ur Unterhaltung
Beilage der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung (Rendsburgs TageblatH
Donnerstag, den 13. Nov. 1936
Friedrich Arenhövel / D§E
Diese Geschichte ist wahr. Das moderne
Leben fordert nicht weniger Heldentum als die
Zeiten, von denen die Epen singn. — Hören
Sie bitte das Abenteuer von Harry Watson.
*
Der Puls des Eisgötzen von Chikago hat
sechs Grad Kälte.
Zehntausend Rinder und zwanzigtausend
Schweine werden täglich aus der Blutwärme
des Lebens durch die Tore eines einzigen
Schlachthofes in die Gletscherstarre des Todes
geschickt.
In zwanzig Stockwerken sind achtzig Ge
frierhallen zu einem gewaltigen Würfel ver-
quadert. Dreißigtausend Pferöekräfte drücken
dreihunöertfünfzigtausend Kubikmeter Raum
auf sechs Grad Kälte hinab. Unentwirrbare
Rohrleitungen in dicken, eisbereiften Jsolier-
mänteln ziehen sich an allen Decken und Wän
den dahin. In ihnen pocht der Takt der Ge
friermaschinen des dritten Stockes unter der
Erde. Fahrstühle und Laufbänder schleichen
Tag und Nacht, jahrein, jahraus durch die
Schächte, Korridore und Gänge.
Harry Watson ist fünfundzwanzig Jahre
alt. Er hat eine Braut, die schlanke Mabel
Lee, ein Zimmermädchen des Hotels Morri
son. Wenn Harry fünf Jahre im Gefrierhause
gedient haben wird — und heute ist die Zeit
bis auf die letzte Einfahrt erfüllt— reicht eS
zur Heirat.
Heute abend will er mit Mabel ein Kino
besuchen, hinterher bei einem Glase Tee zum
tausendsten Male beraten, wie die ersparten
Dollars angelegt werden sollen. Morgen
wird gekauft, was zwei junge Herzen begeh
ren: zwei Zimmerchèn, Herd und Ofen, zwei
Betten, eine blitzblanke Küche.
*
Jetzt steht Harry Watson hinter seinem
hochbeladenen Wagen und wartet auf die
Einfahrt. Endlich rollt auch der zwanzigste
und letzte Mann der Kolonne heran. Das
breite Rolltor, dicker als eine Tresortür,
schiebt sich zurück. In schnellem Laufe fahren
die Männer ein. Jede Sekunde, die das Tor
offen ist, bedeutet Kälteverlust, Todsünde am
kälten Herzschlag des Eisgötzen. Der Auf
seher springt hinter ihnen her. Schneeknir
schend schließt sich das Tor. Der Raum ist von
grellem Weißlich durchflutet. Die zwanzig
Wagen rasseln durch den klirrenden Frost an
langen Regalen vorbei, die dicht an dicht mit
halbierten Schweinen behängt sind.
Harry Watson hat das Fleischkarrec zwan
zig, das ganz hinten liegt. Er ist jünger, kräf
tiger, schneller als die anderen. Er fährt um
die Ecke in den Seiteugang ein. Mit seinen
eisenbeschlagenen Sohlen bremst er die Fahrt.
Keine Sekunde ist zu verlieren. Draußen sind
zwanzig Grad Wärme,' hier drinnen sechs
Grad Külte. Das erste Schlachtstück fliegt an
der gelösten Fersensehne des Hinterfußes auf
den bereiften Stahlhaken. Fünfzig Halb
schweine müssen in ein paar Minuten hinauf.
Dabei fühlt man die Kälte nicht. Der Frost
dringt kaum durch die Schweißnebel, die der
Körper verdampft.
Ein Schlachtstück fält zu Boden. Er springt
hinzu. Die Fersensehne ist nicht gelöst wor
den. Harry reißt sein Stehmesser aus der
Scheide, bohrte es drehend unter die Sehne
und wirft das Stück auf den Haken. Das
nächste Halbschwein fliegt auf seinen Platz.
Das sechste fällt wieder hinunter. — Hat so
ein Kerl am laufenden Baud geschlafen?! —
Er springt um den Wagen herum. — Hier,
dort. — Sein Messer bohrt und schneidet. -
Sechs, sieben Schnitte fehlen,' da ein achter. —
Nun heißt es sich beeilen!
