Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

Landsszsllung 
Schleswîg-Solşisînîschs 
123. Jahrgang. 
123. Jahrgang. 
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r derartiger Bestimmungen also nicht anerkannt werden. 
Donnerstag. den 13. Asvember 
Deckungsmittel für die mindestens auf 337 Millio 
nen Reichsmark geschätzte Winterbeihilfe befchafft 
werden sollen, beantragte Abg. Dr. Perlitius (Z.) 
1. die Regierung zu ersuchen, eine Aufstellung vor 
zulegen, welchen Geldbedarf der kommunistische 
Antrag auf Winterbeihilse nach genauer Berech 
nung erfordert, und welche Deckungsmittel zur 
Verfügung gestellt werden können; 2. die Beschluß 
fassung über diesen Antrag bis zum Eingang der 
geforderten Angaben zurückzustellen. 
Dieser Zentrumsantrag wurde gegen die 
Stimmen der Nationalsozialisten, Deutschnationa 
len und Kommunisten angenommen. 
Damit waren auch zunächst sowohl der kom 
munistische Antrag für die Winterbeihilfe wie der 
deutschnationale Antrag und der Zusatzantrag der 
Wirtschaftspartei auf Naturalienbeihilfe erledigt. 
In einer in München erschienenen Bro 
schüre „Weltkrieg droht" wägt Ludendorff als 
militärischer Fachmann die Aussichten eines 
im Bunde mit Italien zu führenden sog. 
deutschen Befreiungskrieges gegen Frankreich 
ab. Er nimmt an, daß Frankreich und seine 
Verbündeten: Belgien. Polen, Tschechoslowa 
kei, Rumänien, nicht nur Italien, Deutsch 
land, Oesterreich und Ungarn gegenüberstan 
den, sondern daß dieser neubelebte Dreibund 
außerdem Bündnisse mit einem sallerdings 
von den Dominions im Stich gelassenen) 
England und mit Sowjetrußland abgeschlossen 
hätte. Trotz dieser zweifellos günstigen Kon 
stellation für Deutschland endet der Krieg 
mit einer Niederlage. Er beginnt bereits in 
der Nacht zum ersten Mobilmachungstag. dem 
1. Mai 1932, mit Luftangriffen auf ziemlich 
alle bedeutenderen Städte Mitteleuropas. Am 
zweiten Mobilmachungstage treffen die 
ersten italienischen Truppen in Bayern ein; 
ein italienischer General übernimmt in Mün 
chen den Befehl; die bayerische Negierung 
bietet die Bevölkerung zu militärischer Ver 
wendung auf oder kommandiert sie zum 
Bau einer gewaltigen Ausnahmestellung, die 
vom Bodensee bis ins Salzburgische reicht. 
In der Berliner Universität, in der es 
bereits am Montag anläßlich der Verteilung 
eines Aufrufs des Deutschen Studentenver- 
öandes zu Zusammenstößen zwischen Angehö 
rigen der verschiedenen politischen Richtungen 
gekommen war, setzten sich diese Zwischen- 
sälle am Dienstagvormittag fort. Gegen 11 
Uhr war es vor der Universität zu einem in 
Tätlichkeiten ausartenden Zusammenstoß zwi 
schen nationalsozialistischen und sozialistischen 
Studenten gekommen, wobei an der Ecke Do 
rotheen- und Charlottenstraße sich eine grö 
ßere Ansammlung bildete. Die Polizek schritt 
ein und verhaftete zwei Studierende, einen 
Nationalsozialisten und einen Sozialisten, die 
als Urheber der Schlägerei der Abteilung I A 
des Polizeipräsidiums zugeführt wurden. 
Weitere Auseinandersetzungen und Zusam 
menstöße erfolgten später in den Räumen 
der Universität, wo es in einem Hörsaal zu 
weiteren Tätlichkeiten zwischen den politischen 
Gegnern kam. 
