Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 2)

ķZMŞ» / Geschichte einer VorLriegsjugend. 
Von Albert Mähl. 
(7. Fortsetzung.) 
Altersgenossen, Kinder benachbarter Schiffer 
familien, hatten ihm schwimmen, wriggen und 
Steuern beigebracht. Hermann würde sich wun 
dern. Aber Schokolade mochten sie auch, weshalb 
denn sein Taler allmählich etwas kleiner geworden 
war. Manchmal war er auch bei deren Eltern 
mittags zu Gast. Dann saßen sie alle um den 
runden Tisch, eine Furke in der Hand. Die Pfanne 
mit Buchweizenklößen und Speckwürfeln wurde 
noch prasselnd vom Herdfeuer in die Mitte gesetzt 
und dann wurde eingehauen. War das ein Leben! 
Er war kräftiger geworden, und ordentlich braun 
sah er aus. 
Eines Tages erlhielt er von Onkel Behrens 
einen Brief wieder. „Enno", schrieb er, „wer im 
Kuckkasten keine Weltreise machen kann, der kann 
es auch sonst nicht. Behalt du man die Augen so 
im Kopf, wie du sie hast, und laß Hermann man 
reden. Ich bin ja nicht weit in der Welt herum 
gekommen, bin ja nur Böttcher geworden. Meine 
Frau und meine Kinder sind tot; es ist längst still 
um mich. Dis paar Groschen für meine alten Tage 
sind bald verzehrt. Dann komm ich so nackt von 
der Welt wie ich herkam. Da wird wohl kein Hahn 
nach mir krähen, wenn ich erstmal unter den Gras- 
soden liege. Das macht mich aber nicht traurig; 
ich hab nie geklagt. Gesungen hab ich bei meiner 
Arbeit. Wer sich die Hand und die Seele rein 
hält, der kann wohl singen. So halte auch du dich, 
wenn ich mal nicht mebr da bin. Die Zeiten 
werden anders. Man baut jetzt Luftschiffe und 
Unterseeboote, und ganz anders als früher ver 
dient man heute sein Geld. Aber das ändert die 
Menschen doch nicht, so daß sie darum glücklicher 
werden. Sie sind immer dieselben; es bleibt so 
ziemlich alles beim alten. Es wird auch mal 
Krieg geben; das wirft du erleben wie ich anno 
1870. Denn sie halten nur Frieden, um Krieg zu 
machen und machen nur Krieg, um sich Friesen 
zu schaffen für neuen Krieg. Das ist nun mal so. 
Wir Menschen sind selbst nur Bilder für den großen 
Kuckkasten, in den der liebe Gott hineinschaut. 
Wenn es hier mal aus ist, schauen wir da selber 
hinein. Ich denk mir das ganz vergnüglich, daß 
wir denn so hineinschauen und sehen können, wie 
es hier weiter geht. Da würde ich denn auch 
feh'n, wie du deinen Weg machst, mein Junge. 
Sorg nur dafür, daß recht schöne Bilder von dir 
mir vor Augen kommen. Wenn wir mal nicht 
mehr so zusammen sein können wie heute, denn 
denk man einfach, ich hab nur eine Ferienreise 
gemacht, so wie du jetzt. Dauern es denn ein 
bißchen lange, und will es scheinen, daß ich nicht 
wiederkomme, dann werde nicht ungeduldig. Es 
kommt schon die Stunde, wo du mir nachreisen 
kannst, aber das hat Zeit. Das ganze Leben ist 
man ein Uebergang, und das Sterben gehört dazu 
wie das Band um die Bütte." Das war ein schö 
ner Brief, das verstand er. Aber Sterben? Nein, 
wie sollte das Wirkliche wohl ein Ende haben 
tonnen? 
9. 
Onkel Behrens aber mochte den Uebergang 
wohl geahnt haben, denn einige Tage früher, be 
vor Enno mit dem Eierdampfer „Meta" in seiner 
Vaterstadt wieder eingetroffen war, hatte man ihn 
zusammengebrochen in seiner Werkstatt aufgefun 
den. Er hatte wohl eben noch singend mit Holz 
keil und Hammer hantiert, als plötzlich der Herz 
schlag aussetzte. Nun brauchte Enno nicht mehr 
Karlsbader Salz für ihn zu holen. 
Der liebe Alte hatte hinterlassen, daß Enno 
den Kuckkasten haben solle. Wie ein Heiligtum 
nahm er seinen Schatz entgegen. Ja, Onkel Beh 
rens sollte von ihm nur schöne Bilder sehen. 
