntausend Francs in seiner Brusttasche 
unterstützt wurde, — trat er, um eine Tasse Kaffee 
zu trinken, in eines der eleganten Promenade- 
etablissements, die gerade jetzt zur Frühstückszeit 
stark besucht waren. Aber schon zwischen den kleinen 
weißen Tischchen, nach einem freien Platz Umschau 
haltend, blieb Gaston plötzlich erschrocken stehen und 
wendete sich um, dem Ausgang zu. Es war bereits 
zu spät. Im Hintergrund des Kaffeehauses erhob 
sich rasch ein Herr, der dort in Begleitung einer 
etwas auffälligen eleganten Dame gesessen hatte, 
folgte Gaston, der sich bemühte, den Ausgang zu ge- 
winnen. 
„Fauchat ... Fauchat ... zum Teufel .. I" 
Fluchend zwängte sich der andere durch die dichtge 
drängt sitzenden Menschen und erreichte Gaston ge 
rade, als jener das Trottoir betrat. 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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