Nach Behauptung des „Abend" wurde eine 
Indisch aussehende Studentin im Innern der 
Universität zu Boden geworfen, mißhandelt 
und mit Füßen getreten. Nach dem „Tempo" 
ist im Hof geschossen worden, und zwar sollen 
drei Schüsse gefallen sein. Bei dieser Gelegen 
heit wurden sieben Studenten von der Poli 
zei zwangsgestellt. Die Unruhen fanden schließe 
lich ein Ende, nachdem der Rektor der Uni 
versität, Teißmann, eingegriffen und in Vr- 
handlungen mit Oberst Heimannsberg diesen 
bewogen hatte, die Polizei zurückzuziehen. 
Das Abziehen der Polizei erfolgte nach einem 
Bericht der „Nachtausgabe" unter dem Ge 
sang der Studenten, die „Mutz i denn, mutz i 
denn zum Städtele hinaus" sangen. Anschei 
nend ist der große Umfang der Unruhen dar 
auf zurückzuführen, daß die Studenten die 
Zurückziehung der Polizei wünschten. Der 
Rektor der Berliner Universität hat angeb 
lich vereinbart, daß in Zukunft Polizeiorgane 
sich nicht mehr auf den Hof des Universitäts 
gebäudes begeben sollen und sich auch nicht in 
der unmittelbaren Nähe der Eingänge auf 
halten, weil dies von der Studentenschaft als 
Provokation aufgefaßt worden sei. 
Demgenüber erklärt jedoch 
der Berliner Polizeipräsident, 
>er Kommandeur der Schutzpolizei habe den 
Rektor der Universität von vornherein nicht 
im unklaren gelassen, daß die Polizei auf dem 
Universitätsgrundstück genau so wie überall 
mit allen gebotenen Mitteln einzugreifen be 
rechtigt sei und auch in Zukunft allen Aus 
schreitungen auf dem Universitätsgelände ent 
gegentreten werde. Weiter habe der Rektor 
nicht davon gesprochen, daß die Anwesenheit 
der Polizei auf die Studentenschaft provoka 
torisch gewirkt habe. Eine Auffassung, die das 
berechtigte und notwendige Eingreifen der 
Polizei als „Provokation" ansehe, könne nicht 
scharf genug zurückgewiesen werden. 
Die Frage einer Mnļàihilfe. 
Ratlosigkeit bezüglich der Deckungsfrage. 
Im Haushaltsausschuß des Reichstages, der 
zu einer längeren Tagung zusammentrat, bean- 
tragts gestern der Abg. Schröter-Merseburg 
(KPD.), in Anbetracht der Notlage den Erwerbs 
losen, den Sozial- und Kleinrentnern sowie allen 
Fürsorgeberechtigten eine Winterbeihilse aus 
Mitteln des Reiches auszuzahlen. Die Winter- 
beihilss soll für die Hauptunterstützungsempfän 
ger 40 Mark, für jeden llnterhaltungsberechtigten 
12 Mark betragen; Empfänger von Waisenrenten 
sollen ebenfalls 12 Mark erhalten. 
Der Vertreter des Neichsarbeitsministeri- 
llms gab den finanziellen Aufwand für den kom 
munistischen Antrag nach vorläufiger Schätzung 
mit 337 Millionen Reichsmark an. 
Rach längerer Aussprache beantragten die 
Abgeordneten Dr. Quaatz und Hergt (DR.), die 
Beihilfe in Naturalien, insbesondere in Brenn 
stoffen und Lebensmitteln, die im Inlands erzeugt 
find, zn gewähren. 
Abg. Hermann (WP.) beantragte einen Zu 
satz, daß die Beihilfe in Naturalien sich auch auf 
die Beschaffung von Kleidern, Wäsche und Schuh 
zeug erstrecken müsse. Die Beteiligung des Hand 
werks und des Einzelhandels müsse dabei absolut 
sichergestellt werden. 
Da der 
Vertreter des Neichsfinanznnnisteriums 
sich außerstande erklärte, anzugeben, woher die I bewogenen Kriegsministers Sophulis. 
Hokelemslurz in Lyon. 
Bisher 80 Tote. 
