Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

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Landeszsilung 
6d)îeswîg-Bolfteînifd}e 
123. Jahrgang 
123. Jahrgang. 
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harte Muß im Staatshaushalt. 
Späte Einsicht 
.. . .Şer die Vorarbeiten des preußischen Finanz- Jetzt kommt alles darar 
Ulsters Höpker-Aschoff für den preußischen und Tempo man die Ei, 
neten Dr. Oberfohre« und Tr. v. Wmterfeld. 
Eine Besprechung mit dem Fraktionsführer 
der Bayerisch« Volkspartei, Abgeordneten 
Leicht, ist für Dienstag angesetzt. Im Anschluß 
hieran wird Brüning dem Reichspräsidenten 
vermutlich am Mittwoch abschließenden Vor 
trag über das Ergebnis seiner politischen Be 
sprechungen erstatten. 
Dem Vernehmen nach haben sich die deutsch 
nationalen Führer eine endgültige Stellungnahme 
zum Regierungsprogramm vorbehalten, aber be 
tont, daß dem Regierungsprogramm der wichtigste 
Bestandteil fehle, nämlich die Einleitung einer 
Revision der Tributpolitik. Auf die Einwendung 
des Reichskanzlers, daß die Beantragung eines 
Transfermoratoriums und späteren Zahlungsauf 
schubes einen sehr langwierigen Prozeß darstelle, 
der nicht schnell genug sei, um uns im Augenblick 
finanziell zu entlasten, wurde von den deutsch 
nationalen Vertretern erklärt, daß es sich nicht 
darum handele, diesen oder jenen Aufschub zu be 
antragen, sondern daß es darauf ankomme, direkte 
Nevistonsverhandlungen zu erreichen. Der Reichs 
kanzler hat hierauf ausweichend geantwortet. 
ûáith cm VMsws 
DmkwäröigkKiLsN. 
An Bülows Denkwürdigkeiten kann man 
aus geschichtlichen bezw. politischen Gründen 
nicht vorübergehen. Deshalb haben wir einige 
Proben daraus mitgeteilt, nicht ohne ein Be 
fremden darüber zu unterdrücken, daß Bil 
low, der sich als Staatssekretär des Auswär 
tigen und Reichskanzler in der Gunst Wil 
helms II. sonnte und das von ihm in den 
Denkwürdigkeiten verurteilte „persönliche 
Regime" des Monarchen duldete, zumindest 
nicht unerschrocken bestimmte Konsequenzen 
daraus zog, so spät mit dem ätzenden Tadel 
herauskommt. Einige kritische Stimmen zn 
Bülows Denkwürdigkeiten seien hier verzeich 
net. 
Dr. R. C. Mttschler Enttäuscht legt man 
in der „Börsenzeitung": nach eingehender 
Durcharbeit das 
Werk ans der Hand. Man findet un 
willkürlich aneinandergereihte Anekdoten, 
die das Chaos mehr vergrößern als es 
bannen. Das Ganze ist ein Playdoyer 
für den Autor, eine Sammlung aller 
guten Zeugnisse über ihn und eine syste 
matisch verkleinernde Kritik all derer, die sei 
nem Wege entgegentraten. Das Buch ist all 
täglich und erfüllt mit Peinlichkeiten. Die Be 
merkungen über Republik, Ebert und neue 
Männer entbehren der Sachlichkeit. Bedauer 
lich ist der Mangel jedes Traditionsgefühles 
in diesem ersten Band seines Lebenswerkes, 
dem noch drei andere folgen sollen. Bülow ist 
stolz, ein preußischer Edelmann zu sein. Um 
so unverständlicher wirkt die ständige Des 
avouierung seines einstmaligen Herrschers, 
dem er gewisse Taktlosigkeiten nicht nur nicht 
verzeiht, sondern die er mit Behagen Seite 
um Seite dem Leser aufzählt. Wären die 
Denkwürdigkeiten zu Lebzeiten ihres 
Verfassers erschienen, könnte man einzelnes 
als Mut bezeichnen, das so als posthume 
Rache abstößt. Diese Angriffslust wirkt un 
männlich und beweist nur, daß der alte Bü 
low weder zu Haß noch zu Liebe fähig war. 
In Bismarcks Memoiren sind Fundament, 
Linie und Fassade groß. Auch er irrlichteriert 
im Sumpf und biegt die Wahrheit nach Gut 
dünken, aber dort ist ein Schmied an der Ar 
beit, der Schwerter zu hämmern versteht. 