Er fühlte, die glücklichsten Tage waren nun 
dahin. Auch das Haus wurde abgebrochen. Nie 
mehr würde er nun dis Tür klinken hören, nie 
mehr ihr feines helles Geläut vernehmen. 
Seitdem blieb er auch in der Schule zurück. 
Professor Schlammbeck, sein Ordinarius und Ma 
thematiklehrer, dem die Schüler den Spitznamen 
„Schlampt" gegeben hatten — des überlangen 
Jacketts wegen, das die schiefen, hängenden Schul 
tern bekleidete, wie auch wohl , wegen seiner ge 
dehnten, nörgelnden Sprechweise — meinte es be 
sonders nig gut mit ihm. Nur Schüler, denen 
Formeln und Logarithmen ein Kinderspiel waren, 
standen in seiner Gunst; andere stach er mit einer 
Zensur ab, die sie erledigte. So erging es Enno, 
den er als hoffnungslos ganz bei Seite ließ. Enno 
sah eben noch immer Figuren, wie damals bei 
Suhr. Auch die Sprachen gingen ihm nicht recht 
ein. Das Englische war noch am ehesten zu be 
greifen, weil es lautbar und mundgemäß mit sei 
ner Muttersprache verwandt war, aber die Nasal 
haft igkeit und Akzentuierung des Französischen 
wurde ihm schwer. Da war das Zeichnen doch et 
was Erfreuliches. So einen ausgestopften Habicht 
mit Kohle und Buntstift auf das Papier zu brin 
gen oder ein Stilleben von Gurken und Radies 
chen bei einem Zinnkrug zu zeichnen, auch wohl 
draußen perspektivische Skizzen zu machen, eine 
Durchsicht durch den Flur, einen offenen Fenster 
flügel und ähnliches, das machte Freude, das ließ 
sich ja alles mit den Augen betasten. Und denn 
Peter Ramm, der Lehrer, wie hatte er es her 
aus, Lust an der Sache zu weà! Er lehrte sehen, 
Licht und Schatten wahrnehmen, sorgfältig die 
Ausführung machen. Sein Humor half nach; es 
war wahrhaftig nicht böse gemeint, wenn er, eine 
Sudelei bemerkend, mit den Augen rollte, seinen 
Ni naldo-Rinaldini-Bart zur Seite strich und ein 
erstaunt-grimmiges „Mann des Gebäudes!" er 
tönen ließ. Bei Enno kam das übrigens niemals 
vor. Der stand bei Ramm oben an mit der besten 
Zensur. Pflegte Ramm aber auch manchmal zu 
sagen: „Er kann was, Esselsgroth!", so gab er ihm 
dennoch einen freundlichen Knuff, indem er hinzu- 
fügte: „aber ein Pfuschbruder ist er doch!" Das 
war nur richtig; ein reines Lob wäre kein An 
sporn gewesen. Wäre es beim Turnen nur auch 
so! Aber dies Turnen war Drill. Turnlehrer 
Jung.johann ließ durchweg nur exerzieren, Diszi 
plin üben, in Gruppen schwenken, in Linien auf, 
marschieren, Nichten und minutenlang stillstehen. 
