Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

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123. Jahrgang, 
123. Jahrgang. 
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Nsnļag, ö§n 16. November 
Stimmengewinn der Bürgerlichen, Stimmenverlust der Marxisten, das bisherige 
Stärkeoerhältnis der beiden Fronten aber dürfte nicht entscheidend geändert sein. 
Nationalsozialisten ohne Mandat. 
Tie heutigen Funkmeldungen über das haben, ob er sich zur antimarxistischen Wahl- 
Ergebnis der gestrigen österreichischen Parka- parole, die auch er ausgegeben habe, auch nun, 
mentswahlen besagen: wenn es zu handeln und sich zu entscheiden 
Nach den bisher vorliegenden Teilergeb- belte, bekenne. 
Nissen ans ganz Oesterreich haben die Sozial- Mlnapr tWTslllf dor MaKloN 
demokraten 1298 568 gegen 1420 939 Stimmen ķMylļjşi. vrilUUf vei 
im Jahre 1927 und die bürgerlichen Parteien Die Nationalratswahlen, die um 5 Uhr 
1907 548 gegen 1767117 Stimmen im Jahre nachmittags geschlossen wurden, sind bei sehr 
1927 erhalten. Im einzelnen erhielten bisher starker Beteiligung der über 1,4 Millionen 
der Schober-Block 258 000 Stimmen, der Hei- Wahlberechtigten, besonders auch der Frauen, 
matblock 197 000, die Nationalsozialisten in Ruhe vor sich gegangen. Hierzu dürfte we- 
83 000. die Christlich-Sozialen 1300 000. sentlich das schon Sonnabendmittag in Kraft 
^ ^ . ,. a t , , .... . T . gesetzte und bis heute früh anhaltende Alko- 
Nach de» brs heute früh 4 Uhr vorliegen- ^lverbot beigetragen haben, das zahlreiche 
den Wahlergebnissen haben in Wien die so- Gastwirte veranlaßte, ihre Betriebe überhaupt 
zialdemokraten 30, die Christlich-Sozialen 11 smiiàn 
und der Schober-Block 4 Mandate, in Nieder- * 1 J B 
vsterreich die Sozialdemokraten 13, die Christ- 
lich-Sozialen 17 Mandate und der Schober- Ļ 
Block 1 Mandat erhalten. 6 Mandate stehen flsPhtVrsivrulT 
noch aus, die im zweiten Wahlverfahren be- «astute rfii es wahrscheinlich, daß d^ 
setzt werden. Im Wahlkreisverband Tirol- Sozialen 69 bis 70 Mandate rm Nationalrat 
Vorarlberg-Salzburg erhielten die Sozialde- erhalten werden. Da^ ware etn Verlust von 
mokraten 9, die Christlich-Sozialen 18 und 3 bisl Sitzen- Die .Sozialdemokraten wurden 
der Schober-Block 2 Mandate. Die Zahl der erhalten 72 Sitze mithin ern Mandatsgcwinn: 
noch ausstehenden Mandate beträgt hier 12. der Schober-Block 15 und der Hemmtblock 5 bis 
Im Wahlkreis Kärnten wurden 157192 gül- 10 Mandate Demgegenüber rechnet man sozi- 
tige Stimmen abgegeben, von denen die àmoļratischerseits in ganz Oesterreich auf 
Christlich-Sozialen 36 434 s2 Mandate), die ^nen Gewinn von drei Mandaten wahrend 
Sozialdemokraten 61 566 (4 Mandate), den »ach dieser Berechnung dle Christlich-Sozialen 
Schoberblock 36 265 (2), den Heimatblock 13 459 ! Mandate verlieren wurden. Der ^choberblock 
s0) und die Nationalsozialisten 6055 (0) er- besteht bekanntlich aus Großdeutschen und 
Dielten Landbund, die bisher zusammen 21 Mandate 
} ' innehatten. 
Im Wahlkreis Oberste,ermark konnten die Im großen und ganzen kehren also aller 
Helmwehren im ersten Mahlgang 1 Mandat Wahrscheinlichkeit nach die beiden Fronten — 
erringen. Eine Weile war es unbestimmt. Nichtrnarxisten und Marxisten — ungefähr in 
ob die Heimwehren das Mandat erhalten à bisherigen Stärke wieder, 
würden, das als Grundmandat für die Die absolute Mehrheit tm Nationalrat be- 
Stimmenzähliing sämtlicher übrigen Reststim- tàt 83 Stimmen, 
men im ganzen Bundesgebiet notwendig ist. „ 
Das Neueste Narynchk von heule vormMag. 
