Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

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Landeszsîlung 
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123. Jahrgang. 
123. Jahrgang 
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Freitag. den 21. November 
Ein großer Tag im Reichsrat 
Eine Antwort des deutschen Außenministers an Tardieu. — Der Reichsrat stimmt dem Neichsfinanz- 
programm zu. — Bayerns Ministerpräsident spricht von ernsten akuten Gefahren für das Reich 
Der bayerische Ministerpräsident Dr. Held 
gab eine Erklärung ab, in der zunächst hingewie 
sen wird auf die katastrophale Entwicklung der 
deutschen Wirtschaftslage und der öffentlichen Fi 
nanzen. Die Ursache liege nicht nur in dem ver 
lorenen Krieg, sondern auch in verkehrten Steuer 
senkungsmaßnahmen der jüngsten Vergangenheit 
und in einer über das Maß des Möglichen hin 
ausgehenden öffentlichen Ausgabenwirtschaft. Die 
Sanierung der Reichsfinanzen fei unter diesen 
Umständen dringend notwendig gewesen. Die vor 
liegenden Maßnahmen machten aber den Eindruck, 
als ob hier dis Reichssanierung auf Kosten der 
Länder und Gemeinden gemacht werden soll. Es 
handle sich bei fast allen Maßnahmen um Ein 
griffe in die Hoheitsrechte der Länder und um 
Gesetze mit verfassungsänderndem Charakter. Es 
handele sich geradezu um ein Reichsdiktat, eine 
Reichsbevormundung, eine Reichszensur über die 
Gemeinden. Es entstehe der Eindruck, als sollte 
damit eine Reichsreform eingeleitet werden, die 
für Länder und Gemeinden unerträglich wäre. 
Fn normalen Zeiten wären diese Maßnahmen 
glatt abzulehnen. Wenn der Reichsrat sich den 
noch zur Zustimmung entschlossen hat, so war da 
für bestimmend, daß eine unmittelbare Lebens 
gefahr besteht nicht nur für das Reich» sondern 
auch für die Länder und Gemeinden, die daher ein 
solidarisches Interesse mit dem Reich an der schien, 
nigen Sanierung haben. 
Das Gehaltskürzungsgesetz muß starke Be 
denken erregen, wenn es auch keinen Eingriff in 
wohlerworbene Rechte bedeutet. Da aber mit der 
Lohnkürzung bei den Arbeitern bereits begonnen 
worden ist, muß auch von den Beamten ein Opfer 
verlangt werden und muß auch die Vorverlegung 
der Kürzung als gerechtfertigt angesehen werden. 
Diese Kürzungen müssen auch die Spitzenstellungen 
bei Reichsbahn. Reichspost und anderen öffent 
lichen Körperschaften treffen. Wir müssen erwar 
ten, daß mit den Preissenkungen energisch und auf 
immer weiteren Gebieten fortgefahren wird. 
Reichsfinanzminister Dr. Dietrich 
erwiderte, die Rcichsregierung habe den unver 
meidlichen Eingriff in dis Hoheitsrechte der Län 
der Reichsratsausschüsse müßte man einige 
Hundert Millionen weniger ansetzen. Die 
höhere Schätzung der Regierung gehe davon 
aus» daß 1831 die Wirtschaftslage sich fühlbar 
bessere. Sollte das nicht der Fall sein, müßte 
man, bei Aufrechterhaltung der Realsteuer- 
senkung» die Vermögensreserven weiter an 
greifen oder die Umsatzsteuer erhöhen, was 
zugleich die natürliche Besserung gefährden 
würde. 
Die landwirtschaftliche Grundvermögcns- 
steuer wird um 18 Prozent gesenkt, und um 
etwa 2V Prozent soll die Gewerbesteuer gerin 
ger werden. Der für die Kommunen ent 
stehende Ausfall soll vor allem durch die 
neuen Kommunalsteuern nach der Notver 
ordnung des Reichspräsidenten gedeckt wer 
den, die für Preußen 1931 etwa 200 Millionen 
RM. erbringen sollen. Man plant, den Ge 
meinden allgemein auch das Recht zur Erhe 
bung von Zuschlägen zum Landessatz der Bnr- 
gerstener einzuräumen. Die Ersparnisse der 
Gemeinden aus d. Gehaltssenkung werde» mit 
88 Milk. RM. angegeben. 
Beim Haushalt des Reichsernahrungs- 
TU. Berlin, 28. November. Der Gesamt- 
Haushalt wurde vom Reichsrat einstimmig an 
genommen. Auch das Gehaltskürzung?- 
g e f e tz fand bei Stimmenthaltung von Sachsen, 
Braunschweig und Thüringen Annahme. 
TU. Berlin, 20. Nov. Die entscheidende 
Vollsitzung des Reichsrates zur Verabschie 
dung des Haushaltsplanes für 1931 und der 
Finanzreformgesetze der Reichsregierung fand 
am Donnerstagnachmittag unter dem Vorsitz 
des Reichskanzlers statt. Außerdem waren der 
Reichsfinanzminister, der Rcichsaußenmini- 
ster und der Reichswehrminister erschienen. 
