Full text: Newspaper volume (1931, Bd. 2)

IW, wie ich ehtmaï annehme« möchte. Me stäbtt- 
schen Kollegien die Erhebung einer fünffachen 
Bürgersteuer beschließen sollten unter gleichzeiti 
ger Senkung der Realsteuerzuschläge unter den 
in dem Steuersenkungsgesetz vorgesehenen 
Satz, so würde damit die Erlangung eines Staats 
zuschufles für das kommende Etatsiahr einfach 
unmöglich gemacht. Nach den vom Preußischen 
Minister des Innern verkündeten Richtlinien 
kommt, wie ich immer wieder betonen möchte, ein 
Staatszuschuß für alle diefenigeu Städte unter 
keinen Umständen in Frage, die ihre Realsteuer 
zuschläge unter den Satz des Realsteuersenkungs 
gesetzes gesenkt haben. Stellt sich also bei Erhe 
bung der fünffachen Bürgersteuer und bei den un 
ter dem Satz des Realsteuersenkungsgesetzes ge 
haltenen Realsteuerzuschlägen ein ungedecktes De 
fizit heraus, so verlange» die Regierung und das 
Preußische Ministerium des Innern zunächst unter 
allen Umständen Erhöhung der Realsteuerzuschläge 
auf den Satz des Realsteuersenkungsgesetzes: ge 
gebenenfalls wird die Aufsichtsbehörde von sich aus 
diese Erhöhung vornehmen Nach dieser Erhöhung 
wirb sich aber bestimmt die Tatsache ergeben, daß 
damit das Defizit ausgeglichen ist, und daß dann 
die Gewährung eines Staatszuschusses nicht mehr 
in Frage kommt. D. h. also, anstatt sich die 
Möglichkeit zu schassen, durch Erfüllung aller Be 
dingungen der Notverordnung einen Staatszuschuß 
in Anspruch zu nehmen, würde man aus der 
Bürgerschaft, die ohnehin schon durch hohe Real 
steuerzuschläge in unerträglichem Maße geschwächt 
ist, eine Bürgersteuer in einer Höhe herauspreffen, 
die. so wie die Bürgersteuer heute aussieht, vom 
sozialen Standpunkt völlig unhaltbar ist. Wir 
Î stauben, daß ein großer Teil der Herren, die einen 
olchrn Vorschlag verfechten, bezw. ein großer Teil 
der hinter diesen Herren stehenden Wählern stch 
Lberhanpt nicht darüber klar ist, was eine fünf 
fache Bürgersteuer bedeutet. Sie bedeutet für alle 
diejenigen, die verheiratet sind und ein Einkommen 
bis zu 4500,— OUt jährlich haben, einen Steuer 
satz von 45.— OUt, bei einem Einkommen zwi 
schen 4500 bis 6000 ^Rjt, ein Steuersatz von 
«7ch0 aut und bei einem Einkommen zwischen 
6000 und 8000 OUt einen Steuersatz von 
90 Jt.jtt. Diese Steuerbeträge sollen nach der Not 
verordnung an zwei Steuerterminen, im Januar 
und März, aufgebracht werden. Der Magistrat 
und die Verwaltung stehen auf dem Standpunkt, 
daß derartige Beträge bei einem großen Teil der 
Bevölkerung in der Praxis überhaupt nicht bei- 
treibbar sind. Wenn der Preußische Minister des 
Innern nach seinen Ausführungen die Gewährung 
eines Staatszuschufles davon abhängig macht, daß 
unter allen Umständen in der betreffenden Ge 
meinde die Erhebung einer doppelten Bürgersteuer 
zur Deckung eines bestehenden Defizits ^beschlos 
sen sein muß, so halten wir es geradezu für ab 
surd, freiwillig über diesen Satz hinaus trotz der 
hohen Realsteuerzuschlüge, die wir ohnehin haben, 
eine fünffache Bürgersteuer zu erheben, und uns 
damit die Gewährung eines Staatszuschufles un 
möglich zu machen. Die Fraktion der Wirtschafts 
partei verguickt in ihrem „Offenen Brief" die 
augenblicklich den Städten gegebene Bürgersteuer 
in ihrer jetzigen Fassung mit den Einkommen- 
steuerzuschlägen. die einstmals die deutschen Städte 
hatten, die sie wieder erstreben, die ihnen aber 
leider bisher zur Ausschöpfung noch nicht über 
lasten worden sind. 