*
Als Harry Watson endlich seinen Gang
verlassen kann, sieht er, daß das Kältetor ge
rade den letzten Spalt schließt. — Gut. — Jetzt
hat er eine Minute Zeit. So wird es immer
gehalten, wenn der eine oder der andere sich
ein wenig verspätet. Er blickt in die Seiten
gänge hinein. Die anderen sind alle draußen.
Langsam will er seinen Wagen auf das Tor
zuschieben, da erlöschen plötzlich die Lichter.
Harry Watsou tappt in der Finsternis weiter.
Ein Kurzschluß denkt er, die Minute wird
bald vorbei sein, das Tor wird sich öffnen und
mich herauslassen. Nun poltert der Wagen
gegen das Tor. Untätigkeit in dem Raum ist
gefährlich. Die Kälte ist heimtückisch wie ein
Meuchelmörder. Man eilt so hinein, wie man
von der Arbeit am Lausband kommt, wenig be
kleidet, schweißfeucht, mit heißem Atem. . Nur
die Gesundesten halten das aus. Die Mi
nute ist doch vorbei? Er pocht gegen das
Tor, obwohl er weiß, daß es unsinnig ist, denn
die Torwandung mit der dreifachen isolieren
den Luftschicht, mit den Asbest- und Kieselgur-
packungen leitet den Schall ebensowenig wie
die Wärme. — Die Minute ist immer noch
nicht vorbei?' — Ihn fröstelt. Er muß sich
bewegen. Er winkelt und streckt die Arme,
beugt die Knie. — Nein, schießt es ihm plötzlich
durch den Kopf, che ihn noch der Gedanke über
fällt, daß man ihn vergessen haben könne, ich
werde mit den Fäusten gegen das Tor trom
meln. Er tut es, daß die Knöchel schmerzen.
Mit einem Mal schreit er dazu. Er stößt mit
den eisenbeschlagenen Stiefeln. — Tie Minute
ist vorbei! — Man hat ihn vergessen!
*
Er trampelt mit aller Gewalt auf den
Boden. Vielleicht wird unten im Raume ge
arbeitet? — Er lauscht in die eisstarre Fin
sternis hinein. Nichts ist zu vernehmen, als
das Knacken der Kälterohre, der ferne Frost
puls des Eisgötzen. Die Kälte greift nach ihm.
Da erinnert er sich plötzlich, daß seine Schicht
die letzte des Tages gewesen ist, die in diesen
Raum einfuhr. In Händen und Füßen kriecht
die Kälte hoch.
Harry Watson packt seinen Wagen am
Leitgriff, hebt ihn an, läßt ihn auf den Beton
boden niederkrachen. Unheimlich knattert das
Echo von den kalten Wänden.
Mabel Lee
Jetzt wird sie sich ankleiden, fröhlich dem
kleinen Fest cntgegenlachen.
Nichts ist zu hören. Das Herz pumpt
schwer. Der Atem schneidet in Kehle und
Hals.
Mabel Lee
Der Puls des Eisgötzen von Chikago hat
sechs Grad Kälte, und öreißigtausend P. S.
hat sein riesenstarkes Herz
Kommt da ein rettender Gedanke? — Wo
sind die Thermometer? —
Harry Watson tastet sich an Tor und
Wand entlang. Von dort wendet er sich links
und tappt in die freie Finsternis hinein. Das
erste Regal mit einer Doppelreihe eisstarren
Fleisches tastet er ab. Da ist das zweite Regal,
das dritte, vierte, fünfte. Nun fingern seine
erstarrenden Hände an der bereiften Mittel
strebe hinaus. Er benetzt die Fingerkuppen mit
Speichel, da der Frost die Haut festklebt. —
Da ist ein Thermometer! — Er umschließt es
mit beiden Händen, stellt sich auf die Zehen
spitzen und haucht.
Der wachhabende Maschinist im dritten
Stock unter der Erde starrt entgeistert auf die
Brt Welt.
Das fröhliche Drama.
Ein amerikanischer Tonfilm, ein schweres, trau
riges Drama, wurde neulich in London aufgeführt,
aber es hatte nicht den Erfolg, den man sich wünschte.
Der Erfolg war groß, aber es wurde ein Lacherfolg,
und das ist nicht immer das Richtige für ein Drama.