Er machte den Schulhof zum Kasernenhof. Sta- 
ftttenlaufen, Gerwerfen, Schlagballspielen wurden 
nur während der letzten zehn Minuten erlaubt, 
oorausgelĢ. dag die Kommandos „sagen". Aehn- 
lich so wurden sie in der Geschichisstunde mit Zah 
len gedrillt. Man mußte Tabellen pauken. Pro 
fessor Kruse saß meistens, in der linken das Schü- 
lerverzeichnis, in der Rechten einen langen lack- 
roten Zimmermannsbleistift, auf der Fensterbank, 
von wo er dann, den Adamsapfel aus niedrigem 
Kragen weit vorgestreckt ,mit krächzender Stimme 
einen der Schüler aufrief, der ihm drei Fragen 
beantworten mußte. Er fragte ihn etwa, wann 
Johann Cicero regiert habe, wann Friedrich der 
Große gestorben sei und wann die Schlacht bei 
Waterloo sich ereignet habe. Wußte der Bei ref 
fende richtig zu antworten, trommelte Kruse mit 
dem Stiefelabsatz an der blechernen Wand der 
Heizungsanlagö Beifall. Beantwortels einer alle 
drei Fragen falsch, machte er aber mit dem Zim- 
mermannsbleistift ein Kreuz in der Luft. Das 
war das „Todeszeichen". Je mehr von den Kreu 
zen in feinem Notizbuch standen, desto schlechter 
wurde am Ende die Zensur. Nirgends wurde na- 
türl.ch so stark gemogelt wie bei ihm. Die Jun 
gen schrieben sich zum Beispiel ganze Tabellen 
ab und klebten sie — es waren äußerst geschickr ge 
machte Miniaturzsttel — in die Innenfläche der 
Hand, mit der sie sich meldeten, um dann die Zah 
len hieraus abzulesen. Wäre da nicht zu Ostern 
ein Wechsel erfolgt, und Leu, Professor Len, an 
die Stelle Kruses getreten, hätte Enno wohl für 
immer feine Liebe zur Geschichte verloren. Leu 
war ein lieber, schon älterer Herr mit grauem 
Vollbart und etwas traurig blickenden, grauen 
Augen. Infolge einer Lähmung ging er auf 
Krücken. Er fuhr immer in einem Wagen zur 
Schule, den er durch eine seitliche Hebevorrichtung 
steuernd ins Laufen brachte. Leu pflegte nicht 
sonderlich das Pensum, in dem er zu unterrichten 
hatte. Die Hauptsache war ihm heimatgeschicht 
liche Aufklärung. Er verstand zu erzählen, so zu 
erzählen, daß auch di« Dichtung und bildende 
Kunst zur Weckung der Anschauung mit in Be 
tracht kam. Als landesgeschichtlich eingestellter 
Patriot und Sohn eines Veterans hatte er sich 
schon in der Oefftntlichkeit einen Namen gemacht, 
das heißt, er war in der Zeitung als Lokalhisto 
riker von Ruf und Geltung bekannt. Ein gewisser 
poetischer Hauch lag in seiner Darftellungsweisr; 
er neigte zur heldenhaften Verklärung vergange 
ner Taten. Das riß dis Jungen mit; sie fühlten, 
sie waren dabei. Erzählen konnte auch Enno. Leu 
merkte denn auch bald, wen er vor sich hatte. So 
war es auch im Deutschen. Leu verstand es treff 
lich, chen Jungen die Schönheit der Sprache und 
Dichtung zu erschließen. Da konnten sie aus sich 
herausgehen. Enno hatte sich auch bald bei Leu 
nach dem Turm des Seeräubernestes erkundigt, 
woraufhin ihm Leu eine Sage erzählte, die damit 
in Verbindung stand. Das sei ein Stoff für 
einen Dichter, hatte er mit eiàinglich-erwar- 
tungsvollem Blick gesagt, den Enno bis put Er 
röten spürte. 
Aber die Schule blieb ihm im Grunde doch 
etwas Beiläufiges. Sie gab keine Antworten auf 
die Fragen, die sich in ihm regten, und sie lehrte 
ihm nicht, sich selber darauf eine Antwort zu geben. 
Sie ließ ihm immer noch etwas nach zum Werden. 
Zwar erledigte er seine Ausgaben zufriedenstellend 
und jedesmal wurde er auch zu Ostern versetzt, 
aber er wußte selber nicht recht warum. Er grü 
belte viel und hielt sich allein. Oft war er Sonn 
tags, wenn der Seeweg von Spaziergängern mun 
ter belebt war, einsam im Düsterbrook, um irgend 
wo ein Buch aus der Tasche zu ziehen und zu lesen. 
Oder er hielt sich in seinem Zimmer aus, um zn 
schreiben, in sein Tagebuch niederzuschreiben, was 
ihn bewegte. Das war ihm das Liebste, das Wich 
tigste, darüber ging ihm nichts. 
Ein Wikinger-Friedhof in Ostpreußen. 
In einem kleinen Walöe beim Ostseebad 
Cranz wurde vor kurzem ein vorgeschichtlicher 
Friedhof mit über 100 Grabhügeln entdeckt. 