Der Magistrat steht auf dem Standpunkt, daß 
kr zunächst gezwungen ist, die Bestimmungen der 
Notverordnung restlos durchzuführen, um sich nicht 
die Möglichkeit eines Staatszuschufles von vorn 
herein zu verscherzen. Andererseits steht er auf 
dem Standpunkt, daß mit allen Mitteln versucht 
werden muß, nicht nur für das jetzt im Etat be 
findliche Defizit in Höhe von 140 000 M.M, einen 
Staatszuschuß zu bekommen, aus den nach den 
Ausführungen des Herrn Preußischen Ministers 
des Innern nur dann gerechnet werden kann, wenn 
eine Stadt nach Ausschöpfung aller Kassenkredit- 
möglichkeiten unmittelbar vor dem Kaffenzusam- 
menbruch steht, sondern daß gleich nach Verab 
schiedung des Hanshaltsplanes in einer ausführ 
lichen dringenden, nach allen Richtungen hin be 
gründeten Eingabe dem Herrn Minister des In 
nern unterbreitet werden muß, daß die Erhebung 
der nach dem Steuersenkungsgesetz herabgesetzten 
Realsteuerzuschläge von 800 Proz. Gewerbeertrag 
steuer» 1600 Proz. Gewerbekapitalsteuer und 550 
Proz. Grundvermögenssteuer bei gleichzeitiger 
Erhebung der doppelte» Bürgersteuer, der doppel 
ten Biersteuer und der Getränkestcuer und bei den 
enorm hohen Tarifen der städtischen Werke für 
das bevorstehende Haushaltsjahr einfach ein Ding 
der Unmöglichkeit ist, daß die Wirtschaft einfach 
nicht mehr in der Lage ist, diese Steuersätze aus 
zubringen, daß damit gerechnet werden muß, daß 
die wenigen noch vorhandenen zahlungsfähigen 
Großbetriebe infolge der Steuerlast entweder znm 
Erliege« kommen oder Rendsburg verlassen wer 
den» da sie nicht mehr in der Lage sind, die Steu 
ern zu tragen. Wir glauben, bei einer solchen 
Eingabe, die zum Ziele haben muß, schon jetzt 
unabhängig von dem im Etat vorhandenen Defi 
zit die Zahlung eines Staatszuschusses zur Her 
absetzung der Realstenerznschläge zu erreichen, auch 
auf Unterstützung und Verständnis der Regierung 
in Schleswig zu stoßen, die ja auch im vergan 
genen Jahre durch ihr Eintreten für die Stadt 
Rendsburg bewiesen hat, daß sie gewillt ist. den 
besonderen Verhältnissen unserer Stadt, die nach 
wie vor in der Provinz einzig dastehen, Rechnung 
zu tragen. Insofern stimmen wir der Ansicht der 
Wirtschaftspartei zu, daß eine Senkung der Steu 
ern das dringendste Gebot der Stunde ist. jedoch 
mit dem Unterschied, daß wir einen weit anderen 
verantwortungsbewußten Weg einschlagen zu müs 
sen glauben. 
Nach dieser Uebersicht über die Gestaltung der 
Ncalsteuerzuschläge bin ich leider gezwungen, noch 
mals mit kurzen Worten auf den „Offenen Brief" 
der Wirtschaftspartei zurückzukommen. Ist es nicht 
geradezu beschämend, wenn mit dem ausdrücklichen 
Hinweis aus ihre strengste Vertraulichkeit gege 
bene Mitteilungen an Magistratsmitglieder und 
Fraktionsführer wenige Tage später der Oessent- 
lichkeit in einem sogenannten „Offenen Brief" 
seitens einer Fraktion preisgegeben werden? Wir 
treiben keine Geheimpolitik in unseren Magistrats 
sitzungen. Das geht schon daraus hervor, daß die 
fragliche Mitteilung ja nicht auf die Mitglieder 
des Magistrats beschränkt blieb, sondern absich- 
lich auch den Fraktivnsiühiern mit der Bitte um 
streng vertrauliche Behandlung mitgeteilt wurde. 
Man kommt fast zu der bereits von anderen Mit 
gliedern des Magistrats vertretenen Ansicht, daß 
der Verfasser dieses „Offenen Briefes" überhaunt 
nicht Mitglied der Stadtverordnetensraktion ist. 
überhaupt nicht an einer einzigen Sitzung über 
die Gestaltung des Gemeindehaushaltsplanes teil 
genommen hat, sick aber ein Urteil über unsere 
städtischen Haushaltsangelegenheiten erlauben zu 
können glaubt, weil er vielleicht als Abgeordneter 
in Kreis- oder Provinzialangelegenheiten tätig ist. 
