Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

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Ver Wychļonsstrecke unļeryäkb tzes ^ochs sieļrteşşs- 
şortig. Da unternahm dar hohe Bundesrat in 
corpore eine Rekognoscierung, die Herren setzten 
sich auf einen Rollwagen, und die italienischen 
Arbeiter zogen ihn die letzte steile Rampe von 
öOO Meter Länge an Seilen hinauf. 
Dem schweizerischen Ständerat ward im Sep 
tember 1929 eine besondere Ueberraschung beschie- 
den. Ueber dem Banner auf dem Plateau tauchte, 
auf seiner ersten Schweizerfahrt begriffen, weit 
im Westen non Genf her der Zeppelin auf, fein 
wie ein Silbersaden über den Schönwetterwol 
ken. Näher, immer näher schwebend, Interlaken 
zu, grüßt er in einer Schleife um den Kurort zum 
Joch hinauf die Schweizerfahne und den Stände 
rat. Ein Gruß, gewaltig in der Idee, ergreifend 
in der stummen Gebärde. 
Die Gipfel auf dem Joch, sie lehren den einen 
Herren- und Hcrrscherwürde, den andern Demut 
und Verzicht, und alle kehren ins Leben zurück, 
gesegnet von ewiger Schönheit und Kraft 
und Mte als Sehenswürdigkeit eine starke An 
ziehungskraft auf belgische und ausländische Be 
sucher aus. Dem Inhaber einer gegenüberliegenden 
Brauerei war das in feinem alten Zustand erhaltene 
Haus schon lange ein Dorn im Auge, da es in der 
engen Straße den Lastautos der Brauerei den Ver 
kehr erschwerte. Leider hatte man verabsäumt, das 
Haus unter Denkmalschutz zu stellen, und so konnte 
der Brauereibesitzer unbehindert die Reliquie, die 
ln seinen Augen nur ein Verkehrshindernis war, 
beseitigen. Die musikalische Welt Belgiens ist dar 
über begreiflicherweise entrüstet, man spricht so 
gar davon, daß beim Stadtrat von Mecheln Ersatz 
ansprüche geltend gemacht werden sollen. Man 
fordert außerdem die Absetzung des Bürgermeisters 
und die Auflösung der Stadtverordnetenversamm 
lung. 
Kaiser Wilhelms dänischer Vorreiter. 
Dieser Tage hat einer der populärsten Ko- 
penhagener sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum 
begangen: der Wagenmeister des Königlichen Ho 
fes, H. C. Pedersen. „Die technische Entwicklung", 
erzählte er einem Interviewer, „hat der höfichen 
Pracht den Todesstoß versetzt. Im Jahre 1880 
hatten wir 60 herrliche Pferde in den Ställen 
stehen, heute haben wir nur noch 20 Pferde und 
wenige Hofwagen, dafür umsomehr Autos Wie 
schön sah es aus. wenn fürstliche Gäste durch die 
Straßen der Hauptstadt fuhren! Unser König 
Christian IX. verstand sich wie kein anderer auf 
Pferde. König Ehristian X hält umso mehr vom 
Auto. Ich habe fast alle Herrscher Europas in 
Kopenhagen gesehen und bin Vorreiter Kaiser 
Wilhelm II. gewesen. Er war der erste Monarch, 
vor dem ich ritt Der deutsche Kaiser sah lehr 
vergnügt aus und war der einzige unserer hohen 
Gäste, der für unsere herrlichen Pferde ein leb 
haftes Interesse zeigte. 
Hustons überläßt im Vertrauen auf die Stärk« 
seines Königsangriffs den ganzen Damenflügel 
getrost der Gier des Feindes. Indes die weiße 
Dame hier plündernd einbricht, zündet er dem am 
heimatlichen Herd zurückgebliebenen König daS 
Dach über dem Kopfe an, jagt ihn heraus und 
erschlägt den Verlassenen auf einsamer Flur. 
Die frische Urwüchsigkeit, das tatarische Unge 
stüm, mit dem Sussong dem einen großen Ziele 
zustrebt, muß jedem imponieren, der nicht von des 
Gedankens Blässe angekränkelt ist. 