Wiener «..MW« de- S»«ich-S°„.l-, ^ L-eàd echi«n7n d,-°'ķh,i!ŞĢ-n 
Partei weist auf die Schäden hin, die den 56 447 Stimmen (3 Mandate), die Sozialdemo 
nichtmarxistischen Parteien durch die starke kraten 50 366 (3), der Schober-Block 24 523 (1), 
Zersplitterung beigebracht worden seien, und der Heimatblock 3078 (0). die Nationalsozialisten 
schreibt, wenn auch das Ergebnis der Wahlen 856 (0) und die Kommunisten 564 (0). 
den Erwartungen nicht völlig entspreche, so Danach ergibt sich 
vermöge es doch nichts an dem antimarxisti- 
scheu Kurs zu ändern, der von der Christlich- m 0ttn3 v ,tcr 
Sozialen Partei zuerst in Gemeinschaft mit folgendes Nohergebnis: Die Sozialdemokraten 
den Großdentschen und Landbündlern und erhalten 1400 000 Stimmen (1500 000 im Jahre 
dann mit der jungen Kraft der Heimwehren 1927), die nichtmarxistischen Stimmen steigen von 
erfolgreich eingeschlagen sei. Die Sozialdemo- etwa 1980 000 im Jahre 1927 auf 2 000 000. Das 
kraten würden auch weiterhin das Brot der die großen Parteien begünstigende öster- 
Opposition essen müssen. Der Kampf gegen reichische Wahlsystem verhindert jedoch, daß sich in 
k»en Marxismus gehe um so tatkräftiger wei- der Mandatsverteilung diese Stimmenverschie- 
ier, da die Christlich-Sozialen und die Heim- bung entsprechend auswirkt. So bekommen die 
wehren sich bewußt seien, daß das Volk, das Christlich-Sozialen, die fast ebenso viel Stimmen 
hinter ihnen stehe, entschiedene Schlagkraft wie die Sozialdemokraten haben, 6 Mandate we- 
and unbeugsames Vorgehen verlange. Der Niger als diese. Der Heimatblock, der rund zwei 
Lchoberblock werde sich bald zu entscheiden Drittel der Stimmen des Schober-Blocks auf- 
juristische Grundlage für eine derartige Maß 
nahme fehlt. 
Eine offizielle Stellungnahme der Jun- 
kerswerke kann, so sagt die TU., noch nicht er 
folgen, denn bei dem Vorfall spielen erhebliche 
Mißverständnisse und Verdrehungen mit. Das 
Auswärtige Amt hat sich mit Professor Jun 
kers in Verbindung gesetzt, der großen Wert 
auf genaue Darstellung des Sachverhalts legt 
Von zuständiger Stelle in Berlin 
wird über den Vorgang in Madrid, der das 
Großflugzeug „D. 2000" betrifft, mitgeteilt: 
Ein Mitglied der Besatzung des Großflugzeu 
ges hatte sich offenbar in dem Bestreben, von 
dem bekannten spanischen Flieger Franco eine 
Empfehlung zu erhalten, mit einem Schreiben 
an Franco gewandt. Er wählte dabei eine 
Form, die die spanische Regierung verstimmen 
mußte, offenbar weil er nicht bedachte, daß 
Franco wegen politischer Handlungen 
verfolgt wird. Durch Vermittlung der deut 
schen Botschaft in Madrid wurde der bedauer 
liche Vorfall beigelegt. Das Flugzeug ist in 
zwischen nach Lissabon gestartet. 
Ein Brief und ein Slarlverbol. 
Der am Sonntagmorgen beabsichtigte Wei 
terflug der „D. 2000" nach Lissabon konnte, wie 
aus Madrid gemeldet wird, nicht ausgeführt 
werden, weil der spanische Ministerpräsident 
Berenguer ein Startverbot über die Maschine 
verhängt hatte. Der Grund für diese Maßnah 
me war ein in der Madrider Linkszeitung „El 
Heralöo" veröffentlichter Brief mit der Unter 
schrift des Junkersvertreter von Bentheim an 
den wegen seiner republikanischen Umtriebe 
im Madrider Militärgefängnis befindlichen 
Fliegermajor Franco. Der Brief war durchaus 
persönlicher Natur und ohne Wissen Bent 
heims in die Zeitung gelangt. In dem Brief 
kommt das Bedauern, daß der berühmteste 
spanische Flieger nicht in der Lage sei, die „D. 