Jedenfalls trägt es nickt zur sachlichen Zusam 
menarbeit zwischen Magistrat nnd Stadtvcrordne- 
teumitgliedern bei. wenn vertrauliche Mitteilungen 
anscheinend mit Wissen und Willen eines kleinen 
Kreises der Stadtverorönetenverkammluna durch 
völlig außerhalb der städtischen Kollegien stehend« 
Herren in Offenen Briefen der Oeffentlichkeit 
-übergeben werden. In dasselbe Gebiet gehört es, 
ivenn eine politische Partei eine Mitgliederver 
sammlung zur Besprechung des städtischen Haus 
haltsplanes einberuft, obwohl dieser Haushalts 
plan bisher überhaupt noch nicht durch öffentliche 
Auslegung der Oesfentlichkeit zugänglich gemacht 
worden ist, vielmehr innerhalb der Kommissionen 
und des Magistrats, deren Sitzungen ja nicht 
öffentlich, sondern vertraulich sind, noch Verhand 
lungen über die endgültige Gestaltung des Etats 
entwurfes schweben. 
Ich habe versucht, im ersten Teil meiner Dar 
legungen klarzustellen, wie sich voraussichtlich bei 
den hauptsächlichsten Gemeindesteuern die Einnah 
men gestalten werden. Vergleicht man für diese 
Steuerarten die Etatsansätze im Haushaltsplan 
des vergangenen Jahres mit denen des neuen 
Etatsjahres, so ergibt sich daraus, in welch fühl 
barem Maße durch die Bestimmungen der Not 
verordnung und im Zusammenhang damit durch 
die allgemeine Krisis die Einnahmequellen für die 
Stadt zurückgegangen sind. 
1930/81 
aut 
666 750,— 
231 625,— 
176 000,— 
12 000,— 
Grundvermögenssteuer 
Gewerbeertragsteuer 
Gewerbekapitalsteuer 
Biersteuer 
Getränkesteuer 
Bürgersteuer 
Staatszuschuß für die Re 
alsteuersenkung aus Haus 
zinssteuermitteln gemäß 
Notverordnung 
1831/82 
aut 
492 000,— 
180 000,— 
102 000,- 
40 000,- 
15 000,— 
68 000,— 
93,000,— 
1086 375,— 090 000,— 
D. h. es entsteht hier eine Mindereinnahme 
von rb. 100 000,— OUI, um die die Ausgaben hätten 
herabgesetzt werden müssen, um ein Defizit zu 
vermeiden. 
Aehulich liegt es nunmehr auch bei den Reichs- 
Steuerüberwe süngeu, d. h. dem zweiten großen 
Einnahmeposten für die deutschen Städte. Obwohl 
die sehr komplizierten Unterlagen für die Errech 
nungen dieser Ueberweisungen bei Ausstellung des 
Haushaltsplanes noch nicht vorlagen, hat sich er 
geben, daß nach den nunmehr eingegangenen Mit 
teilungen des Finanzamts die in den Haushalts 
plan eingesetzten Beträge bis aus ganz geringe 
Abweichungen richtig errechnet bezw. geschätzt wa 
ren. Aber auch hier ergibt sich im Gegensatz zum 
Haushaltsplan 1930/31 ein nicht unwesentlicher Ein 
nahmeausfall zu Ungunsten der Stadt. 
1930/81 
OLfl 
231 000,— 
25 000,— 
72 000,— 
328 000,— 
Einkommensteuer 
Körperschaftssteucr 
Umsatzsteuer 
1931/32 
aut 
202 000,— 
16 000,— 
70 000,— 
288 000,— 
d. h. also, es entsteht auch hier ein Einnahmeaus- 
iall von 40 000,— Ot„tl oder mit anderen Worten, 
die Stadt erhält vom Reiche bezw. Preußen 40 000 
OUt weniger an Einkommen-, Körperschafts- und 
Umsatzsteuer. Zu diesen Ausfällen an Gemeinde 
steuern in Höhe von 100 000 OUt und an Steuer 
überweisungen in Höhe von 40 000 OUt, insgesamt 
also 140 000 OUt, kommt ein weiterer Steueraus 
fall für Bergnügungs- und Hundesteuer mit 7009 
OtJl, fi» daß ein Gesamtsteneransfall von 147 900 
OUi gegenüber dem Ansatz des Vorjahres im 
Etat vorhanden ist. Berücksichtigt man weiterhin, 
um schon einen Ueberblick auf die übrigen Posi 
tionen des Etats zu geben, daß die eigenen Auf 
wendungen der Stadt für die Wohlsahrtspslege 
nach dem Etatsanschlag um 110 000 OUL höher ein 
gesetzt wurden, und daß von den Städtischen Wer 
ken, der Mittelschule nnd dem Krankenhaus infolge 
Herabsetzung der Schuldendienstverpflichtungen mit 
einem Mindereingang von insgesamt 40 000 Jl-M 
für den Schuldendienst, und weiterhin bei den 
Werken eine Senkung der reinen Abliesernng an 
die Stadtkafle gegenüber dem Vorjahre laut Etat 
ansatz in Höhe von 35 000 OUI eintritt, so ergibt 
sich dadurch bereits eine Mindereinnahme bezw. 