16. 0b3xd7 Sg6- f4 
Droht SXd3 und SXg2. 
17. Sf3 - el Df6—g5 
18. Kgl—hl 
Es war nötig, der Drohung 8l>3+ nebst SXÎ2+ 
zu wehren. 
18. Tf8—re 
19. Sc4—e3 Td8— f8 
20 Db7xc7 Tf8—f7 
21. Dc7—cS+ Sd7—f8 
22. Dc8Xc5 Dg5—h5 
23. Tfl—gl 
Darauf folgt ein herrlicher Schluß. Sollte 
Hermann ihn geahnt und durch seinen Turmzug 
die Hand dazu geboten haben? Das verriete 
einen edlen Sinn. Denn verloren ist Weiß in 
dieser Lage unbedingt, nur wäre es prosaischer zu 
gegangen, wenn er sich mit 23. u3 (Th6 24. 64 ?5!) 
oder 23. Sf3 (SXe2) zu verteidigen gesucht hätte. 
Geleitet von Schachmeister Ali. Brinckmann. Kiel. 
Holtenauer Straße 228. 
(Anschriften an diese Aüreffe.) 
Vom deutschen Nachwuchs. 
In dem kürzlich in Frankfurt a. M. zu Ende 
gegangenen Hauptturnier maßen sich 18 Vertreter 
des deutschen Nachwuchses im Kamps um die Mei 
sterwürde. Mit Genugtuung darf festgestellt wer 
den, daß das allgemeine und technische Können 
der kommenden Generation sich auf hohem Niveau 
bewegte, vor allem aber, daß mit einer herz 
erfrischenden Erbitterung und rücksichtslosem Ent 
scheidungswillen gekämpft wurde. Wo. so viel 
Kraft sich offenbarte und so viel ernstes Streben 
zugleich, da bleiben sür die Zukunft des deutschen 
Schachs alle Hoffnungen offen. 
Die Preisträger waren: I./II. Weitzgerber 
(Saarbrückens. Engels (Düsseldorfs je 12 Punkte, 
in./IV Herrmann (Bochums. Husfong (Ludwigs 
hafens ie 9X, V. Faiaroivicz (Leipzigs 9, Vs. von 
Hennig (Kiels 8A. Da die beiden Sieacr im toten 
Nennen endeten, wird die Frage der Meisterschaft 
erst in einem Stichkampf beantwortet werden. 
Die folgende Partie gibt ein Beispiel des 
Kampfes dieser Stürmer und Dränger. 
Weiß: Schwarz: 
Hermann (Magdeburgs. Hussong (Ludwigshasens. 
1. e2—e4 e7—e5 
2. Sgl—f3 Sb8— c6 
3. Lfl—b5 a7—a6 
4. Lb5—c4 Sg8~re 
5. d2—d3 Lf8—c5 
6. Lei—e3 d7—d6 
7. Sbl—d2 Lc8—e6 
8. Le3Xc5 d6Xc5 
9. Lc4xe6 
Der doppelte Abtausch der Läufer ist keines 
falls zu billigen. Schwarz behrrscht die zentralen 
Felder absolut und verfügt über die k-Linie als 
Operationsbasis für einen Angriff. Der isolierte 
Doppelbauer ist weit eher stark als schwach zu 
nennen. Während Hussong ein klarer Plan vor 
gezeichnet ist, muß Weiß mangels eines positiven 
Zieles entweder kümmerlich lavieren oder, wie in 
der Partie, krampfhaft-krausen Gedankengängen 
nachgehen. 
