Rendsburg, den 11. November 1930.
Rtkormationsfeitr des Evatsgrttfchm Bundes.
Am Sonntag veranstaltete der Zweigverein
Rendsburg des Evangelischen Bundes zur Wah
rung der deutsch-protestantischen Interessen eine
Reformationsfeier. Vormittags um VAO Uhr
fand in der Neuwerker Lhristkirche
ein Festgottesdienst
statt. Zu Beginn sang der Neuwerker
Kirchenchor unter Leitung von Organist L o -
renzen den Choral „Einer ist König" in drei
stimmigen Sätzen aus dem neuen Gesangbuch.
Nach dem Gemeindegesang hielt Pastor R o a g e r
die Liturgie.
Nach Verklingen des vom Chor gesungenen
Chorals „Ist Gott für mich, so trete gleich alles
wider mich" und des Gemeindegesangs „Fahre
fort, fahre fort" hielt Pastor Schütz aus Münster
in Westfalen die Festpredigt über das Wort Of
fenbarung Johannis 2, Vers 8 und 9. Ausgehend
von den Hoffnungen der römischen Kirche auf eine
weitere Weltmachtstellung des Papstes und die
bevorstehende Auflösung des Protestantismus
führte der Redner aus, daß die evangelische Kirche
sich nicht zu fürchten brauche, wenn sie festhalte
an dem, was ihr anvertraut ist. Wohl habe sie
Mängel und Fehler. Es gelte für sie das Wort
des Textes „Ich weiß deine Armut, du bist aber
reich". Ihr Reichtum ist nach Luthers Worten
(These 62) das allerheiligste Evangelium der
Herrlichkeit und Gnade Gottes. Diesen Schatz, den
die mittelalterliche Kirche verloren hatte, hat
Luther wieder ans Licht gebracht. Dieser Schatz
ist ein innerliches Gut. Darum wird er von vielen
nicht in seinem Wert erkannt. Aber wer ihn
kennt, der singt mit Luther das hohe Lied von
der Kirche: „Sie ist mir lieb, die werte Magd".
Diesen Schatz haben wir in unserer Bibel und in
unserem Gesangbuch. Weiter sprach der Redner
von den Kämpfen der evangelischen Kirche in der
Gegenwart und mahnte, die Kirche um so lieber zu
haben, als sie einen dunklen und dornenvollen
Weg gehen müsse. Die evangelische Kirche habe
große Werte. Sie diene damit dem Ganzen, sie
arbeite für das Volk und verschaffe dem Einzel
nen die höchsten inneren Güter. Wer diese Güter
habe, solle sie weitergeben und so dem Herrn der
Kirche dienen. So werde sich auch in ihm das
Wort des Herrn erfüllen: „Wer mir dienen wird,
den wird mein Vater ehren".
Nach dem Schlußgesang des Kirchenchors:
„Lobet den Herren, alle, die ihn ehren" und Ge
meindegesang schloß die kirchliche Feier mit Gebet
und Segen.
Abends um 8 Uhr fand im Festsaal der Chri-
stian-Timm-Schule (Mittelschule)
ein Festabend
statt. Nach dem gemeinsamen Gesang des 1. und
2. Verses von „Ein feste Burg" spielten die Her
ren Organist Sprung (Klavier) und Riedel
(Violine) „Sarabande d-dur" von Joh. Seb. Vach.
Der St. Marien-Kirchenchor unter Leitung von
Organist Sprung erfreute durch den Choral
„Großer Gott, wir loben dich". Darauf hielt nach
einigen Begrüßungsworten des Vorsitzenden des
hiesigen Zweigvereins des Evangelischen Bundes,
Regierungsbaurat Schubert, Pastor Schütz-
Münster den Festvortrag über
„Die katholische Aktion
und deutscher Protestantismus".
Der Redner führte u. a. etwa folgendes aus: Die
Weissagung Iss. Kap. 2: „Es wird zur letzten
Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, feststehen,
höher denn alle Berge und über alle Hügel er
haben werden, und werden alle Heiden dazu beru
fen und viele Völker hingehen und sagen: Kommt,
laßt uns auf den Berg des Herrn gehen, zum
häufe des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine
Wege und wir wandeln auf seinen Steigen. Denn
von Zion wird das Gesetz ausgehen und des Herrn
Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter
den Heiden und strafen viele Völker" hat sich nach
katholischer Auffassung jetzt erfüllt. Der Mons
Vaticanus soll der Berg der Weissagung sein.