eine Mehrausgabe von 332 000 OUt gegenüber dem 
Vorjahre. Dieses Loch konnte weder durch die 
Herabsetzung des Schuldendienstes, die für die 
Stadt eine Mrnderausgabe von 100 000 -OUt be 
deutet, noch durch die infolge der Auswirkung der 
Notverordnung eintretende Senkung der Kreis 
umlage in Höhe von 30 000 OUt, also insgesamt 
130 000 OtM gestopft werden — es blieb immerhin 
gegenüber dem Vorfahre ein ungedeckter Fehlbe 
trag von 202 000 OtJl. Durch weitere Abdroffe- 
lung der Ansgadcn einerseits und durch Erhöhun 
gen von Einnahmen andererseits, insbesondere 
durch Ausmerzung des noch im vergangenen Jahre 
für das Krankenhaus vorgesehenen Zuschusses in 
Höhe von rund 15 000 OUI ist es möglich gewesen, 
dieses Defizit auf rund 140 000 OUt herabzudrücken. 
Ich habe damit bereits die Ausgabeseite be 
rührt. Wenn man weiß, daß die Wirtschaftspartei 
in allen Kommissionen von nur irgendwie wesent 
licher Bedeutung durch ein bis zwei Magistrats 
oder Stadtverordnetenmitglieder vertreten ist, und 
wenn man mit erlebt hat, welche Anträge zu dem 
Haushaltsplanentwurf in den abgehaltenen 81 
Kommissions- und Magistratssitzungen von den 
Vertretern der Wirtschastspartei gestellt worden 
sind» insbesondere, soweit es sich um Abdrosselung 
der Ansgabeseite handelte, so muß es geradezu als 
grotesk wirken, wenn die Stadtverordnetcn-Frak- 
tion dieser Partei jetzt in ihrem „offenen Brief" 
die Behauptung aufstellt, daß noch erhebliche Ab 
striche auf der Ausgabenseite möglich wären» daß 
die nicht unbedingt nötigen Ausgaben,, die noch 
im Etat vorhanden seien, selbst auf die Gefahr 
hin, sich dadurch unpopulär zu machen, gestrichen 
werden müßten. In den sechs Sitzungen der Fi 
nanzkommission, in der die WirtschaitSpartei durch 
zwei Herren vertreten ist, sind, wenn ich mich rich 
tig erinnere, gerade zwei Anträge bezüglich Her 
absetzung von Ausgabepositionen seitens dieser 
Herren gestellt worden nnd zwar hat es sich einmal 
um die Einschränkung der personellen Ausgaben 
im Bauetat und weiterbin um Streichung einer 
Position von 2000,— RM. im Pvlizeihilfsdienst 
siir die Wnch- und Schließgeiellichaft gehandelt. In 
beide» Fällen konnte die Mehrheit der Kommis 
sion dem Antrage nicht stattgeben. Weitere An 
träge auf Herabsetzung von Ausgabepositionen 
nur irgendwie wesentlicher Art sind in den 31 
Sitzungen von den Vertretern der Partei nicht 
gestellt worden, während dieselbe Partei jetzt sich 
bemüht» bei der Oeffentlichkeit den Eindruck zu 
erwecken, als ob es in diesem Jahre an der alt 
preußischen Sparsamkeit bei Aufstellung des Etats 
gefehlt habe In dem Notiahr, in dem wir uns 
befinden, hat sich kein Mitglied des Magistrats 
oder der Finanzkommission dadurch von nur ir 
gendwie möglichen Streichungen in den Ausgabe- 
titeln abschrecken lassen, daß es Gefahr liefe, sich 
unpopulär zu machen: es hat allerdings den An 
schein. als ob die Wirtschastspartei durch Aufstel 
lung solcher Behauptungen, wie st« in dem „sfse- 
nen Briefe" gemacht wurden, versuchen will, sich 
selbst in der Oeffentlichkeit populär zu machen. 