9. t7Xe6 
10. Sd2 c4 Sb8—d7 
11. a2—a4 Dd8—(6 
12. c2—c3 
Das qcschieht nicht etwa, wie man zunächst 
vermutet, um von lanacr Hand einen Vorstoß des 
ck-Banern vorzubereiten, sondern ist vielmehr die 
Einleitung zu einem merkwürdig abwegigen Spiel 
auf dem Damenflügel. Offenbar schätzt Hermann 
die Kraft des sich entwickelnden schwarzen Angriffs 
nicht sonderlich hoch ein, denn sonst hätte er aus 
die Ercnrston der Dame verzichtet und sich für die 
Verteidigung bereitgestellt. Das geschah wohl am 
besten in der Weise, daß Weiß zugleich das Bor- 
achcn des -(-Bauern ins Auge faßte. Demzufolge 
etwa jo: Dc2, Tfdl, Sei, f3, Td2, Tadl usw. 
Bunte Welt 
Menschen, die durchs Telefon ruiniert werden. 
Bei der Stockholmer Polizei laufen täglich Be 
schwerden über anonyme Telephonanrufe ein. Die 
Anrufer erzählen dabei pikante, aber angeblich 
wahre Geschichten von bekannten Persönlichkeiten. 
Then gehen auf diese Weise in die Brüche, Direk 
toren werden über Klatschgeschichten, die ihre An 
gestellten erzählen, auf dem Laufenden gehalten. 
Di« ganze Stadt zittert vor den anonymen Plage- 
geistern, die schon zahlreiche Geschäftsverbindungen 
und manch« Ehe zerstört haben. Es ist eine ähn 
liche Erscheinung wie die Plage der anonymen 
Briefe im benachbarten Dänemark. In den meisten 
Fällen werden die unangenehmen Neuigkeiten von 
einer Frauenstimme durch das Telephon verkündet. 
Natürlich erfolgen die Anrufe aus Lokalen und 
Fernsprechautomaten. Man hat noch keine Hand 
habe, diesem Unfug ein Ende zu machen. 
Das Stammhaus der Familie Beethoven nieder 
gerissen. 
In belgischen Musikerkreisen herrscht helle Ent 
rüstung über die Pietätlosigkeit, die ein Brauerei- 
besitzer in Mecheln dem Stammhaus der Familie 
Beethoven gegenüber bewiesen hat. Es handelt 
sich um das Haus, in dem der Großvater des Kom 
ponisten das Licht der Welt erblickt hatte, der spä 
ter mit der Familie nach Bonn übersiedelte. Das 
ehrwürdige Haus war der Stolz der Stadt Mecheln 
M WÆ X 
Mi 
Zum CäAeln und £ad?on 
Er kennt sich. 
„Wenn Sie plötzlich hundert Schilling in 
Ihrer Weste fänden, woran würden Sie zu 
nächst denken?" 
„Daß ich eine falsche Weste anhabe!" 
Dh5xh2+ 
Tf6—hö+ 
Sf4—e2+ 
Tf7—14+ 
Th6—h21 
24. Khlxh2 
25. Kh2—g3 
26. Kg3—e4 
27. Kg4—g5 
Droht h7—h6 
28. DcßX18+ 
29. Sei—f3 
30. Kg5—g6 
31. S13Xh2 
Ein wunderschöner Schlußzug. 
sten Zuge ist unvermeidlich. 
Zm Examen. 
„Herr Kandidat, sagen Sie mir, bitte, ttm 
finden Sie die Umdrehungszeiten und die Ee 
schwindigkeit der Erde um die Sonne?" 
„Ich finde sie fabelhaft, Herr Professor." 
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Eine unvermutete Zeugin 
aus, und an so trostlosen Regentagen saß er völlig 
teilnahmslos in seinem Winkel, den Blick starr auf 
den Fußboden gerichtet, gänzlich unfähig, einen kla 
ren Gedanken zu fassen. — Aber er hatte seit ein 
paar Tagen ständig eine treue Menschenseele am 
sich, jemanden, der ihn nach besten Kräften zu un 
terhalten suchte, bei ihm schlief, ihn mit rührender 
Sorgfalt hegte und pflegte, wenn Tante Ellen oder 
Christel nicht bei ihm sein konnten. Dieser ihm so 
hochwillkommene dienstbare Geist war niemand an 
ders als der kleine Paul Petermann, des geretteten 
Laboratoriumsdieners Junge. — Aus Dankbarkeit 
trat der wackere Bursche bei recht bescheidenem Lohn 
ganz und gar in seines geliebten Doktors Dienst. — 
Es war nun beschlossen, daß Edgar am ersten 
Oktober wieder sein Quartier in der alten Mühle bei 
Frau Großklaus bezog. Dorthin würde Paul ihm 
ebenfalls folgen. — Cr las dem Kranken Märchen 
vor, auch die Zeitung, spielte in guten Stunden Ge 
sellschaftsspiele mit ihm, sang ihm ein heiteres Lied 
und ersann immer neue Unterhaltungsmöglichkeiten. 