In einem der Gräber befand sich eine kleine 
Steinpackung und verbrannte Gebeine und 
Waffen, darunter ein reich verziertes Schwert 
normannischer Abkunft, auf dem Rnnenzcrchen 
eingeritzt sind, die man noch nicht entziffern 
konnte. Auch andere Funöstücke, die den 
Gräbern beigegeben waren, sind von beson 
derem kulturgeschitlichem Wert insofern, als 
sie auf Beziehungen der samländischen Bevöl 
kerung mit den skandinavischen Seefahrern 
hinweisen. Eins der schönsten Stücke ist ein 
Schwert, auf dessen Klinge in Runen die 
Inschrift „Amen" eingegraben ist. Die An 
schrift wird als Symbol für Todesstreich und 
Gebet für den erschlagenen Feind gedeutet, sic 
gilt also zugleich als Beweis für die Einfüh 
rung des Christentums in den nordischen Län 
dern. 
‘Prinzeß 
Abenteuer. 
Roman von Margarete Ankelmann. 
Copyright by Martin Feuchtwangsr, Halle (Saale) 1931. 
26) (Nachdruck verboten). 
„Sidonie, gib mir einmal deine Hand und sei 
ganz, ruhig! Vielleicht hast du dir die Begegnung 
unten an der Brücke nur eingebildet? Vielleicht 
haft du ihn gar nicht gesehen?" 
„Er hat mir doch die Hand gedrückt — mich ge 
rufen — mich gesehen!" 
„Auch das mag eine Halluzination gewesen 
fern." 
„Nun, Schimmelchen, dann sage Anna Rosina, 
ich hätte plötzlich Halluzinationen gehabt — viel 
leicht, daß sie es glaubt. Ich jedenfalls weiß, daß es 
keine Halluzinationen waren. Oder — ich müßte 
wirklich krank fein." 
„Kind, Kind! Und das alles wegen dieses fürch 
terlichen Abenteuers! Oh, wenn du doch auf mich 
gehört hättest, Sidie! Was wäre uns allen erspart 
geblieben!" 7 
Sidcmie antwortete nicht. 
Es kam ihr vor, als ob sich eine Schlinge über 
ihrem Kopf zuzog. Wenn sie nur irgendeinen An 
haltspunkt fände! 
Es war alles so dunkel, so rätselhaft. 
Still und gehorsam legte sie sich dann ins Bett 
und trank eisgekühlte Milch. Stundenlang blieb sie 
liegen, fast regungslos, mit offenen Augen. 
Am Abend, kurz vor dem Diner, kam die Für 
stin noch einmal herauf. Besorgt schaute sie in das 
weiße Mädchengesicht, das aus den Kiffen heraussah. 
Sidonie schlang die Arme nm den Hals der 
Schwester. Sie lächelte zu ihr auf. 
„Du brauchst keine Sorge um mich zu haben, 
Roste. Ich bin ganz gesund." 
„Und — was ist mit dem Maler?" 
„Ich kann dir jetzt noch nichts darauf sagen. 
Aber später — später werde ich dir alles erzählen. 
Aber du darfst nicht in ntich drängen. Nur, Rosina, 
weißt du auch bestimmt, daß das der Maler Mar 
tens ist?" 
„Natürlich, ich weiß es ganz bestimmt. Ich habe 
olle seine Papiere gesehen, seine Empfehlungsschrei 
ben, seine Bilder und Skizzen. Willst du dich nicht 
selber drawn überzeugen?" 
„Nein, ich glaube es dir schon! Dann also — 
bann irre ich Mich!" 
„Quäle dich jetzt nicht damit ab, Liebling! 
Schlaft jetzt; es wird sich schon alles aufklären. Mor 
gen früh, wenn du frisch bist und einen Karen Kopf 
hàn wirst." 
„Ach Gott, Roste, ich glaube, den habe ich jetzt 
auch!" 
„Aber du sollst jetzt gleich schlafen und morgen 
gesund erwachen." 
„So gesund, wie ich lzeute bin! Gute Nacht, du 
weift Schwester!" 
Als Anna Rostna schon an -der Tür war, rief 
Sidonie die Schwester zurück. 
„Rose!" 
Es war der Kosename, den Sidonie nur ganz, 
ganz selten gebrauchte, wenn sie etwas auf dem 
Herzen hatte oder sehr zärtlich sein wollte. 
„Nun, Kind?" , 
Anna Rostna war zurückgekommen und stand 
am Bett der Schwester. 
Lächelnd blinzelte Sidonie zu ihr auf. 
„Ich — wünsche dir — ein großes Glück — 
Rose!" flüsterte die Kleine. 
„Ich danke dir, Kind!" 
Erglühend neigte sich die Fürsttn zu ihr nieder 
und küßte die Sttrn der jungen Schwester. 