Wenn Vülow an der Wahrheit vorübergeht 
und beste Freunde verleugnet, sv geschieht c§ 
ohne die Weisheit des ersten Kanzlers,' er ist 
nicht einmal in der Lüge groß. Was er z. B. 
über seinen einstigen Freund Philipp 
zu Eulenburg mit bewußt falschen: Re 
zept zusammenbraut, genügt, um seinen 
Denkwürdigkeiten das würdige Denken und 
damit Glauben und Achtung abzusprechen. 
Dr. Rudolf Fischer Vielleicht ist das 
im „Hambg. Correspondent": Urteil ungerecht, 
das einem die 
ser erste vorliegende Band durch seine endlose 
Geschwätzigkeit, die sicherlich nicht ohne den an 
diesem Staatsmann berühmten Scharm ist, 
aufdrängt. Vielleicht hätte Bülow seine Me 
moiren früher schreiben sollen, als er ein 
reiches Leben noch beherrschte und nicht nur 
eine gute Gesellschaft mit den Erfahrungen 
und Begebenheiten eines reichen Lebens si 
cherlich sehr amüsant, aber doch auch greisen 
haft tratschhaft unterhalten konnte. Nach der 
Lektüre dieses Buches fragt man sich unwill 
kürlich, ob man dem Leben dieses Mannes 
auch nur die geringste Beachtung geschenkt 
hätte, wenn es sich nicht vor der großartigen 
Kulisse der europäischen Verwicklungen vor 
dem Kriege abgespielt hätte. Es war kein Re 
giment, das Bülow führte, es war die Tätig 
keit eines vielleicht tadellosen Verwaltungs 
beamten, der sich über die Diplomatie ill die 
Staatskunst verirrt hatte, weil ihn seine her 
vorragende Kunst, zn parlamentieren, dazu 
verführte. Als Plus kann er aber immer noch 
für sich buchen, daß er vorurteilslos war und 
für die meisten Dinge einen viel offeneren 
Sinn hatte als das Gros seiner Umgebung. 
Wenn er aber auch frei von Dünkel war, so 
gehört es andererseits zu seinem ausgleichcn- 
WchZrefsrm - RMMmgZrksgM. 
Die Frage der Reichsreform bleibt, so schließt 
das B. T. eine Betrachtung über dieses Thema, 
aktuell. Jede Aufschiebung bedeutet Aufschiebung 
der Gesundung der kranken deutschen Gesamtver 
waltung. Die Herabsetzung der Beamtengehälter 
und die Höhe der Arbeitslosenzahlen in Deutsch 
land macht gewiß Eindruck im Ausland. Trotzdem 
haben unsre aus Ausgaben des Reiches, der Län 
der und Gemeinden zusammenaddierten Ziffern bei 
den offenbaren Mängeln unseres Verwaltungs 
systems keine durchschlagende Ueberzeugungskraft, 
solange Deutschland nicht mit der Reichsreform die 
entscheidende Anstrengung zur Vereinfachung sei 
ner Gesamtverwaltuug gemacht hat. 
* * - 
flu Hißt* Am;.,;.,- Einstellung des Lttftdieustes. 
MM m Zrmlmg. TU. London, 7. Okt. (Eig. Funkmeldung.) 
Im Anschluß an die bisherigen politi- Infolge der Revolution, die sich über ganz 
schen Besprechungen empfing Reichskanzler Brasilien ausbreitet, haben die amerikanischen 
Tr. Brüning am Montag die Vertreter der und französischen Luftpostlinien ihren Dienst 
Teutschnationalen Vvlkspartei, die Abgeord- eingestellt. 
auch Preußen im kommenden Jahr eine Ausgaben- 
lenkung in großem Maßstabe wird durchführen 
Müssen. In einer Anweisung, die der preußische 
Finanzminister an die Ressorts hat herausgehen 
-affen, heißt es. daß es in der gegenwärtigen 
schweren Zeit nur einen einzigen, die Gesunderhal 
tung der Staatsfinanzen gewährleistenden Weg 
gibt, nämlich den. den Umfang der zu leistenden 
Ausgaben nach dem Umfang der zur Verfügung 
stehenden Einnahmen zu bemessen. Die preußische 
Finanzverwaltung ist festen Willens, sich unter 
keinen Umständen von diesem allein richtigen 
Wege abbringen zu lassen, mag auch dieser Weg 
die Ressorts zu einschneidenden und an sich be 
dauerlichen Einschränkungen ihres Aufgabenkrcises 
zwingen. Es ist nicht möglich, die Steuereinnah 
men durch weitere Anspannung der Steuern zu 
steigern, da sie bereits überspannt sind. Es bleibt 
nur übrig, die Ausgaben zu senken. 
preußische Finanzminister 
?àr stimmt der 
wprer-Uschüff dem Gutachten der Oberrechuunas- 
kamme-r darin zu, daß 
der eiserne Wille zur Sparsanikeit noch nicht 
durchweg bei allen Staatsbehörden Platz 
gegriffen hat 
und daß bei sparsamster Wirtschaftsführung in 
dem öffentlichen Haushalt sich noch recht erhebliche 
sachliche ErsMrnisse erzielen lasten. 