Die Synchronisierung paßte nämlich nicht genau,
und so kam es, daß man Pferdegetrappel hörte,
wenn jemand ein Wasserglas auf den Tisch setzte,
oder das Hühner gackerten, wenn einer die Tür zu
schlug. Als schließlich ein mit Orden besäter Oberst
seinem Pferd liebkosend den Hals streichelte und
sagte: „Sei ruhig, Liebling! Ich habe die Briefe
alle verbrannt!" da gab's kein Halten mehr. Die
Leute tobten vor Vergnügen, ober als man den
Film absetzen wollte, protestierten sie, denn einen
solchen Genuß wollte sich niemand entgehen lassen,
und einige der Zuschauer behaupteten später, sie
hätten sich für lange Zeit mal wieder gesund gelacht.
150 000 Zentner deutsche Karpfen.
Die deutsche Karpfenernte hat in diesen Wochen
begonnen und der gesamte Ertrag wird im ganzen
in Deutschland auf 150 000 Zentner geschätzt, was
einen Mehrertrag gegenüber den letzten Jahren von
rund 50 000 Zentnern darstellt. Bis in den Dezem
ber hinein werden die Karpfenteiche abgelassen und
der Reichtum, der während des Sommers herange
wachsen ist, geborgen. Es dürfte nicht allgemein be
kannt fein, daß die Hälfte der Karpfenernte aus
Schlesien kommt, wo sich im Kreise Militsch rund
25 000 Hektar ablaßbarer Karpfenteiche befinden. In
Schlesien wird die Karpfenzüchterei nach einem be
sonderen Verfahren und mit der größten Sorgfalt
gehandhabt. Es dauert drei Jahre, bis der Karp
fen, der einmal seinen Teich wechselt, 2y 2 bis 3A
Pfund schwer wird, so daß er zum Schlachten reif
ist. Die Züchtung der Karpfen in Schlesien geschieht
unter besonderen Vorsichtsmaßregeln, da die Fische
ständig von Sachverständigen auf ihren Gesundheits
zustand hin untersucht und die Teiche von Bakterien
freigehalten werden. Zudem erfolgt eine systema
tische Fütterung mit Lupinen, von denen jährlich fast
100 000 Zentner verbraucht werden. Im Alter von
drei Jahren werden die Karpfen aus den Teichen
abgefischt und in Winterbehälter gebracht, die so
tief angelegt sind, daß die Fische nicht einfrieren
können. Wenn dann im Dezember, kurz vor Weih
nachten und zu Silvester die große Nachfrage nach j
Karpfen einsetzt, werden die Fische in alle Gegen
den Deutschlands verschickte
Der vielsprachigste Sender.
Den. Rekord, in den meisten Sprachen seine
Sendungen anzusagen, hält zweifellos der Kaschauer
Sender, der ein Gebiet von sieben Nationen um
faßt und dementsprechend seine Darbietungen in
sieben Sprachen.ansagt, und zwar slowakisch. tschè-
chisch, polnisch, ungarisch, rumänisch, russisch und in
letzter Zeit auch deutsch.
Zrgarettenhunger in China.
Die Unstimmigkeiten, die zwischen der
englisch-amerikanischen Tabakgesellschaft in
Peking und den chinesischen Behörden wegen
der Zigarettensteuer bestanden, haben mit ei
nem vollen Sieg der Gesellschaft geendet. Jen
Hsi-shan, der Gouverneur des Nordens, be
anspruchte eine Steuer in Höhe von 60 Pro
zent des Wertes der Zigaretten, ohne Rücksicht
auf die mit Nanking getroffene Vereinbarung
einer Wertsteuer von 32i/g Prozent. Infolge
dieser Differenzen hatte die Gesellschaft ihre
Warenhäuser geschlossen und den Betrieb still
gelegt, wodurch eine „Hungerblockade" in Zi
garetten über die Bevölkerung verhängt war.
Man schätzt den Steuerverlust dieser Zeit auf
zweieinhalb Millionen Mark.
Aerztemangel i« de» Kolonien.