Wir wissen sehr wohl, meine sehr geehrten 
Damen und Herren, daß nach den Richtlinien des 
Preußischen Ministeriums des Innern mit einem 
Staatszuschuß für die Stadt selbst bei Erfüllung 
der Vorbedingungen der Notverordnung nur 
dann gerechnet werden kann, wenn vorher alle 
Ausgabepositionen auf das Mindestmaß des Er 
träglichen zusammengestrichen sind. Und wir ha 
ben die Ueberzeugung, daß wir bei unseren Arbei 
ten die Grenze des Möglichen hierin erreicht haben. 
Wir glauben auch, daß wir die Forderungen 
des Pr. Min. des Innern über Einsparungen 
ans dem Gebiete der Schulen voll erfüllt haben, 
indem wir den Zuschuß für das gesamte Schul 
wesen trotz der bereits rigorosen Streichungen des 
vergangenen Jahres nochmals von rund 546 000,— 
32Jü auf 530 000,— OUt herabgesetzt haben. Wir 
konnten allerdings nicht vermeiden, in diesem 
Jahre gewisse Aufwendungen für die Instandhal 
tung und Instandsetzung, insbesondere der Hilfs 
schule, der Lornsenschule und des Lyzeums einzu 
setzen, da die Zustände in der Zwischenzeit dort 
so geworden sind, daß sie eine unmittelbare Ge 
fahr sür die Gesundheit der Kinder bedeuten. 
Die beiden größten Positionen in unserem 
Haushaltsplan sind nach wie vor unsere Aufwen 
dungen für den Schuldendienst und unsere Für 
sorgeausgaben. Wenn auch die Auswendungen sür 
den Schuldendienst durch die erreichte Herabset 
zung der Tilgungsraten und durch eine geringe 
Ermäßigung des Zinsfußes um 100 000.— OtJl 
gesenkt werden konnten, so bleibt trotzdem die Po 
sition „Schuldendienst" mit einem Ausgabebetrag 
von 720 000,— .OUt bei einem Gesamtausgabebe 
trag des Etats von 3 921000,— OUt ein so we 
sentlicher Faktor, daß er mit oder ohne Notver 
ordnung auf weitere lange Jahrzehnte hinaus für 
alle Steucrzuschläge jeglicher Art für die Stadt 
Rendsburg bestimmend sein wird. Man soll doch 
nicht vergessen, daß im diesjährigen Haushalts 
plan das gesamte Aufkommen des Grundvermö 
genssteuerzuschlages in Höhe von 550%, bas ge 
samte Aufkommen an Gewerbeertragsteuer mit 
800% Zuschlag und die Hälfte des Aufkommens an 
Gewerbekapitalsteuer bei 1600 % Zuschlag restlos 
znr Verzinsung nnd Tilgung unserer Schulden 
aufgewandt werden muß. Man möge sich dabei 
einmal ausrechnen, welche Realsteuerzuschläge wir 
haben würben, wenn wir die Hälfte des Schulden 
dienstes bezw. die Hälfte unserer augenblicklichen 
Schulden aufweisen könnten. Es mag erfreulich 
sein, daß wir in dem zu Ende gehenden Etats- 
sahre dank des Zuschusses des Preußischen Mini 
steriums vor einem weiteren Defizit, das unsere 
Schulden abermals erhöhen würde, bewahrt blei 
ben. Aber man möge sich davor hüten» die drük- 
kende Last und enorme Höhe der Schulden und des 
Schuldendienstes einfach mit der Behauptung bei 
seite zu schieben, daß wir bei unserm Antritt diese 
Schulden anstatt in kurzkristiger in langfristiger 
Anleiheform überlassen erhalten hätten, oder gar, 
daß diese Schulden und dieser Schuldendienst ja 
überhaupt die Finanzen der Stadt nicht drücken 
könne. Wer solche Behauptungen aufstellt, beweist 
damit, daß er aus irgendwelchen Gründen die 
wahren Verhältnisse nicht sehen will. 