Heute schien sein Herr ihn indes gar nicht zu 
kennen. — Wie düster der Arme blickte, wie unver 
ständliche Worte seine Lippen murmelten! — Daß 
doch nur die Sonne wieder scheinen möchte! 
Da wurde geschellt. — Die Frau Oberförster konnte 
es nicht sein, denn die pflegte ein« Stunde später 
zu kommen. — Irgend ein anderer Besucher also 
wohl. — Paul schnellte von seinem Stuhl empor und 
öffnete. — Erschreckt prallte er zurück, denn beim 
Anblick dieser langen, in einen Kapuzenmantel ge 
hüllten Gestalt wurde er augenblicklich an sene ge 
spenstische Erscheinung am Abend des Unglückstages 
erinnert: dies mußte die gleiche Gestalt sein, die er 
damals für den Tod. für einen Geist gehalten bei 
seiner erregten PlMitasie. — Freilich hatte der Herr 
bei Tage kein bleiches Knochengesicht. * Aber er 
müßte unbedingt derselbe sein. — 
Ohne den Burschen eines Wortes zu würdigen 
betrat er das Zimmer, begrüßte Edgar mit ein paar 
verbindlichen Worten, schaute >hm tief und forschend 
in die heute besonders Eren Augen und stellte ver 
schiedene harmlose Fragen an ihn. — 
Paul aber stand dicht neben seinem Herrn, als 
wollte er ihn im Notfall vor dem ihm auch zur 
Stunde unheimlichen Besucher schützen. — 
„Alles in Flammen! — Verbrannt — ver 
brannt!" stieß Edgar nur hervor. 
„Unheilbar!" mußte Nielsen da zu sich selber 
sprechen, und das Empfinden beruhigender Sicher 
heit erfüllte ihn. — Es war ja einzig und allein der 
Zweck seines Besuches gewesen, sich noch eminal per 
sönlich davon ru überzeugen, ob auch in Zukunft 
von dieser menschlichen Ruine keine Gefahr zu be 
fürchten wäre. — Gewiß nicht: die geistige Umnach 
tung hatte offenbar zugenommen! Auch sah der 
Irre so leidend aus. — Vielleicht erlöste der Tob 
ihn doch noch vor Ablauf des Jahres. — Wäre ja 
eine Wohltat! — Lange hielt dieser Herr, dessen 
Namen Paul nicht kannte, sich nicht auf. — Ein 
Gefühl der Erleichterung kam bei seinem Fortgehen 
über den Burschen, der ihm am Fenster mit seinen 
Blicken folgte, bis er um die Ecke der Karlstraße bog. 
