Full text: Newspaper volume (1930, Bd. 4)

Schleswîg-ķZolstsînîfchS 
Landeszeîtung 
123. Jahrgang. 
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Zreiļgg, den 7. Kssemder 
Lrtwinow „dankte" dem Präsidenten für die durch das 
Verbot der Ueberfetzung in die französische Sprache 
für seine Rede gemachte Reklame. 
Lord Robert Cecil 
sagte, die Ausführungen Bernstorffs und Litwinows 
hätten seinen „Optimismus" schwer erschüttert. Of 
fenbar glaubten diese beiden Vertreter, daß nur ihre 
Staaten allein an der Abrüstung interessiert seien. Das 
sei eine durchaus falsche Einstellung. Sämtliche Mächte 
wünschten heute die Abrüstung, jedoch sei Vorbedin 
gung eine grundlegende Aenderung der Weltlage, die 
nur langsam durchgeführt werden könne. 
Bernstorff 
erklärte, ihm sei es gleichgültig, auf welchem Wege die 
Abrüstung erreicht werde, wenn nur eine wesentliche 
Herabsetzung aller entscheidenden Rüstungsgruppen er 
zielt werde. 
Vom Ausschuß wurde beschlossen, dieses Jahr keine 
Hauptaussprache vorzunehmen, sondern sofort zur ar 
tikelweifen Lesung des vorliegenden Abkommensent 
wurfes zu schreiten. Der Präsident erklärte, daß eine 
neue Prüfung der bereits vom Ausschuß erledigten 
Fragen nicht mehr stattfinden könne, so daß die ent 
scheidenden Fragen der Abrüstung, die bisher im fran 
zösischen Sinne geregelt sind, nicht mehr im Ausschuß 
verhandelt werden. 
Die Deutsche Volkspartei hat im Landtag 
nachstehende Kleine Anfrage gestellt: Mini- 
steriadirektor Dr. Brecht hat in einem Vor 
trag in Lübeck über die Reichsreform vor kur 
zem die Mahnung ausgesprochen, die kom 
menden Länder neuer Art sollten sich in wich 
tigen Fragen der Neugliederung des Reiches 
nicht durch die Ereignisse überraschen lassen 
und den richtigen Zeitpunkt der Mitwirkung 
bei den bevorstehenden Entscheidungen nicht 
verpassen. In der Provinz Schleswig-Hol 
stein hat diese Mahnung Befürchtungen neue 
Nahrung gegeben, die bisher bereits — nicht 
zum wenigsten aus der Stellung und den 
Aufgaben Schleswig-Holsteins als Grenz 
provinz gegen Norden — vielfach entstanden 
waren. Ist das Staatsministerium bereit, 
die entstandenen Besorgnisse wegen der recht 
zeitigen Beteiligung der Provinz an den sie 
berührenden Fragen der Neugliederung des 
Reichs durch bestimmte Erklärungen zu zer 
streuen? 
HmsesMle und MchMsgrm. 
Der volksparteiliche Fraktionsführer Profes 
sor Dr. Dietz hat in der Bremer Bürgerschaft eine 
Anfrage eingebracht, in der gesagt wird: Ist dem 
Bremer Senat bekannt, daß der preußische Be 
vollmächtigte zum Reichsrat, Ministerialdirektor 
Dr. Brecht, in einem Vortrag in Lübeck erklärt 
hat, daß es sicher sei. daß in Norddeutschland Ju 
stiz Polizei, Schulaufsicht und Eewerbeaufsicht in 
höchster Verwaltungsinstanz auch sür die Hanse 
städte in Berlin vereinigt würden? Die Hanse 
städte würden also keine eigenen Justiz-, Polizei- 
und Schuloberbehörden mehr behalten. Ist der 
Bremer Senat in der Lage, Auskunft darüber zu 
geben, ob diese Meinung Dr. Brechts begründet 
ist, und was er getan hat oder zu tun gedenkt, um 
die durch solche Maßregeln drohenden Gefahren 
für Bremen abzuwenden. 
ckttgsveeschlepprrng. — ZmifchenfaK bei der 
Die Enz ander machen Ausflüchte. 
Dorberei- katastrophale Weltlage. 