2000" zu besichtigen und zu fliegen, zum Aus 
druck. Sodann ist Bezug genommen auf einen 
früheren Gedankenaustausch zwischen von 
Bentheim und Franco über den zweckmäßigen 
Bau von Flugzeugen, auch von solchen für 
kriegerische Zwecke. Hierbei ist zum Ausdruck 
gebracht, daß der wertvolle Gedankenaustausch 
von Seiten der Junkerswerke beim Bau der 
„G. 38" berücksichtigt worden sei. 
Die Madrider Zeitung fügt an diesen 
Brief die frei erfundene Notiz, daß sämtliche 
Junkersleute im Gefängnis Karten abgegeben 
hätten. Berenguer erklärte Pressevertretern, 
daß der Brief nicht nur wegen seines Inhalts, 
sondern auch hinsichtlich seiner Folgen von 
außerordentlicher Tragweite sei, und fuhr 
wörtlich fort: „Ich betrachte diesen Fall als 
so schwer, daß die Regierung bereits diploma 
tische Schritte eingeleitet hat." 
Ungeachtet einer strankheit sprach darauf 
hin der deutsche Botschafter sofort bei dem spa 
nischen Außenminister vor und erwirkte die 
Zusage der . 
Freigabe der Maschine. 
Gleichzeitig wurde dabei die Falschmeldung 
der spanischen Zeitung über die Kartenabgabe 
aufgeklärt. Sämtliche Madrider Zeitungen 
veröffentlichen die Erklärung Verenguers. 
Der Zwischenfall wird in maßgebenden spani 
schen Kreisen außerordentlich stark besprochen. 
In deutschen Kreisen hat das Startverbot der 
spanischen Regierung peinlich berührt, da jede 
Brief an Herve. 
Ehrhardt für deutsch- 
französisches Bündnis. 
Kapitän Ehrhardt hat an Arnold Rcchberg 
zur Weiterleitung an Herve folgende Antwort ge 
sandt: 
Meine zustimmende Einstellung zu einer 
deutsch-französischen Einigung, zu einem deutsch- 
französischen Bündnis, hat folgende wesentlichen 
Gründe: 
Das heutige Verhältnis zwischen Deutschland 
und Frankreich läßt die Zukunftsfrage, ob Kriege 
oder dauernder Friede, die Schicksal dieser bei 
den Nationen sein wird, offen. Ein Zustand wie 
der heutige, wo die Unsicherheit Politik, Wirtschaft. 
Heer, das ganze Volk in Atem hält, ist aus die 
Dauer unerträglich. Kein bisher abgeschlossener 
Friede hat die Möglichkeit der Entwicklung des 
Verhältnisses beider Völker zu dauerhaftem Frie- 
brachte, erhält nicht die ihm nach seiner Stim 
menzahl gebührenden 12 Mandate, sondern 8. 
Aber auch beim Schober-Block stehen Stimmen- 
und Mandatszahl in einem argen Mißverhältnis. 
Die 98 vüü Stimmen der Nationalsozialisten gehen 
überhaupt verloren, da die Partei das zur An 
rechnung der Reststiinmen erforderliche lSrund- 
mandat nicht erreicht hat. Es ist eine weitere 
Absonderlichkeit des österreichischen Wahlsystems, 
daß die Stimmen der Parteien ohne Erundmandat 
nach einem solchen Schlüssel auf die anderen Par- 
Wiedergewählte Parlamentarier. 
Von bekannten christlich-sozialen National 
räten sind bisher wiedergewählt: Bundeskanzler 
Vaugoin, Außenminister Seipel, llnterrichtsmini- 
ster Schmitz, Handelsminister Heinel, Landes 
hauptmann von Niederösterreich, Buresch, und die 
Nationalrätö Dr. Kienböck, Dr. Kunschak und 
Drexel; von Sozialdemokraten Bürgermeister 
Seitz, Otto Bauer, Julius Deutsch. Der ehema 
lige Bundeskanzler Dr. Schober ist mehrfach 
leien aufgeteilt werden, so daß auch der politische I dergewählt. 
Gegner seinen Teil erhält. 
Die Mhrer im österreichischen Wahlkampf 
WWMWMM 
Bundeskanzler Karl Vaugoin. 
Otto Bauer. 
Führer der österreichischen 
Sozialdemokrate-- 
Or. Schober. 
Führer des Schoberblocks. 
Fürst Starb cmberg. 
Innenminister und Führer der 
Leimwebren. 
Ilr. Ignaz Seivel. 
Außenminister und Führer der 
Cbristlich-Soziale»
	        
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