Ja, unbedingt, es mußte der Geist von dem 
gräßlichen Abend sein! — Wohl schlich er jetzt nicht 
im Schatten der Häuser dahin, sondern schritt tüchtig 
aus, aber die hohe, ein wenig vornüber gebeugte 
Gestalt, die Haltung des Kopfes, alles paßte. — 
Wer der Mensch wohl sein mochte? — Nun, darüber 
sollte Paul sehr bald Gewißheit haben: Gerade kam 
sein Pater, der nun als Kassenbote bei einem Bank 
geschäft vorläufig angestellt war, mit seiner schwar 
zen Mappe herein, um auch ein paar Minuten bei 
dem Manne zu verweilen, der ihm so heldenmütig 
das Leben gerettet und ihm den ältesten Jungen er 
halten hatte. — Beinahe täglich fand Petermann 
sich, seitdem er wieder hinaus durfte, auf seinen 
Botengängen hier ein. — Jetzt schien ihm das dop 
pelt notwendig, weil er doch feststellen mußte, ob 
der Bursche seine Schuldigkeit tüte. Edgar 
konnte, als er dem Biedermann in das ehrliche Ge 
sicht schaute, auf einmal wieder lächeln, und es 
schien, als erwache er aus einem bösen Traum: 
„Petermann! — Ja, ja, das ist gut! — Sie meinen 
es so gut mit mir, und man fühlt sich geborgen, 
wenn solche Menschen um einen sind. — Paul ''oll 
immer bei mir bleiben! — Aber die Bökholtschen 
Damen? Sie sind doch hoffentlich nicht krank?" 
— So kam es hastig über seine Lippen, während 
das Auge sich belebte. 
„Gew ß nicht krank, Herr Doktor", erwiderte 
Petermann. „Es ist noch nicht ganz fünf Uhr. — 
Die Frau Oberförster kommt auf den Glockenschlag, 
und das Fräulein wird vielleicht öfter Ueberstunden 
im Kontor machen müssen, denn der Chef kehrt 
heute zurück." — 
„Es ist gut. es ist gut! — Bitte, halten Sie sich 
nicht auf, damit Sie nicht Aerger haben." — 
Das klang ganz vernünftig. — Edgar mußte 
bei Verstand sein. — Aber wer soeben bei ihm ge 
wesen. wußte er schon nicht mehr, als Paul jetzt nach 
dem Herrn mit der Kapuze fragte. Vater Peter 
mann konnte indes Auskunft geben, denn er hatte 
den Herrn ebenfalls gesehen: 
„Der Däne!" erklärte er. „So nennen ihn olle, 
obwohl er längst deutscher Untertan ist. Ich kenne 
ihn von unserm Bankhaus ganz genau, denn er ist 
oft da. — Nielsen heißt er. — Soll sehr reich und 
weitgereist sein. — Ist mit Senator Klausens Toch 
ter verlobt." — Die letzten Worte sprach er ganz 
leise, daß der Doktor sie nicht hören konnte. — Der 
achtete jedoch überhaupt nicht auf das, was Peter 
mann sagte, denn er sonn wohl über ganz ander« 
Dinge nach. 
Zur üblichen Stunde fand Frau Bökholt sich 
ein, während Christel erst gegen sieben Uhr erschien, 
nur, um Edgar einen guten Abend und eine gute 
Nacht zu wünschen. — Der Herr Kommerzienrat sei 
da und habe sie schon begrüßt, unfreundlich und ver 
drießlich wie immer. Er sehe gar nicht mehr leidend 
aus, berichtete sie. 
Original-Roman von Ludwig Blümcke. 
19) (Nachdruck verboten). 
Ach, die gehörten dem Glücksritter auch nicht mehr. 
Er durfte sie nur noch tragen, damit sein Kredit 
nicht untergraben würde. — Ja, er saß einmal wi 
der eklig in der Klemme, und lediglich, weil niemand 
mehr ein Glücksspiel mit ihm wagte, weder hier, 
noch an anderen Plätzen seiner früheren Tätigkeit. 
— Eigens noch Baden-Baden oder sonstwohin zu 
reisen, um zu Geld zu kommen, das paßte ihm zur 
Zeit schlecht. Er würde es jedoch tun müssen, wenn 
der Kommerzienrat während der nächsten Tage nicht 
kommen sollte. 
An den Nachmittagen pflegte Harald Nielsen 
nicht in das Peterssche Geschäftshaus zu gehen. — 
Was also heute bei dem regnerischen, kalten Wetter 
ansangen, wo Ingeborg ihm entzogen worden war? 
— Ob man Freund Palentini endlich einmal wieder 
einen Besuch abstattete? — Noch war er ja im Stift. 