TU. Paris, 13. Nov. şEîg. Funkmeld.) Zn 
der Nacht zum Donnerstag ereignete sich in Lyon 
ein schweres Einsturzunglück. Durch den Zusam 
menbruch einer Mauer, die an das «Hotel du 
petit Versailles" grenzt, stürzte das Gebäude unter 
furchtbarem Getöse zusammen. Aus den Trüm 
mern wurden bisher 60 Tote und etwa 80 Ver 
letzte geborgen. 
Das eingestürzte Hotel war bis auf den letzten 
Platz gefüllt, als die Katastrophe eintrat, die sich 
zunächst nur auf einen Teil des Gebäudes er 
streckte. Das Unglück ereignete sich, als 
alle Gäste in tiefstem Schlaf 
lagen. Als die Feuerwehr und die Polizei an 
der Trümmerstätte erschienen, aus der das Gestöhn 
der lebendig Begrabenen drang, stürzte plötzlich 
auch der restliche Teil des Gebäudes über ihnen 
zusammen. 
19 Feuerwehrleute und 5 Polizeibeamte 
wurden bisher als Leichen geborgen. 
Die genaue Zahl der Opfer steht noch nicht fest, 
da immer noch Tote und Verletzte unter den 
Trümmern liegen. 
Die neue Seite im Konflikt Weimar-Berlin. 
Veimar enļlätzļ einen VolizeihauplmanK 
Haussuchungen und Strafverfahren. 
TU. Weimar, 12. Nov. Die Regierung gibt 
bekannt, baß im Laufe der Aktion gegen die 
„Bespitzelung des Thüringer Polizeiwesens 
im Interesse des Reichsinnenministers" am 
Mittwoch Haussuchungen in den Wohnungen 
verschiedener Polizeibeamten und den Büros 
des Reichsbanners stattgefunden hätten, wobei 
weitere erdrückende Beweise für das Spitzel 
wesen festgestellt worden seien. Daraufhin sei 
der Polizeihauptmann Schüler in Gotha frist 
los und ohne Zuerkennung der Versorgungs 
gebührnisse entlasten worden. Gegen einen 
am 31. August ausgeschiedenen Polizeiober 
leutnant und gegen drei weitere untere Poli 
zeibeamte sei das Dienststrafverfahren eröff 
net worden. Ferner habe man die Feststellung 
gemacht, daß das Material der Spitzel, deren 
Schriftsätze in den Berichten des Reichsinnen 
ministeriums meist wörtlich wiederkehrten, 
über einen Kriminalkommissar beim Polizei 
präsidium Erfurt geleitet worden seien. 
Mrlhs Erwiderung nach Weimar. 
Zu der vom Vorsitzenden des thüringi 
schen Statsministeriums zum Polizeistreit 
veröffentlichten Erklärung wird vom Reichs 
minister des Innern folgende Erwiderung 
mitgeteilt: 
„Der Reichsminister des Innern hat dem 
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold keinen Auf 
trag erteilt, ihm Material über die Verhält 
nisse bei der thüringischen Polizei zu beschaf 
fen. Selbstverständlich hat er die Verhältnisse 
in Thüringen nach wie vor aufmerksam ver 
folgt und das ihm im reichsten Umfange von 
den verschiedensten Seiten zugegangene Nach 
richtenmaterial dem Staatsgerichtshof unter 
breitet. Der Staatsgerichtshof ist zurzeit damit 
befaßt, über das Material Beweis zu erheben. 
Der Reichsminister des Innern lehnt es ab, 
dem Beispiel des Vorsitzenden des thüringi 
schen Staatsministeriums zu folgen und Teil« 
ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme zu 
einem Zeitpunkt, an dem die Beweisaufnahme 
sich noch in vollem Gange befindet, vorzeitig 
auszuwerten und vor der Entscheidung des 
mit der Sache befaßten obersten Gerichtshofes 
in der Oeffentlichkeit Stimmung zu machen." 
Am öie Mgerfleuer in Aralmschmeig. 
