Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

Landeszsîtung 
Sdjleswîcj-Oolfteinifcfye 
123. Jahrgang. 
123. Jahrgang 
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Siettsïsg, den 25. Member 
Menschen und vor allem seine seelische Situ 
ation, die Summe von Glück, die ihm zu 
teil wird, mit dem Lebensrhythmus und der 
Glückssumme, die unvergleichlich primitivere 
Völker mit einer minimalen Technik sich ge 
schaffen haben, so kommt man zu der Er 
kenntnis, datz die Rechnung nicht ausgeht, daß 
auch in dem rationalisiertesten Betriebe ein 
irrationaler Rest bleibt nnd daß dessen Außer 
achtlassung die ganze Rechnung fehlschlagen 
läßt. 
Unsre Zeit, wir Menschen von heute 
stehen wirklich vor dem grotesken Widersinn, 
daß wir die technischen Möglichkeiten haben, 
das Paradies auf Erden zu schaffen, und daß 
wir drauf und dran sind, eine Hölle daraus 
zu machen, wie sie in solchem Umfange noch 
nie da war, aus dem einfachen Grunde, weil 
die Erde noch nie ein so einheitlich geschlos 
senes Ganze war. 
Menschliche Entwicklung vollzieht sich 
nicht stracks nach logischen Gesetzen, sondern 
sprunghaft in Kurven und Spiralen, immer 
wieder unterbrochen durch rückläufige Bewe 
gungen, und so wird auch die heutige Mensch 
heit nicht grade Wegs entweder auf das Pa 
radies oder die Hölle zusteuern, sondern der 
Schwebezustand einer ungewissen Entwick 
lung wird auf lange hinaus vorherrschen, bis 
sich langsam die entscheidende neue Form her 
auskristallisiert. 
Ueber diese Form läßt sich heute ebenso 
wenig etwas sagen wie über den Weg, den 
die Entwicklung nehmen wird. Das einzige 
was man heute tun kann, ist entschlossen den 
Weg zum „Mittelpunkt der Erde" anzutreten, 
das heißt entschlossen nach den geistigen nnd 
Willens-Impulsen zu forschen, die dranf nnd 
dran sind, das Gesicht der Erde und der 
Menschheit so entscheidend zn ändern. 
Ich habe immer davon geträumt, nach 
Beendigung der Reisen mir ein „Haus am 
Meer" zu kaufen und dort in Ruhe und 
Muße das auf meinen Weltfahrten Geschaute 
zu einem Gesamtbilde zu verarbeiten. Nun, 
die Reise nach dem „Mittelpunkt der Erde" 
ließe sich vielleicht auch in solch einem „Haus 
am Meer" erfolgreich absolvieren, aber für 
einen kämperischen Menschen wäre es un 
möglich, an theoretischer Erkenntnis zu arbei 
ten, während draußen die ganze Welt kocht 
und gärt. 
Wo soll ich ihn suchen, diesen „Mittel 
punkt der Erde"? Wo sind die entscheidenden 
Kräfte am Werke, die für die nächsten hun 
dert oder tausend Jahre der Erde ihr Gesicht 
geben werden? In Amerika? In dem schau 
erlich gärenden Hexenkessel Chinas? Im un 
ruhig gewordenen Indien? Im zukunfts 
trächtigen Rußland? Oder schlägt hier, mitten 
unter uns, das Herz der Welt, wird hier die 
neue Lebensform geboren? 
Warum in Berlin? 
Wie der Bankier und der Forscher die Dinge sehen. 
Die Weltkrise irr dem Nrteil 
Meier Persönlichkeiten. 
Wo bleibt der Protest? 
Kürzlich ging durch die Presse die Nach 
richt, datz die internationale der Gottlosen von 
Der „Bund der Gottlosen" ist im An 
schluß an die Zeitung „Der Gottlose" im 
Jahr 1928 entstanden und offiziell als „ideel 
les Haupt der antireligiösen Arbeit" in Ruß 
land anerkannt worden. Nach Behauptung 
des Führers Jaroslawski zählt er in seinen 
Stoßtrupps mehr als 3y Million Mitglieder. 