Gut also! Der Däne begab sich in seine 
hochherrschaftliche Wohnung, legte den Wetterman 
tel an, zog die Kapuze Uber die Ohren und machte 
sich zu Fuß auf den Weg nach dem Helenenstift. — 
Sein Auto wurde gerade repariert, so daß er es nicht 
benutzen konnte. — Auch tat nach dem üppigen Mahl 
und dem reichlich genossenen Rheinwein ein Spazier 
gang in Wind und Wetter recht wohl. Sieh 
da, der alte Kontordiener Richter von Pollmann! — 
Wie eilig der Mensch es hatte! — Sollte etwa ? 
„He, Richter, warten Sie doch mal einen Augen 
blick! — Mensch, ich, hätte nicht geglaubt, daß Sie 
noch so fixe Beine haben!" — Ehe Nielsen ihn noch, 
wie während der letzten Tage wiederholt, gefragt, 
wann sein Ehef heimkehre, stieß er schon mit kurzem 
Atem hervor: 
„Bei uns geht's heute mit Hochdruck! — Da 
könnte man gut vier Deine und acht Arme gebrau 
chen! — Der Chef ist im Anmarsch! — Ein Tele 
gramm ist heute früh angekommen, daß er schon auf 
der Heimfahrt ist und um sechs Uhr vom Bahnhof 
abgeholt zu werden wünscht. — Na, die Gesichter! 
— Aber ich muß laufen, Herr Nielsen!" — 
Fort war er auch schon wieder. Der Däne 
aber atmete erleichtert auf und sagte zu sich selber: 
„Gott sei Dank! — Nun kann noch alles nach Wunsch 
gehen! — Morgen suche icy ihn auf." 
Edgar konnte heute bei dem ungünstigen Wet 
ter sein Zimmer nicht verlassen. Die Witterung übte 
»inen aewaltiucn Einfluß ans seinen Gemütszustand 
XH.'. 1 Ļ 
Als Christel am nächsten Morgen um acht Uhr 
das Hans betrat, in dem sich die Kontorräume der 
Pollmannwerke befanden, da trat Vater Richter ihr 
mit einer furchtbaren Grimasse entgegen und flü 
sterte ihr zu: „Dicke Luft, dicke Luft da drinnen! — 
Seit einer Stunde regiert der Chef schon, und zwar 
so laut, wie seit zwanzig Jahren nicht. — Me hat 
er unseren ersten Chemiker, den Doktor Jansen, 
vorhin heruntergeputzt! — Wie einen dummen Jun 
gen brüllte er das zaghafte Herrchen cm. — Da muß 
wohl !m Laboratorium irgend etwas verkehrt ge 
macht worden sein, daß sich ein Kunde beschwert 
hat. — Na, ich sage Ihnen! — Und Peters kriegte 
auch sein Teil. — Er sei für eine leitende Stellung 
ganz und gar nicht geeignet, hieß es. Wenn man 
nicht jeden Quark allein mache, dann gäbe es nichts 
als Blödsinn. — Auch der Lagerist Wollmonn mußte 
schon, wie die beiden Herren, um sieben Uhr antre» 
ten. Kriegte auch seinen Anschnauzer," — 
Ehr!siel ließ den Geschwätzigen nicht weiter 
reden, sondern betrat mit einem Seufzer voll ban 
ger Ahnung das kleine Kontor, in dem sie ja meist 
mit Pollmann allein arbeitete. — Er saß mit fin 
sterer Miene bereits an feinem Platz, schaute auf die 
Uhr, und hatte auf ihren Gutenmorgengruß nur ein 
kaum merkliches Kopfnicken. — Ins Bläuliche schim 
merte sein rotes Gesicht, die steile Falte zwischen 
den buschigen weißen Brauen und die dicke Ader 
darüber kündeten jedem Eingeweihten ärgste Kampf 
stimmung an. — 
Christel tät ihre Schuldigkeit wie immer. Sie 
kam denn auch an diesem höchst ungemütlichen kriti 
schen Tage erster Ordnung mit ein paar geringfügi. 
gen Tadeln und Nörgeleien glimpflich davon. 
lKortletzune foIftU
	        
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