Als die Thronen stürzten, blieb Rom fest. Die
Völker suchten Freundschaft des Papstes. Auf
diesem Hintergrund wird eins verständlich: die
neue Gegenreformation. 1529 auf dem Reichstag
zu Speyer wurde den Evangelischen die Verkündi
gung des Evangeliums verboten. 25 Proz. wur
den wieder katholisch. Münster und Paderborn
z. V., die Zentralen des Katholizismus heute,
waren vor der Gegenreformation evangelisch.
Heute haben wir dasselbe unter dem neuen
Namen „Katholische A k t i o n". 1918 for
derte Benedikt XV. die actio katholica, als die
Welt einem Trümmerhaufen glich. 1922 gab
Pius XI. der Forderung das Programm. Nach
Pacelli bedeutet „katholische Aktion": Ausbrei
tung des Reiches Christi (d. h. natürlich das Reich
seines Stellvertreters, des Papstes) und An
erkennung der Gottesordnung auf allen Lebens
gebieten (d. h. Eottesordnung wird natürlich als
Ordnung der römischen Kirche verstanden und
zwar auf dem ganzen Reich der Natur und
Uebernatur.)
Religiös bedeutet es einen Aufruf zur
Mitarbeit der Laien. Nur ein Drittel der Ka
tholiken wählt das Zentrum. Viele sind abgewan
dert aus der römischen Kirche trotz der zahlreichen
Priefterschaft, Bruderschaften u. Orden. In Mün
ster sind 23 000 Evangelische unter 125 000 Katho
liken. Es sind dort 5 evangelische Geistliche, aber
100 katholische Priester. In Deutschland sind
1400 Jesuiten an der Arbeit. Trotz dieses Heeres
an Arbeitskräften muß die katholische Kirche starke
Anstrengung machen, um die Masten zu halten.
Wenn im römischen Schrifttum auch immer die
Erwartung ausgesprochen wird, daß die Protestan
ten reumütig zurückkehren, zeigen katholische
Maßnahmen der neueren Zeit die Furcht, katho
lische Glieder zu verlieren (vergl. Mischehengesetz,
Heiligsprechung des Paters Canisius, des jesui
tischen Führers der Gegenreformation, Gründung
des Winfriedbundes). Tatsächlich ist der Prote
stantismus nur in Bezug auf Mischehe und Ueber-
tritt überlegen. — Indessen die große Ausein
andersetzung kommt noch. Da wird das Konkordat
immer mehr Bedeutung gewinnen. Die Ausge
tretenen, Evangelische und Katholische, werden es
im Leerraum des Atheismus auf die Dauer nicht
aushalten. Noch suchen sie Okkultismus, Theo
sophie usw. Die katholische Kirche hofft, daß diese
Massen sich ihr zuwenden werden. Die Inferio
rität der katholischen Kirche früherer Jahrhunder
te ist durch eine bewundernswerte Energie besei
tigt. Man redet von einem katholischen Frühling.
Doch das, was katholische Literaten bieten, ist ge
wachsen auf dem Boden des Protestantismus. Sie
haben keinen katholischen Goethe, Herder, Kant.
Das kulturelle Ziel der katholischen Mis
sion ist Eroberung aller Schulen, nicht nur der
Volks-, sondern aller anderer Schulen bis zur
Universität.
Auf dem sozialen und politischen
Gebiet wirkt sich die „römische Aktion" ebenfalls
aus. Das Zentrum fand sich sehr schnell auf
dem Boden der Revolution zurecht. Man glaubte
1918 das erobern zu können, was 1517 verloren
ging. Darum die Waffenbrüderschaft mit der
Sozialdemokratie. Das Gemeinsame an beiden
ist der Internationalismus, den freilich beide ver
schieden auffasten. Die Herrschaft der römischen
Kirche über die Welt ist letztes politisches Ziel.
Dem Protestantismus hat es zumeist genügt,
evangelisch zu sein. Der Protestantismus muß
K i r che werden. Kirchengefühl und Kirchenbe
wußtsein müssen wach werden. Ein Anfang zu
einer evangelischen Eesamtkirche ist da im evan
gelischen Kirchenbund und Stockholm. Auf diesem
Wege müssen wir weiter. Wir müssen in Kom
mune und Staat darüber wachen, daß evangelische
Belange nicht geschädigt werden. Wir müssen zu
rück zum lutherischen Staatsgedanken, der den
Staat als eine Schöpfung Gottes ansieht. Unsere
Staatsmänner müssen sich Gott gegenüber verant
wortlich fühlen. So kann eine neue Einstellung
zum Staat gewonnen werden. — Ein Mittel,
evangelischen Lebenswillen zu bekunden, ist der
Zusammenschluß im Evangelischen Bund.