Das jüngst aufgestellte Aktionsprogramm des 
Bundes für 1930/31 sieht einen antireligiösen 
Feldzug gegen das Weihnachtsfest vor. Auch 
gegen andere Feiertage aller Konfessionen 
und Religionen (evangelische, katholische und 
jüdische Feiertage, buddhistische und moham 
medanische Feste) soll vorgegangen werden. 
Ferner sind antireligiöse Ausstellungen ge 
plant. Durch verstärkte Propaganda soll die 
Zahl der erwachsenen Mitglieder des Gott 
losenverbandes auf 9y Millionen, die der 
Jugendlichen auf 3y Millionen erhöht wer 
den. 
In der Zeitung „Prawöa" ruft Jaro 
slawski zu einer nachdrücklichen antireligiösen 
Propaganda auch außerhalb Rußlands auf. 
Die kommunistischen Parteien außerhalb 
Rußlands müßten dem Kampf gegen die Re 
ligion stärkere Aufmerksamkeit zuwenden. 
Diese Forderung des „Gottlosen"-Führers ist 
keiner Weise gewachsen sind, womit jedoch 
noch keineswegs gesagt ist, daß diejenigen, die 
an ihre Stelle zu treten streben, die Sache bes 
ser machen werden. 
Niemals noch seit Menschengedenken stand 
in solch offenbarem Widersinn billigste Pro 
duktion, Ueberangebot von Waren und Gü 
tern gleichzeitig einer so krassen Not gegen 
über und der Unmöglichkeit, bei offenbarem 
Arbeitswillen, diese Güter zu beschaffen. 
Diesen Widersinn empfinden die arbeits 
losen oder von dem Gespenst der Arbeitslosig 
keit bedrohten Arbeiter und Angestellten. Ihn. 
empfinden die Kaffeepflanzer in Brasilien, 
die Weizenfarmer und Viehzüchter in Argen 
tinien, die aus dem gleichen bewußten Grun 
de die letzte Revolution machten. Nnd der 
wirtschaftliche Widersinn unsrer Zeit ist es 
noch viel mehr als die drückende englische 
Fremdherrschaft, die der Ghandhi-Revolution 
Scharen fanatischer Anhänger zuführt. 
Es soll keineswegs etwas gegen die Lohn- 
und Preissenkungsaktion gesagt werden. Aber 
man mutz sich doch bewußt sein, daß damit 
nur eine vorübergehende Beflernng erzielt 
werden kann. Ueberhaupt handelt es sich nicht 
so sehr um wirtschaftliche Fragen, und das 
Gerede von dem Primat der Wirtschaft muß 
endlich einmal aufhören. Die Wirtschaftler 
haben ebenso versagt wie die Politiker. 
Noch nie — so weit menschliches Wissen 
reicht — standen solch ungeheure Naturkräfte, 
solche Fülle von Rohstoffen nnd Lebensmit 
teln zur Verfügung, noch nie war es möglich, 
mit einem solchen Minimum von Arbeit ein 
solches Maximum von Lebensbedürfnissen zu 
befriedigen. Vergleicht man aber den Gesamt 
lebensstandard des europäisch-amerikanischen 
Das Schiffbrüchigen Drama 
in der Unterelbe, das im nächtlichen Sturm 
das Leben von 30 Seeleuten des Hamburger 
Dampfers „Louise Leonhardt" forderte, wird 
im unpolitischen Teil von einem Besatzungs- 
Mitglied des Rettungsschiffes geschildert. 
in einer Reihe von Ländern verwirklicht. 
