Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburger Tageblatt)
Storms Arbeitszimmer war eine rechte Poeten-
stude. Er selber hat sie einmal geschildert mit den
Worten: „Mein Zimmer liegt oben in der Rordost-
»rke; es würde seür hell sein; aber die inalttefedaarünn
Vormittage gehörten meistens seiner dichterischen Tä
tigkeit Sonst füllten Unterricht der Kinder, Gatten
pflege. Besuche und Reisen, häusliche Geselligkeit and
Mitwirkung bei Dorfkonzerten die Tage und Abende.
Allmählich aber wurde es einsam um Theodor
Storni. Da ging er mit dem Gedanken um, wieder
in seine „graue Stadt" zurückzukehren oder nach Kiel
überzusiedeln. Doch der Tod kam ihm zuvor. Ec
starb ain 4. Juli 1888. Im Husumer Erbbegräbnis
unter den kühlen Linden von St. Jürgen fand er seine
letzte Ruhestätte.
„Man bekommt," schrieb Theodor Storm 1878 an
seinen Freund Wilhelm Jensen, „zuviel Vergangen
heit in sein Leben, wenn man alt wird, und das ist
der Tod der Hoffnung." Er erkannte also mehr und
mehr, daß er mit seinem Amte abschließen müsse, wenn
er als Dichter noch etwas leisten wolle. So kaufte er
sich in dem inmitten waldreicher Gründe geborgen
liegenden Hademarschen, wo sein Bruder Johann eine
Holzhandlung betrieb, ein schön gelegenes Grundstück,
um sich hier/ nach seinem Abschied aus dem Amte,
seine „Altersvilla" zu erbauen. Während die Familie
schon am 23. April 1880 nach Hademarschen über
siedelte, verblieb Storm noch einstweilen (bis zum
Mai 1880) in Husum im Hause seines Freundes, des
Grafen Ludwig Reventlow.
In Hademarschen bezog Storm zunächst eine in
der Nähe seines Bauplatzes belogene Mietwohnung,
und unter der Leitung eines Enkels des Wandsbeker
Boten sah er allmählich sein neues Haus erstehen. Es
begann für den Dichter nun eine ganz ungewohnte
Beschäftigung, wie Beaufsichtigung des Baues und
Anlage eines Gartens. Gern kletterte er in dem Bau
herum, wie ein Brief an den Literaturhistoriker Erich
Schmidt zeigt: „Gestern in der einsamen Mittags
stunde ging ich nach meinem Grundstücke und konnte
mich nicht enthalten, in meinem Bau herumznklettern/
auf langer Leiter noch oben, wo nur noch die etwas
dünnen Derschalungsbretter lose zwischen den Balken
liegen und wo die Luft frei durch die Fensterhöhlen
zieht. Ich blieb lange in meiner Zukunftsstube und
webte mir Zukunststräume, indem ich in das sonnige,
weithin unter mir ausgebreitete Land hinausschaute."
Mit der „Zukunftsstube" meinte der Dichter sein Ar
beitszimmer. „Rach Norden nur ein schmales Fenster
— ich wollte die schöne Fernsicht auf den vorstoßenden
Wald im Mittelgrunde und weiterhin auf das im
Spätherbst oft prächtig überschwemmte Tal der
Gieselau nicht missen", schrieb er einmal. Auch auf
die Gestaltung des Gartens legte Storm großen Wert.
In einem Briefe an Gottfried Keller hebt er beson
ders hervor, daß er einige Hundert Bäume und Büsche
nach einem Gavtenplan dort habe pflanzen lassen;
„aber die Bäume müssen erst rauschen und wer weiß,
ob sie es dann für mich tun?" fügt er wehmütig hinzu.
Im Mai 1881 bezog Theodor Storm seine „Alters
villa", wie er seinen Ruhesitz nannte.
Ein wunderschöner Maientag! Warmer Sonnen
schein liegt über der im frischen Grün prangenden
Flur! Auf Theodor Storms Spuren wandern wir
an diesem schönen Frühlingstag durch Hademarschen,
das mit Hancrau zusammen ein langgestrecktes Dov-
Das Storm-Haus,
wie es heute aussieht.
Tapete und schwere Iutevorhänge geben dem Ganzen
ein behaglich gedämpftes Licht." Der schönste Schmuck
des Zimmers war des Dichters umfangreiche Bücherei.
Da standen in den Schränken und Regalen die Ro
mantiker in Erstausgaben, eine ganze Reihe Chodo-
wiecki-Ausgaben und eine reichhaltige Sammlung
Schleswig-Holstein-Literatur. Und aus dem bereits
erwähnten schmalen Fenster halte der Dichter, wie
unser Bild zeigt, einen prächtigen Fernblick über
Wiesen und Felder bis an den schönen Buchenwald
Rehers. Eine Anzahl seiner bedeutendsten Novellen
ist in des Dichters Hademarfchener Arbeitszimmer ent
standen. Aber nur in einer einzigen Novelle Storms
hat die Landschaft Hadeinarschens ihren Niederschlag
gefunden, in „John Riew". Hier finden wir die
prächtige Kastanienallee wieder, die der Dichter oft
hinnntergewandelt ist, wenn er seine Briefe zur Post
trug, wenn er fernen Freund Dr. Wachs besuchte oder
einen Spaziergang im nahen Hanerauer Park unter
nahm.
Acht Jahre, voll von Schaffenslust und Scha-ffens-
erfolg, hat Theodor Storm in seinem Alterswohnsitz
Hademarschen zugebracht. Ein glückliches Familien
leben haben die Wände seines Hauses umfaßt. Die
Ein Blick aus Storms Arbeitszimmer.
Seit Storms Tode sind über vier Jahrzehnt« rnr
Land gegangen, In sein Abnahmehaus sind neue Be
wohner eingezogen. Und wie unsere beiden Bilder
zeigen, ist auch das Storm-Haus nicht geblieben, wie
es einst war. Die Glyzinien, früher die schwank
Schieferwand überrankend, sind nicht mehr, und auch
die lebende Hecke, die den Vorgarten nach der Straße
zu begrenzte, stehlt nicht mehr. Das große rote Haus
ist nicht mehr das stille Dichterheim. Wo Theodor
Storm einst fast ein schaffensreiches Jahrzehnt ver
lebte, geht nun der laute Alltgg ein und aus.
Claus Wulf.
Theodor Storms Haus nach einer
zeitgenössischen Zeichnung.
pekdorf bildet. Wir schreiten im Schatten einer Allee
bveitkroniger Kastanien dahin, und bald stehen wir
vor einem zweistöckigen, rotgestrichenen, mit Schiefer
gedeckten Hause, dessen Vorderfront — die Wetter
seite — gleichfalls schwarzen Schiefer trägt, während
nach der Morgenseite hin eine Veranda angebaut ist.
Es ist das Altersheim Theodor Storms.
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