Nach weiteren gesanglichen und musikalischen
Darbietungen des St. Marienkirchenchors und der
Herren Sprung und Riedel klang die Feier aus
mit dem stehend gesungenen 3. und 4. Vers des
Lutyer-Trutzliedes.
Mahraun in Rendsburg.
StöütäUolei, MlMlmsIe Ms-
Mgiino MS WKMer Ms.
Die bekannten Vorgänge anläßlich der letz
ten Reichstagswahlen, welche den Zusammenschluß
der Volksnationalen Reichsvereinigung und einer
Anzahl führender politischer Persönlichkeiten aus
verschiedenen Parteilagern in der Deutschen
Staatspartei brachte und nunmehr den Bruch
vollzog, haben erhebliches Aufsehen erregt. Ueber
die entscheidenden Beweggründe war man sich
in weitesten Kreisen nicht klar. Um diesbezüglich
Klarheit zu schaffen, war ein jungdeutsches
Meister- und volksnationales Führerkapitel aus
Schleswig-Holstein zu Sonntag nach Rendsburg
berufen. Auf diesem sprach der Hochmeister des
Jungdeutschen Ordens und Führer der Volks
nationalen Reichsvereinigung, Mahraun, in einer
geschlossenen Versammlung vor etwa 600 Ordens-
meistern bezw. volksnationalen Führern. Der
Presse wird nunmehr ein Bericht übergeben, in
dem es bezüglich der Auseinandersetzungen um die
Staatspartei heißt:
Mahraun, stürmisch begrüßt, schilderte zu
nächst den Weg zur Deutschen Staatspartei. Wir
haben, so sagte er, bereits im jungdeutschen Ma
nifest verkündet, daß wir, um unser Ideal vom
Volksstaat erreichen zu können, mit allen Parteien,
Gruppen und Persönlichkeiten zusammengehen, die
dem gleichen Endziel zustreben. Bereits vor Zwei
Jahren zeigten wir in Dortmund, daß es ernst war
mit einer lebendigen Staatsbürgerbewegung, die
nicht vor den alten Parteischranken, die auch nicht
vor dem Flaggenunterschied Halt machen dürfte.
Wir wollten auch im schwarz-rot-goldnen Lager
das Nationale suchen und anerkennen. So kamen
wir zur Volksnationalen Reichs-Vereinigung. Mit
ten im Aufbau wurde sie von den Reichstagswah
len überrascht. Da ein Heraushalten nicht an
gängig war angesichts der gewaltigen Gefahr des
Bolschewismus, der in der Form eines nationalen
Radikalismus alles unterwühlt, hieß es, zusam
men mit Bundesgenossen, die im Sinne der Fort
entwicklung der heutigen Notrepublik zum wah
ren Volksstaat mit uns gehen wollten, diesem
die Stirn zu bieten. So kam es zur Gründung
der Deutschen Staatspartei zusammen mit Per
sönlichkeiten und Gruppen aus dem demokrati
schen, Volksparteilichen und deutschnationalen
Lager. Die Staatspartei sollte keine Partei sein
im alten Sinne, sondern ein-e lebendige Saatsbür
gerbewegung. Die Schicksalsstunde der Staats
partei schlug in dem. Augenblicke, als nach der
Wahl sich zeigte, daß es uns mit der lebendigen
Staatsbürgerbewegung ernst war. Da standen sich
zwei Welten gegenüber und zwar nicht etwa die
demokratische und nationale Welt, sondern zwei
andere Welten. Auf der einen Seite der Rest des
alten Bürgertums, der Parteimenschen, auf der
anderen Seite der jungdeutsche Mensch. Hier gab
es nur eins für uns: Sieg oder Auszug aus der
Staatspartei und damit Erledigung dieser Partei
als staatsbürgerliches Sammelbecken. Es kam zum
Bruch, der sich von unserer Seite anständig voll
zog.
In weiteren Ausführungen beschäftigte sich
Mahraun mit seinen Anschauungen über die bol
schewistische Gefahr, die er als eine geistige Ge
walt ansah, hinter der eine jahrtausende alte Tra
dition steht. Gegen diese asiatische Gewalt
steht, wie so oft in der Geschichte, das Abend
land erneut im Abwehrkampf. Eine Ver
stärkung der bolschewistischen Gefahr, die im Jahre
1918—1920 an der nationalen Bewegung in
Deutschland scheiterte, steht er in der zunehmenden
Radikalisierung in Deutschland, insonderheit in
der nationalsozialistischen Bewegung, die nach
seiner Ansicht durch die politischen Methoden ihres
Kampfes in ihrer letzten Wirkung dem Bolsche
wismus den weiteren Weg bereitet.