Man weiß, wie auf dem Gebiet des Religions 
kampfes die kommunistische Opposition in der 
deutschen Freidenkerbewegung den Kampf 
führt und welch wütender Bruderkrieg 
über die Methoden (nicht über die letzten 
Ziele) des Kirchenkampfes zwischen ihr und 
der Mehrheit der deutschen Freidenkerschaft 
entbrannt ist. Auch in anderen Ländern 
(Schweiz, Tschechoslowakei u. a.) ist die Ab 
spaltung der kommunistischen Freidenker von 
der allgemeinen Freidenkerbewegung im vol 
len Gang. Auf dem Weltkongreß der Frei 
denker in Bodenbach Mitte November kam es 
zu einem förmlichen Auszug der aus zwei 
Russen und 18 Reichsdeutschen bestehenden 
kommunistischen Delegation und damit auch 
zur Spaltung der internationalen proletari 
schen Freidenkerbewegung. Ein neuer inter 
nationaler Zusammenschluß des kommunisti 
schen Freidenkertums wird insbesondere von 
Deutschland aus betrieben. Ob die eingangs 
erwähnten Pläne etwa damit zusammenhän 
gen, ist im Augenblick noch nicht zu übersehen. 
Sollte der Plan, die „Internationale der 
Gottlosen" nach Berlin zu verlegen, wirklich 
in irgend einer Form bestehen, so würde er 
bedeuten, daß man in den Kreisen der Reli 
gionszerstörer die deutsche Reichshauptstadt 
als den Punkt des geringsten geistigen Wi 
derstandes einschätzt. Das darin liegende 
überaus ernste Warnungszeichen kann nicht 
übersehen werden und sollte verantwortlich 
fühlenden christlichen Kreisen zu denken 
geben. 
Vor der Entscheidung. 
Artikel 48 oder der Reichstag nimmt an 
Wie der „Vorwärts" zu dem Empfang der 
Führer der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion 
ergänzend berichtet, dauerte die Besprechung meh 
rere Stunden. Dabei sind auch die Abänderungs 
wünsche der Sozialdemokraten zu den Notverord 
nungen eingehend erörtert worden. Die Verhand 
lungen sollen in den nächsten Tagen fortgesetzt wer 
den. Nach der „Berliner Börsenzeitung" soll 
Reichskanzler Brüning den Sozialdemokraten auf 
ihre Abänderungswllnsche geantwortet haben, daß 
er grundsätzliche und weitgehende Abänderungen 
des Programmes nicht zulassen könne und auch 
nicht die Absicht habe, sich mit dem Reichstag in 
wochenlange Verhandlungen über die Finanzgesetzs 
einzulassen. Wenn sich die Parteien untereinander 
auf einige wenige, nicht so wichtige Abänderungen 
einigen würden, so würde er dem Rechnung tra 
gen. Einschneidende Eingriffe in das Programm 
kämen jedoch für die Regierung nicht in Frage. 
Wie die „Börsenzeitung" weiter hört, wi!l der 
Kanzler seine Besprechungen mit den Parteifüh 
rern bis Mittwochabend zu Ende führen und dann 
Freitag oder Sonnabend das Ergebnis dieier Be 
sprechungen dem Reichskabinett in einer besonde 
ren Sitzung vorlegen. In parlamentarischen Krei 
sen halte man es nicht für ausgeschlossen, daß schon 
in dieser Sitzung die Entscheidung fallen, ob die 
Mm itnô Hufjlsnô. 
Die Abreise Litwonows aus Mailand. 
TU. Rom, 25. Nov. (Eig. Funkmeldung). Der 
sowjetrussische Außenkommissar Litwinow reist heute 
um 10,40 wieder aus Mailand ab. Grandi hat die 
Rückreise nach Rom bereits in der Rocht angetreten. 
Die Zusammenkunft wird als aufsehenerregend an 
gesehen. 
Die Unterredung zwischen dem italieni 
schen Minister des Aeußern, Grandi, und dem 
russischen Volkskommissar des Äußern, Litwi- 
now, hat, nach einer Meldung der „Bossischen 
ten von Mailand am Montagabend über zwei 
Stunden gedauert. Nach der über zweistün 
digen Besprechung zwischen Grandi und Lit 
winow wurde folgende Mitteilung herausge 
geben: 
Bei ihrer Begegnung in Mailand hatten 
die beiden Staatsmänner eine freundschaftliche
	        
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