.ubort^bie wolle nicht einsehen, daß heute die Möglichkeit ei- 
mü.fle sich Krieges näher liege als je. In zahlreichen Er- 
lbrüiiiina ķlärungen der europäischen Staatsmänner sei immer 
earenruna mieber . "'"f den fieberhaften Zustand der Menschheit 
»lbriistuna uni) die sich daraus ergebenden Gefahren hingewiesen 
lolitUcken îoàen. Der Abrüstungsausschuß nehme jedoch in 
. i Hx keiner Weife von diesen Gefahren Kenntnis. Auch 
- innerhalb des Völkerbundes beständen tiefgehende Ge- 
1 . ° m ' gensätze. In Europa befänden sich Minderheiten in 
, Stärke von 40 bis 50 Millionen Köpfen. Das bisher 
î!’ 3^- 'wmer noch nicht gelöste Minderheitenproblem bedeute 
tC ” es gleichfalls eine schwere Gefahr. Die Militärhaushalte 
n dum der europäischen Großmächte seien in den letzten fünf 
Jahren um eine Milliarde Dollar erhöht worden. Der 
Wunsche Abrüstungsausschuß muffe endlich die These der Sicher- 
r,c{t aIs Voraussetzung der Abrüstung beiseite schieben, 
mvsetzung Die Moskauer Regierung habe bereits auf der letzten 
Etappen Tagung eine sofortige 50prozentige Herabsetzung aller 
Rüstungen beantragt. Sämtliche Vorschläge der Mos 
kauer Regierung feien jedoch vom Ausschuß abgelehnt 
worden. Der Ausschuß habe bisher in keiner Weise 
Die Meile von M§ma und Kd'mgsherg. 
Amnestieantrag an Kabinett und Reichspräsident 
Die Präsidenten des Reichslandbundes 
haben ein Schreiben an die Reichsregierung ge 
richtet, in dem unter Hinweis auf die in den 
Begründungen der Gerichtsurteile vvn Al 
tona und Königsberg enthaltenen Feststellun 
gen, daß die Verurteilten in selbstloser Weise 
und vom Drange der Solidarität mit ihren 
notleidenden Verufsgenossen getrieben, ge 
handelt Hütten, um die Vorlegung eines Ge 
setzes gebeten wird, das Straffreiheit für die 
Verzweiflungstaten dieser Bauern und Bau 
ernführer ausspricht. Ein rascher Entschluß 
der Reichsregierung sei umso notwendiger, 
als die Urteile von Altona und Königsberg 
geeignet seien, die Verzweislungsstimmung 
und Unruhe im Lande auf das gefährlichste zu 
steigern. Dem Reichspräsidenten ist der An 
trag des Reichslanöbundes mit einem Be 
gleitschreiben zur Kenntnis gegeben worden, 
in dem cs u. a. heißt, daß der Reichslanöbunö 
in dem Erlaß eines Amnestiegesetzes einen 
Beweis dafür erblicken würde, daß das Elend 
und die Verzweiflung in der Landwirtschaft, 
die zu diesem Unglück geführt hätten, Ver 
ständnis bei den höchsten Stellen des Reiches 
fänden. 
An den Landwirtschaftsverband Ostpreu 
ßen haben die Präsidenten des Reichsland- 
bundes ein Telegramm gerichtet, in dem den 
verurteilten Bauern und Bauernführern 
Sympathie ausgesprochen und von der Stel 
lung des Amnestieantrages für die Verur 
teilten Mitteilung gemacht wird.' 
die 
ergebnislosen fünfjährigen Verhandlungen des 
Ausschusses. 
Obwohl die Möglichkeit bestand, unmittelbar nach der 
Londoner Flottenkonferenz zusammenzutreten, so hat 
sich doch der Ausschuß auf 18 Monate vertagt. Deutsch 
land legt Wert daraus, daß sein Vorschlag über die 
uneingeschränkte Vcrösfentlichung des gegenwärtigen 
Rüstungsstandes aller Länder als Grundlage der kom 
menden Konierenzverhandlungen außerhalb des jetzt 
zur Verhandlung stehenden Abkommensentwurfs erör 
tert wird. Deutschland fordert Klarheit, ob man jetzt 
tatsächlich zum Abschluß der Arbeiten und zur Einbe 
rufung der Abrüstungskonferenz schreiten will. Ein 
wesentlicher Teil der heutigen internationalen Schwie 
rigkeiten ist auf die Verschleppung der Aürüstnngs- 
şrage zurückzuführen Deutschland verlangt daher, daß 
man so schnell wie möglich zu einer entscheidenden 
Hera0>"U"nn sämtlicher Rüstungen schreitet. 
Zu einem 
Zwischenfall 
kam es. als der sowierrussisch-e Außenkommissar Lit- 
w'now rn* d-"- des Graten Vernstorff eine 
umfangreiche schrittlich sestaeleate Erklärung verlas, 
die eine Anklagerede gegen die bisherige Haltung des 
Abrüstungsausschusses darstellte. Er wurde zwar van 
dem Präsidenten mit der Bemerkung unterbrochen, daß 
allgemeine Erklärungen nicht mlässin seien, setzte jedoch 
ungekürzt die Verlesung des Schriftstückes in englischer 
Sprache fort Als der offenbar irauzosemreundlich 
eingestellte Präsident die übliche Ueberietzung der 
Rede in die zweite amtliche Sprache verbot, verließ 
die gesamte internationale Presse zum Protest gegen 
die'es willkürliche Vorgehen des Präsidenten den Saal. 
Ersi nach einiger Zeit gelang es. die Presse zur Wie 
derausnahme ibrer Arbeit zu bewegen, nachdem in 
zwischen die Erklärung Litwinows in französischer 
Sprache verbreitet worden war. 