Der weitere große Posten auf der Ausgabe 
seite unseres Etats ist nach wie vor die Answen- 
dnng sür die Wohlsahrtspslege. Während man 
nach dem Haushaltsplan 1913 rund 51000,— atJl, 
1914 rund 55 000,— OUt für die damalige Armen 
verwaltung aufwandte, mutzten wir in vielem 
Jahre im Wohlfahrtsetat eine Gesamtausgabe von 
etwas mehr als einer Million Mark in Ansatz 
bringen. Dieses, meine Damen und Herren, sind 
Zahlen, in denen sich die ganze Not der Stadt 
Rendsburg darstellt, in sozialer, wirtschaftlicher 
und finanzieller Beziehung. Gegenüber dem 
Etatsansatz 1930 mußten rund 297 000,— -OUt mehr 
als voraussichtliche Ausgabe auf dem Gebiete des 
Fürsorgewesens eingestellt werden. Nach dem Vor 
anschlag wird die Stadt — unter Berücksichtigung 
aller Erstattungen vom eigenen wie von anderen 
Fürsorgeverbänden und unter Berücksichtigung 
aller besonderen Zuschüsse — von diesen Ausgaben 
in Höhe von einer Million Mark selbst ans eige 
nen M tteln rund 465 000,— RM. aufbringen müs 
sen, d. h. also, rund eine halbe Million. Mit an 
deren Worten bedeutet das, daß die gesamte Ab 
lieferung der Städtischen Werke, die in der obigen 
Uebersicht verbliebene zweite Hälfte des Auskom 
mens an Gewerbekapitalsteuer bei 1600 %, die ge 
samte doppelte Bürgersteuer, die gesamte doppelte 
Biersteuer und die Hälfte der Vergnügungssteuer 
aufgewandt werden müssen, um den für die Stadt 
verblcibcndeu Anteil au Wohlfahrtslasten zu dek- 
ken. Oder anders ausgedrückt, einer Einnahme- 
seite mit Einkommen-, Körperschafts- und Umsatz 
steuerüberweisungen, sowie Grundvermögens-, Gc- 
wcrbeertrags- und Geiverbekavitalsteuerauskom- 
men in Höhe von rund einer Million Mark steht 
eine Ausgabeseite für Fürsorgemittel in Höhe von 
rund einer Million Mark gegenüber. 
Der augenblickliche Stand der durch öffentliche 
Mittel unterstützten Personen unserer Stadt zeigt 
gegenüber der Ende Februar von mir der Oef- 
sentlichkeit gegenüber gegebenen Uebersicht heute 
folgendes Bild: 
P 
~ s 
§ L 
Q 
cob 
Ö 
st B 
«5g 
e 
I. Arbeitsamt 
81. 3. 31 
as Arbeitslosenversich. 
b) Krisenunterstühung 
466 466 838 1304 
222 222 330 552 
888 688 1168 1856 
II. Fürsorgeamt 
as Wohlfahrtserwerbslose 425 241 666 894 I860 
66 84 140 124 264 
16 82 98 16 114 
116 173 289 204 493 
30 3 33 90 128 
119 119 119 
73 24 97 
191 19t 191 
218 652 943 458 1401 
bl Arbeitsunfähige 
Kleinrentner 
Sozialrentner 
Kriegsbeschädigte 
Kriegerwitwen 
Kriegereltern 
Kriegerwaisen 
Summe zu 2b) 
Summe Fürsorgeamt 643 893 1609 1452 3061 
Gesamtsumme Arbeitsamt 
nnd Fiirsorgeawt 2297 2620 4917 
III. Arbeitslose in: 
1. Arbeitslosen 
versicherung 466 34,4 1804 87,1 
2. Krisensürs. 222 16,4j 6g 0% ^52 15/7} 62/9% 
3. Wohlf.-Fürs. 666 49 
1354 100% 
1660 47,2 i 
8516 100% 
Vergleicht man vorstehende Aufstellung mit 
den Zahlen für Ende Februar, so ergibt sich, daß 
damals 43%. heute dagegen 47,2% der Erwerbs 
losen von der städtischen Fürsorge betreut wurde«, 
während der Prozentsatz der Erwerbslosen, die 
aus der Arbeitslosenversicherung Unterstützung er 
hielten, von 42 aus 87.1% zurückgegangen ist. Eine 
derartige Entwicklung liegt in dem Ausbau der 
ganzen gesetzlichen Bestimmungen begründet, wo 
nach die Erwerbslosen nur eine ganz bestimmte 
Wochenanzahl in den Genuß der Unterstützungssätze 
der Erwerbslosenversicherung kommen können, 
dann in die Krisenfürsorge übergehen und, nach 
dem auch hier die Anwartschaft abgelaufen ist, in 
die Fürsorge der Gemeinden übertreten. Bei an 
dauernder Erwerbslosigkeit werden daher bei der 
heutigen gesetzlichen Regelung die Ewerbslosen im 
mer mehr unter Entlastung der Arbeitslosenver 
sicherung in die Fürsorgeämter der Städte abge 
stoßen. Bedenkt man. daß die Gemeinden auch 
finanziell an den Kosten der Krisenfürsorge be 
teiligt sind, so ergibt sich, daß Ende März bereits 
fast 63% aller Erwerbslosen ganz oder teilweise 
städtische Unterstützung angewiesen sind gegen 
über 58so Ende Februar. Die Städte haben' ge 
rade in den letzten Monaten immer wieder dar 
auf hingewiesen, daß eine derartige reichsaeietz- 
Ilche Regelung unhaltbar ist. In keinem anderen 
Falle find dabei die Beweise so schlagend wie be- 
uns ln Rendsburg. 