In weiteren Ausführungen beschäftigte sich
Mahraun mit der Notwendigkeit, bei der voll
kommenen Wirtschaftsanarchie eine Wirtschafts
ordnung zu schaffen, die vom Standpunkt der Ge
samtheit aus eine gerechte genannt werden kann.
Die vielen Wirtschaftsprogramme, die es heute
gibt, sind alle von einem bestimmten Standpunkt
aus geschrieben. Wir können eine Sendung erfüft
len, wenn wir volksgemeinschaftlich denkende
Menschen aus allen Ständen an diese Aufgabe hev
anführen.
Nach den Ausführungen Mahrauns blieb das
Kapitel noch lange Stunden in ernster Arbeit zu
sammen. Es ging auseinander mit dem festen
Willen, in der ungeheuren Not des Augenblicks
alle Kräfte einzusetzen, um einen Wall herzustel
len gegen die gewaltige Gefahr des drohenden
Bolschewismus und ju kämpfen für die Verwirk
lichung des Ideals, die Schaffung eines deutschen
Volksstaates, der deutscher Art und dîutschem
Wesen entspricht.
* è *
SwimSkomöKi.
Die Not eines Standes, des Bauernstandes, mit
ihren mancherlei Begleiterscheinungen erfährt in die
ser Komödie des oldenb-urgişchen Tischlermeisters Aug.
Hinrichs eine Einschaltung nach der lustigen Seite hin.
Fehlt doch das Komische sozusagen in keiner Lebens
lage; und auch den Bauer kann, wie alle Welt weiß
der Schalk jucken.
Da ist der Bauer Krischan Lamken. Von Natur
ein Schelm, der, wie es im Stück heißt, mehr Freude
daran hat, jemanden um fünf Pfennig zu beschum
meln, als einen Taler zu verdienen. Das verrät zwar
letzten Endes eine negative Einstellung, bei der nicht
viel Nutzen herausschaut. Nichtsdestoweniger gibt es
solche Käuze, die sich aus dem Schönheitsfehler ihres
Wesens einen Sport machen.
Bei diesem Schelm Lamken hat das Finanzamt
wegen nicht einzutreibender Steuern eine Zwangsver
steigerung versucht. Fruchtlos, die Bauern des Dorfes
boten nicht. Sie halten nach der Behauptung des
Gendarmen wie Pech und Schwefel zusammen und ver
sagen demgemäß der Exekutive ihre Mithilfe beim
Forttreiben eines Schweines, das in der Stadt unter
den Hamm-er kommen soll. „Jolanthe" heißt das Bor
stentier, das, mit einem gewissen fiskalischen Piepmatz
beklebt, von den Beamten zunächst im Spritzenhaus
untergebracht wird.
Daraus verschwindet es nächtlicherweile, und mor
gens hängt bei Lamken ein geschlachtetes Schwein auf
dem Hof. „Einbruch, Pfandbruch, Landfriedensbruch!"
wettert der Gendarm, der in der Zeichnung nicht gut
wegkommt, vor dem von ihm eindeutig verdächtigten
Lamken und dessen drei Nachbarn, die sich alle . ein
Vergnügen daraus machen, ihn zu nasführen. Neun
Schweine waren vorhanden, bevor das gepfändete
Schwein den Weg ins Spritzenhaus antrat, eins ist
geschlachtet, sieben sind noch da. Nach Adam Riese
stimmt die Rechnung. Aber der mißtrauische Gendarm
glaubt nicht daran, ist auch, obschon er in seinen Er
mittlungsanstrengungen keine glückliche Hand zeigt, im
Recht. Der Händler Levy hat das üb-erzählige Schwein-,
das verschwinden mußte, um die „Gefangenenbefrei
ung" mit Erfolg leugnen zu können, abgeholt.
Besonders lnstig wird die Sache, als der Gesetzes-
wächter, der alle in Lamkens Haus Verkehrenden un
ter die Alibi-Lupe nimmt, von einem plötzlichen Ver-
123. Jahrgang / Nr. 265 / Zweites Blatt.
DchķLSwļg-KoķkîLikrişitze
Landeszeitung
Rendsburg«: Tageblatt
Dienstag, den 11. November 1930,
Ise
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