Die Aufwandsentschädigungen für die Staats 
minister, die bisher 8000 Mark jährlich betrugen, 
werden auf 4800 Mk. herabgesetzt, die der Staats 
sekretäre von 4000 auf 2400 Mark, die der Ober 
präsidenten von 3000 auf 2040 Mark, die des Ber 
liner Polizeipräsidenten von 2400 auf 1800 Mark, 
-luch die Aufwandsentschädigungen der Regie 
rungspräsidenten und der Landräte, sowie der hö 
heren Richter werden eine Herabsetzung erfahren. 
. Aus den weiteren Richtlinien ergibt sich, daß 
mne .Erhöhung der Ansätze für den Betrieb der 
^ienstkraştwagen nicht in Frage kommt. Die 
civnds für Umzugskosten und für Lehrmittel sind 
um 10 Proz. zu kürzen. Die Reisekosten werden 
generell um 5 Proz. gegenüber 1930 verkürzt. Alle 
übrigen sachlichen Ausgaben sind, soweit sie nicht 
uns gesetzlichen oder reckUichsn Verpflichtungen 
beruhen, um 8 Proz. zu kürzen. Die Gesamtsumme 
der Extraordinarien der einzelnen Verwaltungen 
stt um 10 Proz. geringer zu halten als 1930. Der 
preußische Finanzminister erstrebt weiter gemäß 
Landtagsbeschluß eine 
Aufhebung von verschiedenen Behörden, 
Anstalten und Instituten. 
Im einzelnen wird zur Aufstellung des preu- 
ßrfchen Etats darauf hingewiesen, daß für den 
mit einem Minderertrag von 82 
Mnlwnen Mark der sog. Ueberschußverwaltung 
und mit einem erhöhten Zuschuß von 23 Millionen 
sur me Hoheitsverwaltungen gerechnet werden 
muß, ferner mit 8 Millionen Mark Mehrbedarf 
für den Staatsschuldenhaushalt und 17,6 Mil 
lionen Fehlbetrag für 1920. Insgesamt fehlen 
al,o fur den Haushalt 1031 rund 131 Millionen 
Reichsmark. 
Die Revolution in Brasilien 
Nach Meldungen aus Buenos Aires und 
Montevideo, die inhaltlich übereinstimmen, 
scheint die brasilianische Revolution im größ 
ten Teil des Landes erfolgreich zu sein. In 
mehreren Staaten sollen die Regierungstrup 
pen von den Aufständischen geschlagen worden 
sein. Im Hinblick auf den Ernst der Lage hat 
die Negierung in Rio de Janeiro Bevollmäch 
tigte zu den Aufständischen entsandt, um mit 
den Führern zn verhandeln. Der in Rio 
Grande do Snl gebildete Rcoolutionsausschuß 
hat die Vorschläge der Regierung strikte abge 
lehnt. Wie sich die anderen aufständischen 
Staaten zn den Regierungsvorschlägen ver 
halten werden, ist noch ungewiß, jedoch wird 
erwartet, daß sie ebenfalls eine ablehnende 
Antwort erteilen werden. Die Revolution 
hat weiter auf den Norden des Landes über 
gegriffen. Die Revolutionäre hoffen bald in 
den Besitz der Hauptstadt Rio de Janeiro und 
anderer wichtiger Städte zu gelangen. 
In der Umgebung der Stadt Porte Alle 
gro finden heftige Kämpfe statt. Die geschla 
genen Regierungstruppen ziehen sich auf San 
Pcdrito zurück. Tie Regierung gibt zu, daß 
größere Teile der Armee zu den Aufständi 
schen übergegangen sind. Im Staate Rio 
Grande do Snl sind sämtliche öffentlichen 
Gebäude angeblich in den Händen der Revo 
lutionäre. Ein Versuch der Aufständischen, sich 
der Nationalbank in Uruguyana zu bemächti 
gen, schlug fehl. Ein Teil der brasilianischen 
Marine ist ebenfalls zu den Revolutionären 
übergegangen. Die nächsten Tage, vielleicht 
Stunden, werden für Brasilien als sehr kri 
tisch betrachtet, da es von ihnen abhängt, ob 
die Regierung die Oberhand behält oder das 
Land weiterem Bürgerkrieg entgegengeht. 