Litwinow protestierte in seiner Rede dagegen, daß 
die Londoner Flottenkonferenz als eine Lösung der 
Hlonenfrage angesehen werden könne. Der Abrllstungs- 
ausickwk verkenne vollkommen die 
explosionen die Ursache der Katastrophe gewesen seien. 
Wenn die weiteren Ermittlungen zweifelsfrei ergä 
ben. daß die Explosion von oben gekommen sei, dann 
würde man im Grubensicherheitswesen vor völlig neuen 
Fragen stehen. Die deutsche Bergbauindustrie in ihren 
maßgebenden llnterwehmerkreisen wünsche nichts dring 
licher, als daß die Sicherheit in den Gruben auf das 
höchste gesteigert werde. 
Hierauf wurden die beiden von den Deutfchnatio- 
nalen und Kommunisten gegen den Innenminister 
Severing vorliegenden Mitztrauensanträge mit dem 
eingangs mitgeteilten Ergebnis abgelehnt. Gegen die 
Anträge stimmten neben den Regierungsparteien a-uch 
einige ausgeschiedene Kommunisten. 
Abg. Harsch (3.) wandte sich gegen die Kommu 
nisten, die selbst an den offenen Gräbern der Verun 
glückten skrupellose Hetze zugunsten ihrer Partei ge 
trieben hätten, 
Abg. Selbmann (Kom.) widersprach der Behaup 
tung des Ministers, daß die Zahl der Unfälle im Berg 
bau zurückgegangen sei, und protestierte gegen das sog. 
Antreiber- und Ausbeutungssystem. 
Abg. Dr. Losenhausen (DVP.) ttat gleichfalls für 
restlose Aufklärung der Eruüenkatastrophen ein. Schul 
dige müßten zur Verantwortung gezogen werden. Un 
haltbare Verdächtigungen seien aber zurückzuweisen. 
Es fei auch unbegreiflich, wie man sagen könne, sach 
kundige Rettungsleute seien ferngehalten worden. Das 
Auftreten der Kommunisten am offenen Grabe sei auch 
von den Angehörigen der Toten als Taktlosigkeit 
empfunden worden. 
Abg. Pohl (Deutsche Fraktion) trat für weitest 
gehende Unterstützung der Hinterbliebenen ein und 
forderte Einsatz der Wissenschaft, um derartige Kata 
strophen für die Zukunft nach Möglichkeit zu ver 
hüten. 
Abg. Schmidt-Hoepke (Wp.) nahm gegen agitato 
rische Ausnutzung der Maffenunglllcke Stellung. 
Nach Ueberweisung der Anträge zu den Eruben- 
katastrophen an den Handelsausschuß vertagte sich das 
Haus auf Freitag 10 Uhr: Zweite Beratung der neuen 
Kommunalsteuer. 
samer namentlicher Abstimmung mit 229 gegen 196 
Stimmen ab. Für die Anträge stimmten die National 
sozialisten, die Deutschnationalen, die Landvolkpartei, 
die Deutsche Volkspartci, die Wirtschastspartei, die 
Christlich-Sozialen, die Deutsch-Hannoveraner und die 
Kommunisten. 
Ueber den Verlauf der Sitzung sei berichtet: 
Ein sozialdemokratischer Antrag, dem national- 
özialistischen Abgeordneten Lohse schärfste Mißbilli 
gung auszusprechen, weil er seinem Parteifreunde 
Guth am Tage der Reichstagseröffnung di« Landtags- 
leg'itimationskarte ausgehändigt habe, wurde dem Ee- 
chäftsordnungsaus'chuß überwiesen. Es soll im Aus- 
ordnetenleg-itimation verhindert und geahndet werden 
kann Hierauf fetzte das Haus 
die Aussprache über die Erubenlatastrophen 
brt. 
Abg. Fries-Siegen (SPD.), Mitglied der Unter 
suchungskommission für die Alsdorfer Grubenkata 
strophe, schilderte die bei Befahrung der Grube ge 
wonnenen Eindrücke. Auf dem Tisch des Hauses legte 
er zahlreiche bildliche Darstellungen nieder, die ein 
Bild von der furchtbaren Katastrophe vermitteln. 
Wenn auch die Ursache der Explosion noch nicht klar 
erkannt sei. so könne man doch schon sagen, daß die 
Versatzarbeiten auf Grube Anna II nicht ordnungs 
mäßig und rechtzeitig getätigt worden seien. Auch 
könne das Vorhandensein von sehr viel Kohlenstaub 
nicht geleugnet werden. Das sei eine Folge des An 
treibersystems. bas zum Ueberladen der Wagen führte 
Abg. Dr. von Waldthausen (Dn.) erklärte, aus 
SchM? ml gilt smmMs Sons«Ul 
Bei Kämpfen wurden in Santos (Brasilien) 
Schüsse auf das spanische Konsulat abgegeben. Der 
Grund lag in einem Gerücht, wonach sich politische 
Flüchtlinge in dem Konsulat befinden sollten, die 
man auf diese Weise befreien wollte. 
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