In der Fürsorgekommission, Ser Finanzkom- 
mrsston und wir im Magistrat waren uns darüber 
klar, ^ daß ^ wir. soweit die allgemeine Fürsorge 
und insbesondere die Wohlfahrtsermerbslosen in 
Frage kommen, vorstehende Zahlen für die Be 
rechnung der voraussichtlichen Fürsorgeausgaben 
des nächsten Jahres zugrunde legen mußten. Wir 
haben dabei den zum mindesten für die Sommer 
monate zu erwartenden Rückgang an Erwerbs 
losen nicht unberücksichtigt gelassen und glauben 
daher, daß die von uns eingesetzten Zahlen für die 
einzelnen Positionen ungefähr die Beträge dar 
stellen werden, mit denen wir im kommenden 
Jahre bei Beibehaltung der jetzigen gesetzlichen 
Regelung in Anspruch genommen werden. Der 
Magistrat steht auf dem Standpunkt, daß der 
Fürsorgeausschuß, in dem Vertreter aller Par 
teien — also auch der Wirtschastspartei — vertre 
ten sind, im vergangenen Jahre, in dem in weiten 
Schichten unserer Bevölkerung die Not ihr größ 
tes Ausmaß der Nachkriegsjahre erreicht hat, mit 
den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln so ge 
arbeitet hat, daß von einer Betreuung über die 
gesetzliche Verpflichtung hinaus in keinem Fall di« 
Rede sein kann. Es ist völlig unverständlich, wie 
wiederum von der Wirtschaftspartei, die doch durch 
ihre Vertreter auch im Fürsorgeausschutz sitzt, solche 
Behauptungen ausgestellt werden können. Durch 
die lange Dauer der Erwerbslosigkeit ist in wetten 
Kreisen der Bevölkerung die Not, insbesondere 
an Kleidungsstücken usw. so grob geworden, daß 
hier nach individueller Prüfung eines jeden ein 
zelnen Falles eine Hilfeleistung, die ja auch auf 
diesem Gebiete innerhalb der gesetzlichen Verpflich 
tung liegt, angebracht erschien. Da im übrigen 
alle unsere Leistungen auf dem Gebiete der Für 
sorge unter der Kontrolle des Kreises als Be 
zirksfürsorgeverband stehen, der jederzeit die 
Möglichkeit hat, unsere Ausgaben bei den monat 
lichen oder vierteljährlichen Abrechnungen zu kon 
trollieren, so müßte schon dadurch allen denen, die 
ohne Kenntnis der wahren Verhältnisse immer 
wieder die gleichen Vorwürfe über Verschwendung 
der Städte auf dem Gebiete des Fürsorgewesens 
erheben, die Gewißheit gegeben sein, daß heute 
eine Unterstützung über die gesetzliche Vrpslichtung 
st'nauL so gut wie ausgeschlossen ist. Wenn Ein 
zelfalle bekannt werden, in denen Erwerbslose 
zum Schaden ihrer ebenfalls erwerbslosen Mit 
menschen sich Unterstützunqsveträge aus ?>ett sür 
solche Zwecke vorgesehenen knappen Fürsorge- 
Mitteln beschafft haben, obwohl sie durch Neben 
verdienst oder dergleichen überhaupt nicht mehr 
als unterstützungsbedürftig anzusehen sind, so 
sollte man sich hüten, derartige Fälle zu verallge 
meinern und als Maßstab für die Bcwilligungs- 
iŗEuoîllkeit einer Fürsorgcinstanz anzulegen. Ich 
suhle mich veranlaßt, auch von dieser Stelle aus 
nochmals den Mitgliedern des Vaterländischen 
irrauenvereins und der Arbeiterwohlfahrt für die 
tatkräftige ehrenamtliche Mitarbeit in unserer 
Volksküche, die in diesen Tagen geschlossen wird, 
unseren herzlichsten Dank zu sagen. Der gleiche 