Weiter liegt folgende Nachricht vor, die die 
Lage in Brasilien wieder sehr unklar erschei 
nen läßt. 
TU. London, 7. Okt. (Erg. Funkmeldung.) 
Die brasilianische Regierung hat Truppen aus 
gesandt, um die Aufständischen in Bello Mori- 
zonte, der Hauptstadt von Minas Geraes, an 
zugreifen. Kanonenboote von Bahia und Rio 
Grande üo Sul sollen die Regierungstruppen 
im Staate Parana unterstützen. 
Ein von der brasilianischen Botschaft in 
London ausgegebener Bericht versichert, daß 
die Armee und Marine sowie die Polizei und 
die Zivilgaröe der Regierung treu seien. Die 
Mehrheit der Senatoren und Abgeordneten 
hätten dem Präsidenten der Republik ihre An 
hänglichkeit versichert. Zugegeben wird, daß der 
Hafen von Rio Grande auf Veranlassung der 
Regierung geschlossen worden sei. 
In anderen Meldungen wird die Lage 
Wesentlich ernster dargestellt. Die Gouverneure 
von Pernambuco und Rio 'Grande do Morte 
seien zur Abdankung gezwungen worden. In 
Pernambuco hätten die Regicrungstrnppen 
gemeutert und ihre Offiziere eingesperrt. Die 
Aufständischen hätten sich dort verschanzt. 
Die Wachen btt Kevolulion. 
Aeußerlich richtet sich der Aufstand gegen 
die Bundesregierung und den neugewählten 
Präsidenten Prestes, der im nächsten Monat 
sein Amt antreten soll. Die Aufständischen be 
haupten, daß die Wahl Prestes auf ungebühr 
liche Unterstützung durch die Regierung des ge 
genwärtigen Bundespräsidenten Washington 
Linz zurückzuführen sei. Der innere Grund 
für die Revolution liegt aber, wie in den an 
deren südamerikanischen Staaten, so auch in 
Brasilien, in der Wirtschaftskrise, der die Bun 
desregierung nicht Herr zu werden vermochte. 
Seit dem Zusammenbruch der Valorisierungs- 
politik für den Kaffee und seit dem Sturz der 
Preise ans dem Weltmarkt leidet Brasilien, 
dessen Haupteinnahmequelle der Kaffee-Export 
bildet, unter einer schweren Absatzkrise. Unter 
diesen Umständen waren auch die Versuche, 
die vom Präsidenten Luiz im vorigen Jahre 
zur Stabilisierung der Währung unternommen 
wurden, von vornherein wenig aussichtsreich. 
Der Milreis wurde vielmehr weiter herabge 
drückt. 
So landet schließlich auch die preußische Regie 
rung bei dem für jede gesunde Finanzgebarung 
allein gültigen Rezept der Bemessung der Aus 
gaben nach den Einnahmen sowie bei der Einsicht 
in die Notwendigkeit, in den dürren Jahren deut 
scher Not die Ausgaben noch ganz besonders ein 
zuschränken. Erzwungen wurde diese Einsicht, wie 
ffn Reich so auch in Preußen, durch die bittere 
Tatsache, daß die Ausschreibung neuer Steuern 
Nutzlos ist, weil Volk und Wirtschaft einfach nicht 
p>ehr hergeben können. Betrüblich ist es, auch hier 
wieder hören zu müssen, daß man noch nicht bei 
allen Behörden begriffen zu haben scheint, was 
le Glocke der Not in deutschen Landen geschlagen 
Ku. Den dafür Verantwortlichen müßte aber 
Ichieunigst beigebracht werden, was erforderlich ist. 
Kriegszustand im ganzen Lande. 
TU. Newyork, 7. Okt. (Eig. Funkmeld.) 
Nach Meldungen aus Rio de Janeiro hat die 
brasilianische Regierung über das ganze Land 
das Kriegsrecht verhängt. In Arenias Geras 
warfen Regierungsflugzeuge Bomben auf die 
Aufständischen. Meldungen ans Montevideo 
besagen, daß die Aufständischen zuversichtlich 
an einen Sieg glauben. 80 000 Mann Infan 
terie. Kavallerie und Artillerie aus den Staa 
ten Rio Grande do Sul, Santa, Caterina und 
Parana befinden sich auf dem Marsche nach 
Rio de Janeiro.
	        
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