Ferner wohnten den Verhandlungen der 
preußische Ministerpräsident Braun, der 
bayrische Ministerpräsident Held und Vertre 
ter anderer Länder bei. 
Der Hauptberichterstatter, Ministerial 
direktor Dr. Brecht, 
betonte: Die schnelle Erledigung des Haus 
halts habe große Bedeutung für die wirtschaft 
liche Gesundung und er stelle fest, daß die 
Reichsregierung bereits zahlreichen Wünschen 
des Reichsrates entsprochen habe, so u. a. der 
Aufhebung des Ministeriums für die besetzten 
Gebiete, des Entschädigungsamtes, der Ge 
sandtschaft in München und des Reichswasser 
schutzes. Die gesamten Nettoausgaben gingen 
gegenüber 19.30 nm 1314,4 Millionen zurück 
auf 18 382,8 Millionen Reichsmark. Von der 
Minderausgabe von fast 114 Milliarde Mark, 
die eine außerordentliche Belastung darstelle, 
kämen 63 Millionen Mark auf Gehaltskür 
zungen beim Reich und 406 Millionen auf 
Kürzung der Ueberweisungen an die Länder, 
von denen wiederum 278 Millionen Wirkun 
gen der Gehaltskürzungen seien. In seinen 
weiteren Ausführungen mies der Berichter 
statter darauf hin, daß ein Antrag auf Ein 
stellung von Mitteln für die Leipziger Messe 
ebenso abgelehnt worden sei, wie der Preußi 
sche Antrag, 200 000 Mark für die Erhaltung 
des Siegerländer Eisenbergbaues zu geben. 
Hier habe die Reichsregierung erklärt, daß als 
Folge der Lohn- und Pretsscnkungsaktion 
eine Beihilfe nicht mehr erforderlich sei. Wäh 
rend der Haushaltsentwurf angesichts der 
Notlage für den Westen einen Leertitel enthal 
ten habe, hätten die Ausschüsse 5 Millionen 
Mark für den Westen im ordentlichen und 10 
Millionen im außerordentlichen Haushalt ein 
gesetzt. 
Die Renten für die Kriegsteilnehmer blei 
ben ungefähr in gleicher Höhe. Der Reichs 
rat habe 5 Millionen Abschlag an den Kosten 
dieser Verwaltung beschlossen und wünsche 
eine Verbindung mit bestehenden Verwaltun 
gen. Ebenso seien auf Antrag Preußens 5 
Mill, bei der Finanzverwaltung abgestrichen. 
Mit Rücksicht auf die anzustrebende Verein 
fachung sür die Wehrmacht seien mit 687 Mill. 
M. rund 22,8 Mill. M. weniger als voriges 
Jahr angefordert worden. — Angesicht der An 
forderung der ersten Rate für den Panzer 
kreuzer „Ersatz Lothringen" des weiteren 
Bauprogramms der Marine hätten die Aus 
schüsse anerkannt, daß die überalterten Linien 
schiffe ersetzt werden müssen, wenn nicht die 
Bemannung ersatzlos von ihnen herunterge 
nommen werden sollte. 
Die Ausschüsse hätten aber im Text zum 
Ausdruck gebracht, daß das „Programm nur 
als Anhalt" mitgeteilt werde. Der preußische 
Antrag bei Heer und Marine sei mit 10 Milli 
onen RM. für 1931 mit Rücksicht auf die all 
gemeine Notlage pauschal abzusehen, was auch 
mit der Preissenkung sür die Rohstoffe be 
gründet war,'sei in den Ausschüssen mit er 
heblicher Mehrheit abgelehnt. Für die 
es das deutsche Volk nicht für möglich hält, sich 
mit dem gegenwärtigen Stande der Dinge, ins 
besondere im Osten, einfach abzufinden? Tardieu 
greift fehl, wenn er meint, daß der Revisions 
gedanke von Deutschland leichtfertig angeschnitten 
worden sei. Er begeht aber darüber hinaus als 
Staatsmann einen schweren Fehler, wenn er die 
Ansicht vertritt, 
schon das Auswerfen gewisser Fragen sei gleich 
bedeutend mit Krieg. Wäre das richtig, dann 
wäre jede Hoffnung aus eine gedeihliche Zu 
kunst nicht nur Deutschlands, sondern Europas 
verloren! 
Was wir erstreben, wird uns diktiert von den 
Lcbensnotwenbigkeiten unseres Volkes, Lebens 
notwendigkeiten, die mit denen keines anderen 
Volkes unvereinbar sind. Der Artikel 18 gilt so, 
wie er im Völkerbundspakt steht, nämlich um die 
Regelung von 1818 fortschreitend der Veränderung 
der Verhältnisse anzupassen. Wenn Tardieu von 
der Notwendigkeit der Einstimmigkeit bei einer 
etwaigen Anwendung des Artikels 19 gesprochen 
hat, 
so bestreite ich das nicht nur in rechtlicher Be 
ziehung, sondern ich bedauere vor allem, daß 
er den Anschein erweckt, als wolle er im vor 
aus das Veto Frankreichs ankündigen. 