Sie war ftoh, daß es schon so dunkel im Zimmer 
war und -daß Sidonie ihr Erröten nicht sehen konnte. 
Ms Anna Rosina gegangen war, mußte Si 
donie leise vor sich hinlachen. Also auch Anna Ro- 
sina war verliebt, die ernste, strenge Anna Rosina! 
Trotz all ihrer Weisheit und Gelehrsamkeit war sie 
verliebt wie irgendein kleines Mädel aus dem Dolle. 
Das war sonderbar mit der Liebe. Üluf einmal war 
sie da, und dann mußte man zusehen, wie man mit 
ihr fertig wurde! 
Der Zeiger der Uhr rückte immer mehr auf Mt- 
ternacht, und immer noch brannte Licht in den Räu 
men des Prinzen Peter. Unaufhörlich lief der 
Prinz im Zimmer auf und ab. 
Es schienen keine erfreulichen Gedanken zu sein, 
die ihn beschäftigten und die sich auf seinem Gesicht 
widerspiegelten. 
Fred Bergen, der ihn genau beobachtete, hatte 
das schon seit geraumer Zeit festgestellt. Er hatte 
seine Zigarette schon lange zu Ende geraucht und log 
nun, fast bewegungslos, in einem tiefen Sessel und 
wartete, bis Peter mit seinen Betrachtungen zu Ende 
sein würde. 
Die Zeit verging. Im Zimmer herrschte eine 
dumpfe, beKemntende Sttlle. Doktor Bergen wurde 
die Schi chte langsam ungemütlich. 
Was mochte der Freund nur haben? In an 
genehmer und zufriedener Stimmung war man nach 
dem abendlichen Zusammensein heraufgekommen in 
die Gastzimmer. Der heutige Abend war besonders 
vergnügt gewesen, eine Fortsetzung des reizenden 
Nachmittags unten in dem Städtchen. 
Prinz- Otto hatte ihnen einen anheimelnden 
Weinkeller gezeigt, in dem er ab und zu eiuen guten 
Tropfen zu trinken pflegte und in dem es auch 
heute sehr gemütlich zugegangen war. 
Dieser Fritz Otto war überhaupt ein ganz fa 
moser Mensch, gerade so wie das Ehepaar Lippfchütz. 
Fred Bergen war restlos zufrieden mit dem Auf 
enthalt auf Schloß Waillerstein, und wenn er Prinz 
Peter gewesen wäre, hätte er allen Ueberlegungen 
schon längst ein fröhliches Ende bereitet. 
„Fred!" 
Der Rnf störte die Gedattken des Begleiters des 
Prinzen. Er kam herüber vom geöffneten Fenster. 
Leise, aber bestimmt. 
„Ja, Peter, ich höre!" 
„Du, Fred, ich habe heute die Fürstin gefragt, 
ob sie meine Frau werden wolle!" 
„Oh — und was Hot sie geantwortet?" 
„Sie hat mir ihr Jawort gegeben." 
„Peter!" 
Fred Bergen war aufgesprungen und rüttelte 
jetzt den Freund heftig an den Schultern. 
„Du bist ein Glückspilz, Peter! Ich habe es 
jo immer gesagt! So — und jetzt laß dich mal an 
schauen! So sieht also ein neugebackener Bräutigam 
aus, der Bräutigam einer Anna Rosina! Ich freue 
mich schrecklich und wünsche dir alles, alles Glück der 
Welt!" 
„Ich danke dir, Fred!" 
„Ja, sag einmal, Peter, du siehst so komisch aus? 
— Freust du dich denn nicht, daß alles so gekommen 
ist?" 
„Rein, Fred, ich freue mich gar nicht! Mir ist 
hundselend zumute. Fred — ich liebe sie nicht!" 
„Du wirst sie sicher lie. en lernen, Peter." 
„Rein, nie! Sie ist nicht die Frau, die mein 
Herz sucht. Ich werde sie verehren, sie hochachten, sie 
schätzen — aber lieben — lieben werde ich sie nie!" 
„Armer Peter! Aber vielleicht kannst du es 
each versuchen!" 
„Liebe läßt sich nicht herbeiholen, und man kann 
sich nicht dazu zwingen: Don jetzt ab wirst du diese 
Frau lieben! Liebe kommt einfach, von ganz allein. 
Sie ist ans einmal s«; sie bezwingt einen, und die 
richtige Liebe, lässt nicht so schnell mehr los. 
Neue Schnellzugverbiuöung Deutschland-Nor 
wegen. 