Nationalsozialisten gegen die Vorlage ihres Ministers 
Im Hanshaltsausschuß des braunschweigischen 
Landtages lehnte die nationalsozialistische Fraktion 
die von ihrem Minister Dr. Franzen und dem 
deutschnationalen Finanzminisker Dr. Küchenthal 
eingebrachte Bürgersteuer ab. Die Abgeordneten 
der bürgerlichen Einheitsfraktion traten dagegen 
für die Bürgersteuer ein. Es kann keinem Zweifel 
unterliegen, daß die Steuer auch im Plenum Ab 
lehnung finden wird, da auch die Sozialdemokra 
ten und Kommunisten dagegen stimmen werden. Die 
drei Parteien verfügen zusammen über 28 von 40 
Sitzen. Im Hauptousschuß wurde, laut TU., die 
Abwesenheit des eigentlichen Schöpfers der Vorlage, 
Ministers Dr. Franzen, stark beachtet. 
Fürchterlich ist das Los der deutschen 
Bevölkerung: überall wird ihr 
Land zum Etappen- oder Kampfgebiet aus 
ländischer Heere, seien es nun „Verbündete" 
oder „Feinde": gleichermaßen hat sie auch 
unter den Flieger- und Gasangriffen beider 
Parteien zu leiden: um ihre Verpflegung 
kümmert sich niemand: die jungen Leute 
werden dort, wo sich die „Verbündeten" noch 
halten können, zur Ausbildung nach Ober 
italien oder England verfrachtet: die älteren 
werden von beiden Parteien zu Schanzarbei 
ten gezwungen und gehen dabei massenhaft zn 
Grunde. Vom sechzehnten Mobilmachnngs- 
tage an schwenken die französischen Heere 
zwischen Main und Donau nach und nach 
angreifend südwärts: die Schlacht reicht quer 
durch Bayern bis nach Oesterreich und endet, 
nachdem auch Tschechoslowakei: und Jugosla 
wen eingegriffen haben, in der fünften Mo- 
bilmachungswoche mit einer Niederlage 
der Italiener und ihrer Verbün 
deten, die miteinander in die Alpentäler 
gedrängt und vernichtet werden. Die Gründe 
hierfür umzeichnet Ludendorff folgender 
maßen: » 
„Die zahlenmäßige Ueberlegenheit des 
Siegers ist bedeutend, nicht minder der in 
nere Wert und die Ausrüstung des franzö- 
Man wird sich erinnern, daß vor länge 
rer Zeit bereits bei Gelegenheit von Krawal 
len an der Universität Berlin das Eingreifen 
der Polizei auf dem Gelände der Universität 
zu einer Streitfrage aufgeworfen wurde. Diese 
Angelegenheit kann natürlich nur von der 
rechtlichen Seite aus entschieden werden. 
Am besten wäre es, wenn man durch Fern- 
haltnng parteipolitischer Auseinandersetzun 
gen vom internen Hochschulbetrieb — was sich 
o t l e Richtungen angelegen sein lasten müß 
ten — es gar nicht erst so weit kommen las 
sen würde. Politische Betätigungsmöglichkeit 
srndet die civitas academica ja doch außerhalb 
der Universität, sollte man meinen. 
Menburg kann zu keinem Alinister- 
prWenken gelangen. 
Zm oldenburgischen Landtag wurde über den 
nationalsozialistischen Auflösungsantrag abge 
stimmt. Der Antrag erhielt nur 11 Stimmen von 
48. Damit war er abgelehnt. 
Dann wurde dis Ministerpräsidentenwahl, 
dis zweimal Anfang August vergeblich versucht 
worden war, von neuem vorgenommen. Auch der 
diesmalige Wahlgang blieb ergebnislos. Der 
Kandidat des Zentrums, Minister Driver, erhielt 
nur die 9 Stimmen des Zentrums. Der Kandidat 
des Landblocks (Bereinigte Deulschnationale und 
Bolkspartei), Regierungspräsident Castebohm 
(Eutin), erhielt 18 Stimmen. 20 Zettel waren 
unbeschrieben. Damit hatte keiner der Kandidaten 
dis absolute Majorität erreicht. 
ôugendscîudlîche Studentenausschreitungen in Wien 
TU. Wien, 12. Nov. Judenfeindliche Kund- 
gebunppn in der Hochschule für Welthandel setzten 
ich am Dienstag fort. Es kam wieder zu Zusam- 
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