Auf den Artikel 19 kommt es übrigens gar nicht 
einmal in erster Linie an. Entscheidend ist allein 
die Einsicht der Regierungen. Selbst wenn der 
Artikel 19 oder andere Prozeduren gar nicht be 
ständen, bleibt es dabei, daß nicht starre Verträge, 
sondern das Leben der Völker die Zukunst be 
stimmen müssen. Es ist Aufgabe der Staatskunst, 
gefahrvolle Gegensätze rechtzeitig auszugleichen 
und Raum für alle Entwicklungsmöglichkeiten 
zu schaffen. 
Dann wandte sich Dr. Curtins den außen 
politischen Zielen der Rcichsregierung zu und be 
zeichnete als das Ziel der Regierung die Errin 
gung der nationalen Freiheit wie der moralischen 
Fortsetzlmz siehe nächste Seite. 
Nach Abschluß der wirtschaftlichen Beratungen 
vor dem Reichsrat nahm 
Neichsautzenminister Dr. Curtins 
das Wort, um eingehend auf die Reden Brianös 
und Tardieus zu antworten. Er wies einleitend 
auf die Lasten des Boung-PIanes hin. Angesichts 
dieser Lasten gelte es, der Tatsache ins Auge zu 
sehen, daß niemand von uns heute wissen könne, 
ob wir mit den Maßnahmen, die Ordnung in unse 
rem Haushalt schaffen sollten, auskommen wür 
den, bezw. wann wir die internationalen Schritte 
tun müßten, die in den Verträgen zum Schutze 
unserer Wirtschaft und Währung vorgesehen seien. 
Man wird im Auslande Verständnis dafür er 
warten dürfen, daß die Rcichsregierung nach 
Durchsetzung ihres Wirtschafts- und Finanzplanes 
sich fortlaufend die Frage vorzulegen hat, ob sie 
nicht auch z« den Schutzmitteln greifen mutz. Es 
ist völlig abwegig, wenn von gewissen ausländi 
schen Stellen in einer solchen Haltung der Reichs- 
regierung ein Jnfragestellen der deutschen Unter 
schrift gesehen wird. Wir werden den neuen Plan 
nicht zerreißen, den Vertragsboden nicht verlassen. 
Wir haben aber keine Garantie sür die Durch 
führbarkeit des Planes gegeben. Seit der Pariser 
Sachvcrstündigentagnng ist eine völlige Verschie 
bung der ganzen Weltwirtschastslage und im be 
sonderen der deutschen Verhältnisse — man hat 
nicht mit Unrecht von einem Erdrutsch gesprochen 
— eingetreten. Bei dem Ernst und der Tragweite 
eines Entschlusses der Reichsregierung, von den 
Vertragsrechten des neuen Planes Gebrauch zu 
machen, ist es selbstverständlich, daß die Reichs 
regierung nur nach sorgfältiger Abschätzung aller 
in Betracht kommenden Faktoren handeln wird. 
Sie ist aber davon durchdrungen, daß sie die Ver 
antwortung dafür trägt, daß das deutsche Volk 
durch unerträgliche Lasten nicht seiner sozialen und 
sittlichen Grundlage beraubt wird. 
Soll ich an die vielen öffentlichen Erklärun 
gen Stresemanns erinnern, die von denselben Ge 
danken getragen waren? Ist es nicht seit langem 
für die ganze Welt eine notorische Tatsache, daß 
Methoden des Wahnsinns. 
Wk liefern» dots verrosten sie. 
„Svenska Dagbladet" beschäftigt sich in 
einem Leitartikel mit der Tributfrage uni 
ihrer Verbindung zur Weltwirtschaftskrise. 
Die schweb. Zeitung kommt zu dem Ergebnis, 
daß der Welthandel nur durch die Deutschland 
ausgezwungene Ausfuhrsteigerung gestört 
werde. Vor dem Kriege habe Deutschland eine 
Milliarde mehr verbrauchen können, als es er 
zeugt habe, während es jetzt drei Milliarden 
mehr erzeugen müsse, als es verbrauche. Die 
ser riesige Unterschied müsse auf die Länder zu 
rückfallen, mit denen Deutschland in Handels 
verbindungen steht. 
Die Zeitung führt folgendes Beispiel an. 
In einem Land, das von Deutschland jährlich 
für 84 Millionen Mark Reparationen entge- 
gegennimmt, wovon 20 Millionen in bar be 
zahlt werden, stellte man kürzlich auf dem 
Bahnhof der Hauptstadt einen Lokomotivpark 
von 30 modernen Schnellzugslokomotiven fest. 
Diese Lokomotiven haben dort bereits seit ei 
ner ganzen Reihe von Jahren gestanden, kön 
nen aber infolge des schlechten Schienennetzes 
in dem betreffenden Lande nicht verwendet 
werden. „Svenska Dagbladet" betont zum 
Schluß noch einmal, daß die normale Entwick 
lung in den meisten Industrieländern durch 
die unvernünftigen Reparationen gestört 
wird. — Ein Kommentar ist überflüssig!
	        
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