Wie wir hören, soll den Bedürfnissen des 
gesteigerten Verkehrs zwischen Deutschland 
und Norwegen in absehbarer Zeit durch eine 
neue Schnellzuglinie Rechnung getragen wer 
den, die amburg und Oslo verbindest. Geplant 
ist eine neue Strecke von Oslo in südlicher 
Richtung und eine Trajektverbindung von der 
norwegischen Küste nach Jütland. Von dort 
soll die Linie über Kopenhagen auf der be 
stehenden Strecke nach Hamburg weiterführen. 
Durch diese Verbindung würde den Berech 
nungen nach die Fahrtzeit von Hamburg nach 
Oslo um ungefähr sieben Stunden verkürzt 
werden. 
Deutsch-englischer Studentenaustausch. 
Die London School of Economics hat sich kürz 
lich bereiterklärt, einem deutschen Studenten auf 
ein Jahr freies Studium und kostenlose Unterkunft 
zu gewähren und zwar im Austausch für einen ihrer 
Studierenden, dem ähnliche Möglichkeiten an einer 
deutschen Universität gewährt werden sollen, mindere 
englische Universitäten sollen sich zu einem ähnlichen 
Austausch bereit erKärt haben. 
Rekordbesuch der Wiener Universität. 
Die Zähl der Studenten an der Wiener Uni 
versität hat im vergangenen Semester zum erstenmal 
die Zahl von 12 000 überschritten. Es befanden 
sich -darunter rund 300 Studentinnen. Für die 
mißliche Wirtschaftslage bezeichnend ist die Tatsache, 
daß mehr als 4000 der Studierenden um Ermäßi 
gung oder gänzliche Befreiung bei der Zahlung der 
Kolleggelder eingekommen waren. 
Und mit dieser Liebe liebe ich mein kleines, blondes 
Mädel!" 
„Denkst du immer noch an die Gesellschaftern? 
Hast du sie in diesen fünf Tagen hier überhaupt ein 
einziges Mol gesehen?" 
„Rein, und das ist es, was mich so unruhig 
macht. Ich fürchte, sie geht mir geflissentlich aus dem 
Wege. 
Fred, tu mir den einzigen Gefallen und suche 
nach ihr! Ich selbst kann doch nicht nach ihr fragen. 
Aber du kannst es, und du wirft es auch fertigbrin 
gen, sie zu finden. — Willst du mir helfen?" 
„Peter, ich will es versuchen. Rur um hier 
Klarheit zu schaffen. Aber ich bin fast überzeugt 
davon, die Kleine hat das Schloß verlassen, gleich 
nachdem sie uns unten an der Brücke gesehen hat. 
„Dieser Gedanke ist nicht auszudenken!" 
„Aber Peter, was willst du damit sagen? Hast 
du dich nicht mit «der Fürstin Anna Rosina verlobt? 
Was soll also mit dem Mädel werden? Sei froh, 
daß sie fort ist. Du willst sie doch nicht unglücklich 
machen?" 
„Rein, 'das will ich wirklich nicht! Ich will — 
ich will — oh, ich weiß ja selbst nicht, was ich eigent 
lich will! Rur sehen will ich sie — nur mit ihr 
sprechen!" 
„Um eine Dummheit zu begehen. r. * 
-Fred!" 
„Nun ja, Peter, du weißt, daß ich dein Freund 
Lin, und daß ich dir immer und üheroll helfe. Ich 
will 'deshalb auch'mein möglichstes tun, das Mäde! 
zu finden. 
Aber jetzt etwas Wichtigeres! Darf ich »deinen 
Eltern schreiben und sie von deiner Verlobung be 
nachrichtigen?" 
„Muß -das sein — jetzt schon, Fred?" 
„Ja, je eher, desto besser! Oder soll es noch ein 
Geheimnis bleiben? Hoffentlich nicht! Du kannst 
dir doch denken, wie nion sich auf Schloß Schönftls 
freuen wird über die guft Nachricht." 
„Na, also meinetwegen, dann schreibe meine« 
Eltern!" 
„Peftr, Kopf hoch! Du darfst dich nicht so gehen 
lassen!" 
„Oh, laß mich in Ruhe! Bin ich nicht ein ge 
horsamer Sohn gewesen? Habe i^ nicht alles ge 
tan, was man von mir verlangt hat? Stfiele ick 
unten nicht ausgezeichnet Komödie? 
(Fortsetzung folgtG
	        
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