Dank gilt all den Spendern aus der Stadt, wie 
im besonderen Maße vom Lande, die in hochher 
ziger Weise unsere Arbeit wesentlich erleichtert 
haben. Wir können sicherlich mit Berechtigung 
sagen, daß die Einrichtung der Volksküche im ver 
gangenen Winter ein voller Erfolg gewesen ist 
nnd weiten Kreisen unserer bedürftigsten Mitmen 
schen wochenlang kräftige und nahrhafte Sveisung 
gegeben hat. In ivelch unerträglichem Maße sich 
die hohen Fürsorgelasten bei allen öffentliche» 
Verwaltungen auswirken, beweist weiterhin die 
Tatsache, daß wir für das, Gebiet der allgemeinen 
Fürsorge nach dem vorliegenden Haushaltsplan 
von dem Kreis Rendsburg als Bezirksfürsorge 
verband einen Betrag von 421000,— RM. gegen 
über rund 214 000,— RM. nach dem Haushalts 
plan 1930/31 ansordern, wogegen es dem Kreis, 
ebenso ivic die Städte mit den Realsteuerzuschlä 
gen erstarrt sind, durch die Bestimmungen der 
Notverordnung untersagt ist, eine höhere Kreis- 
nmlage als im vergangenen Jahr zur Deckung der 
erhöhten Ansprüche der einzelnen Städte und Ge 
meinden auf dem Gebiete des Fürsorgewesens zu 
erheben. Da die Kreisumlage in Prozentsätzen von 
den Reichssteuerüberweisungen und von den 
Grundbeträgen für die Realsteuerzuschläge erho 
ben werden, andererseits aber sowohl die Neichs- 
steuerüberweisungen als auch die Grundbeträge 
zu den Realsteuern zurückgegangen sind, erhält der 
Kreis, der im letzten Jahr nach dem Haushalts 
plan von uns Kreissteuern in Höhe von 292 000,— 
RM. erhalten sollte, in dem neuen Haushaltsjahr 
nur 263 000,— RM. Auch hier erhebt sich natür 
lich genau wie bei den Städten sofort die Frage» 
ob es möglich sein wird, durch radikale Einsparun 
gen in anderen Ausgabetrteln die erhöhten Für 
sorgelasten bei den zu erwartenden niedrigen 
Stêuerbeträgeu zu> decken. 
Die reichsgesetzliche Regelung aus dem Gebiete 
des Fürsorgewesens, deren Beseitigung immer 
wieder von den Stabten gefordert worden war, hat 
nunmehr dazu geführt, daß der größte Teil der 
deutschen Städte unmittelbar vor dem Kaflenzu- 
sammenbruch steht, und daß die Länder gezwungen 
sind, nach bestem Können mit Staatszuschüssen die 
Finanzen der Städte soweit als möglich noch für 
kurze Zeit über Wasser zu halten. Es scheint so. 
als ob man sich auch in den Länderregierunge« 
nunmehr darüber klar ist. daß die Beibehaltung 
der jetzigen gesetzlichen Regelung des Fürsorge 
wesens einfach unhaltbar ist. was die Städte ja 
bereits seit Jahren immer wieder behauptet ha 
ben, ohne daß man ihnen das notwendige Ver 
ständnis entgegenbrachte. 
Wenn das zuständige Preußische Ministerium 
bereits im vergangenen Jahre, wo wir nach dem 
Haushaltsplan unter Berücksichtigung der Für- 
sorgeumlaae des Kreises rund 355000,— RM. aus 
eigenen Mitteln zur Deckung der Fürsorgelasten 
aufbringen mutzten, aus unsere Eingabe hin, daß 
ein, weiteres Anwachsen der Fürsorgelasten im 
laufenden Etatsjahre mit Bestimmtheit zu erwar 
ten wäre, durch einen besonderen Zuschuß aner 
kannte, daß unsere Bevölkerung bei den bereitl 
bestehende» enormen Steuerlasten tob Wohl-
	        
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