Wie der Verband der Aerzte Deutschlands
mitteilt, herrscht vor allem in den französischen
Kolonien, wo teilweise eine ganz unkultivierte
Bevölkerung lebt, großer Aerztemangel. So
stehen in Algier für 9 Millionen Einwohner
nur 679 Aerzte zur Verfügung, von denen aber
75 Prozent an der Küste leben, für ganz Tunis
nur 353 Aerzte für 2 Millionen Einwohner,
von denen auf das eigentliche Land nur y 3 der
Aerzte entfällt. In Marokko leben 134 Aerzte,
die 4 Millionen Einwohner zu betreuen haben,
während in Westafrika auf 13 Millionen Men
schen nur 163 Aerzte entfallen. Die großen
Ausdehnungen in diesen Gebieten machen den
Aerztemangel ganz besonders fühlbar. Im
übrigen wird zur Ausübung der Praxis in den
französischen Kolonien die gleiche Vorbildung
verlangt wie in Frankreich selbst.
Kontrollapparate der Gefrierräume. — Was
ist in Raum Einnnddreißig los?! — Vor einer
halben Minute registrierte die Kurve noch
sechs Grad Kälte und jetzt nur noch drei —>
nein, zwei was? — null Grad?
Er befiehlt seinem Assistenten:
„Sofort mit dem Aufseher Raum Einund,
dreißig überholen. — Sehen Sie mal da!"
„Das ist unmöglich", stottert der Assistent
und blickt verständnislos auf die Kurve.
„Ja, allerdings," gibt der Maschinist
kopfschüttelnd zu. „Zehn Grad Wärme? — Das
kann nicht im Raum liegen. Da muß hier et-
was in Unordnung sein. Prüfen Sic mal die
Leitung."
*
Harry Watson haucht um sein Leben. Die
Kälte ist bis über die Knie und in die Schul
tern gestiegen. Hemd und Hose sind längst
eisstarr.
Fünfundzwanzig Grad Wärme! DaS
ist mehr als die Außentemperatur beträgt. —>
Der Assistent kommt achselzuckend zurück. Er
kann den Schaden nicht finden.
Der Maschinist geht selbst auf die Suche.
Er prüft die Maschinen, die Ammoniakbehäl
ter, die Rohrleitungen. Alle Kabel sind in
bester Ordnung.
„Die Kurve sinkt!" ruft der Assistent.
„Wieviel Grad?"
„Fünfzehn —"
„Weiß der Teufel, was das ist!"
Der Maschinist forscht weiter. Eine
Viertelstunde vergeht.
*
Harry Watson hängt starr am Thermome
ter und haucht:
„Mabel — —
*
„Zehn Grad, Herr Maschinist!"
„Gehen Sie doch mal hinauf —"
„Sechs Grad —"
Der Maschinist tritt hinzu.
„Null Grad "
Kopfschüttelnd sagt der Maschinist: „Da
bin ich doch begierig,' warten Sie noch mal
eine Minute —"
*
Harry Watson vermag seinen Atem nicht
mehr hinauszupressen.
Der Name Mabel erfriert in seiner Kehle.
Er öffnet die starren Lippen und drückt
die Zunge auf die Quecksilbcrkugel — — —-
*
Das Thermometer steigt.
Der Weg airs dem Maschincnsaal im
dritten Stock unter der Erde zum Kühlraum
dauert sonst drei Minuten. Zufällig findet
der Assistent den Fahrstuhl zur Auffahrt be
reit.
Er ist schon nach zwei Minuten in Raum
Einunddreißig. Vielleicht waren es dieser Zu
fall und die eine Minute, die Harry Watson
das Leben retteten.
Mm Lâchêķn und Lache«.
Anekdote.
Der französische Dichter Piron, der durch
seinen scharfen Witz bekannt war, wurde ein
mal versehentlich auf der Straße festgenom
men und auf ein Polizeirevier gebracht. Auf
die Frage des Polizeikommissars nach seinem
Beruf erklärte Piron, er sei Dichter. „So, so",
lächelte der Kommissar, „ich habe auch einen
Bruder, der sich Dichter nennt." — „Dann sind
wir quitt", erwiderte Piron. „Ich habe einen
Bruder, der ein großer Narr ist."
Das Passendste.
Ein Neureicher hatte sich eine Bildergale
rie angelegt, die aber sehr minderwertig war,
da er nichts von Kunst verstand. Eines Tages
zeigte er sie einem Maler. „Die vermache ich
dereinst einer wohltätigen Stiftung", sagte er.
„So?" entgegnete der Maler. „Wie wäre
es, wenn Sie dieselbe einem Blindenheim
schenken würden?"
Angenehmes, schmerzloses Rasieren durch
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Sie müssen sich vor dem Einseifen mit Nivea-Creme einreihen, jedoch nicht zu stark,
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